BURKHARD
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Necr. B 23.11. "Purchardus dux"
Die Bestimmung dieses Herzogs hat sich als äußerst schwierig erwiesen und bisher zu keinem endgültigen Ergebnis geführt, obwohl der Beleg seit Schmid, Die älteste Geschichte 1 Seite 321f. Anm. 188 und besonders Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches 3 Seite 570 Anm. 1 mit jenem rätischen Grafen Burkhard I. in Verbindung gebracht wird, der im Jahre 911 bei seinem Versuch, die alemannische Herzogswürde zu erlangen, von einem Anselm zum Tode verurteilt wurde. Dieser Zuordnung folgen unter anderem auch Zeller, Salomo III. Seite 87 Anm. 2 und Meyer-Marthaler, Rätien Seite 74 Anm. 190; vgl. auch BM² 2071b. Gründe für diese Zuweisung lieferte jedoch nur Ludwig Schmid. Er zitierte aus dem Reichenauer Necrolog zwei Namen, die zum 23.11. eingetragen sind: "Purhardus dux. Anshelmus ob.", und schließt daraus, daß man "mit Rücksicht auf den mitgenannten Anshelm an jenen Markgrafen von Cur-Rätien" denken müsse, "welcher ... sich 911 zum Herzog von Alamannien hatte aufschwingen wollen und darum von Anshelms ... Hand ... gefallen ist". Der Autor suggeriert also durch das Zitieren der beiden Namen, daß beide Einträge zusammengehören und gibt so eine Hilfe zur Personenbestimmung. Ein Blick in die Handschrift zeigt aber, daß nicht nur der Name Anshelms von einer völlig anderen, späteren Hand als der des Herzogs eingetragen wurde, sondern auch ein weiterer Eintrag ("Eberhardus") zwischen jenem von Burkhard und Anshelm zu stehen kam. Dieser Sachverhalt hätte auch Schmid auffallen müssen, da er nach der Edition von Ferdinand Keller zitiert, in dessen 'Facsimile' der Handunterschied leicht festzustellen ist. Die Handschrift zeigt aber auch etwas anderes: Der Eintrag Burkhards stammt mit Sicherheit nicht von einer Schreiberhand des beginnenden 10. Jahrhunderts; es handelt sich vielmehr um eine Hand des späten 11. oder 12. Jahrhunderts. Dies wird auch durch den handschriftlichen Befund bestätigt, daß insgesamt vier Namen zum 23. und 24.11. von einer einzigen Schreiberhand herrühren, die aber nicht vor 1088 geschrieben haben kann, da unter ihnen auch der 1088 verstorbene Reichenauer Abt Ekkehard II. ist: "Purchardus dux, Eberhardus" (23.11.) und "Eggehardus abb, Ottegeba" (24.11.). Der sicherste Beweis aber, daß es sich nicht um Einträge des beginnenden 10. Jahrhunderts handelt, ergibt sich aus der Tatsache, daß die angesprochenen Einträge auf einem jener Blätter notiert wurden, die erst im späten 11. Jahrhundert an die Stelle der lange vorher verlorenen ursprünglichen Seiten in die Handschrift gelangten. Mit dem zum 23.11. genanntenHerzog Burkhard kann nach all diesen Anhaltspunktzen nicht der rätische Markgraf Burkhard I. (+ 911) gemeint sein. Es ist auch höchst unwahrscheinlich, daß er zum Ende des 11. Jahrhunderts, also fast 200 Jahre nach seinem Tode, nachgetragen wurde, zumal aus dieser ähnliche Fälle in der Reichenauer Necrologführung nicht bekannt sind. Da nun der alemannische Landtag, auf dem das Urteil über den Markgrafen gefällt wurde, im Herbst stattfand und der reichenauer Necrologbeleg zum 23.11. nicht mit Burkhard I. in Verbindung gebracht werden kann, erlangt ein Vorschlag von Böhmer und Mühlbacher (BM² 2071b) an Wahrscheinlichkeit, daß Burkhard am 5.11. getötet wurde, sie hatten dabei das Weißenburger Necrolog im Blick, in welchem es Seite 38 heißt: "Burghartus com. occisus erst". Auch nach den Ausführungen von Maurer, Der Herzog von Schwaben Seite 176f. wäre es ungewöhnlich, daß Burkhards Tod im Weißenburger Necrolog notiert wurde; siehe auch Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches 3 Seite 570 Anm. 1, Wellmer, Persönliches Memento Seite 93ff., bes. Seite 99 Anm. 22, Wollasch, Mönchtum Seite 67 Anm. 208 und Althoff, Unerkannte Zeugnisse Seite 391ff. Auch fügt sich der 5.11. gut in die Chronologie der Ereignisse ein: Erst am 24.9. war Ludwig das Kind gestorben, KONRAD I. aber bereits am 10.11. gewählt worden. Der im Reichenauer Necrolog zum 23.11. genannte Herzog Burkhard kann also keinem bekannten Herzog zugeordnet werden, ja, es ist bisher im 11. und 12. Jahrhundert nicht einmal ein Herzog dieses Namens bekannt. Allerdings ist neuerdings auf einen von Maurer entdeckten, aus spätmittelalterlicher Überlieferung stammenden Beleg eines "Burchardus dux dictus de Nagelton" und einer "ducissa nomine Swanila" hinzuweisen, die bis jetzt aber nicht mit unserem Beleg in Beziehung zu bringen sind; vgl. Maurer, Burchardus dux dictus de Nagelton. Erwähnenswert in diesem Zusamemnhang ist vielleicht folgender Befund: Zwei der vier oben genannten und im Necrolog zum 23. bzz. 24.11. von einer einzigen Hand eingetragenen Namen finden sich als Marginalnotiz in jenem dem jüngeren Totenbuch vorgebundenen Reichenauer Martyrolog zum 24.11. (fol. 152v). Auf Grund der frühneuzeitlichen Seitenbeschneidung sind die Namen jedoch nur noch unvollständig erhalten, doch könnte der Eintrag von einer Schreiberhand wie folgt rekonstruiert werden:
"[Eg]gehardvs
[abba] et Eberhardvs
[com]es".
Sowohl im Necrolog als auch in der Randnotiz kann der
Abt eindeutig mit dem Reichenauer Abt Ekkehard II. (+ 24.11.1088) identifiziert
werden. Eine Ergänzung bietet eventuell lediglich der Grafentitel
Eberhards in der Notiz im Martyrolog, ansonsten gilt auch hier, daß
ein am 23. oder 24.11. gestorbener Eberhard unbekannt ist. Es ist weiterhin
bemerkensweert, daß Burkhard, Eberhard und Ekkehard Namen tragen,
die die typischen Leitnamen jenes Geschlechts ausmachten, dem auch Abt
Ekkehard angehörte, nämlich der NELLENBURGER; zu ihrem Leitnamen
Eberhard siehe auch neuerdings Maurer, Eberhard Seite 290. Sowohl Ekkehards
Großvater Eppo, als auch sein Vater Eberhard der Selige sowie einer
seiner Brüder, der 1075 in der Schlacht an der Unstrut fiel, hießen
Eberhard. Burkhard nannte sich ein Onkel des Abtes und einer seiner Brüder
(Graf Burkhard), der erst um 1105 starb; vgl. Hils, Die Grafen von Nellenburg.
Zwar fallen die bekannten Todestage der genannten NELLENBURGER auf andere
Tage, doch ist ein 'Familieneintrag' durchaus möglich, der außer
Abt Ekkehard die Personen als Lebende aufführt.