Hellmann, S.: Seite 132-133,141,147,148,160,180
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"Die Grafen von Savoyen und das Reich bis zum Ende der staufischen Epoche"

Thomas gehörte 1234 zu den vier Schiedsrichtern, die die Erbstreitigkeiten zwischen Amadeus IV. einer- und seinen Brüdern Aimo und Peter andererseits schlichteten. Thomas wurde von Amadeus aufgestellt, dem er von den Brüdern am nähesten stand.
Gleich seinen jüngeren Brüdern hatte Thomas sich ursprünglich dem priesterlichen Stande gewidmet und es auch zum Kanoniker in Lausanne und Propst von Valence gebracht, war jedoch in seinen Bemühungen, dieses Bistum oder das Erzstift Lyon zu erhalten, gescheitert. Dieser Mißerfolg mag ihm die geistliche Laufbahn verleidet haben. Er ließ sich daher am 19. April 1235 in Susa von Amadeus mit allen dessen Besitzungen von Avigliana abwärts, das heißt in der Poebene, belehnen.
Dank der steigenden Wichtigkeit, welche die italienischen Verhältnisse für das Haus SAVOYEN in den nächsten Jahren gewannen, und die auch Amadeuszu steter Aufmerksamkeit nötigten, hat sich zwischen ihm und Thomas ein besonders enges Verhältnis herausgebildet, das zunächst darin seinen Ausdruck fand, dass ihn Amadeus schon am 23. September 1235 zu seinem Erben in der Grafschaft und Markgrafschaft einsetzte, und zugleich für die Zeit seiner Abwesenheit zu seinem Stellvertreter ernannte.
Zwei Jahre nachdem ihm Amadeus seine italienischen Besitzungen überlassen, hatte Thomas dank seinen italienischen verwandtschaftlichen Verbindungen durch eine Heirat mit der verwitweten Gräfin Johanna von Flandern in den Niederlanden Fuß gefaßt. Johanna, seit 1233 Witwe, wollte eine neue Ehe mit Simon von Montfort eingehen, scheiterte am Widerspruch ihres Lehensherren, des Königs von Frankreich. So mußte sich Johanna am 12. April 1237 zu dem Versprechen bequemen, sich nicht mit Simon zu verehelichen. Ein geeigneter Kandidat fand sich in Thomas von Savoyen, der allen in Betracht kommenden Faktoren hinreichende Bürgschaft zu bieten schien: den Königen von Frankreich und England als ihr Oheim, dem Kaiser, von dem der Graf von Flandern Reichsflandern zu Lehen trug, als Reichsangehöriger. Thomas entschloß sich wirklich zur Heirat mit der nicht mehr jugendlichen Gräfin und leistete im Dezember 1237 zu Compiegne Ludwig IX. die Huldigung für die Grafschaft Flandern. Aufforderungen des Kaisers zum Zuzug nach Italien, die nach der Schlacht von Cortenouva an ihn ergingen, ließ er unbeachtet, warf sich dagegen mit allem Eifer in die Händel, in welchen schon sein Vorgänger Ferrand so große Rührigkeit entfaltet hatte.
Indessen entfaltete Thomas im Dienste seines Bruders die größte Rührigkeit, wobei ihm seine weitverbreiteten Beziehungen zu statten kamen. Von seinem Oberlehnsherrn, dem König von Frankreich, hatte er sich in seinen finanziellen Schwierigkeiten weitgehender Nachsicht zu erfreuen; der Papst erteilte ihm am 17. Februar 1239 die Erlaubnis, mit seiner Gemahlin, trotz Verwandtschaft im 4. Grade, verehelicht zu bleiben, was für Thomas besonders wichtig war, da mit der Ungültigkeit seiner Ehe auch jeder Anspruch auf Flandern für ihn erlosch; endlich erschloß ihm ein kurzer Besuch, den er im August 1239 seinem königlichen Neffen in England abstattete, neue finanzielle Hilfsquellen. Er huldigte Heinrich für seine Lehen - ob für irgendwelche eigene, die er in England besessen haben könnte oder diejenigen seines Vorgängers Ferrand, ist nicht gewiß - und erhielt dafür 500 Mark bar und ebensoviel als jährliche Rente zugesichert, außerdem einen Zoll von vier Denaren auf jeden Sack Wolle, der von England nach Flandern ausgeführt wurde. Er sah sich dadurch in den Stand gesetzt, nach seiner Rückkehr in Flandern ein Söldnerheer anzuwerben und damit den Krieg gegen Bischof Otto von Lüttich zu eröffnen. Der Herzog von Brabant und seine Verbündeten führten den Krieg gegen Thomas mit soviel Nachdruck, daß sich Ludwig von Frankreich zum Einschreiten genötigt sah.
Nach der Inthronisierung Rudolfs als Bischof von Lüttich hatte Thomas einige Zeit lang Ruhe gehalten und in Flandern geweilt. Wie bereits bemerkt, hatte er sich dann 1242 an dem englisch-französischen Krieg beteiligt, wird jedoch durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen davor bewahrt geblieben sein, von seinem Oberlehensherrn zur Verantwortung gezogen zu werden. Er kehrte nach Flandern zurück und unternahm im Herbst einen Einfall nach Brabant, begnügte sich aber damit, die Besitzungen des Abtei Ninoves zu verheeren und den Ort Pamele niederzubrennen, worauf er zurückging. Nachdem er Ende des Jahres mit seiner Gattin und seiner Schwester Beatrix von Provence am französischen Hofe eingetroffen und dann zu einem kurzem Besuch nach England gegangen war, erschien er plötzlich am 23. Juni 1243 mit 100 Rittern beim Heere König Enzios, der soeben die Belagerung von Olubra begonnen hatte. Enzios Zug gegen Vercelli mißlang und Thomas wurde überdies noch von Georg von Montelongo exkommuniziert. Er kehrte im August, wahrscheinlich nachdem er noch an Enzios Verwüstungszug in das Gebiet des Markgrafen von Montferrat teilgenommen, in das savoyische Gebiet zurück und betrieb mit Eifer seine Aussöhnung mit der Kurie. Innocenz IV. machte ihm die Rückkehr leicht: er bestätigte Thomas im Dezember 1243 nicht nur die Schenkung einer lebenslänglichen Rente von 6.000 Pfund, die ihm seine Gemahlin das Jahr vorher ausgesetzt hatte, sondern erteilte ihm auch, um abermalige Unannehmlichkeiten seitens der Organe der Kurie in Zukunft für ihn auszuschließen, das Privileg, dass es spezieller päpstlicher Erlaubnis bedürfe, um ihn oder seine Gemahlin mit der Exkommunikation oder ihr Land mit dem Interdikt zu belegen.
Die kuriale Richtung, welche das savoyische Haus eingeschlagen hatte, erfuhr noch schärfere Betonung, als Thomas wenige Monate nach der Durchreise des Papstes aus Flandern, wohin er einige Zeit nach seiner Teilnahme an Enzios Expedition gegangen war, nach Italien zurückkehrte. Am 5. Dezember 1244 war seine Gemahlin Johanna kinderlos gestorben; die Grafschaft fiel somit an ihre Schwester Margarethe von Dampierre, und Thomas, von seiner Gemahlin übrigens mit einer reichlichen Rente auf Lebenszeit bedacht, sah sich genötigt, nach Italien zurückzukehren, wo ihm Amadeus am 16. Juli 1245 die 1235 geschehene Belehnung mit seinen italienischen Besitzungen bestätigte und wiederholte. Thomas war von vornherein entschlossen, die Sache der päpstlichen Politik, wie bisher in Flandern, so auch in Piemont zu verfechten, und hat der Kurie vielleicht persönlich seine Dienste angeboten. Demgemäß erließ Innocenz am 6. und 7. Februar 1245 an Gregor von Montelongo und die Mailänder gleichlautende Schreiben, in welchen er ihnen Thomas als getreuen Anhänger der Kirche empfahl und sie aufforderte, demselben erforderlichen Falles ihre Unterstützung zu gewähren.
Erfolge in Piemont waren Thomas seit seiner Rückkehr aus Flandern nicht mehr zuteil geworden, die Erwerbung von Pinerolo abgerechnet, das sich ihm am 12. März 1246 unterworfen hatte. Dagegen versprachen ihm die kaiserlichen Verleihungen jetzt bedeutenden Gebietszuwachs; von besonderer Wichtigkeit war dabei die Erwerbung von Turin, welche die savoyische Politik seit nunmehr 150 anstrebte, und jene von Ivrea. Wichtiger als solche nicht ganz gesicherte Erwerbungen war zweifelsohne die Verleihung des Reichsvikariats von Pavia aufwärts, mit dessen Übertragung an Thomas FRIEDRICH von seiner bisher geübten Praxis abwich. Im Juni 1249 nahm der Kaiser mit Thomas' Amtsstellung insofern eine Änderung vor, als er ihn zum Generallegaten von Lambro aufwärts ernannte und ihm zugleich das Amt des Präsidates verlieh. Veranlaßt war die Erweiterung von Thoams'Kompetenz möglicherweise durch die Gefangennahme Enzios durch die Bolognesen (26. Mai). Freilich reichte Thomas Arm nicht über seine nächste Nachbarschaft hinaus, zunächst beschäftigte ihn der Süden von Piemont.