Es verwundert daher nicht, daß die KONRADINER
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchten,
im Innern Schwabens Fuß zu fassen und an ältere herzogliche
Traditionen anzuknüpfen. In dieser Richtung wird es zu bewertens ein,
wenn Herzog Hermann II. sich gemeinsam mit seiner Gemahlin Gerberga,
einer Tochter des burgundischen Königs Konrad
(+ 993), in auffälliger Weise an der oberen Donau betätigte.
In der Burg von (Ober-)Marchatl, wo sich Besitz und Macht des alteingesessenen
Geschlechts der von den alten Alamannen-Herzögen abstammenden ALAHOLFINGER
konzentrierte, gründete das Paar in Anlehnung an die frühmittelalterliche
Peterskirche das Stift St. Peter und Paul und stattete es mit sieben Kanonikerpfründen
aus. Mit Graf Adalbert "vom Marchtal" und dessen in Reichenau begrabenem
Sohn "Herzog Bertold" waren die ALAHOLFINGER 973 offenbar im Mannesstamm
ausgestorben, nicht ohne einen guten Teil ihrer Güter dem Bodenseekloster
vermacht und als Seelgerät eingesetzt zu haben. Überdies stiftete
Hermann für "Herzog Bertold" ein Seelgerät an der Marchtaler
Kirche und nannte einen aus seiner Ehe mit Gerberga
hervorgegangenen Sohn "Bertold". Die Burg Marchtal dürfte
mit weiteren alaholfingischen Besitzungen über eine - uns allerdings
im Einzelnen verborgen bleibende - Heiratsverbindung an das Herzogspaar
gelangt sein; anders ist die Gründung des Stifts und vor allem die
Nachbenennung des Sohnes und präsumtiven Nachfolgers Hermanns II.
mit dem ALAHOLFINGER-Namen Bertold kaum zu verstehen. So
ist es durchaus denkbar, daß die vielgesuchte, nicht sicher beim
Namen bekannte Frau Herzog Konrads aus diesem schwäbischen
Familienkreis stammte und den Ansatzpunkt zu solchen, alaholfingischer
Tradition verpflichteten Handeln bot. Bertold, der von den hochberühmten
Abt Gregor, Leiter des ehemaligen konradinischen
Herzogsklosters Einsiedeln, aus der Taufe gehoben wurde, starb
allerdings bereits vor 993 im Säuglingsalter. Offensichtlich beabsichtigte
das Herzogspaar, neben Straßburg, dem "Haupt" des Hermannschen
Dukats, in Marchtal einen weiteren herrschaftlichen Schwerpunkt im
Innern Schwabens zu schaffen. Es ist hier der Versuch erkennbar, der neuen,
aber in der Sicht Hermanns II. gleichwohl alteingesessenen konradinischen
"Herzogsdynastie" einen "Vorort" zu geben. Bei diesem Beginnen wandelte
man in den Spuren der ALAHOLFINGER und vereinnahmte uralte alemannisch-herzogliche
Tradition. Doch war dieser Ansatz wenig Erfolg beschieden, auch wenn es
tatsächlich zu einer Dynastiebildung über drei, oder, falls die
verschwägerten babenbergischen Herzöge mitgezählt werden,
über sechs Generationen kam.
Ihm folgte der nach dem Vorbild des Königtums bereits
zum Nachfolger designierte Hermann II., der sich in den Jahren um
993 im innerschwäbischen Marchtal so auffällig betätigt
hatte. Während über die Beteiligung Herzog Konrads an
dem Regiment OTTOS III. nach dessen
Eintritt in die selbständige Regierung 994 nichts bekannt ist, vor
allem auch nichts über eine Romfahrt anläßlich der Kaiserkrönung
OTTOS 996, begleitete Hermann
wenige Monate nach Konrads Tod den Kaiser auf dessen zweitem Zug
in die Ewige Stadt (997-999). Die Zeitspanne, in der
Kaiser OTTOS selbständige Regierung und Konrads
Herzogtum sich überschnitten, war freilich kurz, und der Herzog mag
in jenen Jahren auch schon im vorgerücktem Alter gestanden und einen
Teil seiner Amtsführung seinem Sohn und designierten Nachfolger Hermann
überlassen haben. Gerade der große Altersunterschied zu dem
"Teenager" OTTO, zu dessen wichtigsten
Autoritätspersonen Konrad ursprünglich zählte, könnte
eine Erklärung liefern. Wie so oft in solchen Fällen kam es mit
der Volljährigkeit des Schutzbefohlenen wahrscheinlich zu einer Distanzierung
von der vaterähnlichen, oder besser: überväterlichen Person,
und es dürfte eine gewisse Entfremdung zwischen OTTO
und Konrad eingetreten sein. Die skizzierten Ereignisse um den schwäbischen
Erbfall der Hadwig, die geeignet waren,
die herzogliche Macht im Lande zugunsten des jungen Königs und Heinrichs
von Bayern weiter auszuhölen,
mögen das Ihre dazu beigetragen haben.
In dem seit 997 sogleich kraftvoll agierenden Hermann
von Schwaben erwuchs dem Bayern-Herzog Heinrich,
Nachfolger Kaiser OTTOS III. ein gewichtiger
Gegenspieler: der erste Thronbewerber aus Schwaben in der Geschichte des
Reiches. Ende des Jahres 1001 [Richtig: 24. Januar 1002] starb der
19-jährige Kaiser völlig unerwartet und wie Heinrich
meldete auch Hermann von Schwaben sogleich einen Anspruch auf die
Krone an. Thietmar berichtet ausführlich von den anschließenden
Ereignissen, die sich nahezu ein halbes Jahr hinzogen und von den Versuchen
der Bewerber, die Fürsten jeweils für sich zu gewinnen. Dabei
war Heinrich, als er den Leichenzug
des Kaisers in Bayern aufhielt, zunächst kein Erfolg beschieden. Der
zog nach der Beisetzung der kaiserlichen Eingeweide im schwäbischen
Augsburg weiter nach Aachen, und dort bettete man an Ostern 1002 OTTO
nach dem Vorbild KARLS DES GROSSEN
inmitten der Pfalzkapelle zur letzten Ruhe. Bei den Aachener Beisetzungsfeierlichkeiten
soll es wiederum Hermann von Schwaben gelungen sein, einen großen
Teil der Fürsten auf seine Seite zu ziehen. Doch Heinrich,
der in Aachen nicht erschien, vermochte wenig später seinen schwäbischen
Konkurrenten auszuspielen und sich von den Großen Frankens, Ober-Lothringens
und Bayerns in Mainz zum König erheben und von Erzbischof Willigis
krönen zu lassen.
An dieser Stelle sind nun die in der Forschung bis in
jüngste Zeit kontrovers diskutierten Probleme um den Vorrang von Erbrecht
oder Wahlerecht bei der Erhebung HEINRICHS II.
zu vertiefen, sondern nur die "schwäbischen" Aspekte noch
kurz in den Blick zu nehmen. Hier ist wichtig, daß bei den Auseinandersetzungen
auch der Besitz der Hl. Lanze eine Rolle spielte, was von dem Chronisten
Hermann sogar absolut gesetzt wird, wenn er sagt: "Herzog
Heinrich nahm die Reichsinsignien an sich und wurde ... König".
Die Begleiter der kaiserlichen Leiche, darunter Erzbischof Heribert
von Köln, ein Verwandter des Schwaben-Herzogs, hatten die Lanze
vorausgeschickt, vermutlich an die Adresse Hermanns, oder, falls
der an OTTOS letztem Italienzug teilgenommen
hatte - was wir nicht wissen - mag Hermann sie selbst an sich
genommen haben und dem Leichenzug vorausgeeilt sein. Die Parallele zur
Überbringung der Lanze an König Rudolf
II. von Burgund als Einladung zur Krönung in Italien ist
nicht zu übersehen (oben Seite 122). Ein entscheidendes Moment für
Hermanns Anspruch auf die Krone dürfte hier zu suchen sein,
verstärkt durch die Ehe mit Gerberga,
einer Schwester des kinderlosen letzten burgundischen Königs Rudolf
III., die ihm gute Aussichten auf das weithin begehrte burgundischen
Erbe eröffnete.
Wenn andererseits die Gegner Heinrichs,
die vermutlich weitgehend mit den Anhängern Hermanns zusammenfielen,
die Eignung des Bayern als König vehement bestritten, scheinen dafür
folgende Argumente maßgeblich gewesen zu sein:
zum einen mangelte es Heinrich
an einem Sohn, und zum anderen verfügte er anfänglich nicht über
die Heilige Lanze, deren Herausgabe er von seinen Gegnern erst erzwingen
mußte.
Aber Heinrich hatte
noch einen Trumpf in der Hand, und dieser sollte letztlich stechen. Er
pochte demonstrativ auf sein erblich begründetes Anrecht auf den Thron,
denn er war ja der nächste männliche Verwandte des Kaisers. Die
burgundische Karte hingegen, über die auch Heinrich
(von Seiten seiner Mutter Gisela, einer
Schwester der Gerberga) verfügte,
brauchte er gar nicht auszuspielen. Der hohen Stellenwert Burgunds im Thronstreit
von 1002 spiegelt sich allerdings ganz deutlich im Kreis der Bewerber,
denn drei von den vier Ernst zu nehmenden Kandidaten, Hermann, Heinrich
und Odo von Champagne, waren jeweils mit einer der drei Schwestern König
Rudolfs - Gerberga, Gisela,
Berta - verbunden.
Bei Hermann, mit dem Schwaben und das Elsaß
an der Jahrtausendwende zeitweise ins "Rampenlicht der Reichsgeschichte"
rückten, hoben die Zeitgenossen ebenso seine Macht wie seine Milde
hervor - beides klassische Herrschertugenden - und betonte so eine grundsätzliche
Eignung zum König. Darin spiegelt sich aber auch, daß der Konflikt
zwischen den beiden Rivalen durch die Krönung Heinrichs
in Mainz nicht endgültig gelöst war. Einerseits erzählen
die Chronisten von einem Plan Hermanns, sich mit Heinrich
auf eine Teilung der Königsherrschaft zu einigen. Auf dieses denkwürdige
Vorhaben spielt HEINRICH selbst an,
wenn es in seinem Diplom vom Januar 1003 für die Bischofskirche Straßburg
heißt, Heinrich sei mit Gottes
Hilfe die einmütige Erhebung durch Völker und Fürsten zuteil
geworden ebenso wie "die erbliche Nachfolge im Königtum ohne jegliche
Teilung". Doch ließ Heinrich
sich nicht auf den Teilungsvorschlag seines Gegners ein, sondern verwüstete
statt dessen im Sommer 1002 Schwaben, um Hermann zu bezwingen. Dieser
wiederum griff im Gegenzug Bischof Werner von Straßburg an, einen
Anhänger HEINRICHS, und plünderte
dessen Sitz, wobei auch das Straßburger Münster Schaden nahm.
Es muß eine besondere Demütigung und Herausforderung für
Hermann bedeutet haben, wenn sich König
HEINRICH zur selben Zeit mitten inm Herzen Schwabens, im Bodenseekloster
Reichenau aufzuhalten und den Herzog aus dieser seiner eigenen Provinz
heraus zu attackieren vermochte.
Und noch eine andere Geschichte machte damals die Runde.
Der redselige Thietmar von Merseburg erzählt sie folgenmdermaßen:
"Der gottesfürchtige und demütige Herzog Hermann von Schwaben
und Elsaß griff gegen HEINRICH
zu den Waffen, verleitet von vielen, denen seine Milde zusagte ... Während
der König am Geburtsfest St. Johannes des Täufers (24. Juni 1002)
auf der Insel Reichenau weilte, meldete ihm plötzlich ein wie so oft
unzuverlässiges Gerücht, Herzog Hermann sei im Anmarsch,
um ihren Streit durch Kampfentscheidung zu beenden; das veranlaßte
ihm zum Aufbruch, um die Ankunft des Herzogs und die Entscheidung Gottes
im Kampf auf einer weiten grünen Ebene zu erwarten. Dort feierte er
das Apostelfest (29. Juni), erhielt aber, nachdem er lange auf die Entscheidung
gewartet hatte, die sichere Nachricht, der Herzog wolle und könne
sein Vorhaben nicht ausführen. Da rieten ihm schlecht beratene Anhänger,
er solle sich mit Konstanz für Straßburg schadlos halten. Denn
Lambert, der Bischof jener Stadt, unterstützte Hermann ebenso
wie Bischof Ulrich von Chur, weniger aus Überzeugung als infolge der
Nachbarschaft seiner Stadt. Doch der gottesfürchtige und seines Erfolges
sichere König verschmähte solche ruchlose Ratschläge; er
suchte stattdessen die Höfe des Herzogs plündern heim, ließ
sich aber schließlich durch die Klagen der Armen zu dem Entschluß
bewegen, nach Franken zurückzukehren". Dort, in Bruchsal, trafen König
und Herzog zusammen und legten ihren Konflikt am 1. Oktober 1002 bei, nachdem
sich Hermann HEINRICH unterworfen hatte.
Der Herrscher kam den berechtigt erscheinenden Wünschen des Herzogs
nach, während dieser versprach, den von ihm in Straßburg angerichteten
Schaden wiedergutzumachen.
Es liegt auf der Hand, daß HEINRICH
noch nach seiner Krönung von Hermann etwas forderte, was dieser
nicht ohne weiteres herauszugeben bereit war. Deshalb begab sich der König
- ungehindert, wie es scheint - mitten in Hermanns Herzogtum, um
diesen in die Knie zu zwingen. HEINRICH
machte damit deutlich, daß er eigentlich auch das Herzogtum Schwaben
für sich selbst beanspruchen und ihm nach Belieben nehmen konnte.
In dieser Lage blieb Hermann nur die Möglichkeit, HEINRICH
mit Gewalt zu begegnen oder sich ihm bedingungslos zu unterwerfen und ihm
zu huldigen. Nach einigem diplomatischen und dilatorischen Vorgeplänkel
wählte Hermann das Zweite. Daß er dabei vergleichsweise
gut wegkam, wird darauf zurückzuführen sein, daß er dem
König das aushändigte, was dieser von ihm verlangte. Das kann
nicht wenig gewesen sein, und schon gar nicht die Straßburger Wiedergutmachung,
denn aufgrund der Einigung in Bruchsal wurde Herzog Hermann Lehnsmann
und Schwurfreund (miles et amicusfidus) HEINRICHS
[20 Annales Quedlinburgenses ad a. 1002, MGH SS 3, Hannover 1839,
Seite 78.]. Eine so hohe Ehre und ein solcher Vorrang bei Hof wie der des
amicus oder amicusfidus regis wurde nur Wenigen zuteil. Allein
als Gegenleistung oder Gnade für die Unterwerfung und Huldigung kann
HEINRICH dies nicht gewährt haben.
Es dürfte dabei um ein unverzichtbares Zubehör der Krone gegangen
sein, das HEINRICH noch fehlte - die
Hl. Lanze! Damit weist Bruchsal im Herbst 1002 auf König
HEINRICHS I. Tag zu Worms 926 zurück.
Diese Ereignisse kurz nach der Jahrtausendwende eröffneten
König HEINRICH infolge des Hinscheidens
Hermanns II. im Mai 1003 zusammen mit der Tatsache, daß
der Herzog nur einen unmündigen Sohn hinterließ, die Möglichkeit,
seine Herrschaft im Südwesten des Reiches voll zur Geltung zu bringen.