Richenza von Northeim – Erbin von Harsefeld?
von Dieter Riemer

Ida von Elsdorf
Richenza von Northeim
Königshof Harsefeld
Haupthof Hittfeld
Haupthof Ahlerstedt
Oda von Werl
Otto von Northeim
Richenza eine Ezzonin?
Kloster Kemnade
Udonen in Harsefeld
Ekbertiner, Cobbonen und Liudolfinger
Herkunft der Billunger
Grafen von 811
Billunger von 860 bis 935
Versuch einer billungischen Stammtafel
Erbgut in Westfalen
Zwischenergebnis
Ekbert d.J.
Brunonen
Vogt und Graf Amelung von Paderborn
Wichmann III.
Wichmann IV.
Kloster Corvey
Lothar von Supplingenburg
Adela von Beichlingen
Siegfried IV. von Boyneburg
Ravensberger
Kloster Rastede
Wildeshausen
Tecklenburger und Zupthener
Osnabrücker Hochvogtei
Eilika von Oldenburg
Zusammenfassung



1061 wurde Graf Otto von Northeim mit dem Herzogtum Bayern belehnt. 1997 begründete Schubert, daß Otto von Northeim diesen Aufstieg seiner Heirat mit Richenza, der Witwe Hermanns III. von Werl, verdanke: "Vor allem: Richenza war die Tochter des 1047 verstorbenen Herzogs Otto von Schwaben."

Zeitgleich hat sich Wolf mit Otto von Northeim befaßt. Er vermutet in den NORTHEIMERN eine Seitenlinie des Hauses LUXEMBURG und sieht hierin den Grund für die Erhebung Ottos zum Herzog von Bayern. Auf die Herkunft von Ottos Frau Richenza geht er nicht ein.

Schubert belegt sein genealogisches Argument nicht. Er hat es von Kimpen übernommen, der 1933 erstmalig die Ansicht vertrat, Otto von Northeim sei wegen seiner Heirat mit Richenza, einer Tochter Ottos von Schwaben, Herzog von Bayern geworden. Kimpen suchte seinerzeit zu begründen, warum Siegfried von Ballenstedt die Pfalzgrafschaft der EZZONEN erhielt. Diese Würde habe er seiner Frau Gertrud, der Tochter Heinrichs von Northeims und Gertruds von Braunschweig, zu verdanken, welche nach Siegfrieds Tod Otto von Rheineck heiratete, der ebenfalls Pfalzgraf wurde. Da Heinrichs Mutter Richenza hieß, hielt Kimpen diese für eine Tochter des Pfalzgrafen und späteren Herzogs von Schwaben Otto II., dessen Schwester namens Richeza polnische Königin wurde. Schon eine Ahnfrau der EZZONEN habe Richwara geheißen. Richenzas Nachkommen aus beiden Ehen hätten Güter um Arnsberg und um Stade besessen. Hierbei handele es sich um Erbgut der Richenza nach ihrem Vater Otto, der als Nachkomme der LIUDOLFINGER in beiden Gegenden begütert gewesen sei. In der Nähe des STADER Erbgutes sei auch die ausdrücklich als Schwäbin bezeichnete Ida von Elsdorf begütert, die eine ihrer Töchter Richenza und eine andere Oda nannte. Da Richenza aus ihrer ersten Ehe mit Hermann III. von Werl eine Tochter Oda hatte, die den Stader Grafen Luder-Udo II. heiratete, sah Kimpen in Ida von Elsdorf eine weitere Tochter Herzogs Otto II. von Schwaben.
     
               Otto II. v. Schwaben
                                               
Ida v. Elsdorf  Hermann III. v. Werl ∞ Richenza ∞ Otto v. Northeim
                                                        
Oda + Richenza + Ebbert             Oda ∞ Udo II. v. Stade

Während Kimpen seine Auffassung 1955 stillschweigend aufgab, folgten ihr 1956 Hucke, 1958 Lange, 1975 Scheper und 1984 sowie 1995 - nunmehr einschränkend - Schulze. Abgelehnt wurde Kimpens alte Hypothese 1966 von K. Schmidt und 1976 von Wenskus.


Ida von Elsdorf

Seit Jahrhunderten wird über die Herkunft der Ida von Elsdorf gerätselt. Nach Albert von Stade war sie die Tochter eines Bruders Kaiser HEINRICHS III. sowie die Tochter einer Schwester des Papstes Leo IX. - vormals Bruno - aus dem Hause der Grafen von Egisheim. Außerdem wird sie als geborene Schwäbin bezeichnet.

Vollblütige Brüder Kaiser HEINRICHS III. sind nicht bekannt. Seine Mutter Gisela war vor ihrer Ehe mit Kaiser KONRAD II. mit dem Grafen Bruno von Braunschweig sowie mit Herzog Ernst I. von Schwaben verheiratet. Aus der Ehe mit Bruno stammt Ludolf von Braunschweig und aus der mit Herzog Ernst I. seine Söhne Ernst II. und Hermann IV. von Schwaben. Es ist umstritten, ob Gisela um 990 oder 999 geboren wurde. Auch die Reihenfolge ihrer ersten beiden Ehen und die wahrscheinlichen Geburtsdaten ihrer Söhne aus diesen Ehen sind Gegenstand langjährigen Gelehrtenstreits.

Einigkeit besteht darüber, daß Herzog Hermann IV. von Schwaben (1030-1038) nicht der Vater der Ida von Elsdorf sein dürfte, da er mit keiner Schwester des Papstes Leos IX., sondern mit Adelheid von Turin verheiratet war und wohl kinderlos verstarb.  

Wegen des Hinweises auf die schwäbische Herkunft wurde daher zunächst ab 1745 sein älterer Bruder Ernst II. von Schwaben (1015-1030) für den Vater der Ida gehalten. Da dessen Tod sein Stief-Vater Kaiser KONRAD II. damit kommentiert haben soll, daß bissige Hunde selten Junge hätten, wurde ab 1875 angenommen, daß er kinderlos verstarb und damit als Vater der Ida nicht in Betracht käme.

Krause begründete 1875 die heute herrschende Meinung, daß Ludolf von Braunschweig - der dritte Halb-Bruder Kaiser HEINRICHS III. - der Vater der Ida von Elsdorf sei. Ludolf von Braunschweig sei in erster Ehe mit einer unbekannten Gräfin von Egisheim verheiratet gewesen.  


NN. v. Egisheim ∞ Ludolf v. Braunschweig ∞ Liutgard/Gertrud

                            
                     Ida v. Elsdorf               Bruno         Ekbert I.


Ahrens war 1876 der Meinung, der Vater der Ida könnte keiner der bekannten drei Stief-Brüder des Kaisers gewesen sein. Er wies darauf hin, daß die einzige bekannte weltliche Schwester des Papstes die Gattin des Grafen Adalbert I. von Calw und Mutter von Graf Adalbert II. von Calw war, deren Tochter die Ida von Elsdorf dann sein müsse.

                            NN v. Egisheim
 
    Adelheid                                       Hugo IV. v. Egisheim
                                              
Kaiser Konrad II.                              Hugo VI. v. Egisheim
                                                                
Kaiser Heinrich III.                     Papst Leo IX.      Schwester NN ∞ Graf Adalbert v. Calw
                                                      
                                                                                                 Ida v. Elsdorf
    

Gisi setzte 1887 erstmalig Ida von Elsdorf mit einer Ida von Sachsen und Birkendorf gleich, die vor 1080 zusammen mit Herzog Rudolf von Rheinfelden, einem Grafen Otto und seinem Sohn Friedrich, Graf Ekbert von Sachsen, Tuto von Wagenhausen und Hezelo, dem Vogt des Klosters Reichenau, das Gut Schluchsee dem Kloster St. Blasien übertrug. Er hielt Graf Bruno von Braunschweig für ihren Großvater, der wiederum der Sohn eines Ekbert sei, welcher nach der WELFEN-Genealogie Markgraf von Stade und ältester Sohn eines Grafen Kuno von Öhningen gewesen sein soll.

                           Kuno v. Öhningen
                                    
               Ekbert v. Öhningen, Markgraf v. Stade
                                  
                       Bruno v. Braunschweig
                                   
                       Ludolf v. Braunschweig
                      
Ida v. Elsdorf              Bruno                    Ekbert I.

Brandenburg meinte 1928, es sei vergebliche Mühe, die Herkunft der Ida von Elsdorf bestimmen zu wollen. Zu demselben Ergebnis kam 2000 Brüsch.

Dobbertin entwickelte ab 1962 eine Variante, daß es einen friesischen Grafen Ekbert nichtehelicher Herkunft gegeben habe, welcher der Stief-Sohn des Herzogs Konrad I. von Schwaben gewesen sei.

 Konrad  [∞]  Richlint  ∞  Kuno v. Öhningen/Konrad v. Schwaben
                                                       
             Ekbert                                       Hermann II. v. Schwaben
                                                       
                                       Bruno v. Braunschweig ∞ Gisela
                                  
  Gottschalk ∞ Gertrud ∞ Ludolf v. Braunschweig
                                                              
              Ida v. Elsdorf     Bruno             Ekbert I.


Nachdem Graf Kuno 1980 aufgrund einer Eintragung im Verbrüderungsbuch des Klosters Reichenau - bei der ein Sohn Ekbert fehlt -  mit dem späteren Herzog Konrad I. von Schwaben identifiziert wurde, wird heutzutage meist folgende Konstruktion vertreten:  

                                Kuno v. Öhningen = Hzg. Konrad v. Schwaben
                                                                
                                       Herzog Hermann II. v. Schwaben
                                                              
         Bruno v. Braunschweig ∞ Gisela v. Schwaben
                                                   
                                     Ludolf v. Braunschweig ∞ Gertrud v. Egisheim
                                                                            
                                  Ida v. Elsdorf                Bruno                Ekbert I.


1981 entwickelte Faußner eine an Dobbertin angelehnte Theorie zur Herkunft der Ida von Elsdorf.

Kuno v. Öhningen/Konrad I. v. Schwaben ∞ Ida v. Schwaben
          
 Ezzo ∞ Richenza                                     Hermann II. v. Schwaben
                                                                                       
                                 Bruno v. Braunschweig ∞ Gisela v. Schwaben                         

     Ekbert (?) ∞ Gertrud v. Egisheim ∞ Ludolf v. Braunschweig
                                                                                           
               Ida v. Elsdorf           Bruno      Ekbert I.

Eine Auseinandersetzung mit den Theorien über die Herkunft der Ida von Elsdorf ist hier nicht notwendig.

Gegen die eingangs referierte These Kimpens, daß Ida von Elsdorf eine Tochter des EZZONEN Herzog Otto II. von Schwaben sei, ist eingewandt worden, daß dieser unverheiratet war und keine Kinder gehabt habe. Außerdem war er kein (Halb)-Bruder Kaiser HEINRICHS III., so daß Kimpens Ansicht nicht mit den Angaben bei Albert von Stade zu vereinbaren war.


Richenza von Northeim

Daß damit auch die Herkunft der Richenza wieder offen ist, wurde bisher übersehen.

Trotz der gegenteiligen Auffassung der EZZONEN-Kennerin Lewald wird weiterhin überwiegend vertreten, daß Richenza, die Frau Ottos von Northeim, eine EZZONIN und die Tochter des lothringischen Pfalzgrafen und späteren Herzogs Otto II. von Schwaben sei. Da Herzog Otto II. über seine Mutter von den LIUDOLFINGERN abstamme, habe er im Raum Stade Erbgut gehabt, welches über seine Tochter Richenza an die NORTHEIMER gelangt sei.

Über Richenza selbst gibt es nur wenige Quellen.

Lambert von Hersfeld erwähnt zu 1070, daß König HEINRICH IV. im Feldzug gegen Otto von Northeim nach der Übergabe der Burg Desenberg bei Warburg sein Heer gegen die reichen Besitzungen von Ottos Frau führte.

Zu 1082 meldet der Annalista Saxo den Tod von Markgraf Udo von Stade. Er erwähnt des Markgrafen Frau Oda und deren Herkunft als Tochter von Hermann (III.) von Werl und der Richenza. Er berichtet weiter, daß Richenza nach dem Tode des WERLERS Otto von Northeim heiratete und diesen die drei Söhne Heinrich der Dicke, Siegfried von Boyneburg und Kuno von Beichlingen gebar. Auch werden drei Töchter erwähnt, von denen aber nur Ethelinde namentlich benannt wird, welche Herzog Welf von Bayern verstieß und anschließend Hermann von Kavelage, der Stammvater der RAVENSBERGER, heiratete. Die jüngste Tochter heiratete Graf Konrad von Werl-Arnsberg. Soweit der Name dieser Tochter mit Mechthilde oder Mathilde vermutet wird, handelt es sich um eine Verwechslung mit der Gattin eines Grafen Konrad von Arnsberg-Rietberg aus dem 13. Jahrhundert. Über die mittlere Tochter fehlt eine Nachricht beim Annalista Saxo.

Die Jahrbücher von Magdeburg melden zu 1110 den Tod der Markgräfin Oda, Tochter der Richenza. Sie ergänzen den Annalista Saxo um den Namen der zweiten Halb-Schwester Ida und die Nachricht, daß diese Thiemo von Wettin heiratete.

Die vermutlich erst um 1649/71 durch den letzten Erzabt Bandex geschriebene Chronica Ecclesiae Rosenfeldensis seu Hassefeldensis beginnt vor der eigentlichen Geschichte des Klosters Harsefeld mit Nachrichten über Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen und Otto von Northeim. Letzterer habe die Mutter der Markgräfin Oda geheiratet und mit ihr die drei Söhne Heinrich der Dicke, Kuno von Beichlingen und Siegfried von Boyneburg. Von den Töchtern werden keine Namen, aber als deren Abkömmlingen die WETTINER, die ARNSBERGER bzw. OLDENBURGER und die RAVENSBERGER erwähnt. Eine erstmalig erwähnte vierte Tochter Ottos von Northeim soll sich mit einem Unfreien eingelassen haben. Obwohl bei den Kindern an einer Identität kein Zweifel bestehen kann, nennt die Chronik die Frau Ottos von Northeim nicht Richenza, sondern Ida. Hucke sah in dieser Verwechslung ein Indiz für die angebliche Schwesternschaft zwischen Richenza und Ida von Elsdorf. Dabei läßt er unberücksichtigt, daß die Harsefelder Chronik auch behauptet, Graf Ekbert, der Sohn der Ida von Elsdorf, sei mit einer Stief-Tochter des Herzogs Otto von Northeim verheiratet gewesen. Dann müßte seine Frau eine weitere bisher unbekannte Tochter der Richenza sein, und Graf Ekbert hätte bei einer Schwesternschaft zwischen Richenza und Ida von Elsdorf eine Tochter seiner Tante mütterlicherseits geheiratet, was ausgeschlossen wäre. Damit können die genealogischen Irrtümer des Klosterchronisten aus dem 17. Jahrhundert nicht zugunsten der These von Kimpen, Hucke und Lange herangezogen werden. Entgegen der Auffassung von Hucke hat dem Harsefelder Chronisten keine alte Chronik vorgelegen, die eine bessere Quelle als Albert von Stade gewesen wäre. Erzabt Bandex als mutmaßlichem Verfasser war ebensowenig wie Albert von Stade die Chronik des Thietmar von Merseburg bekannt. Thietmars Mutter war eine UDONIN gewesen und hatte ihn 994 nach Harsefeld geschickt, damit er den Wikingern als Geisel zur Auslösung ihres Bruders Graf Siegfried II. gestellt werden könnte. Die Flucht seines Oheims bewahrte ihn vor diesem Schicksal.

Lange vermutete aufgrund der Eintragung Otto puer ducis Ottonis et Rixa für den Monat Februar im Nekrolog von St. Blasien in Braunschweig wohl zutreffend, daß Otto von Northeim und Richenza noch einen weiteren Sohn namens Otto hatten, der als Kind verstarb.

Die Lebensdaten der Richenza sind unbekannt. In dem Nekrolog von St. Blasien in Braunschweig ist nur der Todesmonat zu finden: In Martio: Rikce ducissa ob. uxor ducis. Von ihren Familienangehörigen ist bekannt, daß ihr zweiter Mann Otto von Northeim 1083 und ihre Tochter aus erster Ehe Oda 1110 starben. 1101 wurde ihr Sohn Heinrich und 1103 ihr Sohn Kuno erschlagen, während ihr Sohn Siegfried 1107 starb. Anhand dieser Daten wird vermutet, daß sie um 1040 jung Hermann von Werl und nach dessen Tod um 1050 Otto von Northeim heiratete. Da sie bei Verfügungen ihres zweiten Ehemannes und ihrer Kinder über ihr mutmaßliches Erbgut nicht erwähnt wird, ist wahrscheinlich, daß sie vor 1082 verstarb.

Bei Albert von Stade und in der Harsefelder Chronik wird berichtet, daß die drei Söhne Ottos von Northeim und der Richenza jeweils einen Haupthof in der Umgebung von Stade hatten, und zwar

- Heinrich der Fette in Ahlerstedt (s. Harsefeld)
- Kuno von Beichlingen den Königshof in Harsefeld
- Siegfried von Boyneburg in Hittfeld (s. Harburg).


Königshof Harsefeld

Am meisten ist über den Königshof in Harsefeld bekannt. Folgt man den beiden Chroniken, gründete Graf Kuno das Kloster Katlenburg und stattete es mit dem Königshof aus. Nach der - verfälschten - Gründungsurkunde wurde das Kloster jedoch 1105 durch Dietrich III. von Katlenburg und seine Frau Adela von Beichlingen, die Tochter Kunos von Beichlingen, gegründet. Letztere gab dem Kloster aus ihrem Erbgut den Haupthof Harsefeld und 53 Hufen, die zu den Pertinenzen des Haupthofes gehören dürften:

Adiga                       Adiek (ö. Zeven)                                  2
Aldenthorp               Grundoldendorf (ö. Harsefeld)            3
                                ? Oldendorf (nö. Hollenstedt)
Athelwordesburstel  Wohlesbostel (nw. Hollenstedt)          3
Cacamannesthorp    Kakenstorf (sö. Hollenstedt)               2
Dolnere                     Dollern (n. Harsefeld)                         3
Glusinge                   Todtglüsingen (s. Hollenstedt)           Vorwerk
Growine                    Wüstung ö. Harsefeld                         6
                                 ? Grauen (nö. Hollenstedt)
Hersuelde                 Harsefeld                                           Hof mit Viehhaus etc.
Holdenstide              Hollenstedt (s. Moisburg)                    2
Keccinthorp              Ketzendorf (nö. Hollenstedt)               1
Oddenebutli             Ohlenbüttel (nö. Hollenstedt)               1
Ordesen                   Ohrensen (nw. Harsefeld)                   5
Ozstide                    Tostedt                                                 1
Ristede                    Rüstje (n. Harsefeld )                           3
Spoccincla               Sprötze (sö. Hollenstedt)                     2
Stenbice                 Steinbach (ö. Harsefeld)                       1
                               ? Steinbeck (ö. Hollenstedt)
Stenne                   Stemmen (sw. Tostedt)                          1
Suwensic                Sauensiek (w. Hollenstedt)                   2
Thorne                    Dohren (n. Tostedt)                               1
Tintine                    Wüstung Inten (nö. Harsefeld)               5
Toteshorne             Todtshorn (sö. Tostedt)                         2
Trintla                     Trelde (sö. Hollenstedt)                         2
Volcerecampe        Kampen (sö. Tostedt)                            2
Wagersen              Wangersen (sw. Harsefeld)                   2
Wintla                    Fintel (s. Tostedt)                                   1

Der Verbleib der Güter ist entgegen früher geäußerter Ansichten bekannt. Beide Chroniken berichten, daß der aus der Ministerialität der UDONEN aufgestiegene Graf Friedrich von Stade den Haupthof Harsefeld erst vom Kloster Katlenburg anpfändete und ihn dann kaufte, um ihn schließlich dem Kloster Harsefeld zu übertragen.

Fraglich ist allerdings, in welchem Umfang das Kloster Harsefeld diesen Güterbesitz halten konnte. Ein erheblicher Anteil gruppierte sich in einem Radius von ca. 10 km um Hollenstedt und gehörte höchstwahrscheinlich zu dem Gogericht Hollenstedt, mit dem neben dem Go Hittfeld und den Inseln Gorieswerder und Finkenwerder 1236 Herzog Otto von Braunschweig durch Erzbischof Gerhard II. von Bremen als Abfindung von Lehnsansprüchen belehnt wurde.




Haupthof Hittfeld

Der Haupthof Hittfeld wurde von Siegried von Boyneburg auf seinen gleichnamigen Sohn vererbt, in dessen Güterverzeichnis der Hof als curia in Heitfelde cum attinentys aufgeführt wurde. Nach Albert von Stade und der Harsefelder Chronik schenkte Siegfried IV. von Northeim-Boyneburg den Hof dem von ihm gegründeten Kloster Amelungsborn (bei Holzminden). Nach den Chroniken verkaufte der Abt den Hof ohne Zustimmung des Konvents an Herzog Heinrich den Löwen. Als der halbe Kaufpreis gezahlt war, kam die Sache auf und der Abt floh, doch der Herzog nahm den Haupthof mit seinen Gütern an sich.

Abweichend von dieser Überlieferung ist eine Urkunde des Löwen vom 25. Juli 1156 bekannt, nach der sein Verwandter Siegfried den Haupthof Hittfeld dem Kloster Amelungsborn für sein Seelenheil überlassen habe. Der Herzog habe das Erbgut für 375 Mark Silber zurückgekauft und dabei für 40 Mark dem Kloster statt Silber sieben Hufen in Erzhausen gegeben. Die Urkunde kann die - ggf. erzwungene - Einigung des Klosters mit dem Herzog beinhalten. Vermutlich verschwand der Abt mit einem Teil des Kaufpreises, aber das Kloster mußte sich dessen Veruntreuung zurechnen lassen.

Der Umfang des Haupthofes Hittfeld kann nur geschätzt werden. Wenn beim Tausch eine Hufe ca. mit 5 2/3 Mark bewertet wurde, entspräche der Kaufpreis ca. 65 Hufen. Geht man davon aus, daß der Haupthof im Gegensatz zu den Hufen bebaut war, zumindest die wertvolleren Gebäude (Kapelle, Bergfried, Wälle u.ä.) hatte, werden zum Haupthof Hittfeld ähnlich viel Hufen (53) wie zum Haupthof Harsefeld gehört haben.

In den späteren Registern des Klosters Amelungsborn wurde der Hof Hittfeld noch aufgelistet. Es dürften nur noch Ansprüche gewesen sein, die nicht mehr durchsetzbar waren, nachdem sich Herzog Otto von Braunschweig 1236 mit dem Gogericht Hittfeld belehnen ließ.

Die Welfen scheinen mit den Gütern dieses Haupthofes insbesondere die Familien Estorf und Grote belehnt zu haben, die nördlich von Hittfeld in Emmelndorf, Sinstorf, Marmstorf, Wilstorf und Moorburg begütert waren.

Auch das Kloster St. Blasien in Northeim hatte Besitz bei Hittfeld sowie bei Harsefeld, welcher nach der Überlieferung auf den letzten NORTHEIMER Siegried IV., den Sohn Siegfrieds von Boyneburg, zurückging.


Haupthof Ahlerstedt

Über den Haupthof Ahlerstedt, den der älteste Sohn Heinrich der Fette besaß, ist nichts bekannt. Ahlerstedt liegt ca. 6 km südwestlich von Harsefeld, so daß höchstwahrscheinlich ein Gemengelage mit dessen Hufen bestand.
Nach dem Vörder Register, welches um 1500 entstand, gehörten zu der Börde Ahlerstedt die Dörfer und Höfe Ahlerstedt, Klethen, Ottendorf, Bokel, Ahrenswohlde, Wangersen,  und Hohenhausen (alle s. Ahlerstedt). Mit der unmittelbar anschließenden Börde Bargstedt, zu der Oersdorf, Wohlerst, Kakerbeck, Hollenbeck, Brest, Bargstedt, Ohrensen, Deinste, Helmste, Rüstje und Dollern (von Süden nach Norden) zählten, bestand zu dieser Zeit ein gemeinsames Gericht, welches der in Brest wohnende Gogreve des Erzstifts Bremen verwaltete.

Erbin des Haupthofes Ahlerstedt wird Graf Heinrichs Tochter Richenza, die Frau des späteren Kaisers LOTHARS VON SUPPLINGENBURG, gewesen sein. LOTHAR VON SUPPLIMGENBURG unterstützte ab 1112 den aus der Ministerialität aufgestiegenen Grafen Friedrich von Stade gegen die UDONEN und ließ vermutlich von ihm das Erbgut seiner Frau verwalten. Das erklärt vielleicht, warum der Kaiser ein Jahr nach dem Tode Friedrichs 1136 dessen auf dem Altar des Klosters Harsefeld hinterlegte Vermögen von 600 Mark an sich nahm.

Vielleicht sind die Güter des Haupthofes Ahlerstedt unter der Ausstattung der Burg (Bremer)vörde zu suchen, welche nach Albert von Stade durch LOTHAR VON SUPPLINGENBURG im Zusammenhang mit der Unterstützung des Grafen Friedrich gegen die UDONEN erbaut wurde. Dafür spricht, daß nach dem Vörder Register fast die gesamte Börde Ahlerstedt - bis auf einen Einzelhof Kohlenhausen des Klosters Harsefeld und einige Zehnten des Kapitels in Ramesloh - zu den Gerechtigkeiten des Erzstifts bzw. der Burg Vörde zählte, während das bei der Börde Bargstedt keinesfalls so umfassend der Fall war.


Oda von Werl

Die schon erwähnte Chronik des Klosters Harsefeld bzw. Rosenfeld wurde höchstwahrscheinlich um 1649/71 nach heute nicht mehr erhaltenen Urkunden und anderen Unterlagen zusammengestellt. Merkwürdig erscheint auf den ersten Blick, daß die Chronik mit Nachrichten über Erzbischof Liemar und dessen Sippe, über Otto von Northeim und dessen Familie, Ottos Absetzung als Herzog von Bayern und die Nachfolge in diesem Amt durch seinen ehemaligen Schwieger-Sohn Welf sowie die Beziehungen der NORTHEIMER zur Kirche in Harsefeld beginnt. Erst dann folgt, zeitlich wieder auf die Jahrtausendwende zurückgehend, die Genealogie der UDONEN von Graf Heinrich dem Kahlen bis zu Erzbischof Hartwig I. von Bremen. Der  mutmaßliche Verfasser, der letzte Erzabt Bandex, wird bei seiner Vertreibung oder Flucht aus dem Kloster dessen Archiv mitgenommen haben. Höchstwahrscheinlich waren die ältesten und damit aus seiner Sicht wertvollsten Stücke des Archivs Urkunden, die Otto von Northeim der Kirche in Harsefeld über seine Zuwendungen ausgestellt hatte. Damals existierte in Harsefeld noch kein Kloster, sondern eine Propstei. Deshalb stellte der Verfasser seiner Klosterchronik den Inhalt dieser Urkunden voran. Im Anschluß daran dürfte er sich an der Chronik Alberts von Stade orientiert haben, die er anhand weiteren Urkundenmaterials inhaltlich ergänzte.

Nach der Klosterchronik erbaute Adelheid ihrem angeblich 1060 verstorbenen Gatten Graf Luder(-Udo I.) als Begräbnisstätte in Harsefeld eine Nikolaikapelle, die sie reich ausstattete. Sie selbst wurde jedoch in dem unbekannten Ort Mallesleve begraben. Sie soll die Kapelle mit 12 Hufen ausgestattet haben, mit denen der Priester Wichmann, der die Kapelle betreute, belehnt war. Nach dem Tode des Priesters legten die Markgräfin Oda - Schwieger-Tochter der Adelheid - und ihr Sohn Markgraf Heinrich der Lange folgende Hufen zur Kirche in Harsefeld:

Asala                                        ? Assel (n. Stade)
                                                 ? Harselah (Wald s. Harsefeld)
Dodenroche                              ?
Herveshude                               ? Harvestehude (Hamburg)
Holdenstede                              Hollenstedt (s. Buxtehude)
Rosenfelde                                Harsefeld (s. Stade)
Schedene iuxta Niumborch       ?
Vervvedele                                 Wedel (nw. Harsefeld)
Villa                                            ? Villah (w. Stade)
                                                   ? Willah (zw. Stade u. Bremervörde)
Waterval in pago Thitmarsico     Wetternwall (ö. Marne)
Wenneremestorpe                      Wennerstorf (ö. Hollenstedt)

Die Darstellung in der Harsefelder Chronik läßt vermuten, daß dem Autor eine Urkunde vorlag, mit der die Markgräfin Oda und ihr Sohn Markgraf Heinrich der Lange die benannten Hufen nach dem Tode des Priesters Wichmann der Harsefelder Kirche übertrugen. Vermutlich waren der Urkunde weitere Angaben zu entnehmen, die der Chronist im obigen Sinne interpretierte.

Es handelt sich um Oda von Werl, die Tochter von Richenza und Hermann III. von Werl und die Stief-Tochter von Otto von Northeim. Ihr Ehemann Markgraf Udo II. verstarb 1082, ihr erstgeborener Sohn Markgraf Heinrich der Lange 1087, so daß die verschollene Urkunde zwischen 1082 und 1087 zu datieren ist.

Die gemeinsame Übertragung von Grundeigen durch Mutter und Sohn war rechtlich notwendig, wenn es sich um Güter handelte, die der Mutter gehörten. Hierfür kamen entweder das Leibgedinge oder Erbgüter der Mutter nach ihren Eltern in Betracht. Nach dem Tode seines Vaters wurde der älteste volljährige und ebenbürtige Sohn zum Vormund seiner Mutter, soweit diese nicht wieder neu heiratete.

Es ist kaum vorstellbar, daß Markgraf Udo II. seiner Gattin Oda Hufen, die seine Mutter Adelheid zur Ausstattung der Grabkapelle seines Vaters Luder-Udo I. bestimmt haben soll, als Leibgedinge überließ. Damit dürfte es sich um Erbgut der Oda handeln. Hierfür spricht, daß die 12 Hufen nicht direkt zur Ausstattung der Kapelle gehörten, sondern der Kaplan Wichmann damit gesondert belehnt war. Nur so läßt sich auch erklären, daß Oda und ihr Sohn die Hufen nach dem Tode des Priesters - dem Heimfall - von der Nikolaikapelle an die Harsefelder Kirche übertragen konnten.

Odas Vater war Hermann III. von Werl. Es ist eher unwahrscheinlich, daß er Hufen im Stader Raum besaß. Damit wird es sich um Erbgut handeln, welches Oda von ihrer Mutter Richenza erbte. Dazu paßt das Gemengelage zu den Hufen des Königshofes ihres Halb-Bruders Kuno von Beichlingen im Raum Harsefeld und im Raum Hollenstedt.


Otto von Northeim

Otto von Northeim stiftete nach der Harsefelder Chronik für die Kirche in Harsefeld - damals noch eine Propstei - einen Turm und einen runden steinernen Altar mit vielen Reliquien, der St. Ulrich geweiht war. Zur Unterhaltung des Turms gab er 13 Hufen in Westerso und für die Kirche das Dorf Arensflücht. Westersode (sö. der Wingst) und Ahrensflucht (ö. der Wingst) gehörten noch 1716 dem Kloster.

Da nach der obigen Überlegung nicht nur Ottos drei leibliche Söhne, sondern auch seine Stief-Tochter Oda von ihrer Mutter Richenza die Güter im Stader Raum erbten, wird Otto von Northeim nicht über eigenes Gut in der Nähe der Wingst, sondern als gesetzlicher Vormund über Erbgut seiner Frau Richenza oder ggf. seiner noch minderjährigen Söhne verfügt haben.

Ein Turm diente noch 1545 als Zuflucht für die Mönche. Hucke meinte ihn mit einem Mauerrest nordwestlich der heutigen Kirche identifizieren zu können. 1858 wurde westlich des Kirchenschiffs ein angeblich 12 m im Quadrat großer Anbau mit ca. 1,15 m dicken Mauern abgetragen, um 1860 den heutigen Kirchturm zu errichten. Der Anbau war bis 1740 ca. 17,40 m hoch. In einer Ecke befand sich eine Wendeltreppe. Um 1740/41 wurde er auf ca. 11,60 m verkürzt und mit einem Walmdach an das Kirchenschiff angeschlossen.

Hucke übersah, daß der Mauerrest in einiger Entfernung zur Kirche nicht zu dem Anbau unmittelbar westlich des Kirchschiffs paßte. Die ab 1981 an diesem Mauerrest beginnenden Ausgrabungen ergaben, daß es sich um die Nordmauer einer spätmittelalterlichen Kapelle handelte, die auf den Fundamenten eines früheren Gebäudes errichtet worden war.

Bei den Ausgrabungen 1992/93 konnte die unmittelbare Umgebung des heutigen Turms aus statischen Gründen nicht genau untersucht werden. Es ergaben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, daß der 1858 abgerissene Anbau vermutlich auf den Fundamenten einer etwa 10 x 15 m großen ersten Steinkirche stand. Direkt westlich daran schloß sich die ca. 8 x 8 m große Grablege der Udonen an, Teil einer Erweiterung der ersten Kirche um ca. 27 m auf ca. 40 m. Fundamente des von Otto von Northeim gestifteten Turms sind bisher nicht gefunden worden. Die Überlieferung von einem runden St.-Ulrich-Altar eröffnet die Möglichkeit, daß es sich ursprünglich um einen runden Wohn- und Wehrturm handelte, wie er in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts für Hamburg, Bad Sachsa und Plesse überliefert ist.

Das Kirchenlagerbuch von 1792 behauptete, daß der Turm "1006 von Ottone Duce erbaut worden." Das Jahr könnte allenfalls im Hinblick auf die erste steinerne Stiftskirche richtig sein, da Otto von Northeim erst um 1050 Richenza heiratete. Die Harsefelder Chronik datiert seine Stiftung nicht. Lange hat ohne Begründung das Jahr 1082 vermutet. Der von Lambert von Hersfeld zum Jahr 1070 berichtete Feldzug HEINRICHS IV. gegen das Erbgut der Richenza läßt eher vermuten, daß der Wehrturm neben der Harsefelder Kirche in diesem Jahr oder bald darauf errichtet wurde. Wahrscheinlich zog sich Otto von Northeim nach dem Verlust seiner Lehen und seiner Allode durch die gegen ihn 1070 verhängte Reichsacht auf das Erbgut seiner Frau im Harsefelder Raum - mindestens die drei Haupthöfe - und in den Schutz des Markgrafen Udo II., den Mann seiner Stief-Tochter, zurück. Ein Wehrturm bei der dortigen Kirche bot faktisch sowie rechtlich einfacheren Schutz als eine neue Burg, zumal die Wälle und Gräben der alten Grafenburg.


Richenza eine Ezzonin?

Der umfangreiche Besitz der drei NORTHEIMER Brüder im Stader Raum hatte früher zu der Vermutung geführt, daß die NORTHEIMER eine Seitenlinie der UDONEN seien. Hiergegen spricht, daß es sich höchstwahrscheinlich um Erbgut ihrer Mutter Richenza handelte.

Für die von Kimpen begründete Auffassung, daß es sich um liudolfisches Erbgut handele, welches an Richenza über ihren Vater Herzog Otto II. von Schwaben und dessen Mutter Mathilde, eine Tochter des sächsischen Kaisers OTTO II., gelangt sei, soll das Erbgut der OTTONEN bei Bremervörde und Buxtehude in der näheren Umgebung von Richenzas Erbgut ein Indiz zu sein.  

Dagegen, daß der Pfalzgraf und spätere Herzog Otto II. von Schwaben der Vater der Richenza war, spricht, daß weder ihr erster Mann Hermann III. von Werl noch ihr zweiter Mann Otto von Northeim mit der lothringischen Pfalzgrafschaft oder dem Herzogtum Schwaben belehnt wurden, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn Richenza seine Erb-Tochter war. Auch ist es fraglich, inwieweit Richenza über ihre vermutete liudolfische Groß-Mutter Güter in Sachsen hätte erben können. Ihr Vater war als EZZONE sowohl von der Geburt her sowie als Herzog des Stammes ein Schwabe, so daß seine Tochter ebenfalls Schwäbin wäre. Der Sachsenspiegel weist mehrfach darauf hin, daß (nord)schwäbische Frauen nicht erbberechtigt sind, zumindest nicht in Sachsen. Das betraf sicherlich nicht nur den Nordschwabengau, sondern es handelte sich höchstwahrscheinlich um eine allgemeine Regelung, durch die verhindert werden sollte, daß der jeweiligen sächsischen Sippe durch die Verheiratung von Erb-Töchtern nach Süd-Deutschland ihr Erbgut entzogen wurde und dieses in stammesfremde - schwäbische - Hände geriet. Zusätzlich ist im Sachsenspiegel geregelt, daß für zugewanderte Männer anderer Stämme nur sächsisches Erbrecht gilt.

Es kann davon ausgegangen werden, daß für die sächsischen edelfreien Familien auch schon im 11. Jahrhundert die Regeln des 1224/27 codifizierten Sachsenspiegels galten, welcher - vermutlich seit Jahrhunderten - geltendes Recht bewahren sollte. Im Sachsenspiegel selbst wird behauptet, daß das Erbrecht noch aus vorkarolingischer Zeit stamme. 1002 und 1024 ließen sich die Sachsen durch den neuen König ihr Recht bestätigen, bevor sie ihm huldigten. Die Beeinträchtigung ihrer Rechte war Ursache der sächsischen Aufstände ab 1073. 1085 bot Kaiser HEINRICH IV. den aufständischen Sachsen an, ihr Stammesrecht zu respektieren.

Richenza könnte daher im Raum Stade nicht über 150 Hufen geerbt haben, falls sie die Tochter des EZZONEN Herzog Otto II. von Schwaben wäre. Auch das spricht gegen die eingangs dargestellte These von Kimpen, Hucke und Lange, die in diesem Erbgut ein wichtiges Indiz für eine liudolfingische Herkunft der Richenza sehen.


Kloster Kemnade

Der 936 zum sächsischen Heerführer ernannte Hermann Billung hatte einen älteren Bruder Wichmann I. Dieser besaß eine umfangreiche Grafschaft im Elbe-Weser-Dreieck und war mutmaßlich der Amtsvorgänger der UDONEN in der späteren Grafschaft Stade.

Umfangreiches Erbgut der Wichmann-Linie der BILLUNGER im Stader Raum ist durch das Kloster Kemnade bekannt. Graf Wichmann I. hinterließ bei seinem Tod 944 höchstwahrscheinlich die Söhne Wichmann II. und Ekbert, die vermutlich jung waren, so daß sie ihre Erbansprüche gegen ihren Onkel Herzog Hermann Billung und gegen Graf Heinrich der Kahle von Harsefeld - eventuell ebenfalls ein Verwandter -, nicht durchsetzen konnten. Wichmann II. und wohl auch Ekbert sollen elternlos am Hof ihres Verwandten Kaiser OTTOS I. erzogen worden sein, was sie nicht hinderte, sich später vielfältig im Kampf um ihr Erbe gegen ihren Onkel und den ihn unterstützenden Kaiser aufzulehnen. Während Ekbert sich unterwarf und auf die Erbgüter seiner Frau zurückzog, fiel Wichmann II. 967 als Geächteter.

Der Annalista Saxo berichtet zum Jahr 967, daß Kaiser OTTO I. nach dem Tode Wichmanns seine Güter zwischen den Klöstern Kemnade und St. Michael in Lüneburg aufteilte. Die Aufteilung könnte vielleicht früher erfolgt sein, als Wichmann II. friedlos wurde, denn eine Urkunde OTTOS I. von 959 bezeugt, daß dem Kloster St. Michael die Erbgüter eines Wulfhard, Sohn des Wulfhard, übergeben wurden, der unter anderem eine Reichskirche niedergebrannt habe. Wedekind hat vermutet, daß es sich hierbei um einen Schreibfehler gehandelt haben könne und Wichmann II. gemeint sei. Zumindest bestätigt die Urkunde die Nachricht, daß die Allode eines Geächteten nicht seiner Familie zustanden, sondern vom Kaiser einen Kloster zugewiesen werden konnten.

Der Anteil seines Erbes, der an das Kloster Kemnade ging, findet sich in einer Urkunde Kaiser HEINRICHS von 1004 über die Klostergründung wieder, die der Äbtissin Frederuna und ihrer Schwester, der Gräfin Imma, mit Unterstützung eines Grafen Gero zugeschrieben wird. Ob die Gründung 958 oder zwischen 959 bis 965 erfolgte und ob die Gründerinnen Schwestern oder Töchter Wichmanns II. waren, sei hier dahingestellt. Kemnade selbst lag in einer Grafschaft des BILLUNGERS Herzogs Bernhard I. Interessant sind hier von der Ausstattung des Klosters die Orte

Aun                      in Hotrunga   ?Nordahn (n. Lamstedt)
Bennedesthorp    in Mosidi        Bendestorf (s. Hittfeld)
Hepstidi                                      Hepstedt (w. Zeven)
Holana                 in Hotrunga    Hollen (Hollenseth, s. Lamstedt)
Kokerbiki             in Heilanga     Kakerbeck (sw. Harsefeld)
Setila                   in Hotrunga    ?Seth (Hollenseth, s. Lamstedt)
Waldersidi           in Heilanga     Wohlerst (sw. Harsefeld)
Widila                  in Heilanga     Wedel (nw. Harsefeld)
Wigmannesburstel  in Mosidi    +Wichmannsborstel (nw. Hollenstedt)
                               
Die meisten Güter liegen in unmittelbarer Nähe der Erbgüter der Richenza um Hollenstedt, Hittfeld und Harsefeld. Das Gut um Lamstedt liegt südlich des Dorfes Westersode, über das Richenzas Ehemann Otto von Northeim zugunsten des Turms der Kirche in Harsefeld verfügte.

1139 ist eine Judith oder Jutta als Äbtissin des Klosters Kemnade bezeugt. Sie war eine Schwester oder zumindest eine Halb-Schwester des letzten NORTHEIMERS Siegfried IV. von Boyneburg. Ein weiterer Bruder war Heinrich, der Abt von Corvey. Jutta wurde 1146 aus dem Nonnenkloster Kemnade vertrieben, das 1147 durch den Kaiser aufgelöst und seine Güter dem Kloster Corvey geschenkt wurden. Der neue Corveyer Abt Wibald konnte sich aber zunächst nicht gegen die angeblichen Liebhaber der Äbtissin in den Diözesen Bremen und Verden durchsetzen, die diese mit den dortigen Klostergütern für ihre Dienste belohnt hatte. Aus den Briefen des Abtes an den Papst und dessen Schreiben an die Diözesane ergibt sich, daß 1147 zum Haupthof Nordahn zumindest eine Hufe in Cadenberge, also in unmittelbarer Nähe zu dem NORTHEIMER Gut in Ahrensflucht, gehörte. Zu den Haupthöfen Wedel, Hepstedt und insbesondere Kakerbeck gehörten zahlreiche Hufen und Hörige, so daß zu vermuten ist, daß der Besitz des Klosters Kemnade im Stader Raum an Umfang dem Erbgut der Richenza gleichkam.

Anfang des 13. Jahrhunderts ist das ehemalige Erbgut Wichmanns II. wieder faßbar. Im Corveyer Buch des Lebens sind Güter verzeichnet, mit denen der Graf von Hoya belehnt war. Diese Güter lassen sich auch im Hoyaer Lehensregister nachweisen: Dit is dat gud dat ictiswenne was hern Wedekindes von bocberge dat greve hinrik von der hoye kofte van dem abbete von korbeye. Die Güter waren also von Corvey erst an Wedekind von Bocberg und dann an einen Grafen von Hoya verlehnt, später jedoch an letzteren verkauft. Wedekind von Bocberg kommt nur einmal 1207 vor. Sein Vater dürfte Friedrich von Bocberg gewesen sein, der um Ottersberg begütert war. Eine Zuordnung zu einer bekannten Familie ist bisher nicht möglich gewesen. Es fällt auf, daß Wedekind von Bocberg denselben Vornamen wie Graf Wedekind von Stumpenhausen (ca. 1160-1180) hat. Graf Heinrich I. von Hoya war mütterlicherseits ein Neffe des Grafen Wedekind von Stumpenhausen und nannte einen seiner Söhne ebenfalls Wedekind. Vielleicht war Friedrich von Bocberg mit einer Schwester oder einer Tochter des Grafen Wedekind von Stumpenhausen verheiratet, so daß ihr gemeinsamer Sohn Wedekind ohne eigene Kinder durch Graf Heinrich I. oder durch seinen Sohn Heinrich II. von Hoya beerbt wurden. Beide nannten sich nach ihren Siegeln "von Stumpenhausen".


Corvey                       Hoya

An                             dito                    ? Nordahn (n. Lamstedt)
Arnesvlete                dito                    Ahrensflucht (n. Lamstedt)
Asvlete                     dito             ?
Badenstede              Bathenstede      Badenstedt (w. Zeven)
Bekethorp                 Bekestorpe        Beckedorf (n. Hittfeld)
Bilverstede               Bylverstede       Bülstedt (n. Ottersberg)
Bocholte                   dito                    ? Buchholz (nw. Ottersberg)
Bretthorp                  Brettorpe           Breddorf (w. Zeven)
Dodenhusen            Godenhusen      ?
Dolnere                    dito                    Dollern (n. Harsefeld)
Dorstat                     dito                   ? Drestedt (sö. Hollenstedt)
Geverstorpe             dito                   Geversdorf (n. Cadenberge)
Glindensete             Glinsete            Glinstedt (nw. Zeven)
Hepstede                 Heppenstede    Hepstedt (w. Zeven) oder
                                                         Hipstedt (w. Bremervörde)
Hollehovede            Hollenhovet      ? bei Zeven
Holne                      dito                   Hollen (s. Lamstedt)
Hope                       dito                   ? Höperhöfen (nö. Ottersberg)
Kakemannestorpe   Kakemannestorpe  Kakenstorf (sö. Hollenstedt)
Kokerbeke              dito                   Kakerbeck (sw. Harsefeld)
Kronescampe         Cronescampe   Kampe (w. Ottersberg)
Lamstene               Lamesten          Lamstedt
Lunt                        Lume                Luhne (ö. Ottersberg)
Mikelenstede          Mekelenstede   Meckelstedt (ö. Bederkesa)
Minttenstede          Muntenstede     Minstedt (s. Bremervörde)
Nortowe                dito                    Narthauen (n. Ottersberg)
Odenebutle           Oldenbutle        Ohlenbüttel (nö. Hollenstedt)
Oldenthorp           Oldendorpe        Oldendorf (nö. Hollenstedt)
iuxta Hollenstede  by Holdenste     
Oldendorp             Olendorpe         Oldendorf (w. Stade)
Oldenwerdere       dito                    Altenwerder (n. Harburg)
Os(t)eretorp          (Oster)dorpe     Ostendorf (s. Lamstedt)
Otterstede            Otherstede        Otterstedt (n. Ottersberg)
Polenthorpe          Palendorpe       Podendorf (n. Hollenstedt)
Ratwerdingheburstol Rathfordinge  Regesbostel (w. Hollenstedt)
                                  Borstolt
Sibrandiswerdere   Sybrandeswerdere ?
Stadhe                 Stade                Stade
Stapelle              Stapele              Stapel (n. Ottersberg)
Stederthorpe      Stederdorpe       Steddorf (nö. Zeven)
Stutenburstol      Stuken to           Stuckenborstel
                           Borstolt             (ö. Ottersberg)
Suthrem             Sutherem           Sottrum (ö. Ottersberg)
Symkenwerdere                        ?
Tothenhusen         Tohtenhusen      ? Tötensen (n. Hittfeld)
Tunsteden             Tunistede           Tinste (ö. Bremervörde)
Vesede                  Vesethe             Wiste (sw. Zeven)
Wedele                 dito                     Wedel (nw. Harsefeld)
Widdigeshude       Widdesghuden   ? Fischerhude (w. Ottersberg)
Widerstorp            Wyderstorpe       Wiersdorf (ö. Zeven)
Willestede             Willenstede        Wilstedt (nw. Ottersberg)
Witinammecht       Witammet         ?
Ykenhus             dito                       ?
 

Von diesen Gütern lassen sich nachfolgende vermutlich der ursprünglichen Ausstattung des Klosters Kemnade und damit dem Erbgut Wichmanns II. zuordnen.

Nördlich von Lamstedt besaß das Kloster den Haupthof An (wohl Nordahn), dessen Hufen bis nach Cadenberge reichten. Südlich davon lagen die Höfe Seth und Hollen.
An                       Nordahn (n. Lamstedt)
Arnesvlete          Ahrensflucht (n. Lamstedt)
Asvlete               ? identisch mit A(rne)svlete
Geverstorpe       Geversdorf (n. Cadenberge)
Holne                 Hollen (s. Lamstedt)
Lamstene           Lamstedt
Os(t)eretorp        Ostendorf (s. Lamstedt)

Von Hodenberg hat vermutet, daß Arnesvlete mit Ahrenswohlde (s. Harsefeld) identisch sei. Schon sprachlich ist aber -vlete eher mit -flucht gleichzusetzen. Nach dem Corveyer Register waren Arnold Scerebart und seine Brüder - höchstwahrscheinlich eine Seitenlinie der von Stade - unter anderem mit II mansos Hollandrienses et decimam Arnesvlete belehnt. Heinrich von der Lieth und die Brüder de Bachtenbroke - letztere nach ihrem Siegel auch eine Seitenlinie der von Stade - besaßen unter anderem als Lehen avocatiam An et Lamestene et II mansos Hollandrienses Asvlete. Ahrensflucht liegt in einem Kolonisationsgebiet zwischen der Wingst und der Oste entlang eines großen Entwässerungsgrabens, der Wettern. Die Quergräben werden heute noch Fleth (Oberndorfer Mühlenfleth) oder Fleet (Herrenfleet) genannt. Da zwei Zweige der Familie von Stade dort jeweils zwei Holländerhufen besaßen, wird Asvlete vermutlich eine Verstümmelung aus Arnesvlete und beides mit Ahrensflucht nördlich des Haupthofes Nordahn identisch sein. Damit gehörten zum Erbgut Wichmanns II. Hufen aus demselben Dorf, mit dem Otto von Northeim - höchstwahrscheinlich als Vormund seiner Frau Richenza - den Turm in Harsefeld finanzierte.

Die Frage, ob der Haupthof Hepstede in Hepstedt westlich von Zeven oder in Hipstedt westlich von Bremervörde zu suchen ist, dürfte durch die weiteren Güter bei Zeven zugunsten von Hepstedt geklärt sein.

Badenstede          Badenstedt (w. Zeven)
Bretthorp              Breddorf (w. Zeven)
Glindensete         Glinstedt (nw. Zeven)
Hepstede             Hepstedt (w. Zeven)
Hollehovede         ? bei Zeven
Vesede                Wiste (sw. Zeven)
Widerstorp           Wiersdorf (ö. Zeven)
Stederthorpe        Steddorf (nö. Zeven)

Ein Zusammenhang mit den Erbgütern der Richenza ist bisher nicht erkennbar.

Die Haupthöfe Kakerbeck und Wedel sind als wichmannisches Erbgut gesichert.

Dolnere               Dollern (n. Harsefeld)
Kokerbeke           Kakerbeck (sw. Harsefeld)
Wedele                Wedel (nw. Harsefeld)

Das Gemengelage mit den Erbgütern der Richenza beweist sich direkt an Dollern, wo drei Hufen lagen, die zum Königshof in Harsefeld gehörten. Wedel liegt ca. 10 km von Harsefeld und jeweils ca. 7 km von Rüstje und Ohrensen, die ebenfalls zum Königshof gehörten, entfernt. Kakerbeck liegt keine 2 km nordwestlich des Haupthofes Ahlerstedt, den Richenza ihrem Sohn Heinrich dem Fetten vermachte.

Die starke Gruppierung der Güter im Corveyer Lehensregister um Hollenstedt könnte sich daraus erklären, daß der später wüste Haupthof Wichmannborstel, der nach dem Leitnamen der billungischen Wichmann-Linie benannt war, besonders bedeutend war.

Dorstat                       ? Drestedt (sö. Hollenstedt)
Kakemannestorpe      Kakenstorf (sö. Hollenstedt)
Odenebutle                 Ohlenbüttel (nö. Hollenstedt)
Oldenthorp                  Oldendorf (nö. Hollenstedt)
Polenthorpe                 Podendorf (n. Hollenstedt)
Ratwerdingheburstol   Regesbostel (w. Hollenstedt)

Zwei Hufen in Kakenstorf und eine Hufe in Ohlenbüttel gehörten auch zum Northeimer Königshof in Harsefeld. Der spätere Go Hollenstedt  war geradezu ein Zentrum des Erbgutes der Richenza, wie oben gezeigt wurde.

In der Nähe des Northeimer Haupthofes Hittfeld sind im Corveyer Lehensregister immerhin noch drei Orte zu finden.
Bekethorp              Beckedorf (n. Hittfeld)
Oldenwerdere        Altenwerder (n. Harburg)
Tothenhusen         ? Tötensen (n. Hittfeld)

Das zur Gründungsausstattung von Kemnade gehörende Bendestorf  (ca. 6 km s. Hittfeld) wird nicht mehr erwähnt. Falls Tothenhusen als Tötensen gedeutet werden kann, lag es ca. 2 km nordwestlich von Hittfeld.


Udonen in Harsefeld

Obwohl Hucke der Meinung war, daß Graf Heinrich der Kahle die Grafschaft von dem BILLUNGER Wichmann I. übernahm, hielten er und andere Harsefeld für den ursprünglichen Stammsitz der UDONEN, bis die Familie um 1000 ihren Wohnsitz nach Stade verlegte. Dafür stützte man sich auf die Nachricht Thietmars von Merseburg - dessen Mutter Kunigunde eine UDONIN war - zum Jahr 994, daß sein Oheim Graf Siegfried aus der Gefangenschaft der Wikinger in Stade zu seiner Burg Harsefeld floh, wo seine Gemahlin Adela und sein Bruder Graf Heinrich sich aufhielten. Nach dem Annalista Saxo hatte ihr Vater Graf Heinrich der Kahle 969 die Burg Harsefeld erbaut.

Nachdem sich herausgestellt hat, daß der Königshof in Harsefeld und weitere Haupthöfe in der Umgebung von Harsefeld zu dem Erbgut der billungischen Wichmann-Linie zu rechnen sind, stellt sich die Frage nach den Rechten der UDONEN in Harsefeld neu.

Wichmann II. und Ekbert der Einäugige wurden nach 944 als junge Vettern Kaiser OTTOS I. an dessen Hof erzogen. Für den UDONEN Graf Heinrich, später "der Kahle" genannt, dürften einige Jahre früher ähnliche Verhältnisse anzunehmen sein. Sein Vater, Graf Liutheri, fiel am 5.9.929 in der Schlacht um Lenzen. Seine Mutter hieß Swanhild. Vielleicht war sie eine Verwandte König HEINRICHS I., da sie ihren Sohn Heinrich nannte und Thietmar von Merseburg die Verwandtschaft zwischen Graf Heinrich - seinem Großvater mütterlicherseits - und Kaiser OTTO I. bezeugt. In einer von der UDONEN-Forschung bisher unbeachteten Gedenkbucheintragung im Verbrüderungsbuch von St. Gallen, die Althoff auf vor 930 datiert, stehen im Gefolge des Königs-Paars HEINRICH I. und Mathilde an 19. Stelle Liutker F. und an 20. Stelle Suanehilt F. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um die Stammeltern der UDONEN. Graf Heinrich könnte beim Tode seines Vaters 929 jung gewesen sein - seine Tochter Hathui wurde erst 961 geboren - und zusammen mit dem späteren Kaiser OTTO I. am Hof von König HEINRICH I. erzogen worden sein. Hierfür spräche seine Loyalität gegenüber dem Kaiser, als Herzog Hermann Billung sich 972 in Magdeburg königsgleiche Rechte anmaßte, sowie die Tatsache, daß OTTO I. der Pate seiner Tochter Hedwig war, deren Erhebung zur Äbtissin von Heeslingen am 30. April 973 im Alter von zwölf Jahren der Kaiser unmittelbar vor seinem Tode bei Erzbischof Adaldag von Bremen durchsetzte.

Preses Heinrich und sein Bruder Siegfried kämpften 955 für Hermann Billung gegen dessen Neffen Wichmann II. und Ekbert den Einäugigen. Zu dieser Zeit scheint Heinrich der Kahle die Grafschaft deren Vaters Wichmann I. kommissarisch verwaltet zu haben. Als OTTO I. 959 der Kirche in Magdeburg sein Erbgut in Buxtehude und Rinchurst schenkte, lagen die Orte in comitatu et legatione Heinrici comitis. Die sonst nicht übliche Erwähnung eines Legats neben der Grafschaft soll vermutlich nicht auf einen größeren Verwaltungsbezirk, sondern darauf hinweisen, daß die Grafschaft nicht wie sonst auf Lebenszeit verliehen, sonst aufgrund eines besonderen königlichen Auftrags befristet verwaltet wurde. Falls Rinkhorst der ehemalige Königshof in Stade war, wie Schröder behauptet, wäre die Urkunde der erste Beleg, daß Graf Heinrich schon damals der Schutz der Elbmündung anvertraut war. Für eine besondere Legation könnte noch die Nachricht der Hildesheimer Annalen sprechen, daß 994 Graf Heinrichs Söhne Heinrich (der Gute), (Luder-)Udo und Siegfried die Piraten bzw. Normannen auf der Elbe auf kaiserlichen Befehl bekämpften.

Das Bündnis des Grafen Heinrich dem Kahlen mit Hermann Billung gegen dessen beiden Neffen könnte nicht nur durch das Bestreben Heinrichs motiviert worden sein, die Grafschaft ihres Vaters Wichmann I. beiderseits der Elbe dauerhaft zu erwerben. Die bisherige Forschung geht von einer Versippung des BILLUNGERS und des UDONEN dergestalt aus, daß Hermanns Sohn Bernhard I. Heinrichs Tochter Hildegard heiratete. Einen diplomatischen Beweis gibt es hierfür nicht. Bisher ist unberücksichtigt geblieben, daß Hermann Billung seinen zweiten Sohn Liudger und eine Tochter Schwanhild nannte. Nach dem Diptychon der BILLUNGER könnte er zweimal verheiratet gewesen sein. Die Namen dieser beiden Kinder lassen vermuten, daß Hermann Billung (in zweiter Ehe?) eine Tochter des Grafen Lothar/Luder und seiner Frau Schwanhild und damit wie sein Bruder Wichmann I. in die Königssippe einheiratete. Dann wären Heinrich der Kahle und dessen Bruder Graf Siegfried seine Schwager, was sowohl die Verwaltung der Grafschaft beiderseits der Elbe durch Graf Heinrich als auch das Bündnis beider Brüder gegen die beiden Neffen Hermann Billungs zusätzlich erklären würde.

Als Wichmann II. 967 als Geächteter fiel, weilte Kaiser OTTO I. von 966 bis 972 in Italien. Die Regentschaft in Sachsen hatte Herzog Hermann Billung, der Onkel Wichmanns. Auch wenn nach dem Annalista Saxo die Aufteilung des Erbguts Wichmanns auf die Klöster St. Michel in Lüneburg und Kemnade 967 oder 970 durch den Kaiser erfolgt sein soll, wird Herzog Hermann im Namen und Stellvertretung des Kaisers gehandelt haben. Das gleiche dürfte für die Burg in Harsefeld gelten. Zu deren Errichtung zwei Jahre nach dem Tod Wichmanns II. benötigte Graf Heinrich die Erlaubnis des Kaisers bzw. seines Stellvertreters. In Harsefeld werden Wichmann II. und Ekbert der Einäuige 944 das Erbe ihres Vaters Wichmann I. unter sich aufgeteilt haben. Während Ekberts Anteil - der Königshof - sich auf Richenza vererbte, fiel Wichmanns Anteil spätestens 967 an die Krone und wurde 969 Graf Heinrich zur Errichtung einer Burg durch Herzog Hermann überlassen.

Seine Stellung in der späteren Grafschaft Stade konnte Heinrich der Kahle mit Hilfe des Kaisers nach dessen Rückkehr aus Italien festigen. Das Kloster Heeslingen - der Vorläufer des Klosters Zeven - wurde um 961 durch einen Grafen Hed unbekannter Herkunft gegründet, weil er keine direkten Nachkommen hatte. Erste Äbtissin war seine Tochter Wendelgart, der eine gleichnamige Äbtissin - wohl auch aus der Stifterfamilie - folgte. Nach dem Aussterben der Familie stand die Wahl der Äbtissin dem Bremer Erzbischof zu. Wie Thietmar von Merseburg berichtet, setzte sein Groß-Vater Graf Heinrich mit Hilfe OTTOS I. die Erhebung seiner zwölfjährigen Tochter Hedwig durch, wodurch er sicherlich Klostervogt wurde. Heeslingen wurde zur Grablege von Graf Heinrich und seiner Frau Judith, was ein weiteres Indiz für das Fehlen einer eigenen Familientradition im Stader Raum ist.

Vielleicht sind Graf Heinrich der Kahle und sein Bruder Siegfried identisch mit den beiden Grafen Siegfried und Heinrich, die 934 HEINRICH I. mit dilecto ac fideli comiti nostri bezeichnete, als er seinem Stellvertreter Graf Siegfried in dessen Grafschaft nördlich von Quedlinburg die Haupthöfe Gröningen, Kroppenstedt und Emmundorp schenkte. Falls ihre Mutter Schwanhild sogar eine Tochter König HEINRICHS aus dessen erster Ehe mit Hatheburg von Merseburg war, wären sie nicht nur Enkel des Königs, sondern auch nahe Verwandte des Grafen Siegfried, der seinerseits ein Vetter der Hatheburg war.


Ekbertiner, Cobbonen und Liudolfinger

Das Kloster Corvey besaß an der Niederelbe nicht nur Teile des Erbguts Wichmann II. durch die Übernahme des Klosters Kemnade, sondern hatte schon früh in diesem Raum auch eigene Schenkungen erhalten. Beckedorf nördlich des Northeimer Haupthofes Hittfeld gehörte nicht zur Ausstattung des Klosters Kemnade, sondern gelangte nach 872 direkt an Corvey.

Im Buch des Lebens des Klosters Corvey aus dem 12. Jahrhundert sind unter den Wohltätern verzeichnet: Amulung comes Bikethorp; Hathuwig mater eius Amulungessen.

Graf Amelung und seine Sippe kommen im 9. Jahrhundert in mehreren Traditionen zugunsten des Klosters Corvey vor. Sein Vater hieß ebenfalls Amelung, da ca. 849 Haduwy mit Zustimmung eines Grafen Bardo zum Seelenheil ihres verstorbenen Mannes Amelung und ihrer Söhne Bennid und Amelung dem Kloster Corvey ihre Güter in Weredun (Wehrden, südlich Corvey), Upweredun (vermtlich das genau gegenüber Wehrden auf der anderen Seite der Weser liegende spätere Amelunxen) und Beuerungun (Beverungen, südlich Amelunxen) übertrug. Nach dem Wohltäterverzeichnis scheint sie mit Amelunxen (südlich Corvey, Upweredun ?) den Stammsitz ihres Mannes dem Kloster überlassen zu haben. Graf Amelung, der Mann der Hedwig, übertrug dem Kloster Corvey um 837 oder früher seinen Besitz in Rimbeck (zwischen Paderborn und Warburg). Eine Haduwy übertrug ebenfalls in Rimbeck zwischen 856 bis 876 drei Hufen an das Kloster. Nach dem Wohltäterverzeichnis stammte das Klostergut in Rimbeck von Hathuwig und einem Diethard.  

Ein Cobbo übertrug dem Kloster Corvey das, was sein verstorbener Neffe Amelung in pago Mosweddi et in aquilonari parte fluvii qui vocatur Albia besaß. Erster Zeuge war wieder ein Graf Bardo.

Ein Graf Bardo übertrug dem Kloster auf Wunsch der Witwe eines Liudolfs dessen Gut im Bardengau, wobei er Liudolfs Bruder Cobbo und dessen Verwandten Fresgar deren Rechte vorbehielt.

Diese Traditionsnotizen zugunsten des Klosters Corvey wurden bisher unterschiedlich interpretiert und mit anderen Nachrichten kombiniert.

Nach alter Auffassung waren Cobbo, Liudolf und Hedwig Geschwister, die noch einen weiteren Bruder namens Warin hatten, welcher von 826 bis 856 der zweite Abt von Corvey war. Ihr gemeinsamer Vater war der sächsische Graf Ekbert, den KARLS DER GROSSE zum dux der Sachsen zwischen Rhein und Weser ernannte, nachdem er eine fränkisch-karolingische Erb-Tochter, die später heilig gesprochene Ida, geheiratet hatte. Ekbert und die heilige Ida waren in Herzfeld begraben. Ihr Sohn Liudolf sei der Stammvater der LIUDOLFINGER bzw. OTTONEN.


                   Ekbert dux ∞ Ida sanctus
           
Warin abbas  Cobbo comes  Liudolf comes  Hathuwig ∞ Amelung comes
                                                                
                                                                            Bennid   Amelung comes


890 beklagte sich Bischof Egilmar von Osnabrück nach der Querimonia Egilmari darüber, daß der sehr reiche und mächtige Graf Cobbo die Zehnten des Bistums an seinen Bruder Warin, Abt zu Corvey, und seine Schwester, die Äbtissin zu Herford, übertragen habe. Hedwig könnte nach dem Tod ihres Gatten Amelung ins Kloster gegangen sein, wenn sie mit der Schwester von Abt Warin und Graf Cobbo gleichzusetzen wäre.

Hömburg meinte, daß die 858 und 887 erwähnte Herforder Äbtissin Hedwig ebenso wie ein Graf Cobbo der Jüngere der nächsten Generation angehörten. Er hielt den 866 verstorbenen sächsischen Herzog Liudolf nicht für einen Sohn, sondern für einen Enkel des Herzogs Ekbert, wobei er vermutete, daß Liudolfs Vater Otto hieß.

Hlawitschka wies auf die Fälschung der Querimonia Egilmari im 11. Jahrhundert hin und griff den Gedanken Hömbergs auf, den er mit einem Reichenauer Gedenkeintrag:  choppo, eila, egpret, luitolt, prun, ita, heil..., hadamuat kombinierte.

                 
                       Ekbert ∞ Ida
    
Cobbo d.Ä.    Ekbert (?)   Warin    Schwester ∞ NN
    
Amelung ∞ Hedwig        Liudolf (
ca. 844)     Cobbo d.J. ∞ Eila
                                                               
Amelung   Bennid                              Ekbert Liudolf Brun Ida Heilwig Hadamuat


Herzog Liudolf (
866) hielt Hlawitschka für keinen Nachkommen Herzogs Ekbert und der heiligen Ida, sondern für einen Neffen des unbekannten Schwagers von Abt Warin und seinem Bruder Cobbo dem Älteren, welcher sich die Grablege von deren Eltern in Herzfeld anzueignen versuchte. Die Legende, daß die heilige Ida den minderjährigen Sohn Herzog Liudolfs nicht neben sich im Grab geduldet habe, beweise die fehlenden Erbansprüche.

An der Konstruktion Hlawitschkas erscheint zweifelhaft, daß das sächsische Dukat nicht bei den Nachkommen Ekberts geblieben, sondern an einen Neffen seines Schwieger-Sohns gefallen sein soll. Auch berücksichtigt er nicht, daß derartige Legenden meist nicht auf historischen Ereignissen beruhten, sondern ein beliebtes Mittel waren, diejenigen, die die jeweilige Kirche zur Zeit der Verfassung der Vita zu bedrücken drohten, unter Hinweis auf angebliche Frevel der Ahnen vor Übergriffen zu warnen. Die Vita der ca. 825 verstorbenen heiligen Ida wurde um 980 verfaßt. Deren Verfasser Uffing war Mönch in dem Benediktinerkloster in Werden. Das Kloster Werden hatte Herzfeld um 900 vom sächsischen Herzog Otto dem Erlauchten erworben. Abt Ludolf von Werden, vielleicht ein LIUDOLFINGER und gegebenenfalls als solcher Nachkomme der heiligen Ida, hatte 980 die Erhebung ihrer Gebeine und vermutlich bald darauf auch die Niederschrift ihrer Vita veranlaßt. 983/984 kämpften zwei Zweige seiner mutmaßlichen Familie um die Macht, nämlich die Angehörigen des 983 dreijährig zum König gekrönten OTTOS III. einerseits und dessen Onkel zweiten Grades (Cousin seines Vaters Kaiser OTTO II.) Herzog Heinrich der Zänker andererseits. Vielleicht sollten die Kontrahenten gewarnt werden, daß Herzfeld unter dem Schutz der heiligen Ida stehe.

Der von Hlawitschka herangezogene Eintrag im Reichenauer Verbrüderungsbuch könnte für die Ahnen der LIUDOLFINGER anders zu interpretieren sein, insbesondere falls er mit zwei weiteren Eintragungen im Zusammenhang stünde. Vielleicht dasselbe Ehepaar Choppo, Eila steht schon 56 Seiten zuvor. Unter den Wohltätern des Klosters Reichenau fallen die untereinander stehenden Grafen Warinus und Scoppo auf.

Da der Corveyer Abt Warin erst später geistlich geworden sein soll und einer seiner Brüder gesichert Cobbo hieß, könnte es sich bei letzterer Eintragung um die beiden Söhne Ekberts und der heiligen Ida handeln. Falls Graf Cobbo sich kurz nach seiner Vermählung mit seiner Frau Eila und Jahre später mit ihr und ihren sechs Kindern Ekbert, Liudolf, Brun, Ida, Heilwig und Hadamuat in das Reichenauer Verbrüderungsbuch eintragen ließ, könnte es möglich sein, daß diese Eintragungen sich doch auf Cobbo den Älteren, den Bruder Warins, beziehen. Er hätte dann seinen ältesten Sohn nach seinem Vater und seine älteste Tochter nach seiner Mutter genannt. Sein Sohn Liudolf könnte sich gegenüber seinen Brüdern durchgesetzt oder diese überlebt und die Herzogswürde seines Großvaters erworben haben.

                                       Ekbert ∞ Ida
 
Warin  Cobbo ∞ Eila  Liudolf (
ca. 844)                    Schwester ∞ NN
     
Ekbert Liudolf Brun Ida Heilwig Hadamuat   Amelung ∞ Hedwig    Cobbo
           (
866)                                                           
                                                                       Amelung    Bennid


Auch dieser Stammbaum ist nur hypothetisch. Gesichert ist durch die Translatio St. Pusinnae aus dem 9. Jahrhundert, daß Warin, der Sohn Herzog Ekberts, Abt von Corvey war und Brüder hatte, von denen Graf Cobbo der Ältere mit Namen erwähnt wird. Weiterhin hatten die Brüder nach dieser Quelle eine Schwester, welche einen Sohn ebenfalls Cobbo nannte und eine Tochter namens Haduwy hatte, die Äbtissin von Herford wurde.

Abt Warin (826-856) folgte in Corvey etwas später in diesem Amt Bevo I. (879-890). Bevo, dessen Name mit dem oberdeutschen Poppo gleichzusetzen ist, war ein nepos Warins. Seine Mutter könnte eine Schwester des Abtes Warin gewesen sein, so daß er ein Bruder oder Vetter der Herforder Äbtissin Hedwig wäre.

Die Nachricht der Querimonia Egilmari, daß Graf Cobbo die Zehnten des Bistums Osnabrück seinem Bruder Warin für Corvey und seiner Schwester für Herford überließ, hatte Hlawitschka unter Berufung auf die Untersuchungen von Jäschke verworfen. Der 890/891 zu datierende Brief Bischofs Egilmar von Osnabrück an Papst Stephan VI. und das Fragment von dessen Antwort wurden nach Jäschke kurz vor 1079 durch Bischof Benno II. von Osnabrück gefälscht. In der Querimonia Egilmari berichtet Bischof Egilmar dem Papst, seine Vorgänger hätten gegen die Entfremdung der Kirchenzehnten nichts unternommen bzw. seien ungehört geblieben. Als er selbst bei seinem Amtsantritt dagegen tätig wurde, sei er durch die Klöster Corvey und Herford vor König ARNOLF verklagt worden, welcher ihm verboten habe, an den überkommenden Zehntverhältnissen etwas zu ändern. Jäschke hält die Nachrichten über die Vergabe der Zehnten durch den Grafen Cobbo ebenso wie die über den Prozeß vor dem Königsgericht für frei erfunden. Dabei vernachläßigt er aber, daß nach der Querimonia Egilmari König ARNOLF den Klöstern Corvey und Herford Besitzschutz gegenüber den Forderungen des Bischofs Egilmar auf Herausgabe der Kirchenzehnten gewährt hatte. Es wäre aus der Sicht eines Fälschers des 11. Jahrhunderts völlig widersinnig, ein für das Bistum ungünstiges Königsurteil zu erfinden, um dieses durch kirchenrechtliche Argumente und die ebenfalls erfundene Antwort des Papstes mühsam wieder zu entkräften. Wahrscheinlicher dürfte sein, daß die Klöster Corvey und Herford sich tatsächlich auf ein dementsprechendes Urteil König ARNOLFS berufen konnten, welches der damaligen Spruchpraxis und selbst noch dem heute geltenden Recht entsprach: Wer eine Sache oder ein Recht langjährig und redlich nutzt, kann gerichtlich den Schutz seines ungestörten Besitzes verlangen, bis der Gegner den vollen Beweis für sein behauptetes Eigentum geführt hat. Die Autorität dieses Königsurteils, welches inhaltlich dem Landrecht entsprach, konnte nur durch eine päpstliche Autorität mit einer Entscheidung, daß ein derartiges Urteil gegen das Kirchenrecht verstieß, erschüttert werden. Dafür waren ein gefälschter Brief an den Papst und dessen fragmentarische Antwort notwendig. Beider Inhalt wird aber bezüglich der Entscheidung des Königs den im 11. Jahrhundert bekannten Fakten entsprochen haben. Auch die Nachrichten über die Entfremdung der Zehnten durch den Grafen Cobbo zugunsten seiner Geschwister bzw. deren Klöster können nicht pauschal der Phantasie des Fälschers zugewiesen werden. Bischof Benno II. von Osnabrück gewann seinen Prozeß vor dem Königsgericht HEINRICHS IV. und ließ sich von diesem 1078 das Urteil bestätigen. In der Urkunde wird die Prozeßgeschichte wiederholt, wobei der Prozeßstoff, über den die Reichsfürsten entschieden, sicherlich wie heute durch den Vortrag beider Parteien bestimmt wurde. Auch wird dort die Schwester des Grafen Cobbo, die Herforder Äbtissin, mit Adele namentlich benannt.

Ein Indiz für eine diesbezügliche Tätigkeit des Grafen Cobbo und seiner Geschwister könnte noch sein, daß der Vorgänger des Bischofs Egilmar, Bischof Ekbert, zumindest im Ergebnis gegen die Entfremdung der Zehnten nichts unternahm. Sein Name läßt vermuten, daß er zu der Verwandtschaft des Grafen Cobbos des Älteren gehörte, vielleicht sogar dessen Sohn nach obigen hypothetischen Stammbaum oder aber ein Enkel war.

Die in den Stammbaum eingereihte Ida die Jüngere könnte mit der Ida identisch sein, die im Wohltäterverzeichnis des Klosters Corvey als zweite Gattin des Grafen Asig/Esico bezeichnet wird und vermutlich vor dieser Ehe und vor 850 Gut an Corvey tradierte, wobei zweiter Zeuge nach einem Volkwerk (vielleicht ihr erster Mann?) ein Ekbert war. Eine weitere Schenkung einer Ida bezeugte als erster Zeuge wieder ein Graf Bardo. Krüger und andere hielten die Corveyer Wohltäterin Ida nicht für eine Enkelin, sondern für eine Tochter des Herzogs Ekbert. Eckhardt und Wenskus nahmen an, daß Ekberts Tochter Ida die Mutter von Cobbo dem Jüngeren und seiner Geschwister war. Hierzu sind nur Vermutungen möglich. Bei der edlen - wenn auch ungeklärten - Herkunft der heiligen Ida dürfte ihr Name in jeder Generation ihrer Nachkommen zu finden sein.

Ingesamt ist wahrscheinlich, daß Herzog Ekbert und die heilige Ida entgegen einer auf die Vita S. Idae gestützten älteren Ansicht nicht kinderlos waren, sondern sowohl Söhne, insbesondere Abt Warin und Graf Cobbo den Älteren, als auch zumindest eine Tochter hatten. Es kommen auch mehrere Töchter in Betracht. So wird wegen des vermuteten Alters der diesbezüglichen Traditionen teilweise vertreten, daß Hedwig, die Frau Graf Amelungs, eine Schwester von Abt Warin und Graf Cobbo dem Älteren war, während die gleichnamige Herforder Äbtissin als ihre Tochter oder Nichte der nächsten Generation angehörte. Dann wäre der hypothetische Stammbaum zu ändern:

                         
                          Ekbert ∞ Ida
     
Warin  Cobbo ∞ Eila  Liudolf  Adele              Ida ∞ Asig            Haduwy ∞ Amelung
 
Ekbert Liudolf Brun Ida Heilwig Hadamuat   Cobbo Haduwy       Amelung   Bennid
                                                           
Liudolfinger/Ottonen ?                                                                  

Die bei den Traditionen dieser Sippe oft genannten Grafen Bardo können nicht genau zugeordnet werden. Der Name ist zwar außerhalb Sachsens, nicht aber im sächsischen Hochadel des 9. Jahrhundert selten, da 880 gegen die Wikinger gleich drei Grafen namens Bardo fielen. Einer von ihnen dürfte der Edelvogt von Corvey gewesen sein, welcher als solcher erwähnt wird.

Es läßt sich vermuten, daß ein älterer Graf Bardo - der vielleicht am 23. Januar 856 gegen die Sorben fiel - nicht als Vogt von Corvey, sondern als Vertreter der Sippe tätig wurde, wie das beim Tod des Liudolfs um 844 bezeugt ist. Die Witwe dieses Liudolfs könnte eine Schwester des Grafen Bardos des Älteren gewesen sein, was seine Tätigkeit als ihr Vormund erklären würde. Da wechselseitige Versippungen nicht selten waren, könnte Graf Bardo der Ältere seinerseits mit einer Tochter des Herzogs Ekbert und der hl. Ida verheiratet gewesen sein.

                          Ekbert ∞ Ida
     
Warin  Cobbo  Liudolf ∞ NN                          Bardo d.Ä. ∞ Tochter NN

                                             (Geschwister?)


Herkunft der Billunger

Auch wenn ein genauer Stammbaum der Nachkommen des Herzogs Ekbert und der hl. Ida nicht möglich ist, lassen die Traditionen der Sippe zugunsten Corveys vermuten, daß die Güter im Gau Mosidi ebenso wie die im Bardengau aus der Familie Ekberts stammten und von seiner Tochter oder Enkelin Hedwig in die Ehe mit dem Grafen Amelung dem Älteren gebracht wurden, der selbst um Corvey begütert war. Im Gau Mosidi lagen die Haupthöfe Hollenstedt und Hittfeld sowie der nicht genau bestimmbare Hof Wichmannsborstel.

Der Bardengau gehörte ab dem 10. Jahrhundert den BILLUNGERN. Deren Herkunft ist ähnlich wie bei den LIUDOLFINGERN bis heute ungeklärt. Gesichert sind als Brüder Graf Wichmann der Ältere (
944?), Bischof Amelung von Verden (962) und Hermann Billung, der 936 den Oberbefehl über das sächsische Aufgebot erhielt und 973 starb. Wichmanns Söhne waren höchstwahrscheinlich Graf Wichmann der Jüngere und Graf Ekbert der Einäugige sowie vermutlich Bischof Bruno von Verden ( 976). Herzog Hermann hatte die Söhne Herzog Bernhard I. und Graf Liudger. Die vermutlich auf den Ahnenstolz des Erzbischofs Adalbert von Hamburg-Bremen ( 1073) und seines Chronisten Adam von Bremen zurückgehende Sage, der neue Heerführer Hermann Billung sei ein Bauern-Sohn gewesen, wird schon dadurch widerlegt, daß in den 288 überlieferten Traditionsnotizen zugunsten des Klosters Corvey von ca. 822 bis 877 nur folgende Namen als Grafen gekennzeichnet sind:

01.) Amelung
02.) Bardo
03.) Bernhard/Bernher
04.) Bevo
05.) Buto
06.) Enno
07.) Esic
08.) Gerold
09.) Hermann
10.) Hoger
11.) Immed
12.) Landward
13.) Liudolf
14.) Markbodo
15.) Reimann
16.) Rikbert
17.) Theobald
18.) Tiodger
19.) Thietmar
20.) Thuring
21.) Wichmann
22.) Wihrik

Die vier Namen Amelung, Bernhard, Hermann und Wichmann gehören zu den Leitnamen der BILLUNGER. Thietmar hieß der zweitgeborene Sohn von Herzog Bernhard I.

Im frühen 13. Jahrhundert wurde überliefert, daß Herzog Hermann der Sohn eines Grafen Billing sei. Deshalb wurde trotz zeitlicher Schwierigkeiten vermutet, daß ein bis 967/8 in Thüringen bezeugter Graf Billing der Vater der drei Brüder sei. Die Vermutung schien durch zwei Urkunden aus dem 9. Jahrhundert für das Kloster Kaufungen gestützt zu werden.

Spätestens seit die beiden Urkunden durch Dieterich als Fälschungen des 17. Jahrhunderts erkannt wurden, ist die Frage nach dem Vater der drei BILLUNGER Wichmann, Amelung und Hermann wieder offen.

Nach dem derzeitigen Stand könnten die drei Brüder hypothetisch folgende Ahnen und Verwandten gehabt haben:

                               Amelung
 
Ekbert ∞ hl. Ida       Bernhard       
(811)                          (811)             
   
Cobbo    Haduwy ∞ Amelung (II.)                   Wichmann (811)

Liudolfinger         Amelung (III.)   Bennid   NN ∞ Hermann     

Wichmann (
880)                                                Ekbert                      Hermann              

Bernhard         Wichmann d.Ä.   Amelung    Hermann Billung        
 
Wichmann d.J.  Ekbert d. Einäugige         Bernhard     Liudger


Grafen von 811

Die späteren BILLUNGER scheinen von sächsischen Grafen abzustammen, die um 800 vornehme Fränkinnen geheiratet hatten. Nach den Reichsannalen zu 811 beschworen den Frieden an der Eider zwölf Dänen und zwölf Franken, wobei letztere waren:

Walach comes filius Bernhardi
Burchardus comes
Unrocus comes
Uodo comes
Meginhardus comes
Bernhardus comes
Egbertus comes
Theotheri comes
Abo comes
Osdag comes
Wigman comes

Inwieweit die gegen die Dänen aufgebotenen Grafen tatsächlich Franken waren, erscheint prüfenswert.

Graf Wala hatte zu dieser Zeit höchstwahrscheinlich den Oberbefehl in Sachsen. Schon sein Vater Bernhard hatte für KARL DEN GROSSEN 773 Truppen nach Italien geführt. Nach den Untersuchungen von Weinrich ist Bernhard ein Sohn von Karl Martell und ein Halb-Bruder von König Pippin gewesen. Sein Sohn Wala stammte aus einer Verbindung Bernhards mit einer Sächsin. Damit war Graf Wala ein Vetter KARLS DES GROSSEN, wobei er jedoch erheblich jünger als der Kaiser gewesen sein dürfte, da er noch 812 den Auftrag erhielt, KARLS Enkel Bernhard mit Truppen nach Italien zu geleiten. Als 811 KARL DER GROSSE sein Testament machte, war Graf Wala der erste weltliche Zeuge. Nach dem Tode Kaiser KARLS fürchtete dessen Sohn LUDWIG DER FROMME, daß Wala ihm nicht huldigen werde, was jedoch geschah, woraufhin die fränkischen Großen ihm folgten. Wala wurde mit drei anderen Grafen nach Aachen geschickt, um des Königs Schwestern und ihre Liebhaber in Gewahrsam zu nehmen.

Graf Walas Bruder - wohl Halb-Bruder - war Adalhard, Abt von Corbie, ebenfalls ein enger Berater KARLS DES GROSSEN. Die Brüder wurden vermutlich schon 814 durch den neuen Kaiser LUDWIG DEN FROMMEN verbannt, aber 821 begnadigt. Zum letzteren Jahr wird berichtet, daß Adelhard wieder die Abtei Corbie erhielt und ihm sein Bruder Bernhard zur Seite gesetzt wurde, der auf kaiserlichen Befehl hin Mönch in St. Gallen hatte werden müssen. Graf Wala war vermutlich wie des Kaisers Brüder 814 gezwungen wurden, sich die Tonsur scheren zu lassen. 822 sandte Kaiser LUDWIG seinen Sohn LOTHAR mit seinem Verwandten, dem Mönch Wala, nach Italien, um dort die Verhältnisse zu ordnen.

Graf Bernhard in der Liste von 811 dürfte mit dem Grafen Bennit identisch sein, dem KARL DER GROSSE ebenfalls 811 die Güter seines Vaters Amelung (I.) bestätigte. Aus der Urkunde ergibt sich, daß dieser Amelung von seinen sächsischen Verwandten wegen seiner Frankenfreundlichkeit vertrieben worden war. Da Amelung (I.) seinen Sohn Bernhard nannte, könnte er eine Verwandte KARLS DES GROSSEN geheiratet haben. Wie oben schon erwähnt, war Graf Walas Mutter eine Sächsin. Sie könnte wiederum eine Verwandte, gegebenenfalls Schwester, des Grafen Amelung gewesen sein.

Für eine wechselseitige Versippung des sächsischen Grafen Amelung (I.) und des fränkischen Grafen Bernhard - Vetter des Kaisers - spricht, daß Kaiser LUDWIG DER FROMME 822 von einem Grafen Bernhard Land bei Höxter erwarb, um das Kloster Corvey zu gründen, dessen erster Abt Adalhard, der Abt von Alt Corbie, wurde. Graf Bernhard von 811 könnte mit dem gleichnamigen Grafen, auf dessen Grund Corvey gegründet wurde, identisch sein. Nach der Überlieferung überredete der Mönch Wala seinen familiaris Graf Bernhard zur Hergabe des benötigten Landes.

In einer frühen Tradition für Corvey übergibt ein Bernhard - allerdings ohne Grafen-Titel - Gut im nordthüringischen Gau. Erste Zeugen sind ein Graf Enno sowie ein Amal. fi. Vermutlich bedeutet das Amalungus filius und bezieht sich auf den Sohn des Tradenten, dessen Vater gegebenenfalls ja auch Amelung hieß. Graf Enno dürfte der Schwager des Tradenten Bernhard sein, da er zeitgleich das Kloster für die Seele seiner Schwester Kunhilde bedachte, wobei ein Bernhard nach einem Enno Zeuge war.

Dieser Amelung, Sohn des Bernhard, könnte der spätere Graf Amelung (II.) sein, der zu den Wohltätern Corveys zählte und zusammen mit Haduwy - einer Tochter oder Enkelin des Herzogs Ekbert und der heiligen Ida - die früh verstorbenen Söhne Amelung (III.) und Bernhard hatte. Zeitlich wäre vorzuziehen, daß Hedwig keine Enkelin, sondern eine Tochter Herzog Ekberts war, die in die Familie des Grafen Bernhard einheiratete, der seinen Grund und Boden für die Klostergründung zur Verfügung gestellt hatte. Das könnte mit erklären, warum nach dem Tode des Gründer-Abtes Adelhard 826 nicht dessen Bruder Wala der neue Abt wurde, sondern Warin, obwohl er nach der ersten Mönchliste der jüngste Mönch war. Graf Amelung (II.) könnte - gegebenenfalls auf Bitten seiner Frau Hedwig - als Sohn des Kloster-Mitbegründers Graf Bernhard die Wahl seines Schwagers Warin durchgesetzt haben.

Graf Ekbert in der Liste von 811 dürfte derjenige sein, der als Sachse die fränkische Grafen-Tochter Ida heiratete und in Nachfolge von Graf Wala den Oberbefehl in Sachsen erhielt. Seine Tochter Hedwig heiratete nach obigen Überlegungen Graf Amelung (II.), den Sohn seines Waffengefährten Graf Bernhard.

Graf Theotheri von 811 könnte mit dem Grafen Tiodger im Zusammenhang stehen, der von ca. 822 bis ca 850 häufig Zeuge in Corveyer Traditionen ist, welche insbesondere mit der Sippe Herzog Ekberts in Zusammenhang stehen.

Ein Osdag - wenn auch ohne Grafen-Titel - gehörte um 830 zu den Corveyer Zeugen, unter anderem auch bei Traditionen, an denen ein Graf Liudolf - vermutlich ein Enkel Herzog Ekberts und der spätere sächsische Herzog - beteiligt war.

Bei diesem Befund hielt Hömberg auch den 811 letztgenannten Grafen Wichmann für einen Sachsen und den Spitzenahn väterlicherseits der späteren BILLUNGER. Er könnte mit dem Grafen Wichmann identisch sein, der in einer der ersten Traditionen dem Kloster Corvey zehn Hufen in Dungen 10 km nordwestlich von Höxter überließ. Spitzenzeuge dieser Tradition ist ein Hermann, was die Vermutung von Hömberg zusätzlich stützt. Offen muß bleiben, ob und gegebenenfalls wie dieser erste Graf Wichmann von 811 mit den AMELUNGEN bzw. Graf Bernhard versippt ist. Er ist – da am Ende der Grafenreihe stehend – sicherlich jünger als Graf Bernhard, so daß er dessen Schwieger-Sohn sein könnte. Vielleicht erfolgte eine Versippung – für welche die billungischen Namen Wichmann, Bernhard und Amelung sprechen – erst in der nächsten Generation.

Billunger von 860 bis 935

Wohl eine Generation weiter kommt in den 860/65 verfaßten Wundern des St. Willehard ein Graf Hermann vor, dessen Magd von seinem Hof Lesum stammte. Drögereit wies darauf hin, daß der Hof Lesum, zu dem 700 Hufen entlang der Weser bis hoch nach Altenwalde gehörten, Reichgut war, mit dem zu Beginn des 11. Jahrhunderts Graf Liudger, der zweite Sohn von Hermann Billung, belehnt war. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß Graf Hermann ein früher BILLUNGER ist.

Graf Hermann - begütert in Wigmodien – könnte die Erb-Tochter des Grafen Amelung (II.) und seiner Frau Hedwig geheiratet haben, deren beide Brüder verstorben waren. Als Hedwig in Gedenken an ihren Mann Graf Amelung (II.) und an ihre Söhne Amelung (III.) und Bernhard Corvey Güter in der Nähe des Klosters überließ, waren Spitzenzeugen die drei Grafen Bardo, Thiadger und Marcbodo. Die in TrCorv Nr. 190 genannte Ida wird für eine Tochter - eher wohl eine Enkelin - des Herzogs Ekbert gehalten, die in zweiter Ehe mit Graf Esic verheiratet war. Dort sind vier Grafen Spitzenzeugen: Bardo, Hermann, Thiadger, Marcbodo. Graf Hermann vertrat wohl die Interessen seiner Frau als mutmaßliche Enkelin Herzog Ekberts. Graf Marcbodo war vermutlich ein Bruder von Graf Esic.

Die Generationen zwischen dem Grafen Hermann von 860/65 und den drei billungischen Brüdern Wichmann dem Älteren, Bischof Amelung und Hermann Billung sind bisher ungeklärt.

880 fiel gegen die Normannen als vornehmster Graf nach dem Herzog Brun - dem Enkel des Herzogs Ekbert - ein Graf Wichmann. Er wird aufgrund seines Namens und seiner Stellung ebenfalls für einen frühen BILLUNGER, und zwar für einen Bruder oder Vetter des Grafen Hermann von 860/65, gehalten. Wenskus nimmt an, daß Graf Wichmann - und nicht Graf Hermann - mit einer Erb-Tochter des Grafen Amelung (II.) und der Hedwig verheiratet war. Demensprechend hält er einen Grafen Ekbert, der 890 von König ARNULF 66 Königshufen geschenkt bekam und den schon Hömberg als BILLUNGER identifizierte, für den Sohn des 880 gefallenen Grafen Wichmann.

Auch wenn Wenskus selbst auf die zeitliche Nähe des Grafen Ekbert zu den drei billungischen Brüdern hinweist, möchte er der Überlieferung von St. Michel zu Lüneburg folgen und zwischen sie einen Grafen Billing schieben.

Althoff hält ebenfalls Graf Ekbert für einen Vorfahren der BILLUNGER, ohne ihn genau einzuordnen.

Weiterhin hat Althoff auf einen Grafen Bernhard hingewiesen, dessen Witwe Berta das Kloster Borghorst gründete, in dem der BILLUNGER gedacht wurde, welche mit Wichmann III. den Vogt stellten. Erste Äbtissin wurde ihre 926 geborene Tochter Hatewyga, die wie die Frau des Grafen Amelung (II.) hieß. Berta war in - eventuell erster - Ehe mit einem Liutbert verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stammte eine Tochter Bertheida, die dem Kloster deren Zuwendungen aus dem Erbgut ihrer beiden Ehegatten streitig machte. Bertheida wurde 989 das Erbe ihres Vaters zugesprochen, während sie das Erbe des Grafen Bernhard dem Kloster zurückgeben mußte. Graf Bernhard starb nach der Klosterüberlieferung im Dezember 935. Es wird vermutet, daß er mit dem gleichnamigen Sieger der Schlacht von Lenzen im Jahr 929, dem die slavischen Redarier unterstellt wurden, identisch ist, so daß Hermann Billung 936 eine Stellung übernahm, die schon in der Hand seiner Familie war. Da Hermann seinen ältesten Sohn Bernhard nannte, erwägt Althoff, ob Graf Bernhard nicht der Vater der drei billungischen Brüder gewesen sein könnte. Ein Indiz sieht er darin, daß Erzbischof Adalbert von Magdeburg Herzog Hermann Billung 972 in Magdeburg königsgleich empfing. Da Erzbischof Adalbert nach den Untersuchungen Althoffs der Bruder der Berta war, hätte er dann einem Verwandten, nämlich den Sohn seiner Schwester, hofiert.

Gegen die Vermutung Althoffs, daß Graf Bernhard der Vater der drei billungischen Brüder war, spricht, daß in der Überlieferung und den Urkunden keine Unterstützung der Äbtissin Hedwig gegen ihre Halb-Schwester Bertheida durch die BILLUNGER erkennbar ist, obwohl sie als ihre Voll-Brüder dazu berufen gewesen wären, zumal es dann um das Erbe ihres Vaters gegangen wäre. Abgesehen davon ist Althoff darin zu folgen, daß Graf Bernhard von Borghorst ein naher Verwandter der drei BILLUNGER gewesen sein muß.


Versuch einer billungischen Stammtafel

             
                               Amelung
 
Ekbert ∞ hl. Ida       Bernhard       
(811)                          (811)             
   
Cobbo    Haduwy ∞ Amelung (II.)                   Wichmann (811)

LIUDOLFINGER      Amelung (III.)   Bennid   NN ∞ Hermann     

Wichmann (
880)                      Ekbert                                               Hermann              

Bernhard         Wichmann d.Ä.   Amelung    Hermann Billung               WERLER?
 
Wichmann d.J.  Ekbert d. Einäugige         Bernhard     Liudger          ? Hermann


Der hypothetische Stammbaum der BILLUNGER geht von folgenen Überlegungen aus:

Der Doppel-Name Hermann Billung ist zeitgenössisch nicht belegt. Falls er historisch ist, könnte es sein, daß er im 13. Jahrhundert irrtümlich als Hermann, Sohn des Billung, interpretiert wurde, da im Spätmittelalter Doppelnamen aus dem Rufnamen und dem angehängten Namen des Vaters gebildet wurden. Bei Fürsten-Geschlechtern des Hochmittelalters kam es jedoch gelegentlich vor, daß die Namen beider Großväter gegeben wurden. Gerade für die nächste Umgebung Hermann Billungs ist diese Sitte für einen nachgeborenen Sohn belegt. Graf Heinrich der Kahle - Amtsnachfolger Wichmanns I. im Stader Raum und Verbündeter des Herzogs gegen dessen Neffen Wichmann II. und Ekbert der Einäugige -  gab seinem zweiten Sohn nach seinem eigenen Vater und seinem Schwiegervater den Doppel-Namen Liutheri Udo.

Daher wäre es denkbar, daß die drei BILLUNGER - soweit sie nicht Halb-Brüder waren - einen Großvater väterlicherseits namens Hermann und einen Großvater mütterlicherseits namens Billung hatten.

Für den Großvater väterlicherseits kämen einerseits der Graf Hermann von 860/65 in Lesum in Betracht sowie andererseits ein Graf Hermann, der 889 zusammen mit einem Ekbert und einem Reithard die Grafschaft im Wetigau innehatte. Der jüngere Graf Hermann dürfte eher ein Bruder des Grafen Ekbert sein, welcher 890 durch König ARNULF mit 66 Hufen in den Gauen Tilihi, Marstem, Loingau und Bardengau beschenkt wurde. Er könnte mit dem Grafen Hermann identisch sein, der 906 Meschede stiftete und als Ahnherr der WERLER gilt. Auch die WERLER bevorzugten zunächst die Leitnamen Hermann und Bernhard. Ihre Güter lagen im Gemengelage mit den BILLUNGERN, wie sich auch vorliegend zeigt. Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre, daß der Stifter von Meschede zwar zur Sippe gehörte, aber kinderlos starb, so daß seine Neffen sein Erbe antraten. Immerhin fällt auf, daß vor den als solchen nachweisbaren WERLERN Hermann Billungs Sohn Liudger Graf im Gau Westfalen war. Im Diptychon der BILLUNGER gibt es einen bisher nicht sicher zuordenbaren zweiten Grafen Hermann. Er könnte ein nachgeborener Sohn Hermann Billungs gewesen sein, der nach dem Tod seines (Halb)-Bruders Liudger 1011 die Grafschaft Westfalen übernahm und Stamm-Vater der WERLER wurde.

Falls Graf Hermann von Lesum/Wigmodien der Großvater väterlicherseits der drei BILLUNGER sein sollte und er eine Erb-Tochter des Grafen Amelung (II.) und der Hedwig - Tochter des Herzogs Ekbert - geheiratet hatte, könnten Wichmann, Ekbert und Hermann seine Söhne gewesen sein. Der älteste Sohn Wichmann erhielt den Leitnamen der Sippe und fiel 880. Der zweite Sohn Ekbert erhielt den Namen des berühmten GroßVaters der Mutter. Der nachgeborene Sohn wurde einer auch später bei den BILLUNGERN zu beobachtenden Familientradition folgend Hermann genannt und könnte der Spitzenahn der WERLER sein, die in Westfalen eine herzogähnliche Stellung einnahmen.

Bei der Suche nach einem Großvater mütterlicherseits namens Billung gibt ebenfalls die Urkunde von 889 einen Hinweis, nach der den Wetigau die Grafen Ekbert, Hermann und Reithard beherrschten. Schon Wenskus nahm für Reithard eine Verschwägerung an. Etwa um 846 tradierte ein Redhard dem Kloster Corvey Land für die Seele seines Bruders Billing. Ob der Reithard von 889 mit dem Tradenten identisch ist, erscheint fraglich. Eine Verwandtschaft dürfte jedoch wahrscheinlich sein.

Es läßt sich daher aus dem Doppel-Namen Hermann Billung vermuten, daß ein Sohn des Grafen Hermann von Lesum/Wigmodien eine Tochter dieses Billing heiratete.

Hierfür käme am ehesten Graf Ekbert in Betracht, der 890 unter anderem durch König ARNULF im Bardengau reich beschenkt wurde. Er hätte dann seinem ältestem Sohn wieder den Leitnamen der Familie - gegebenenfalls auch in Gedenken an den 880 gefallenen Bruder - gegeben. Den zweiten Sohn weihte er Gott und nannte ihn nach dem Vater und dem Bruder seiner Mutter. Bei dem dritten Sohn wählte er den Leitnamen Hermann für nachgeborene Söhne. Aus der Familie seiner Frau erhielt dieser Sohn zusätzlich den Namen Billing. Für die Hypothese spricht, daß Wichmann der Ältere, der der Haupt-Erbe seines von uns gesuchten Vaters gewesen sein dürfte, seinen zweiten Sohn Ekbert nannte.

Graf Bernhard von Borghorst ist schwer einzuordnen. Nach seinem Namen könnte er ein weiterer Sohn des Grafen Hermann mit der Erb-Tochter von Graf Amelung (II.) und Hedwig sein. Die Spanne zwischen dem 880 gefallenen Wichmann und dem 935 gestorbenen Bernhard erscheint für Geschwister jedoch als zu groß. Nach seiner mutmaßlichen Stellung im Slaven-Gebiet und chronologisch könnte Graf Bernhard von Borghorst ein Sohn Wichmanns sein, ohne daß es hierfür einen direkten Anhaltspunkt gäbe. Nach seinem söhnelosen Tod hätte dann sein jüngerer Vetter Hermann Billung 936 seine militärische Stellung geerbt.

Selbst wenn es sehr gewagt erscheint, nur auf den im 13. Jahrhundert überlieferten Doppel-Namen Hermann Billung gestützt die Vorfahren der drei billungischen Brüder genau bestimmen zu wollen, zeigen die obigen Überlegungen, daß die BILLUNGER über eine namentlich nicht bekannte Tochter des Grafen Amelung (II.) bzw. eine Enkelin des Herzogs Ekbert nicht nur die Leitnamen Amelung und Bernhard, sondern höchstwahrscheinlich auch umfangreiche Güter ererbten.

Das Erbgut der Richenza und ihrer Kinder im Stader Raum mag daher durchaus auf liudolfingisch-/ekbertinisches Erbgut zurückgehen, aber höchstwahrscheinlich nicht über die EZZONEN, sondern über die BILLUNGER.


Erbgut in Westfalen

Richenza hinterließ ihren Kindern nicht nur gemeinsames Erbe an der Elbe, sondern auch im Raum Arnsberg. Vermutlich 1102 erwarb das Erzstift Köln von der Stader Markgräfin Oda ein Drittel des Lüerwaldes (nordwestlich Arnsberg zwischen Menden und Neheim) sowie ein Drittel von Odingender und Vrithengeresbeche. Hierzu kamen die Ministerialen Walbert von Huchelbeche, Adolf von Basthusun und Lubrand von Rutenberg. Zumindest Odas Anteil am Lüerwald kann nicht auf das Erbgut ihres Vaters Hermann IV. von Werl zurückzuführen sein, da Köln auch von der Witwe des Grafen Heinrich des Fetten den Haupthof Wicheln (westlich Arnsberg) mit einem weiteren Drittel des Waldes und  von Heinrichs Bruder Graf Kuno von Beichlingen die Burg Hachen (westlich Arnsberg) mit dem letzten Drittel erwarb. Da Oda und ihre Stief-Brüder gemeinsam am Lüerwald begütert waren, wird es sich auch hier um das Erbe ihrer gemeinsamen Mutter Richenza handeln. Das gilt umsomehr, als auch andere Kinder der Richenza bzw. deren Nachkommen Erbgut um Arnsberg hatten. Falls die Ministerialen in die Übertragung der Markgräfin Oda nicht nachträglich interpoliert wurden, gehörte zum Erbe der Richenza auch der Rüdenberg nördlich der Ruhr bei Arnsberg. Die dortige "Alte Burg" wird nicht Bernhard von Werl als Gegenpol zu der NORTHEIMER Burg Hachen, sondern sein Sohn Konrad von Werl-Arnsberg auf dem Erbgut seiner Frau errichtet haben. Diese war eine Tochter Ottos von Northeim und seiner Frau Richenza. Entgegen der Angabe bei Lange ist ihr Name unbekannt, weil die aus dem Nekrolog von Wedinghausen übernommene Mathilde die Frau eines Grafen Konrad von Arnsberg-Rietberg aus dem 13. Jahrhundert war.

Auch bei den Gütern der Richenza um Arnsberg gibt es Hinweise auf billungisches Gut. Falls Odingender mit Oedingen (nordöstlich Lennestadt) gleichzusetzen ist, liegt es ca. 2 km südlich von Cobbenrode, welches auf den Grafen Cobbo hindeutet. Interessanter erscheint, daß die Söhne Hermann Billungs, Herzog Bernhard I. und Graf Liudger, Grafschaften im Großgau Westfalen innehatten.


Zwischenergebnis

Richenza ist höchstwahrscheinlich eine billungische Erb-Tochter, und zwar der wichmannschen Linie, die ursprünglich die Güter entlang des linken Elbufers von dem Herzog Ekbert über dessen Tochter Hedwig geerbt hatte.

Als Graf Wichmann I. 944 nach seiner Frau starb, wurden seine minderjährigen Kinder Wichmann II. und Ekbert der Einäugige - vielleicht auch Friderun und Emma - durch die Schwester ihrer Mutter und deren Sohn König OTTO I. aufgezogen. Während dieser Zeit scheinen ihr Onkel Herzog Hermann und Graf Heinrich der Kahle das Erbgut ihres Vaters an der Nieder-Elbe unter sich aufgeteilt zu haben. Graf Heinrich, der erste UDONE, errichtete 969 die Burg Harsefeld, während Herzog Hermann die Lüneburg und den Bardengau übernahm. Im Rahmen der Fehden um sein Erbe brannte Wichmann II. eine Reichskirche nieder und wurde dafür geächtet, wie sich aus einer Urkunde Kaiser OTTOS von 959 für das Kloster St. Michael in Lüneburg ergeben könnte. Vielleicht wurden schon damals seine Allode und Lehen eingezogen und vom Kaiser zwischen dem Lüneburger Kloster St. Michael und dem von seinen Schwestern gegründeten Kloster Kemnade aufgeteilt. Hierfür spricht die Nachricht zum Jahr 958, daß Wichmann II. durch die Vermittlung des Markgrafen Gero, dessen Sohn Siegfried vermutlich mit einer Schwester Wichmanns II. verheiratet war, auf das Erbgut seiner Frau zurückkehren durfte. 963 begann er mit neuen Aufständen gegen seinen Onkel, bis er 967 in Polen fiel. Entweder hatte Wichmann II. keine Kinder oder er konnte ihnen als Friedloser seinen Anteil am Erbe Wichmann I. nicht weitergeben, da dieser zugunsten der Krone eingezogen war.

Da das Erbe der Richenza mit den Gütern des Klosters Kemnade in Gemengelage lag, wird es sich hierbei auch um einen Anteil am Erbgut des Grafen Wichmann I., und zwar um den Ekberts des Einäugigen, handeln. Die Nachkommen Herzogs Hermann Billung sind insbesondere aus einem von Wedekind auf vor 1085 datierten Diptychon bekannt. Bei anderen Personen, die nach Namen und Besitz BILLUNGER zu sein scheinen, könnte es sich um Nachkommen Ekberts des Einäugigen handeln.  


Ekbert der Jüngere

Um 1013 besaß ein Graf Ekbert eine Präfektur im Derlingau zwischen Schöppenstedt und Hornburg. Freytag hielt ihn mit Wedekind für einen Sohn Ekberts des Einäugigen, während Bork daran zweifelte.

Ein Argument dafür könnte sein, daß Ekbert der Einäugige 984 in der Auseinandersetzung zwischen den Anhängern OTTOS III. und Heinrich des Zänkers die Burg Ala verlor, in der er OTTOS Schwester Adelheid erzog. Sie wird meist bei Goslar vermutet. Vielleicht war sie mit der späteren Asseburg am nördlichen Rand der Präfektur Ekberts des Jüngeren identisch.


Brunonen

Eine weitere Grafschaft im Derlingau verwaltete bis 1038 ein Graf Ludolf, Sohn des Grafen Bruno, letzterer Stamm-Vater der Grafen von Braunschweig. Hieraus wurde geschlossen, daß der erste bekannte Brunone ein Bruder des benachbarten Grafen Ekberts des Jüngeren und wie dieser ein Sohn Ekberts des Einäugigen sei. Bork hielt das für möglich, aber nicht beweisbar. Gegen die Theorie spricht, daß Herzog Bernhard II. nach dem Tode Wichmanns III., der am gesichersten als Sohn Ekberts des Einäugigen anzusehen ist, die Vormundschaft für dessen unmündigen Sohn übernahm, worauf unten noch eingegangen wird. Graf Ludolf hätte, falls sein Vater Bruno ein Bruder Wichmanns III. gewesen wäre, diese Aufgabe übernehmen müssen. Außerdem läßt die Gründungssage von Braunschweig vermuten, daß es sich bei den BRUNONEN eher um eine Seitenlinie der LIUDOLFINGER als der BILLUNGER handelt.


Brun von Querfurt

991 gründeten der Edle Brun und seine Frau Adibert mit Zustimmung ihrer Erben Amelung, Adalger und Hermann das Kloster Vitzenburg (südlich Querfurt), dessen Vogt Amelung wurde. Brun wird für den Ahnherrn derer von Querfurt gehalten. OTTO III. bestätigte die Stiftung auf Bitten von Herzog Bernhard I. und Graf Ekbert. Dies und die Namen der Erben zeigen einen bisher ungeklärten Zusammenhang zu den BILLUNGERN, bei denen der Name Brun mit dem gleichnamigen Bischof Brun I. von Verden (962-976), der seinem Verwandten Bischof Amelung von Verden (933-962) folgte, ebenfalls vorkam.

Ein Zusammenhang mit Richenza ist jedoch nicht erkennbar.


Vogt und Graf Amelung von Paderborn

Ein Nachkomme Ekberts des Einäugigen könnte weiterhin der Graf Amelung sein, welcher ab 1015 als Vogt der Paderborner Kirche auftritt und 1031 ihr oberster Vogt genannt wird. 1015 scheint Amelung noch jung gewesen zu sein. Obwohl er als Vogt für Paderborn handelt, ist er noch kein Graf und erst dritter Zeuge: Graf Dodica, Brun, Amulung, Ecbehrt, ... Der hinter ihm genannte Ekbert ist sein Bruder, wie sich aus zwei weiteren Urkunden zweifelsfrei ergibt. Die Namen der Brüder Amelung und Ekbert lassen vermuten, daß sie billungische Ahnen haben. Bei den Schenkungen des Grafen Dodico und seines Bruders Graf Segebodo an Paderborn, die Erhard auf 1018 datiert, wird Amelung ebenfalls als Vogt Bischof Meinwerks tätig, ist aber erst sechster bzw. vierter Zeuge. Erst 1024 kommt Amelung gesichert als Graf vor. Seine Grafschaft lag im Padergau.

König HEINRICH II. ernannte 1009 seinen Kaplan Meinwerk zum Bischof von Paderborn. Meinwerk war ein Sohn des Grafen Immed und der Adela, Erb-Tochter des Grafen Wichmann von Hamaland. Mittelalterliche Bischöfe pflegten mit der Vogtei ihrer Kirche nahe Verwandte zu belehnen. Ein Immed, der in drei Fragmenten einmal als Edler, einmal als Graf und einmal als Vogt für Paderborn auftritt, kann zeitlich nur vor 1020 und familiär nicht näher eingeordnet werden. Da Bischof Meinwerk einen Bruder Dietrich hatte, kommt auch dieser als Vogt in Betracht, obwohl ein Zeugnis hierfür fehlt. Graf Dietrich wurde 1014 - angeblich auf Betreiben seiner Mutter Adela und seines Stief-Vaters Graf Balderich - durch seine Ministerialen ermordet. Bischof Meinwerk könnte nunmehr einen jungen Neffen, nämlich den späteren Grafen Amelung, mit der freigewordenen Hochvogtei belehnt haben. Die Verwandschaft kann aber nur vermutet werden.

Bischof Meinwerks Schwester Emma war mit dem 1011 verstorbenen BILLUNGER Graf Liudger verheiratet gewesen, der im Gau Westfalen Grafenrechte ausübte. Amelung und Ekbert könnten deren Söhne gewesen sei, wogegen jedoch spricht, daß das Reichs-Lehen Lesum nach dem Tode der Emma wegen einer Verfehlung ihrer Tochter eingezogen wurde. Auch sonst ist von Söhnen der Emma nichts bekannt.

Da Bischof Meinwerks Schwester einen BILLUNGER heiratete, könnte auch sein Bruder Dietrich eine BILLUNGERIN geheiratet haben. Wechselseitige Versippungen waren üblich. Vielleicht sah das Paar diesen Sohn ursprünglich für eine geistliche Laufbahn vor und nannte ihn deshalb Amelung nach dem billungischen Bischof Amelung von Verden. Erzogen wurde er vielleicht bei seinem Onkel Meinwerk in der Paderborner Domschule. Nach der Ermordung seines Vaters wurde er von seinem Onkel zum Nachfolger seines Vaters bestimmt und mit der Hochvogtei belehnt. Sein Bruder Ekbert könnte nach seinem Großvater mütterlicherseits Graf Ekbert dem Einäugigen benannt worden sein. Ein Indiz für diese Hypothese scheint ein Dietrich zu sein, der einmal ohne und dann mehrfach mit Grafen-Titel Zeuge hinter Graf Amelung ist. Da er anderen Sippen nicht zugeordnet werden kann, könnte er ein jüngerer Bruder, Sohn oder Neffe des Vogtes Graf Amelung sein, der nach dessen Vater Graf Dietrich benannt wurde. Diese Hypothese ergäbe nachfolgenden Stammbaum:
                         
Ekbert d. Einäugige    G Immed ∞ Adela

      Tochter NN    ∞   G Dietrich       B Meinwerk

       G Amelung         Ekbert     
                       
       G Dietrich

       
Wichmann III.

1001 schenkte Kaiser OTTO III. dem Bistum Hildesheim die Burg Dahlum (Königs-Dahlum, südlich Hildesheim) in pago Hastfala sive Ambargau in comitatu filiorum Ekbrahti comitis et nepotis nostri. Sein Vater OTTO II. hatte 979 seiner Frau Theophano in pago Ambraga in comitatu Wichmanni den Ort Pateleke (Bilderlahe, östlich Bad Gandersheim) geschenkt.

Der 1001 erwähnte Graf Ekbert wird aufgrund der angegebenen Verwandtschaft zu den OTTONEN der 994 verstorbene Ekbert der Einäugige sein, so daß er mindestens zwei Söhne hatte. Da sein Bruder Wichmann II. 967 fiel, müßte der 979 erwähnte Graf Wichmann schon ein Sohn des Grafen Ekbert sein, falls die Urkunde richtig datiert ist. Jedenfalls war Graf Wichmann III. 1009 im Besitz von Königs-Dahlum.

Am 6. Oktober 1016 wurde durch Adela, die Mutter Bischofs Meinwerk von Paderborn, und ihren zweiten Mann Graf Balderich ein Graf Wichmann in der Nähe von Balderichs Burg Uflach (bei Elten) ermordet, der ein BILLUNGER gewesen sein muß, da nach seinem Tode Herzog Bernhard II. die Interessen seines unmündigen Sohnes wahrnahm. Höchstwahrscheinlich ist er der Sohn Graf Ekberts des Einäugigen gewesen. Das Kloster Meteln wurde 889 durch eine Edle Friduwi gegründet, die dessen erste Äbtissin wurde. Sie muß eine gemeinsame Ahne von Herzog Bernhard I. und seinem Vetter Graf Ekbert dem Einäugigen gewesen sein, da auf deren Bitten Kaiser OTTO III. 993 Godesti zur Äbtissin und Wichmann zum Vogt des Klosters bestimmte. Godesti war eine Tochter Herzog Bernhards I. Da ihre Geschwister bekannt sind, kann Wichmann nur ein Sohn Ekberts sein, denn die Äbtissinwürde blieb ebenso wie die Vogtei in aller Regel der Stifter-Familie vorbehalten. Die Zuordnung Wichmanns III. als Sohn Ekberts des Einäugigen ergab sich zudem schon oben aus seiner Grafschaft im Gau Ostfalen.

Wichmann III. war auch 989 Vogt des Klosters Borghorst, welches um 968 ebenfalls von einer BILLUNGERIN gegründet worden war.

1014 verhinderte er im Königsgericht zu Allstedt, daß Kaiser HEINRICH II. eine Elbinsel aus dem Erbe des Markgrafen Werner dessen Feind und Nachfolger Markgraf Bernhard zusprach.

Anfang 1016 nahm er noch an der Sühne des Grafen Balderich und seiner Frau Adela für die Ermordung von deren Sohn Graf Dietrich teil. Er selbst war mit einer Schwester des Grafen Balderich verheiratet. Graf Wichmann III. wurde nach Thietmar von Merseburg in Fretheni civitatem bei seinen Vätern begraben. Allgemein wird wegen der Nähe zu Uflach darunter Vreden (westlich Münster an der holländischen Grenze) verstanden. Da nichts davon bekannt ist, daß hier BILLUNGER begraben wurden, verstand man unter ad patres suos die widukindsch-immedische Sippe seiner Groß-Mutter, der Frau Wichmanns I. Die Rechte im Gau Ostfalen lassen aber eventuell auch an Freden zwischen Hildesheim und Einbeck denken.

Wichmann IV.

Die Tatsache, daß Herzog Bernhard II. nach der Ermordung Graf Wichmanns III. die Interessen seines unmündigen Sohnes wahrnahm, stützt obige Vermutung, daß der Paderborner Vogt Amelung nicht ein agnatischer, sondern nur ein cognatischer Nachkomme Ekberts des Einäugigen war. Als mutmaßlicher Sohn einer Schwester des Grafen Wichmann III. wäre er zwar ein Vetter von dessen Sohn, aber kein Schwertvetter, so daß er auch nicht die Vormundschaft übernehmen konnte - falls er sowieso nicht 1016 selbst noch zu jung dazu gewesen war.

Der Name des Sohnes des ermordeten Grafen Wichmann III. ist nicht überliefert. Er wird mit Wichmann IV. vermutet, da im Nekrolog des Klosters St. Michael in Lüneburg vier Grafen Wichmann zu finden sind. Bei einer Sühne des BILLUNGERS Graf Dietmars des Älteren - dem Bruder Herzogs Bernhard II. - zugunsten Bischof Meinwerks zwischen 1018 und 1024 ist ein Wichmann fünfter Zeuge des Bischofs, der mit Wichmann IV. identisch sein könnte.

Über den letzten BILLUNGER der Wichmann-Linie ist nichts weiter bekannt. Das Gut der Richenza läßt vermuten, daß sie die Erb-Tochter dieser Linie war. Zeitlich könnte sie eine Tochter von Wichmann IV. sein.

Richenzas Tochter Oda hatte, wie oben herausgearbeitet, mit ihrem mütterlichen Erbgut einen Priester Wichmann belehnt, der die Grablege ihres Schwieger-Vaters Luder-Udo I. von Stade betreute. Diese Kombination läßt es möglich erscheinen, daß dieser Priester ein Verwandter der Oda war, der mit ihr nach Stade gekommen war. Denkbar wäre zum Beispiel ein unebenbürtiger Bruder der Richenza, der wie üblich Geistlicher geworden war und seiner Nichte bei ihrer Heirat als Beichtvater mitgegeben wurde.

Wenn Richenza die Erb-Tocher der Wichmann-Linie war, würde das zwangloser als bisher erklären, warum Otto von Northeim den letzten BILLUNGER der Hermann-Linie, Herzog Magnus, seinen proquinus nannte.

Die hier aufgestellte Hypothese von der Herkunft der Richenza wird kritisch zu überprüfen sein. Da neue Quellen kaum zu erwarten sind, kann das nur anhand einer Neubewertung der Nachrichten über die Nachkommen der Richenza versucht werden.  

Kloster Corvey

Otto von Northeim ist 1078 als Edelvogt des Corveyer Abtes Werner/Warin II. bezeugt. Es wird vermutet, daß er schon 1065/66 der Corveyer Edelvogt war, als er die Schenkung der Reichsabtei an Erzbischof Adalbert von Bremen faktisch verhinderte. Sein Vogteilehen, zumindest einen Teil davon, hatte er an Graf Otto von Zütphen weiter verlehnt.

Die Herkunft seiner Vogtei ist ungeklärt. Aufgrund von Verfälschungen der Corveyer Traditionen, Register und Annalen durch Falke wurde früher angenommen, daß die NORTHEIMER die Vogtei von den LIUDOLFINGERN und BRUNONEN geerbt hätten. Klohn vermutete, König HEINRICH II. habe die Vogtei dem Grafen Siegfried II. von Northeim 1002 als Dank für die Ermordung des Markgrafen Ekhard I. von Meißen verliehen. Derzeit wird ohne Belege hierfür angenommen, daß die NORTHEIMER vielleicht schon seit Siegfried I. die Edelvogtei erblich besaßen.

Die Urkunden des 10. Jahrhunderts, nach denen der Abt von Corvey die freie Vogtwahl besaß, sollen sich zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses nur auf die Teilvögte beziehen. Das erscheint fraglich, da der Abt als Reichsfürst vermutlich dieses Privileg genauso wie die Reichsbischöfe  - insbesondere die Erzbischöfe - in Anspruch nahm. Einschränkungen werden sich jedoch wie überall aus folgenden Grundsätzen ergeben haben: Die Hochvogtei war prinzipiell ein Lehen auf Lebenszeit, so daß ein neuer Abt sein Wahlrecht erst beim Tode des alten Vogtes oder dessen Absetzung durch den König (= Verlust des Reichslehen durch Fürstenspruch im Königsgericht) ausüben konnte. Der jeweilige Hochvogt bemühte sich um die Wahl eines ihm verwandten Abtes und der Abt um die Wahl eines ihm verwandten Hochvogtes. Dadurch blieben Abt- und Vogtwürde in der Regel über Jahrhunderte innerhalb miteinander versippter Familien, wie Hucker kürzlich für das Stift Bassum aufgezeigt hat. Gegebenenfalls waren sogar nur Nachkommen einer Stifter-Famile wählbar.

Die Reihenfolge der Äbte ist bis zur Zeit Ottos von Northeim bekannt:

Adalhard 822 -  826
Warin   
826 -  856
Adalger 856 -  877
Thankmar 877 -  877
Avo 877 -  879
Bovo I. 879 -  890
Gottschalk 890 -  900
Bovo II. 900 -  916
Folkmar    
916 -  942
Bovo III. 942 -  948
Gerbern 948 -  965
Liudolf  
965 -  983
Thietmar    
983 - 1001
Hosed 1001 - 1010
Wal
1010 - 1014
Druthmar 1015 - 1046
Rothard 1046 - 1050
Arnold  
1050 - 1055
Saracho 1055 - 1071
Werner/Warin 1071 - 1079

Oben war vermutet worden, daß Abt Warin (826-856) dem KAROLINGER Abt Adalhard folgte, weil seine Schwester Hedwig mit dem Grafen Amelung einen Nachkommen Karl Martells geheiratet hatte.

Abt Adalger (856-877) scheint einer Sippe anzugehören, die bevorzugt Namen mit der Endsilbe -ger führte und im Raum der unteren Elbe ansässig war. Sein gleichnamiger Bruder Adalger war auch Mönch in Corvey und wurde dann Erzbischof von Hamburg-Bremen (888-999). Vielleicht war er der Aldger, der Corvey sein Gut im Bardengau übertrug. Nachfolger Erzbischofs Adalger wurde der Corveyer Mönch Hoger (909-917), der auch zu dieser Sippe gehört haben könnte. 950 setzte OTTO I. einen Adalger als Propst des von seiner Mutter Mathilde gegründeten Stifts Engern ein. Da Mathilde eine Tante der BILLUNGER Wichmann der Jüngere und Ekbert der Einäugige war, könnte auch Adalger zu diesem Verwandtenkreis gehören. Fünfzig Jahre später hatte sich der Name Adalger in Ethelger gewandelt, wie die Angaben von Thietmar von Merseburg zeigen, daß 994 mit den UDONEN ein Graf dieses Namens bei der Verteidigung der Elbmündung in die Hände der Wikinger fiel. Der dritte Ehemann der Ida von Elsdorf hieß ebenfalls Etheler und besaß nach der Überlieferung die Grafschaft Dithmarschen, deren Bewohner ihn um 1064 erschlugen. Um 1149 fiel ein Etheler aus Dithmarschen, der für den dänischen König Sven die Holsten gegen Herzog Heinrich den Löwen und dessen Grafen Adolf von Schauenburg geführt hatte.

Ältester bekannter Vertreter der Sippe ist vermutlich der um 750/760 geborene Sachse Theotaker, der seinen Sohn Buni als Geisel stellen mußte. Wenskus erkannte nicht, daß sein Name mit Thiodger gleichzusetzen ist. Richtig dürfte seine Überlegung sein, daß Buni mit Bunico gleichzusetzen ist und dieser den Grafen Ricdag zum Bruder hatte. Thiodger hatte vielleicht eine Frau aus einer Sippe, die die Endsilbe -dag bevorzugte, geheiratet. Schon Wenskus wies aufgrund einiger Corveyer Traditionen auf eine Verbindung der -ger und -dag -Namen mit den LIUDOLFINGERN bzw. EKBERTINERN hin. Als Graf Amelung (II.), der Mann der Hedwig, dem Kloster Corvey Gut in Rimbeck überließ, waren seine Zeugen Hager (Hoger), Pumi (Buni?), Wulfger, Osger, Uffo (Kurzform von Liudolf) und Odo. Als Graf Bardo die Güter des verstorbenen Liudolf im Bardengau dem Kloster übertrug, behielt er dessen Bruder Cobbo und dessen Verwandten Fresgar ihre Rechte vor. Egal, ob Cobbo der Bruder oder Neffe des Abtes Warin war, war dieser auch mit Fresger verwandt. Schon in einer der ersten Traditionen für Corvey war ein Fresger Zeuge nach Graf Enno, welcher oben als Schwager des Klostergrund-Stifters Graf Bernhard vermutet wurde. Kurz darauf war Fresger Erstzeuge für Graf Enno.
Im Bardengau war auch ein Switger begütert.

Als ein Graf Liudolf seinen Sohn Thankmar in das Kloster gab, waren Zeugen Adalger, Bunico, Osdag und Ricdag. Kurz zuvor waren Graf Liudolf, Adalger, Ricdag, Osdag und Wicger Zeugen für eine Tradition des Bunico. Ob es sich bei dem Grafen Liudolf um einen Bruder oder einen Neffen des Abtes Warin handelt, kann hier dahingestellt bleiben. Die beiden Traditionen belegen jedenfalls eine Versippung der aufeinander folgenden Äbte Warin (826-856), Adalger (856-877) und Thankmar (877).

Der fünfte Abt Avo (877-879) ist familiär nicht einzuordnen, falls nicht sein Name mit Uffo und/oder Ovo gleichzusetzen sein sollte. Um 850 wird ein Uffo qui et Liudolf als Tradent für Corvey genannt. Etwas später findet sich die Corveyer Zeugenreihe: Wulfger, Ouo, Aldger, Liudmann. Wenskus hat für die Träger dieses Namens eine Nähe zu den EKBERTINERN bzw. LIUDOLFINGERN festgestellt.

Für seinen Nachfolger Abt Bovo I. (879-890) ist durch Widukind gesichert, daß er ein nepos des Abtes Warin war, was Honselmann sicherlich zutreffend mit Neffe interpretiert. Da er nach derselben Quelle der Großvater des Abtes Bovo II. (900-916) war, muß er vor seinem Eintritt in das Kloster nach 856 verheiratet gewesen sein. Als Graf Beuo wird er ein Rechtsgeschäft seines Onkels Warin bezeugt haben. Vermutlich ist er auch mit dem Tradenten Graf Beuo identisch, dessen Erstzeuge ein Thiadger war. Vielleicht erfolgte diese Tradition anläßlich seines Eintritts in das Kloster.

Abt Bovo II. (900-916) und Abt Bovo III. (942-948) sind nach Widukind wieder Groß-Vater und Enkel, so daß alle drei Äbte dieses Namens mit dem Abt Warin versippt waren.

Die Herkunft des zwischen Bovo I. und Bovo II. amtierenden Abt Gottschalk (890-900) ist unbekannt. Erwägenswert erscheint, daß siebzig Jahre später Bischof Liudolf von Osnabrück (968-978) einen Bruder namens Gottschalk hatte. Die Brüder sind als Verwandte der Kaiser OTTO I. und OTTO II. bezeugt und sollen aus einer Seitenlinie der LIUDOLFINGER stammen. Damit kann auch schon Abt Gottschalk zu dieser Sippe gehört haben.

Der Abt Bovo II. folgende Abt Folkmar (916-942) kann ebensowenig genau zugeordnet werden. Vielleicht war er ein Nachkomme des Tradenten Folcmer, dessen Erstzeuge um 840 ein Graf Hoger war. Dazu paßt, daß zu Zeiten des Abtes Folkmar der Klostervogt 936 ebenfalls Hoger hieß.

Für die späteren Äbte sind Vermutungen noch weniger möglich, zumal Traditionen aus dieser Zeit fehlen.

Abt Gerbern (948-965) ist keiner Familie zuzuordnen.

Abt Liudolf (965-983) könnte wegens seines Namens zur gleichnamigen Sippe gehört haben, zumal Thietmar von Merseburg ihn 968 beim Tode Erzbischofs Wilhelm von Mainz - ein Sohn Kaiser OTTOS DES GROSSEN - erwähnt. Angeblich veranlaßte Abt Liudolf 965 zusammen mit Bruno, dem Bruder des Kaisers, daß dieser dem Kloster Corvey den Hof Bökendorf schenkte. Die Urkunde gilt jedoch als durch Falke gefälscht.

Abt Thietmar (983-1001) könnte ein früher BILLUNGER gewesen sein, ohne daß dieser Schluß zwingend wäre, da sein Name im sächsischen Hochadel verbreitet war.

Abt Hoseds (1001-1010) Name läßt keine Vermutung zu.

Der Name des Abtes Wal (1011-1015) erinnert an den Grafen und Mönch Wala, den Bruder des Gründer-Abtes Adalhard.

Abt Druthmar (1015-1046) wird in keinem Sippenzusammenhang zu seinen Vorgängern gestanden haben, da er auf Vorschlag des Bischofs Meinwerk von Paderborn aus dem Kloster Lorsch kam und gegen den Willen der Corveyer Mönche durch den Kaiser zum Abt bestellt wurde.

Für Abt Rothard (1046-1050) ist auch die Namensform Trotmann überliefert. Wie bei seinem Vorgänger war an seiner Einsetzung der Paderborner Bischof Rotho als Vertreter des Königs maßgeblich beteiligt. Sein Name erinnert an den Grafen Redhard, dessen Bruder Billing vielleicht der Groß-Vater mütterlicherseits von Herzog Hermann Billung war, wie oben erwogen.

Die Äbte Arnold (1050-1055) und Saracho (1055-1071) sind keiner Familie zuordenbar.

Abt Werner (1071-1079) nannte sich in Urkunden Warin, was jedoch keinen Sippenzusammenhang bedeuten muß, sondern vielleicht auch mit bloßem Traditionsbewußtsein dieses Abtes erklärt werden kann.


Im Gegensatz zur Abtreihe ist über die Edel- bzw. Hochvögte von Corvey kaum etwas bekannt. Wedekind behauptete 1835 folgende Vögte:
Graf Ekbert                                     825 -  838
Graf Bardo                                      838 -  864
Herzog Liudolf                                864 -  866
                    ...
Graf Ekbert d. Einäugige                 984
Graf Bruno v. Braunschweig          1009
Hiddi                                               1028
Graf Bruno d.J. v. Braunschweig   1043 - 1057

Einen Nachweis brachte Wedekind nur für Hiddi, den er jedoch nicht einordnen konnte. Für die jüngeren Vögte Ekbert, Bruno und Bruno stützte er sich auf das Chronicon Corbeiense, wobei er annahm, daß die BRUNONEN Nachkommen des BILLUNGERS Ekbert der Einäugige waren. Das Chronicon Corbeiense ist jedoch eine gelehrte Fälschung des 18. Jahrhunderts, vermutlich durch Paullini, so daß seine Nachrichten über die Corveyer Vögte wertlos sind.

In einer Erweiterung der Corveyer Annalen, den sogenannten Fasti Corbeienses, findet sich zu 875 die Nachricht, daß Liudolf, Herzog von Ostfalen und Corveyer Vogt, gestorben sei. Ihm sei ein Hiddi gefolgt. Eckhardt hielt die Fasti für echt und damit die Nachricht über die Vogtei bis auf das falsche Todesdatum von Herzog Liudolf für richtig. Im Gegensatz dazu hat Hlawitschka zutreffend darauf hingewiesen, daß das falsche Datum 875 auf eine diesbezügliche Auffassung von Harenberg zurückgeht, der ebenfalls im 18. Jahrhundert höchstwahrscheinlich die Fasti fälschte.

Für die Frage nach der Vogtei können daher nur die wenigen Angaben in den Traditionen und die geringen restlichen Quellen herangezogen werden.

Als Graf Bevo I. vor 856 ein Rechtsgeschäft seines Onkels, des Abtes Warin, bezeugte, wurde er höchstwahrscheinlich als Kloster-Vogt tätig.

Ausdrücklich wird in der Mitte des 9. Jahrhunderts als Kloster-Vogt ein jüngerer Graf Bardo für eine Schenkung im Marstemgau bezeugt. Es scheint sich um das Erbgut eines Beui zu handeln, was vermutlich mit Bevo gleichgesetzt werden darf. Als nämlich ein Bevo um 850 tradiert, ist ein Graf Bardo wieder Erstzeuge. Wenn obige Vermutung stimmt, daß Graf Bardo der Ältere mit einer Tochter des Herzogs Ekbert und der heiligen Ida verheiratet war, könnte Graf Bovo I. ihr Sohn gewesen sein. Als er in das Kloster eintrat, folgte ihm vielleicht in der Vogtei sein Sohn Graf Bardo der Jüngere, der 880 mit zwei weiteren Bardos gegen die Wikinger fiel.

936 wird ein Vogt Hoger genannt. Er war höchstwahrscheinlich ein Verwandter des Abtes Folkmar (916-942) und gehörte vermutlich zu der Sippe, die Namen mit der Endsilbe -ger bevorzugte und schon den Abt Adalger (856-877), dessen gleichnamigen Bruder, den Erzbischof Adalger von Hamburg-Bremen (888-909), sowie dessen Nachfolger Erzbischof Hoger (909-916) stellte.

In einer wohl von Falke gefälschten Urkunde OTTOS DES GROSSEN von 965 erscheint als Corveyer Vogt ein Graf Luidolf. 980 findet sich ein Vogt dieses Namens in einer echten Urkunde OTTOS II.

Die Behauptung in der gefälschten Corveyer Chronik, 984 sei der BILLUNGER Ekbert der Einäugige Vogt gewesen, geht sicherlich auf den Bericht Thietmars von Merseburg zu diesem Jahr zurück, daß Herzog Heinrich dem Zänker und Graf Ekbert den minderjährigen König OTTO III. in ihre Gewalt und nach Corvey gebracht hatten, wo der Herzog dem sächsischen Pfalzgrafen Dietrich und seinem Bruder die Begnadigung verweigerte. Es erscheint möglich, daß Graf Ekbert dem bayrischen Herzog den Aufenthalt in Corvey als der dortige Vogt ermöglichte. Seit 983 war Thietmar Abt in Corvey. Hedwig, die Schwester des Grafen Ekbert, hatte Siegfried, den Sohn des Markgrafen Gero und Enkel Thietmars, geheiratet und war nach Siegfrieds frühen Tod Äbtissin von Gernrode geworden. Nach Widukind interventierte Markgraf Gero um 958 und 963 zugunsten Wichmanns des Jüngeren, dem Bruder Ekberts des Einäugigen. Vielleicht tat er das nicht nur seiner  Schwieger-Tochter zuliebe, sondern Wichmann war seinerseits mit einer Tochter Geros verheiratet, zumal Widukind in diesem Zusammenhang zweimal Wichmanns Gattin erwähnt, ohne allerdings ihren Namen zu nennen. Abt Thietmar könnte daher ein Sohn Wichmanns, ebensogut aber auch ein Sohn Siegfrieds und der Hedwig gewesen sein. In beiden Fällen wäre Graf Ekbert sein Onkel und käme als sein Vogt in Betracht.

1028 ist als Corveyer Vogt ein Hiddi belegt. Er könnte mit dem Hiddi identisch sein, der ca. 1016/20 zusammen mit seinem Bruder Amelung für ihren Vater Barding und ihre Mutter Hildburg dem Kloster Gut in Ludulfinhus(un) bzw. Ludulfinghus(en) übergab. Ob es sich um Ludolfshausen südlich von Göttingen handelt, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls läßt der Ortsname eine Verbindung zu den LIUDOLFINGERN vermuten. Barding könnte mit dem Namen Bardo identisch sein. Schon für das 9. Jahrhundert war oben eine Verwandtschaft zwischen Graf Amelung und Graf Bardo erwogen worden. Hiddi hieß zu Beginn des 9. Jahrhunderts ein Graf, der ebenso wie Graf Amelung als frankenfreundlich aus Sachsen vertrieben wurde. Sein Sohn war vermutlich Graf Asig, der in zweiter Ehe Ida, die Tochter oder Enkelin Graf Ekberts und der heiligen Ida, heiratete. Die Namen der Tradition des mutmaßlichen Vogtes Hiddi weisen daher auf Nachkommen - vermutlich jedoch in Seitenlinie - der Familien hin, die seit der Gründung die Äbte und Vögte von Corvey stellten.

Wenn daher Otto von Northeim gut eine Generation später Vogt von Corvey wurde, verdankte er diese Stellung vermutlich nicht seiner eigenen Familie, sondern eher der seiner Frau Richenza, insbesondere falls diese als BILLUNGERIN eine Nachfahrin von Hedwig und Graf Amelung war.

Lothar von Supplingenburg

Richenzas Sohn Heinrich der Fette erbte von ihr im Stader Raum den Haupthof Ahlerstedt (südlich Harsefeld). Von Heinrichs beiden Töchtern Richenza und Gertrud scheint dieses Gut an Richenza gekommen zu sein, welches ihr Ehemann, der spätere Kaiser LOTHAR VON SUPPLINGENBURG, als ihr Vormund für sie verwaltete. Oben war erwogen worden, daß LOTHAR hiermit die nach der Überlieferung von ihm errichtete oder wohl eher neu befestigte Burg Bremervörde ausstattete. Es gibt einen Anhaltspunkt dafür, daß auch der Vörder Burgplatz billungisches Erbgut war. Nach Adam von Bremen sollen Herzog Bernhard I. und ein (Mark)graf Siegfried - wohl einer der Söhne Heinrichs des Kahlen - die Normannen um 994 bei Chlindesmor vernichtend geschlagen haben. Vermutlich handelte es sich um Glindmoor bzw. Glinde wenige Kilometer westlich von Bremervörde. Hätten die Normannen dort die Oste überquert, hätte ihnen der Landweg nach Harsefeld oder wahlweise nach Stade offengestanden.

Weiterhin könnte sich durch die hier vermutete Abstammung seiner Frau erklären, warum LOTHAR als Herzog sowie später als König und Kaiser den aus der udonischen Ministerialität aufgestiegenen Grafen Friedrich gegen die UDONEN unterstützte und nach 1135 600 Mark aus dessen Erbe vom Altar des Harsefelder Klosters nahm.

LOTHAR VON SUPPLINGENBURG heiratete Richenza von Northeim um 1100. War sie eine Enkelin der letzten BILLUNGERIN der Wichmann-Linie, spräche das zusätzlich zu den bisherigen Argumenten dafür, daß LOTHAR 1106 nach dem Tode von Magnus, dem letzten BILLUNGER der Hermann-Linie, Herzog von Sachsen wurde.   

Adela von Beichlingen

Bei der Gründung des Klosters Katlenburg (südöstlich Northeim) um 1105 stiftete die Tochter Kunos von Beichlingen Adela dessen Haupthof Harsefeld mit seinen Pertinenzen aus dem Erbe ihrer Groß-Mutter Richenza. Ihr Gemahl Dietrich III. von Katlenburg errichtete zu dieser Zeit vermutlich die Stauffenburg bei Gittelde (südöstlich Bad Gandersheim) als neuen Mittelpunkt seiner Herrschaft. Die Stauffenburg liegt nur ca. 10 km südlich von Bilderlahe und ca. 20 km südlich von Königs-Dahlum. Beide Orte gehörten zur Grafschaft der Söhne Ekberts des Einäugigen. Dietrich III. könnte daher seinen Herrschaftsbereich in dasjenige Erbgut seiner Frau verlagert haben, welches seinem eigenen Erbe nördlich benachbart war.

Hucke hat 1956 zu beweisen versucht, daß die Grafen von Katlenburg eine Seitenlinie der UDONEN waren, die von dem 994 gegen die Normannen gefallenen Luder-Udo, einem Sohn Heinrichs des Kahlen, abstammten. Die Brüder Heinrich und Udo von Katlenburg, welche 1002 an der Ermordung des Markgrafen Ekkehard I. von Meißen beteiligt waren, seien die Söhne Luder-Udos gewesen. Zur Sühne für ihre Tat hätten sie die Burg Harsefeld in ein Stift umgewandelt. Ein Argument war für Hucke der Güterbesitz des Klosters Katlenburg im Stader Raum. Seine Meinung ist seitdem für die Harsefelder Klostergeschichte nicht mehr in Zweifel gezogen worden. Es erscheint aber unlogisch, daß Adela dem Kloster ihr Erbgut um Harsefeld stiftet, während ihr Ehemann - obwohl angeblicher Nachkomme der frühen UDONEN und der Stifter von Harsefeld - mit keiner Hufe im Stader Raum dazu beiträgt. Damit werden die Anfänge des Klosters Harsefeld neu zu überdenken sein.

Siegfried IV. von Boyneburg

Dieser Enkel der Richenza besaß neben dem Haupthof Hittfeld (südlich Harburg) auch Güter in Westfalen, die dem Erbe der Richenza zugeordnet werden können, insbesondere einen Haupthof in Odingen (wohl Oedingen, nordöstlich Lennestadt) und einen Haupthof in Werle (Werl) mit ihren Pertinzen.

Das von ihm gegründete Kloster St. Blasien in Northeim erhielt Güter im Raum der Goe Hollenstedt und Hittfeld.

Ravensberger

Richenzas Tochter Ethelinde, welche Welf IV. verstieß, um nach seinem bisherigen Schwieger-Vater Otto von Northeim Herzog von Bayern werden zu können, heiratete in zweiter Ehe Hermann von Calverla. Nach den meisten Quellen hieß ihr Sohn ebenfalls Hermann. Albert von Stade und die ihm folgende Harsefelder Chronik nennen als ihre Söhne jedoch Otto und Heinrich, Grafen von Ravensberg.

Calverla - Calvelage genannt - ist bisher nicht eindeutig identifiziert, wird aber meist 5 km nördlich oder 10 km südwestlich von Vechta vermutet. Engel konstruierte aus der zweifellos falschen Angabe bei Albert von Stade entgegen der bis dahin bestehenden allgemeinen Auffassung, daß die RAVENSBERGER Brüder keine Agnaten des Hermann von Calvelage sein könnten. Er erwog eine Abstammung von einer Tochter Konrads von Arnsberg und seiner Frau, einer Tochter der Richenza.

Für Engels - von ihm selbst in Frage gestellte - Hypothese besteht kein Grund. Er nahm an, daß Albert von Stade eine Generation übersprungen habe, so daß Otto und Heinrich von Ravensberg nicht von einer Tochter, sondern von einer Enkelin Ottos von Northeim und seiner Frau Richenza abstammten (fila tertiae filiae). Der Fehler Alberts von Stade läßt sich aber mit Nieberding viel einfacher damit erklären, daß Albert von Stade den Grafen Hermann den Jüngeren von Calvelage mit seinem gleichnamigen Vater verwechselte. Nieberding vermutete, daß Hermann der Ältere von Calvelage die Güter in und bei Ravensberg über seine Frau Ethelinda von Northeim erwarb. Hiergegen wurde eingewandt, daß keine Northeimer Güter in Ravensberg bekannt seien. Soweit die RAVENSBERGER ehemals billungisches Gut besaßen, sei kein Zusammenhang erkennbar.

Gerade die Nachfolge in billungischen Rechten spricht dafür, daß Otto und Heinrich von Ravensberg die Söhne Hermanns des Jüngeren von Calvelage waren, welcher seinerseits ein Enkel der Richenza war.

Der BILLUNGER Wichmann III. ist der Vogt des Klosters Borghorst gewesen. Nachdem er 1016 ermordet wurde, nahm Herzog Bernhard II. die Interessen seines unmündigen Sohnes wahr. Althoff hat erwogen, daß der Herzog die Vogteien Wichmanns III. seinem Bruder Thietmar überließ. Graf Thietmar wurde 1048 des Hochverrats angeklagt und im gerichtlichen Zweikampf durch seinen Ankläger besiegt. Sein mutmaßlicher Sohn Thiemo wurde geächtet und verbannt, weil er den Sieger fangen und schmachvoll ermorden ließ. Da seit Thietmar der billungischen Sippe im Borghorster Necrolog nicht mehr gedacht wird, vermutet Althoff, daß auch die dortige Vogtei zugunsten des Kaisers eingezogen wurde.

Später könnten jedoch die RAVENSBERGER die Vogtei über Wichmanns III. Enkelin Richenza geerbt haben. 1226 teilten die Grafen Otto II. und Ludwig von Ravensberg ihr väterliches Erbe, wobei Ludwig unter anderem die Vogtei über Borghorst allein übernahm.


Kloster Rastede

Konrad von Werl-Arnsberg hatte eine Tochter der Richenza und Ottos von Northeim geheiratet, deren Namen unbekannt ist. Mit seinem Bruder Luipold, der sein Erbe nicht seinem Bruder, sondern dem Erzstift Köln überließ, verstand er sich nicht.

Wegen des oben dargestellten Gemengelages insbesondere am Lüer-Wald bei Arnsberg ist es möglich, daß Konrad von Werl auf dem Erbgut seiner Frau eine Burg bei Arnsberg errichtete und seinem Bruder den Stammsitz Werl überließ.

Nachdem Graf Konrad und sein Sohn Hermann 1092 gegen die Friesen gefallen waren - auch hier könnten sie billungische Erbansprüche ihrer Frau bzw. Mutter durchzusetzen versucht haben -, soll ihr Sohn bzw. Bruder Friedrich von Werl-Arnsberg 1096 zu ihrer Memorie das Kloster Rastede (nördlich Oldenburg i.O.) gegründet haben. Diese Hypothese von Prinz kann hier nicht untersucht werden. Interessant ist jedoch, daß Basis der Klostergründung - sei diese nun 1091 oder 1096 erfolgt - eine St. Ulrich Kirche war, die angeblich 1059 durch einen (Grafen) Huno und dessen Frau Willa gegründet wurde. Ein Hun com kommt zum 11. April im Nekrolog des Michelsklosters in Lüneburg vor. Auch wenn er mit dem am 2. November verstorbenen Kloster-Gründer Huno nicht identisch sein wird, scheint eine Nähe zu den BILLUNGERN zu bestehen. Gerrit Aust hat als erster bemerkt, daß der in der Rikquur-Urkunde von 1059 bisher unbeachtete Zeuge Graf ...un vermutlich ein Graf Hun ist, der neben anderen Grafen auftritt, die zum billungischen Sippenverband gehören. Eine Ulrichskirche zeigt auch eine Verbindung zu Richenza, deren Ehemann und Vormund Otto von Northeim um 1083 in Harsefeld einen Altar stiftete, der ebenfalls St. Ulrich geweiht war.

Selbst wenn Friedrich von Werl-Arnsberg mit dem Kloster Rastede nichts zu tun hatte, wurde dieses durch seine Nichte Eilika von Werl-Rietberg mit dem Erbgut ihres Vaters Heinrich von Werl-Rietberg - eines Enkels der Richenza - ausgestattet. Ihr Ehemann Egilmar II. von Oldenburg wird so die Vogtei erlangt haben, die die OLDENBURGER jahrhundertelang behielten. Der reiche Güterbesitz des Klosters Rastede in Westfalen um Soest herum kann schon Erbgut der Richenza sein. Bisher gab es keine Erklärung für den Klosterbesitz im Bardengau. War Eilikas Ur-Groß-Mutter Richenza eine BILLUNGERIN, könnte es sich um das Erbgut Wichmanns des Älteren im Bardengau handeln, welches über seinen Sohn Ekbert den Einäugigen weitervererbt wurde.

Wildeshausen

Nicht nur die Rasteder Vogtei, sondern auch die Vogtei über das Stift Wildeshausen könnte Egilmar II. von Oldenburg über seine Frau Eilika von Werl-Rietberg als Erbin der Richenza erlangt und seinen Nachkommen vererbt haben.

1135 ließen sich die Ministerialen von Wildeshausen mit Zustimmung des Vogtes Egilmar von dem in Buxtehude sich aufhaltenden Kaiser LOTHAR VON SUPPLINGENBURG ihr Recht bestätigen, wie sie es schon zu Zeiten Herzogs Magnus besaßen. Der Kaiser bezeichnete sie als die Ministerialen ecclesiae nostrae in Wildeshusen. St. Alexander in Wildeshausen war aber keine Reichskirche, sondern eine Eigenkirche des Stifters Graf Walbert, Enkel des Engern-Führers Widukind, die er wie üblich seinen Nachkommen vorbehalten hatte. LOTHAR VON SUPPLINGENBURG wird daher nicht als Kaiser, sondern als Rektor des Stifts gehandelt haben. Da bei ihm selbst keine Abstammung von der Widukind-Sippe bekannt ist, dürfte er das Rektorat über seine Frau Richenza erlangt oder es als deren Vormund ausgeübt haben. Dafür spricht schon, daß die Urkunde auf Bitten der Kaiserin ausgestellt wurde. Die Kaiserin Richenza gehörte zu den Nachkommen Widukinds, falls ihre gleichnamige Groß-Mutter Richenza eine bzw. die billungische Erbtochter der Wichmann-Linie war, wie zu vermuten ist. Wichmann der Ältere war höchstwahrscheinlich mit einer Schwester der Königin Mathilde, der Mutter OTTOS I., verheiratet, für die die Herkunft aus der Sippe Widukinds belegt ist. Damit gehörte auch die Wichmann-Linie der BILLUNGER zu den Nachkommen, die das Rektorat über das Alexanderstift beanspruchen konnten. Allerdings ist unklar, ob der Hinweis auf die Zeiten Herzogs Magnus als reine Zeitbestimmung zu verstehen ist oder bedeutet, daß auch dieser das Rektorat besessen hatte. Die Hermann-Linie der BILLUNGER dürfte nicht zu den Widukind-Nachkommen zu zählen sein. Es wäre jedoch auch hier möglich, daß die herzogliche Linie die Rechte der Wichmann-Linie an sich zog, als Herzog Bernhard II. nach der Ermordung Wichmanns III. 1016 die Vormundschaft über dessen Sohn übernahm.

Der Kaiser und seine Frau waren nach der Urkunde am 15. Juli 1135 in Buxtehude. Am 13. April desselben Jahres war Graf Friedrich von Stade gestorben, der seinen Aufstieg vom Ministerialen der Udonen zum Lehensinhaber der Grafschaft Stade dem Kaiser LOTHAR verdankte. Da LOTHAR VON SUPPLINGENBURG nach dem Tode Friedrichs dessen Barvermögen in Höhe von 600 Mark vom Altar des Klosters Harsefeld nahm, wird er nach dem Tode seines Günstlings in die Grafschaft Stade geeilt sein, um dort die Verhältnisse neu zu regeln und die Interessen bezüglich des Erbgutes seiner Frau zu wahren. Es ist möglich, daß er in diesem Zusammenhang Graf Egilmar II. von Oldenburg mit der Vogtei des Alexanderstifts in Wildeshausen belehnte, weil dieser mit einer Nachfahrin der Richenza und damit einer Verwandten der Kaiserin verheiratet war. Denkbar wäre auch, daß LOTHAR VON SUPPLINGENBURG schon zu einem früheren Zeitpunkt Egilmar mit der Vogtei des Alexanderstifts belehnt hatte - zum Beispiel 1124 nach dem Tode des Onkels seiner Frau, Graf Friedrich von Werl-Arnsberg - und jetzt nach dem Tode des Grafen Friedrich von Stade nur Eigenmächtigkeiten des Vogtes vorbeugen wollte.

LOTHAR VON SUPPLINGENBURG könnte hier nicht als Kaiser, sondern als Vormund seiner Frau Richenza - Enkelin der BILLUNGERIN Richenza - über billungische Rechte an dem Alexanderstift in Wildeshausen verfügt haben, mit deren Vogtei er Graf Egilmar II. als Ehemann einer Ur-Enkelin der Richenza belehnte. Dafür spricht, daß die OLDENBURGER später mit der Vogtei von den WELFEN, den Erben LOTHARS und seiner Frau Richenza, belehnt waren.


Tecklenburger und Zutphener

Zu 1141 berichtet die Kölner Königschronik von einer Fehde des Oldenburger Grafen Egilmar II. - der hier Elimar von Rietberg genannt wird - einerseits und den Grafen Otto I. von Ravensberg sowie Ekbert von Tecklenburg andererseits. Graf Egilmar II. verlor zunächst eine Schlacht, nahm seine Gegner aber dann durch einen Hinterhalt gefangen. Die Fehde scheint mit der Ehe zwischen einer Tochter Egilmars namens Eilika und Graf Heinrich von Tecklenburg, dem Sohn Ekberts, beendet worden zu sein. Beider Sohn hieß Simon.

Da Egilmar in der Kölner Königschronik nach der Burg seines Schwieger-Vaters Heinrich von Rietberg genannt wird, der ein Enkel der Richenza war, könnte die Fehde um das Erbe der Richenza in Westfalen geführt worden sein. Otto I. von Ravensberg hatte ebenfalls Erbansprüche, wie oben wahrscheinlich gemacht.

                                             Otto v. Northeim ∞ Richenza

 Hermann v. Cavelage ∞ Ethelinde      Konrad v. Arnsberg ∞ NN

                    Hermann v. Cavelage d.J.                  Heinrich v. Rietberg
                                                    
       Otto I. v. Ravensberg        Egilmar II. v. Oldenburg ∞ Eilika
                                                   
                                            Heinrich v. Tecklenburg ∞ Eilika
                                               
                                                                        Simon v. Tecklenburg

Unklar ist, warum Ekbert von Tecklenburg an der Fehde beteiligt war. Es ist von Hömberg vermutet worden, daß seine Frau Adelheit ebenso wie Judith, die Mutter Ottos I. von Ravensberg, Töchter des Grafen Otto von Zutphen (1093/95-1113) waren.

Graf Otto von Zutphen hatte einen Sohn Graf Heinrich, der 1107 mit einer Grafschaft in Friesland belehnt wurde. Als seine Tochter ist Irmgard, die in erster Ehe mit Gerhard von Wassenberg-Geldern und nach dessen Tod 1131 mit Conrad von Luxemburg verheiratet war, nachweisbar. Deren Sohn aus erster Ehe Graf Heinrich von Geldern nannte sich gelegentlich auch Erbe der Stadt Zutphen.

Richtig ist, daß sich die Grafen von Tecklenburg und Ravensberg die nord-westfälischen Grafschaften teilten, so daß ein gemeinsames Erbe höchstwahrscheinlich ist. Judith hatte die Söhne Otto und Heinrich, während Adelheids Söhne Heinrich, Otto, Dietrich und Gerhard hießen. Diese Namen kamen ebenso wie Judith und Adelheid selbst bei den Grafen von Zutphen vor, so daß es sicherlich um Erb-Töchter dieses Geschlechts handelt. Allerdings überzeugt nicht, daß sie Töchter des Grafen Otto und Schwestern von Graf Heinrich sowie seiner Schwester Irmgard gewesen sein sollen. Graf Otto ist 1113 gestorben. Seine Tochter Irmgard gedenkt 1134 ihres Vaters Otto, ihrer Mutter Judith und ihrer Brüder Bischof Dietrich, Heinrich und Gerhard. 1118 tritt Graf Heinrich letztmalig mit seiner Mutter Judith auf. Wenn Judith ihren Mann überlebt hat, kann Graf Otto bei seinem Tode schlecht mit Jutta von Geldern verheiratet gewesen sein und mit ihr Adelheit gezeugt haben, wie Hömberg behauptet. Auch eine frühere Heirat kommt nicht in Betracht, da Adelheit bedeutend jünger als ihr angeblicher Bruder Graf Heinrich von Zutphen sein muß. Graf Heinrich kommt von 1107 bis 1118 vor. Vermutlich ist er schon zu Zeiten des Bischofs Dietrich von Münster (1118-1127) - sei dieser nun sein Bruder oder nicht - zumindest aber vor 1134 gestorben. Graf Ekbert von Tecklenburg, der Ehemann der Adelheit, ist von 1129-1141, vielleicht von 1127-1144, nachweisbar. Sie selbst wird um 1110 geboren sein, also zu einer Zeit, als Graf Heinrich schon zu Lebzeiten seines Vaters mit einer friesischen Grafschaft belehnt worden war.

Da Graf Heinrich von Zutphen seinerseits verheiratet war, ist es wahrscheinlicher, daß es sich bei Judith und Adelheit nicht um seine Schwestern, sondern um seine eigenen Töchter handelte, die nach ihrer Groß-Mutter und ihrer Ur-Groß-Mutter benannt wurden. Es ist umstritten, wer die Frau des Grafen Heinrich von Zutphen war. Während Hömberg Jutta von Geldern erwog, vermutete Sloot einerseits eine Schwester des Konrads von Luxemburg und andererseits eine Tochter Kunos von Beichlingen, also eine Enkelin der Richenza. Letztere Überlegung würde bedeuten, daß Graf Ekbert von Tecklenburg ebenso wie sein Gegner Graf Egilmar II. von Oldenburg eine Ur-Enkelin der Richenza zur Frau hatte.

   EH Gottschalk v. Zutphen ∞ Adelheid

EH Gebhard               Graf Otto ∞ Judith

 (?) Dietrich   G Heinrich    Irmgard               Gerhard
B v. Münster   ∞ NN       1.∞ Gerhard v. Geldern
                                           2.∞ Conrad v. Luxemburg

Adelheit             Judith                                   G Heinrich v. Zutphen u. Geldern
∞ Ekbert            ∞ Hermann II.
v. Tecklenburg  v. Kalvelage-Ravensberg


Osnabrücker Hochvogtei

Die Hochvogtei des Bistums Osnabrück bietet ebenfalls Anhaltspunkte für billungisches Erbgut. Der Osnabrücker Bischof scheint nicht wie andere das Privileg besessen zu haben, seinen Vogt frei zu wählen, sondern die Vogtei dürfte schon früh erblich gewesen sein. Hierfür sprechen die heftigen Auseinandersetzungen mit dem Stiftvogt Graf Simon von Tecklenburg, die erst damit endeten, daß der Bischof 1236 dem Grafen Otto von Tecklenburg die Vogtei abkaufte.

Wie schon oben erwähnt, beklagte sich Bischof Egilmar um 890 darüber, daß die meisten Zehnten in seinem Bistum durch den mächtigen Grafen Cobbo an die Klöster Corvey und Herford übertragen worden waren. Es muß Graf Cobbo I., der Sohn des Herzogs Egbert und der heiligen Ida, gemeint sein. Sein Bruder Warin war von 826 bis 856 Abt von Corvey, seine Schwester und/oder Nichte Hedwig Äbtissin von Herford. Wenn Cobbo dem Bistum Osnabrück die Zehnten entfremden konnte, wird er dessen Hochvogt gewesen sein. Sein Bruder Liudolf war nach obigen Überlegungen Stamm-Vater der sächsischen Kaiser und sein Schwager Amelung höchstwahrscheinlich Ahnherr der BILLUNGER, die den LIUDOLFINGERN in der sächsischen Herzogswürde folgten. Graf Cobbo I. hatte vermutlich die Söhne Cobbo II. und Ekbert. Es ist wahrscheinlich, daß Bischof Ekbert von Osnbrück (866-885) zu derselben Familie gehörte. Bischof Egilmar (886-918), der offensichtlich nicht der Sippe nahestand, bemühte sich um eine Restitution. 968 war der Bischofssitz mit Liudolf, der von Kaiser OTTO I. als sein Verwandter bezeichnet wird, wieder in der Hand der Sippe.

Die Osnabrücker Hochvogtei wird indirekt erstmalig zur Zeit des Bischofs Gosmar (1027-1037) erwähnt. Erster Zeuge im Gericht des Bischofs war ein Amelung, der allerdings mit dem Paderborner Vogt identisch sein könnte, da es um eine Schenkung zugunsten der Paderborner Kirche ging. Zu Zeiten des Bischofs Alberich (1037-1052) hieß der Vogt Wal. Mit Bischof Benno II. (1068-1088) tritt bis 1091 ein Edelherr Eberhard als Hochvogt auf, dessen Brüder Liudolf und Warin hießen. Diese Namen lassen den Vogt und seine Brüder der Sippe der COBBONEN zuordnen, zumal ihm von 1095 bis 1097 ein Edelherr Amelung als Vogt folgte. Auch wenn zwischenzeitlich Nachrichten über die Hochvogtei fehlen, dürfte sie bei dieser Familie geblieben sein, da ab 1142 wieder ein Edelherr Amelung Stiftsvogt ist. 1146 bestätigen eine Urkunde des Bischofs Philipp von Osnabrück für das Kloster Gertudenberg nach dem Vogt Amelung ein Zeuge mit dem Namen Rikenzo bzw. Rikenso sowie ein Wichmann.

Nach dem Tode des Vogtes Amelung II. scheint Herzog Heinrich der Löwe die Vogtei an sich gebracht und durch Arnold von Dorstat verwaltet zu haben. Hierzu fühlte er sich vielleicht durch seine Mutter, ebenfalls eine Ur-Enkelin der Richenza, legitimiert.

Nach dem Sturz des Löwen wurde Graf Simon von Tecklenburg ab 1184 Hochvogt, und zwar eventuell gegen den Willen des Bischofs Arnold, mit dem es heftige Auseinandersetzungen gab, die 1186 beigelegt wurden. Simons Erbansprüche auf die Vogtei könnten doppelt begründet sein. Seine Mutter Eilika von Oldenburg gehörte zu den Nachkommen der Richenza, wie schon ausgeführt.

Der Name seines Groß-Vaters Ekbert eröffnet die Möglichkeit, daß dieser selbst mit den bisherigen Hochvögten aus der edelfreien Seitenlinie der COBBONEN verwandt war. Die Herkunft der TECKLENBURGER ist bisher ungeklärt. 1184 überließ Simon von Tecklenburg auf Bitten seiner Mutter Eilika dem Kloster Ösede ebendort die Bardenburg mit dem Hof Bardenhausen. Sein Vater Graf Heinrich von Tecklenburg besaß die Burg mit ihren Pertinezen als Allod, übertrug sie der Osnabrücker Kirche und erhielt sie als Lehen zurück. Falls Graf Heinrich hier nicht über das Erbe seiner Frau verfügte, könnte die Bardenburg früher die Stammburg der TECKLENBURGER gewesen sein, worauf die Urkunde hindeutet. Der Name von Burg und dazugehörigen Wirtschaftshof erinnern an den billungischen Bardengau. Sie werden auf den Namen Bardo zurückgehen, wie die Form Bardonhusen im 9. Jahrhundert zeigt. Ein Graf Bardo war, wie oben gezeigt, Verwandter der Kinder des Herzogs Ekbert und seiner Frau, der heiligen Ida. 880 fielen gegen die Normannen neben Herzog Brun, dem Enkel oder Ur-Enkel Herzogs Ekberts, ein Graf Wichmann sowie drei Grafen namens Bardo.

Die unbekannten Ahnen der TECKLENBURGER könnten daher entfernte Verwandte der BILLUNGER gewesen sein, die kein Grafenamt, aber die Osnabrücker Hochvogtei bewahren konnten. Ebensogut ist es jedoch möglich, daß auch diese Vogtei zum Erbgut der Richenza gehörte und Graf Simon sie über seine Mutter Eilika von Oldenburg erwarb.

Eilika von Oldenburg

Die Ehe von Ekberts Sohn Heinrich mit Eilika von Oldenburg brachte dem Haus TECKLENBURG den mit der Fehde von 1141 erstrebten Zuwachs. Wie die gemeinsamen Verfügungen der Eilika von Oldenburg und ihres Sohnes Simon von Tecklenburg beweisen, erhielt sie eine umfangreiche Mitgift und/oder mütterliches Erbe insbesondere im Osnabrücker Raum. Hierbei dürfte es sich um das Erbgut der Richenza handeln, welches auf die Sippe Widukinds zurückzugehen scheint.

Nördlich von Osnabrück lag die Wittekindsburg, deren Name ein Indiz für diesen Zusammenhang ist. Zu ihr gehörten mehrere Höfe in der Umgebung, deren Zentrum der Haupthof in Rulle (ca. 2 km nordwestlich der Burg) war. In Rulle existierte eine Eigenkirche der TECKLENBURGER, deren Gründung Schmidt in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und Lorenz um 1180 vermutet. Da es sich um die einzige Ulrichskirche der Diözese Osnabrück handelt, dürfte die Vermutung von Lorenz zutreffen, daß Graf Simon von Tecklenburg ihr Stifter war. Vermutlich wird auch seine Mutter Eilika von Oldenburg an der Kirchengründung mitgewirkt haben, die diesen Heiligen aus dem Kloster Rastede kannte, wo sie wahrscheinlich vor ihrer Heirat mit Heinrich von Tecklenburg erzogen wurde. Da nach obigen Überlegungen Otto von Northeim aus dem Erbgut seiner Frau Richenza der Kirche in Harsefeld zusammen mit dem Turm eine Ulrichskapelle stiftete, scheint dieser Heilige für Richenza und ihre Nachkommen eine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Der gesamte Komplex der TECKLENBURGER um die Wittekindsburg, den Schmidt für die Zeit um 1200 herausgearbeitet hat, könnte Erbgut der Eilika von Oldenburg von ihrer Ur-Groß-Mutter Richenza her gewesen sein. 1233 wurde der Haupthof Rulle mit der Eigenkirche an das benachbarte Kloster Haste verkauft, und um 1245 das Kloster nach Rulle verlegt.  

Besser belegt ist das gemeinsame Handeln von Eilika von Oldenburg und ihrem Sohn Simon von Tecklenburg bei der Gründung des Klosters Essen (nördlich Quakenbrück). 1175 stifteten sie auf ihrem dortigen Erbgut ein Nonnenkloster und schenken dem Kloster die schon vorhandene Eigenkirche. Hier ist widukindisches Erbgut eindeutig, da die Pankratiuskirche in Essen zwischen 968 und 978 durch die Edle Aldburg sowie ihre Söhne Bischof Liudolf von Osnabrück sowie den Präfekten Gottschalk gestiftet wurde. Bischof Liudolf hatte seinem Verwandten Kaiser OTTO II. das Alexanderstift in Wildeshausen eintauschen können, so daß an seiner Zugehörigkeit zu den Nachkommen Widukinds kein Zweifel bestehen kann. Nachdem das Kloster 1194 in Essen abbrannte, wurde es durch Simon von Tecklenburg nach Malgarten (nordöstlich Bramsche) verlegt.

1184 überließen Simon von Tecklenburg und seine Mutter Eilika dem Kloster Oelinghausen ihr dortiges Erbgut. Das Kloster liegt westlich von Arnsberg und südlich vom Luerwald und damit mitten in dem Gebiet, in dem die Kinder der Richenza von ihr umfangreichen Besitz geerbt hatten.

Als billungisches Erbe käme noch die Vogtei über das Kloster Metelen (westlich Steinfurt), welche 993 Wichmann III. auf Bitten seines mutmaßlichen Vaters Graf Ekbert des Einäuigen und seines Onkels Herzog Bernhard I. bekommen hatte. 1173 ließ sich Eilikas Sohn Simon (
1202) mit der Vogtei von Metelen als Abfindung für die Stiftsvogtei von Münster belehnen und diese vom Kaiser bestätigen. Die Äbtissin Oda (1193-1212) hieß wie seine Frau und war mit ihm verwandt, vielleicht seine Tochter. 1337 kaufte das Kloster dem Grafen Nikolaus von Tecklenburg die Vogtei ab. Auch wenn Simon von Tecklenburg die Lehen eines Wigbold von Metelen übernahm, könnte seine Berechtigung dazu sich aus dem Erbe seiner Mutter ergeben, da bei praktisch allen hochadligen Eigenklöstern die Regel galt, daß die Äbtissinnen und gegebenenfalls auch die Vögte mit den Stifter-Familien zumindest weitläufig verwandt waren.

Zusammenfassung

Die Untersuchungen haben ergeben, daß Richenza, die Gattin von Hermann III. von Werl und Otto von Northeim, ihren Kindern aus beiden Ehen Güter im Stader Raum vererbte, die im Gemenge mit Gütern lagen, die nach dem Tode des BILLUNGERS Wichmanns des Jüngeren dem Kloster Kemnade überlassen wurden. Es handelt sich vermutlich um den Anteil seines Bruders Ekbert des Einäugigen und dessen Nachkommen, so daß Richenza keine EZZONIN, sondern eine billungische Erb-Tochter der Wichmann-Linie sein dürfte.

Diese Hypothese hat sich durch eine Neubewertung der Herkunft von Gütern und Rechten insbesondere der RAVENSBERGER, OLDENBURGER und TECKLENBURGER weiter bestätigen lassen. Für andere ihrer Nachkommen werden Berufenere prüfen müssen, ob die hier vertretene Herkunft der Richenza möglich ist und bisher ungeklärte Fragen lösen kann.

Ein Wermutstropfen ist, daß der Richenza entgegen der Behauptung von Lange nicht in St. Michael in Lüneburg gedacht wurde und sie auch sonst im billungischen Totengedenken nicht auffindbar zu sein scheint. Die von ihm zitierte Eintragung Rikce ducissa ob. uxor ducis steht für März im Memorienbuch von St. Blasius in Braunschweig. Immerhin ist der Name im billungischen Hauskloster nicht fremd. Zum 12. Januar findet sich eine bisher nicht identifizierte Riquez comitissa. Im ebenfalls billungischen Kloster Borghorst gedachte man am 10. April eines Mädchens Rikece und am 28. Juli einer Rikeze. Auch hier sind die Spezialisten gefragt.