Das Jahr 1071.
1071 feierte der König die Geburt des Herrn zu Goslar.
Hier empfing durch Verwendung des Schwabenherzogs
Ruodolf Welf, ein Sohn des Markgrafen Azzo von Italien,
das Herzogthum über Baiern. Dieser hatte die Tochter des Herzogs
Otto von Baiern als Gemahlin heimgeführt und ihr schon zum zweiten
Male eidlich die eheliche Treue gelobt. So lange nun im Reiche Ruhe herrschte,
und auch noch so lange er hoffte, daß der unbesonnen angefangene
Krieg ohne großen Wechsel der Dinge beigelegt werden könne,
erwies er seiner Gemahlin etliche Liebe und Ehre, und nahm sich der Sache
seines Schwiegervaters, so viel er vermochte, mit Rath und That an; als
er aber wahrnahm, daß der Spruch gegen ihn gefällt sei
und daß der Krieg und der Zorn des Königs täglich heftiger
wider ihn werde, da zerriß er alle gesetzlichen Bande, wodurch sie
ihre Verwandtschaft gegenseitig befestigt hatten, denn er hielt es für
besser, die Schuld des Meineids und die Schmach des Treubruchs zu tragen,
als seine blühende Lage mit den verzweifelten und hoffnungslosen Verhältnissen
seines Schwiegervaters zu verketten. Zuerst versagte er ihm daher
in seiner Noth die Hülfe, um welche er ihn bat; dann verstieß
er seine Tochter aus seinen Umarmungen und der Gemeinschaft des Ehebetts
und schickte sie dem Vater zurück; zuletzt bot er alle Mittel
auf, um sich des Herzogthums desselben zu bemächtigen, unbekümmert
darum, wieviel Gold, wieviel Silber, wieviele Einkünfte und Besitzungen
er verschleuderte, wenn er nur das Ziel seiner Wünsche erreichte.
So gerieth ihm sein Betrug und er wurde stark und mächtig, zum Abscheu
aller, weil er die glänzendste und am höchsten geachtete Würde
im Reiche durch so häßliche Ehrfucht befleckt hatte. Der König
wußte, es werde den Fürsten der Baiern eben nicht gefallen,
daß dieses sowohl gegen Sitte und Recht, als auch ohne ihren Rath
geschehen sei, und er gedachte deswegen so eilig als möglich nach
Baiern zu gehen, um die Unruhen, welche sich etwa erheben könnten,
in eigner Person zu dämpfen. Aber auf der anderen Seite war ihm auch
nicht unbewußt, daß die Feinde, wenn er sich allzuweit entfernt
hätte, sogleich auf Goslar einen Angriff machen und jenen hochberühmten
Sitz des Reiches in Asche legen würden. Er befragte deshalb seine
Vertrauten um ihren Rath, ließ einige sächsische Fürsten
zum Schutze dort zurück und traf, wie er sich vorgenommen, Anstalt
selbst nach Baiern aufzubrechen. Inzwischen aber beschloß der Herzog
Otto, da er sah, daß ihm jetzt keine Hoffnung mehr übrig
sei, weil die Feinde alle seine Güter mit Feuer verzehrt und
ein anderer sein Herzogthum, hauptsächlich ihm zur Schmach, an sich
gerissen hatte, die Sache zur letzten Entscheidung zu bringen und dem Könige,
wo sich zuerst Gelegenheit fände, im offenen Kampfe entgegenzutreten.
Daher besetzte er den Berg, welcher Hasegun heißt, damit dieser
seinen Kriegern, wie auch immer die Sache in dem Treffen ausfallen möchte,
zum Rückzuge diente. Dieser Berg war durch Natur und Lage schon
sehr fest; er aber machte ihn durch Handarbeit und Kunst noch weit fester,
führte hierhin aus den umliegenden Gegenden Beute zusammen und
erwartete den König. Auf die Nachricht davon zog der König ungesäumt
so viele Truppen, als er bei einer so lötzlichen Gefahr vermochte,
aus Sachsen, Thüringen und Hessen eiligst an sich, und gebot
den übrigen weiter entfernten Fürsten, wenn etwa die Sache nicht
ohne langwierigen Verzug sich zu Ende bringen ließe, so schleunig
als möglich mit bewaffneter Mannschaft zu ihm zu stoßen. Zu
dieser Zeit bediente sich der König am meisten des Grafen Eberhard,
eines sehr einsichtsvollen Mannes, zum Rathgeber. Als dieser sah, daß
die so kriegsgeübten, so durch die Verzweiflung selbst, welche
gemeiniglich auch Furchtsamen Muth zu verleihen pflegt, entflammten Feinde,
ohne großen Nachtheil des Staats weder unterliegen noch siegen konnten,
da ging er hin zum Herzog Otto und beschwor ihn bei Gott,
sich und die Seinigen nicht in so große Gefahr zu stürzen; noch
sei ihm nicht alle Hoffnung auf Vergebung, nicht alle Möglichkeit,
wieder zu Athem zu kommen, entrissen; wenn er sein Heer von jenem
Berge, den er besetzt hatte, wegführe und sich dem Könige auf
billige Bedingungen ergebe, so verspreche er ihm mit einem Eide, daß
er ihm Verzeihung des ihm schuldgegebenen Verbrechens und Wiedererstattung
alles dessen, was er nach Kriegsrecht verloren hatte, bei dem Könige
auswirken werde. Als jener einwilligte, trug er die Sache dem Könige
vor und bewog diesen ohne Schwierigkeit, ihm beizustimmen, da er
schon angefangen hatte des Krieges überdrüssig zu werden, weil
er sah, daß dieser von den Fürsten aus persönlicher Liebe
zu jenem Manne listig in die Länge gezogen und lässig geführt
wurde. Der Friede wurde also von beiden Seiten eidlich bestätigt und
dem Herzog Otto bis zu Ostern Waffenstillstand gewährt, auf
daß er nach Cöln komme und hier die Uebergabe unter den Bedingungen,
welche die Fürsten für billig erklären würden, vollends
zu Stande bringe. Während dieses Waffenstillstandes, nachdem der Herzog
Otto sein Heer, einen jeden in seine Heimat entlassen hatte, wurde
der Graf Retheri, eine nicht geringe Stütze der Partei desselben,
von seinen Feinden wegen eines Privatzwistes erschlagen.
Saricho, Abt von Corbei, starb; ihm folgte Wernheri, ein
Mönch des nämlichen Klosters.
Der König ging, wie er sich vorgenommen, nach Baiern,
und nachdem er hier, so gut als damals möglich war, die Geschäfte
des Reichs einigermaßen geordnet hatte, kehrte er an den Rhein zurück.
Die Veste Hamerstein, welche schon vorlängst von den früheren
Königen zerstört worden war, stellte er mit größter
Anstrengung wieder her. Ostern feierte er zu Cöln und gewährte
daselbst dem Herzog Otto eine weitere Frist bis zu Pfingsten. Nach
beendigter Osterfeier ging er nach Lüttich. Hier kam die Witwe
[3 Die Grafschaft Hennegau mit der Hauptstadt Mons war vielmehr
durch Richilde, die Erbtochter jenes Reginher, an Balduin
gekommen.] des Grafen Balduwin [4 Markgraf Balduin VI. von
Flandern (I. Graf vom Hennegau).] zu ihm, um den Schutz der
königlichen Majestät anzurufen gegen die Gewaltthätigkeit
und Ruchlosigkeit Ruotberts [5 Robert der Friese, Graf von Flandern.],
des Bruders von jenem Balduwin, der nicht nur seinen Bruder in einem
Treffen besiegt und des Lebens beraubt [6 Es gab keinen Kampf zwischen
den beiden Brüdern. Nach dem Tode Balduins VI. (1070) erfolgte
die Eroberung.] , sondern auch dessen Gattin und Kinder verjagt und
mit tyrannischer Grausamkeit sich seiner Grafschaft bemächtigt hatte.
Vielleicht wird es dem Leser nicht unangenehm sein, wenn
ich die Geschichte dieser Ereignisse, wie sie sich zugetragen hat, so kurz
als möglich vollends erzähle. In der Grafschaft des Balduwin
und in seinem Geschlecht war es seit vielen Jahrhunderten hergebracht,
gleich als ob es durch ein ewiges Gesetz verordnet wäre, daß
einer der Söhne, welcher dem Vater am besten gefallen hatte, den Namen
desselben erhielt und allein das Fürstenthum über ganz Flandern
durch erbliche Nachfolge in Besitz bekam; die übrigen Brüder
aber entweder diesem unterthan und seinen Befehlen gehorchend, ein ruhmloses
Leben führten, oder, in die Fremde gehend, lieber durch eigene
Thaten sich hervorzuthun strebten, als daß sie dem Müßiggange
und der Sorglosigkeit fröhnend, sich bei ihrer Dürftigkeit mit
eitler Einbildung auf ihre Vorfahren trösteten. Dieses geschah nämlich,
damit nicht, wenn das Land unter mehrere getheilt würde, der Glanz
jener Familie durch Mangel an Besitz erbleichen möchte. Als nun der
ältere Balduwin [8 Balduin V., 1035-1067.] zwei Söhne
gezeugt hatte, Balduwin und Ruotbert, so setzte er den Balduwin
zum Erben aller seiner Habe ein, dem Ruotbert aber, sobald nur
sein Alter zum Kriegsdienste reif zu sein schien, rüstete er Schiffe
aus, versah ihn reich mit Gold, Silber und den übrigen Erfordernissen
zu einer weiten Fahrt, und gebot ihm zu auswärtigen Völkern zu
gehen, und, wenn er ein Mann sei, durch eigene Tapferkeit sich eine Herrschaft
und Reichthümer zu erwerben. Dieser, dem Vater sich fügend, nahm
eine Menge Volks, welche für das Land überlästig erschien,
mit sich, bestieg sein Schiff und gedachte nach Gallicien zu gehen und
dasselbe, wenn Gott seinen Wünschen glücklichen Erfolg verliehe,
sich zu unterwerfen. Als er nach wenigen Tagen an unbekannten Küsten
angelangt und, ans Land gestiegen, Beute von den Einwohnern der Gegend
wegzutreiben angefangen hatte, so eilen jene von allen Seiten sogleich
bewaffnet herbei, um die Gewalt abzuwehren. Es kommt zum Kampfe, eine Weile
hält jener muthig aus, dann treiben sie ihn in die Flucht, verfolgen
den fliehenden bis zu den Schiffen und strecken seine Gefährten
beinahe bis auf den letzten Mann zu Boden. Kaum entkam er selbst mit wenigen
Begleitern durch die Flucht und kehrte zu seinem Vater als Bote eines so
großen Unfalles zurück. Dieser aber wies ihn wegen des übeln
Ausgangs seines Unternehmens schimpflich ab, und so unternahm er von neuem
auf einem andern Wege, weil es ihm auf diesem nicht gelungen war, sein
Glück zu versuchen, bereit, alles, sogar das Aeußerste zu
dulden, um den alten Flecken durch neue Thaten auszutilgen. Nachdem er
seine Schiffe ausgebessert und die Zahl seiner Krieger ergänzt hatte,
vertraute er sich noch einmal den Meeresfluten an, um in ein weit
entferntes Land zu segeln, wo Gott dem Umherschweifenden einen Wohnsitz
zeigen würde. Und siehe, nach wenigen Tagen erfaßte ihn ein
furchtbares Unwetter, er verlor viele der Seinigen im Schiffbruch
und rettete sich selber nackt und bloß mit genauer Noth an das Ufer.
Nun legte er die Tracht eines gemeinen Mannes an, Willens, unter denen,
die nach Jerusalem des Gebetes wegen pilgerten, gen Constantinopel zu gehen,
wohin ihn häufige Botschaften der Northmannen riefen, welche unter
dem constantinopolitanischen Kaiser Kriegsdienste thaten, und ihm, wenn
er dorthin käme, die Herrschaft über ganz Griechenland versprachen.
Aber der Kaiser zu Constantinopel, von diesem Plane unterrichtet, ließ
alle Flüsse, über welche der Uebergang nach Griechenland
geschehen konnte, durch Wächter beobachten, mit der Weisung, den Ruotbert,
wenn man seiner habhaft würde, sogleich ums Leben zu bringen [1
Robert war nicht im Orient. Möglicherweise überträgt
Lampert die Fahrt Harald Hardrada von Norwegen
um 10145 fälschlich auf ihn. Überhaupt ist das meiste sagenhaft.].
So wurde seine Absicht und sein Beginnen vereitelt. Als er nun endlich
erkannte, daß ihm so alles unglücklich von Statten ging, welchen
Weg zu Erweiterung seines Ruhms er auch versuchte, da wendete er sein Augenmerk
von nun an für immer ab von der Bekämpfung fremder Völker
und machte einen Einfall in Fresien, welches an Flandern grenzt, worüber
einst der Graf Thiederich [2 Dietrich IV., 1039-1046.] und
nach ihm sein Bruder Florentius [3 Florentius I., 1049-1061.]
geherrscht hatten. In zwei Treffen wurde er hier überwunden und in
die Flucht geschlagen. Endlich ergaben sich die Bewohner der Gegend, von
vielen Kämpfen erschöpft, da sie sahen, daß er hartnäckig
entschlossen sei zu siegen oder zu sterben, freiwillig seiner Herrschaft
[4 1063. Robert heiratete Gertrud, die Witwe des Florentius.].
Als sein Bruder Balduwin dieses erfuhr, denn sein Vater war bereits,
von Krankheit und Alter verzehrt, der Natur unterlegen [5 Balduin V.,
gestorben 1067.], da rüstete er sich mit großer Gewalt und großer
Anstrengung, ihn durch bewaffnete Schaaren aus diesem Lande zu vertreiben.
Ruotbert schickte ihm, als er mit dem Heere heranzog, Gesandte entgegen,
ihn inständig bei Gott bittend, daran zu gedenken, daß er sein
Bruder sei, und nicht die Rechte leiblicher Bruderschaft zu beflecken,
welche doch auch bei Barbaren stets für heilig und unverletzlich gelten;
er solle vielmehr Erbarmen haben mit den Irrfahrten, den Anstrengungen
und Trübsalen, in welchen er sein ganzes Leben hindurch sich
abgemüht habe; er selbst möge sich seines glücklichen
Looses freuen, daß er das ganze Erbe ihres gemeinschaftlichen Vaters,
welches er nach Völkerrecht mit ihm hätte theilen müssen,
allein und ohne Mitgenossen inne habe; er dagegen, aus den heimatlichen
Grenzen verbannt, des väterlichen Erbgutes beraubt, von dem höchsten
Glanz seiner Vorfahren bis zur niedrigsten Dürftigkeit herabgebracht,
habe fremde Völker mit Krieg heimgesucht, Länder und Meere erregt,
kurz nichts versäumt, um wegen des Antheils an dem väterlichen
Vermögen, der ihm gebühre, seinem Bruder nicht beschwerlich zu
fallen; jetzt von Anstrengungen erschöpft und von Widerwärtigkeiten
ermattet, habe er mit genauer Noth sich in dem kleinsten Winkel der Erde
niedergelassen, wovon kein Theil, wie bekannt, zum Gebiete desselben gehöre;
jetzt stehe es in seinem Sinne fest und er könne von seinem Entschlusse
durch keine Gewalt, durch keinen Zwang abgebracht werden, daß er
hier entweder für sein schon herannahendes Greisenalter Ruhe, oder
wenigstens für einen ehrenvollen Tod ein Grab finden wolle. Jener
blieb bei diesen Worten ungerührt und brach ohne Verzug mit seinem
Heere gegen Fresien auf.
Da nun rief Ruotbert, durch die Noth getrieben,
die junge Mannschaft, wovon er eine sehr erlesene Schaar bei sich hatte,
zu den Waffen und ging ihm entgegen. Es kam zur Schlacht, auf Seiten Balduwins
wurden viele getödtet, noch mehr verwundet und alle in die Flucht
geschlagen, und als dieser selbst mit größter Anstrengung bemüht
war, die aus ihrer Stellung geworfenen zum Stehen zu bringen und das Gefecht
zu erneuern, als er unvorsichtig in die dichtesten Glieder der Feinde eindrang,
da wurde er erschlagen [1 Falsch. Robert fiel erst nach Balduins
Tod (1070) in Flandern ein, vgl. Seite 136, Anm. 6.]. Als Ruotbert
seinen Tod erfuhr, unternahm er auf der Stelle einen Einfall in Flandern
und machte sich zum Herrn des ganzen Landes, als nach dem Erbrecht ihm
gebührend. Balduwin hatte einen Sohn, der noch ein unmündiger
Jüngling und zur Führung der Waffen noch nicht reif war [2
Balduin VI. hatte zwei Söhne, Arnulf und Balduin.
Arnulf rief Philipp I. um Hilfe.].
Dieser flüchtete, als ihn plötzlich die schreckliche Kunde von
dem Tode seines Vaters und dem feindlichen Einfall traf, entsetzt zu dem
Könige der Franken, mit Namen Philipp
[3 Philipp I., 1060-1108. Er war Lehnsherr
des Westteils von Flandern.], Hülfe und Rache für den Tod des
Vaters heischend, deswegen weil sein Vater sowohl dem König als dessen
Vorfahren oft in mißlichen Lagen auf das Wohlwollendste beigestanden
[4 Balduin V. (Philipps Onkel)
war sein Vormund gewesen.] und einige von den Städten, die Ruotbert
eingenommen, von ihm zum Geschenk erhalten hatte [5 Vgl. Anm. 3.].
Jener, über ein so unwürdiges Benehmen heftig erzürnt, führte
sogleich ein Heer nach Flandern, welches ohne Ordnung aufgebracht war und
nur aus eilig zusammengeraffter Mannschaft bestand, indem er sich zu sehr
auf die Größe seiner Macht und die Schwäche des Feindes
verließ. Aber Ruotbert, der, je weniger er ihm an Kräften
gewachsen war, um so mehr darauf bedacht war, die Sache mit List zu betreiben,
nahm eine Zeitlang den Schein der Furcht an und stellte sich, als ob er
flüchten wolle. Dann warf er seine Truppen unvermuthet und aus einem
Hinterhalt auf das Heer des Königs und jagte dessen Truppen so großen
Schrecken ein, daß sie die Waffen wegwarfen und nur mit aller Anstrengung
in der Flucht ihr Heil suchten [1 Arnulf fiel.].
Von da an setzte der Sohn Balduwins [2 Balduin
II., Arnulfs Bruder, vgl. Seite 140, Anm. 2.] wenig Hoffnung
mehr auf die Waffen; deshalb kam er mit seiner Mutter zu Heinrich,
dem Könige der Deutschen, der zu dieser Zeit [3 Anfang
Mai, vgl. Seite 136.] in Lüttich, wie vorher gesagt worden ist, sein
Hoflager hatte, und flehte um dessen Hülfe gegen die Gewaltthätigkeiten
seines Oheims. Und um ihn sich willfähriger zu machen, übertrug
er dem heiligen Lampert die Grafschaft weiland Grafen Reginhers,
nebst dem sehr festen Schlosse Bergen, welche Güter nämlich seine
Mutter [4 Richildis, Tochter des Grafen Reginher von Hennegau]
von ihrem ersten Gemahl [5 Hermann, Graf von Bergen. - Es
waren aber ererbte Eigengüter.] als Witthum erhalten hatte. Diese
verlieh nun hinwiederum der Bischof von Lüttich dem Herzog Gotefrid
[8 von Nieder-Lothringen.] und dieser dem Sohne Balduwins
selbst zu Lehen. Durch diesen Preis gleichsam erkauft [9 Der König
erhielt aber gar nichts.], gebot der König dem Bischof von Lüttich
und dem Herzog Gotefrid, wie auch andern Fürsten Lutheringiens,
jenem in seiner Bedrängniß beizustehen, und den Ruotbert,
wenn er aus den mit Unrecht eingenommenen Wohnsitzen nicht gutwillig weichen
wollte, mit Waffengewalt zu vertreiben. Diese zogen sogleich mit vereinigtem
Heere gegen Flandern. Aber auf die Nachricht, daß Ruotbert
bereits mit dem Könige der Franken das gute Vernehmen wiederhergestellt,
die frühere Schmach gesühnt und ihn sich zu fester Treue verbunden
habe [10 Er erhielt die französischen Teile Flanderns, und
Philipp I. heiratete Roberts
Tochter.], kehrten sie unverrichteter Dinge heim, indem sie es für
unbesonnen hielten, mit einem so mächtigen Könige nur mit ihren
eigenen Kräften sich in Streit einzulassen. So behielt von nun an
Ruotbert das Fürstenthum über Flandern in sicherem Besitz.
Die Brüder aus dem Kloster Stabulaus behelligten
täglich die Ohren des Königs um Wiedererlangung des Klosters
Malmendren, welches der König, wie vorher erzählt worden ist,
dem Abte entrissen und auf den Rath des Bischofs von Premen dem Erzbischofe
von Cöln zum Geschenk gegeben hatte. Und da jener wederdurch
Bitten noch durch Thränen und ungestümes Anhalten gerührt
wurde, so fassen sie einen Beschluß, und wie man sagt, durch göttliche
Eingebung dazu veranlaßt, erheben sie die Gebeine des heiligen Remaclus,
bringen sie nach Lüttich, und setzen sie, als der König vor zahlreichem
Volke öffentlich Tafel hält, gerade auf den Tisch, indem
sie ihn bei Gott inständig bitten, daß er, wenn auch nicht der
Söhne, so doch des jetzt mit Christus herrschenden, und über
dieses ihm widerfahrene Unrecht täglich vor dem Richterstuhle des
ewigen Richters laute Beschwerde führenden Vaters sich erbarmen
möchte; wenn er diesem das Seinige nicht wiedererstatte, so
würden sie ihm, aus Mangel an den nothwendigsten Bedürfnissen,
nicht ferner dienen können. Ueber diese Art der Bitte, welche
darauf berechnet war, Wohlwollen zu erwecken, wurde der König im Gegentheil
sehr entrüstet, verließ plötzlich das Mahl, eilte in den
Palast und sann voll Zornes darauf, mit welcher Strafe er zum warnenden
Beispiel gegen den Abt, den Anstifter einer so verwegenen That, zu
verfahren habe. Aber siehe, der Tisch, auf den die Ueberreste des Heiligen
gesetzt waren, zerbrach durch göttliche Kraft, stürzte
zusammen und zerschmetterte einem Hofbeamten des Königs, einem Manne
von nicht unberühmtem Namen, die Beine und Füße; bald aber
erbarmte sich die göttliche Gnade, durch die Vermittlung des heiligen
Remaclus erfleht, über ihn, und seine frühere Gesundheit
wurde ihm so vollkommen wieder geschenkt, daß nicht einmal eine Narbe
als Kennzeichen der geheilten Verletzung zurückblieb. Und hierauf
erglänzte die ganze Nacht und den folgenden Tag hindurch eine so große
Menge von Wundern um den heiligen Leichnam, daß es schien,
als verlange der heilige Remaclus gewissermaßen durch einen leiblichen
Aufruf sein Recht. Alle waren erstaunt über die Neuheit eines so großen
Ereignisses, der König von der heftigsten Furcht ergriffen, daß
nicht etwa, wenn er zauderte, die Rache des Himmels plötzlich gegen
ihn einschreiten möchte, und er gab nicht allein das Genommene zurück,
sondern vergrößerte es auch noch ansehnlich durch reiche königliche
Geschenke.
Von hier weiter ziehend, feierte er Pfingsten zu Halberstat.
Daselbst nahm er die Unterwerfung des Herzogs Otto und anderer Freien
an, welche beschuldigt wurden, mit ihm die Waffen gegen den Staat ergriffen
zu haben, und vertraute sie den Fürsten des Reichs, um sie in Gewahrsam
zu halten und am bestimmten Tage ihm wieder zu stellen.
Meginward, der Abt von Augia, legte seine Würde
freiwillig nieder, gekränkt theils durch die Anfechtung einiger seiner
Lehnsleute, welche ihm schwere Beschimpfung angethan hatten, theils durch
die ungestümen Zumuthungen des Königs, der ihn mit wiederholten
Befehlen drängte, daß er die Güter des Klosters, welche
durch seine eigene und der vorigen Aebte Vergabung verschleudert, jetzt
kaum zum Unterhalte der Brüder genügen konnten, seinen Kriegsleuten
als Lehen zutheilen möchte. An dessen Stelle brach sofort, nicht durch
die Thür der Wahl, sondern durch den Schleichweg der simonistischen
Ketzerei, Ruotbert, Abt von Babenberg, mit dem Beinamen der Geldmann ein,
nachdem er in den Schatz des Königs tausend Pfund des reinsten Silbers
erlegt hatte. Dieser hatte durch den schmutzigsten Gewinnst und Wucher,
den er sogar noch als einfacher Mönch im Kloster getrieben, sich unermeßliches
Geld zusammengescharrt und deswegen schon längst mit ängstlicher
Erwartung nach Todesfällen von Bischöfen und Aebten geseufzt.
Weil er es aber nur schwer und mit der größten Ungeduld ertrug,
daß sie durch längeres Leben seine Wünsche und den
Ungestüm seiner zügellosen Ehrsucht, der ihn unaufhaltsam hinriß,
aufhielten, so ging er in seinem Wahnsinn so weit, daß er außer
den heimlichen Geschenken, womit die Gunst der Vertrauten des Königs
erkauft werden mußte, diesem selbst hundert Pfund Goldes versprach,
damit ihm nach Verstoßung des Abtes Widerad, eines Mannes von ausnehmender
Heiligkeit, die Abtei Fulda verliehen würde. Und in der That hätte
er auf das Schändlichste erlangt, was er so ruchlos begehrt hatte,
wenn nicht einige wenige, denen die kirchlichen Gesetze theurer waren als
das Geld, dem König ins Angesicht widerstanden hätten, daß
er solches nicht thue. Dieser falsche Mönch, ich will mich, von der
Gewalt des Schmerzes angetrieben, deutlicher ausdrücken, dieser Engel
des Satanas, der sich umgestaltet hatte in einen Engel des Lichts, hat
den heiligen und engelreinen Stand der Mönche so übel berüchtigt,
verderbt und geschändet, daß die Mönche in unsern Zeiten
und in diesen Gegenden nicht nach ihrer Unschuld und der Tadellosigkeit
ihres Wandels, sondern nach der Menge des Geldes geschätzt werden,
und daß man bei den Wahlen der Aebte nicht fragt, wer der Abtei würdiger
vorstehen, sondern wer sie theurer kaufen könne. So wurde durch die
eigenthümliche Erfindung, durch die neue und unglückselige Jagd
dieses Mannes auf Pfründen die Gewohnheit in die Kirche eingeführt,
daß die Abteien öffentlich als feile Waare im Palaste preisgegeben
werden, und daß niemand sie so hoch zum Verkauf ausbieten kann, daß
er nicht gleich einen Käufer finden sollte, da die Mönche unter
einander nicht mit löblichem Eifer in der genauen Befolgung ihrer
Regel, sondern mit bitterem Eifer im Geldgewinn und Wucher wetteifern.
Aber um diese Dinge geziemend beweinen zu können, bedarf es wegen
ihrer Größe eines eigenen Buches und eines ausführlicheren
Trauerspiels. Wir kehren vielmehr zu der angefangenen Erzählung zurück.
Als der Voigt des Klosters Augia die Ankunft dieses geldgierigen Abtes
erfuhr, und hörte durch welche große Gabe er, ein reißender
Wolf, den Zutritt zu dem Schafstalle Christi sich geöffnet habe, schickte
er ihm Boten entgegen und kündigte ihm unter Bedrohung seines Lebens
an, er möge sich nicht herausnehmen, in die Besitzungen des Klosters
Augia zu kommen, sonst werde er ihm entgegengehen und mit bewaffneter Hand
die Freiheit derjenigen erstreiten, welche jener um einen so theuren Preis
zur Knechtschaft erkauft habe. Als Ruotbert diese Aeußerungen hörte,
wurde er in seinem Gemüthe heftig bestürzt, sowohl wegen des
schweren Verlustes seiner Gelder, als auch weil die Ehre, wonach er lange
ängstlich geschmachtet hatte, ihm so gleichsam vor dem Munde weggenommen
wurde. Und anfangs zwar hatte er sich in den Sinn gesetzt, die Sache mit
den Waffen zu versuchen, und, wie man zu sagen pflegt, das Feuer mit dem
Schwerte zu schüren, das ist, auf die Ketzerei der Simonie noch die
Sünde des Todschlags zu setzen; als aber diejenigen, die bei ihm waren,
versicherten, daß diese Sache über ihre Kräfte gehe, da
begab er sich, wie er es verdiente, mit verwirrtem und niedergeschlagenem
Sinne auf die Besitzungen seines Bruders, um dort abzuwarten, welchen Ausgang
das Schicksal diesen so traurigen Anfängen bringen würde. Denn
die Abtei zu Babenberg hatte unterdessen Ekebert, ein Mönch von der
Gorzischen Zucht, übernommen. Bei dessen Eintritt zerstoben sogleich,
wie Blätter vor dem Winde, alle die Brüder, welche jener Abt
in der Zucht seiner Kunst, das ist des Schacherns und Wucherns, unterwiesen
und wie der Vater die Söhne gelehrt hatte, seiner Lebensweise und
seinen Sitten gerades Weges nachzugehen.
Karl, dem der König das Bisthum von Constanz gegeben
hatte, lag dem apostolischen Stuhle mit ununterbrochenen Mahnungen wegen
seiner Weihe an. Hingegen die Brüder von Constanz widerstrebten
mit beharrlicher Anstrengung, daß nicht wider die kanonischen Satzungen
ihnen ein Bischof geweiht würde, welcher außer der Ketzerei
der Simonie auch noch des Diebstahls beschuldigt war. Der Papst wies, da
sie ihm beschwerlich fielen, die Entscheidung des Handels von sich an den
Erzbischof von Mainz, und befahl diesem, daß er beide vor eine Synode
laden, die Sache auf das sorgfältigste untersuchen, und wenn jener
wegen der ihm vorgeworfenen Vergehungen sich nicht rechtfertigen könnte,
ihn auf keine Weise weihen sollte. Aus diesem Grunde sagte der Erzbischof
eine Synode zu Mainz auf den Monat August an. Der König sah diesen
Streit sehr ungern wegen seiner Freundschaft zu Karl und wegen vielfacher
Dienste, womit dieser ihm auch in seinem Hauswesen häufig sehr zuvorkommend
beigestanden hatte; deshalb wünschte er sehnlichst, daß seine
Vergabungen an ihn bei Kräften bleiben möchten. Daher zürnte
er auch dem Erzbischof von Mainz heftig, daß er ihn nicht sogleich
geweiht hatte, ohne die Feindschaft der sich dawider auflehnenden Brüder
zu beachten. Aber jener blieb unbeweglich bei seinem Entschlusse, indem
er sich darauf berief, wie schrecklich er im vorigen Jahre von dem Papste
wegen eines ähnlichen Anlasses zurechtgewiesen, und wie
er nur mit Mühe ohne Verlust seiner Würde davongekommen, und
daß er auch hernach noch durch neue Briefe vom apostolischen
Stuhle ermahnt worden sei, nicht ohne die gründlichste Untersuchung
jenem die Hände aufzulegen. Als nun schon der erste August bevorstand,
eilte der König gen Mainz, denn er wünschte, in eigener Person
bei Untersuchung einer so wichtigen Sache als Richter an der Seite
des Erzbischofs zu sitzen. Sein Weg ging über Herveld. Von da zog
er weiter und kehrte am folgenden Tage in dem Weiler Utenhusen ein, um
daselbst zu speisen. Und als sie nun alle erfrischt, im brennendsten Eifer
die Reise zu beschleunigen, um die Wette ihrespeisen. Und als sie nun alle
erfrischt, im brennendsten Eifer die Reise zu beschleunigen, um die Wette
ihre Rosse wieder aufsuchten, trug es sich zu, daß ein gewisser Liupold
von Mersburg, ein Liebling des Königs, dessen Dienste und Rath er
auf das vertraulichste zu benutzen pflegte, durch einen Unfall vom Pferde
stürzte und, von seinem eigenen Schwerte durchbohrt, den Geist aufgab.
Dieses Unglück erfüllte den König mit unerträglichem
Schmerze und Traurigkeit, und er ließ ihn sofort nach Herveld zurückbringen
und inmitten der Kirche unter herrlichem Gepränge des Todtenamtes
bestatten; auch übergab er für das Seelenheil desselben dem Kloster
dreißig Hufen an dem Orte, der Mertenefelt heißt. Angemerkt
aber ist, daß dieses das nämliche Schwert gewesen sei, womit
der einst so weitberühmte Hunenkönig Attila
zur Vertilgung der Christen und zum Untergange Galliens feindlich
gewüthet hatte. Denn dieses hatte die Königin der Ungern,
Mutter des Königs Salomo, dem
Herzog Otto von Baiern zum Geschenk gegeben, als durch dessen Anrath
und Bemühung der König ihren Sohn wieder in sein väterliches
Reich eingesetzt hatte, und nachdem Herzog Otto dasselbe dem Sohne
des Markgrafen Dedi, dem jüngeren Dedi, zum Beweis und
Pfande unzertrennlicher Liebe auf einige Zeit gewährt hatte, war es,
nach dessen oben bereits gedachter Ermordung, an den König, und durch
den König zufällig an diesen Liupold gelangt. Daher deuteten
es die meisten Anhänger des Herzogs Otto so, als sei
dieser nach einem Gottesgerichte durch das Schwert, welches dem Herzog
Otto gehört hätte, umgekommen, deswegen weil er vor allen
den König zur Verfolgung und Vertreibung desselben aus der königlichen
Pfalz angereizt haben sollte. Man liest aber von diesem Schwerte in den
Geschichten der Geten, welche auch Gothen genannt werden, daß es
einst dem Mars gehört habe, welchen die Heiden für den
Vorsteher der Kriegführung und ersten Erfinder der Waffen fälschlich
ausgaben, und daß nach langen Zeiten ein Hirt dasselbe, nur wenig
in der Erde verborgen, entdeckt habe durch das Blut eines Ochsen,
dessen Fuß das Schwert, während er im Grase weidete, verwundet
hatte; dieser habe es dem König Attila überbracht,
und dem sei durch die Aussprüche aller Seher der damaligen Zeit
geweissagt worden, daß dieses Schwert zum Untergange des Erdkreises
und zum Verderben vieler Völker vom Schicksale bestimmt sei. Daß
dieses Orakel wahr gewesen, bezeugt noch heut zu Tage die Zerstörung
vieler der berühmtesten Städte in Gallien so sehr, daß
jenes Schwert auch von den Barbaren der Rächer des göttlichen
Zornes oder die Geißel Gottes genannt wurde. So viel möge, weil
dieses Schwertes einmal Erwähnung geschehen war, als Abschweifung
hier gesagt sein.
Nachdem der König das Leichenbegängniß
mit königlicher Pracht besorgt hatte, eilte er, wie er sich vorgenommen,
nach Mainz. Als er hier am bestimmten Tage in der Synode mit den Bischöfen
sich niedergelassen, erschien Karl, erschienen auch die Brüder
von Constanz, die eine große Masse von Beschuldigungen gegen ihn
vorbrachten. Ihnen widerstrebte der König, so viel er ohne Verletzung
des Anstandes konnte, mit Fleiß, und suchte bald ihn von den Vorwürfen
zu reinigen, bald das Gewicht der Vorwürfe, wovon er ihn nicht reinigen
konnte, durch schlaue Reden zu verringern; öfter auch tadelte er die
Vermessenheit der andringenden und auf ihrer Behauptung fest beharrenden
mit ziemlich harten Worten, undversuchte die Unverschämtheit
ihrer Stirn durch die ihnen entgegengesetzte Majestät seines
Ansehens zu brechen. Den ersten und zweiten Tag verwendete er auf
dieses Geschäft. Da er aber die Standhaftigkeit der Ankläger
weder durch die Wahrheit seiner Antwort, noch durch Kunst der Rede entwaffnen
konnte, nahm er zuletzt, als die jenem vorgeworfenen Vergehen erwiesen
waren, den Bischofstab von ihm zurück. Doch tröstete er
mit den auserlesensten Worten seine Traurigkeit, ihm verheißend,
so bald sich ihm eine Gelegenheit darböte, dieses Mißgeschick
durch günstigen Wechsel auszugleichen. In diesen Tagen gebar die Königin,
welche mit dem Könige sich zu Mainz aufhielt, einen Sohn, der aber
gleich nach der Taufe starb, auf die Harzburg gebracht und hier beigesetzt
wurde. Das Bisthum von Constanz gab der König dem Canonicus Otto von
Goslar, und erschreckt durch das jüngste Beispiel erhobenen Einspruchs,
gebot er ihn unverzüglich zu weihen, damit nicht wiederum auch gegen
ihn durch Verzögerung der Weihe irgend ein Anstand erhoben werden
möchte.
Zwischen dem Herzoge der Polen und dem Herzog der Böhmen
herrschte die feindseligste Zwietracht. Deswegen berief sie der König
zur Herbstzeit in die Stadt Misene, machte ihnen ziemlich harte Vorwürfe
und befahl ihnen mit Hinweisung auf die königliche Majestät,
daß ein jeder in der Folge mit seinen Grenzen zufrieden sein, und
sie sich nicht wechselseitig durch frevelhafte Anfälle reizen
sollten; sonst würde derjenige, der zuerst den andern bekriegt hätte,
ihn als Feind und Rächer kennen lernen.
Anno, Erzbischof von Cöln, vertrieb die Chorherren
aus Salefelt und führte dort das Mönchsleben ein, indem er dahin
Mönche von Sigeberg und Sanct Pantaleon schickte. Zu dieser Zeit kam
auch ich dorthin, um mit ihnen über Anordnung und Zucht des Klosterlebens
mich zu besprechen, deswegen weil in der Meinung des Volkes von ihnen ganz
besonders Großes und Vortreffliches gerühmt wurde. Und wie gewöhnlich
alles durch beständigen Gebrauch den Werth verliert, und der nach
neuen Dingen begierige Sinn des Volkes das Unbekannte stets mehr anstaunt,
so achteten sie uns, die sie aus Erfahrung kannten, für nichts, und
jene, weil sie etwas Neues und Ungewöhnliches an sich zu tragen schienen,
hielten sie nicht für Menschen, sondern für Engel, nicht für
Fleisch und Blut, sondern für reinen Geist. Und dieser Wahn hatte
tiefer und fester in dem Geiste der Vornehmen, als beim Volke Wurzel geschlagen.
Von jenen verbreitete sich das Gerücht im Volk und hatte die meisten
Klöster dieser Gegend in solchen Schrecken gesetzt, daß bei
dem Eintritte jener Mönche bald 30, bald 40, bald 50 Mönche,
aus Furcht an dem strengen Leben Aergerniß nehmend, die Klöster
verließen und es für besser hielten, ihr Seelenheil durch das
Leben in der Welt zu gefährden, als über das Maß ihrer
Kräfte dem Himmelreiche Gewalt anzuthun. Und wahrlich, nicht unverdient
schien der Herr über die Mönche unseres Landes Verachtung auszugießen;
denn einiger falscher Mönche persönliche Schande hatte den Mönchsnamen
sehr übel berüchtigt, da jene, unbekümmert um die Beschäftigung
mit göttlichen Dingen, ihre ganze Thätigkeit auf Geld und Gewinn
verwendeten. Sie behelligten ungestüm die Ohren der Fürsten um
Abteien und Bisthümer, und gingen den geistlichen Ehrenstellen nach
nicht auf dem Wege der Tugenden, wie unsere Vorfahren pflegten, sondern
auf dem jähen Pfade der Schmeichelei und durch die Vergeudung ihrer
unrecht erworbenen Gelder. Um ein geringes Amt zu erkaufen, versprachen
sie täglich goldene Berge und schlossen weltliche Käufer durch
das Uebermaß ihrer reichen Spenden davon aus; ja der Verkäufer
wagte nicht, so viel zu verlangen als der Käufer zu zahlen bereit
war. Die Welt wunderte sich, woher ein so großer Fluß von Geld
ströme, woher die Schätze des Crösus und Tantalus auf Privatleute
sich gehäuft hätten, und noch dazu auf solche Menschen, welche
des Kreuzes Aegerniß und das Zeichen der Armuth zur Schau trügen
und lügnerischer Weise behaupteten, daß sie außer
einfacher Nahrung und Kleidung nichts besäßen. Dieses
Unkraut im Acker des Herrn, diese dürren Reiser und Stoppeln im Weinberge
Gottes, zubereitet für das höllische Feuer, hatten den ganzen
Leib der heiligen Heerde wie mit einer Fäulniß angesteckt, und
ein wenig Sauerteig hatte, wie der Apostel sagt, die ganze Masse verdorben,
so daß wir alle für einander ähnlich galten, und man glaubte,
es sei keiner unter uns der Gutes thue, auch nicht einer. Deswegen beriefen
die Fürsten des Reichs, um in Gallien eine Schule des göttlichen
Dienstes zu errichten, Mönche von jenseits der Alpen herbei;
alle inländischen aber, welche in die Einrichtungen jener sich
nicht freiwillig fügen wollten, vertrieben sie mit Schimpf aus den
Klöstern. Ich jedoch, der, wie ich vorher erwähnte, zu ihnen
kam und vierzehn Wochen bei ihnen theils in Salefelt, theils in Sigeberg
verweilte, habe bemerkt, daß unsere Gewohnheiten besser als die ihrigen
mit der Regel des heiligen Benedict übereinstimmen, wenn wir nur so
fest an unserem Vorsatze halten und so strenge Nacheiferer unserer väterlichen
Ueberlieferungen sen wollten.
Der Erzbischof von Mainz litt von dem Feste des heiligen
Michael bis zu Pfingsten an einer Krankheit, so daß er sogar von
den Aerzten aufgegeben wurde, und wegen seiner Nachfolge sehr viele mit
gespanntestem Eifer sich genug zu schaffen machten.
Karl, dessen Entfernung vom Constanzer Bisthum wir oben
(S. 108) erzählt haben, kehrte in den Sprengel von Magadaburg
zurück und starb am 27. December.