Wichmann von Seeburg                 Erzbischof von Magdeburg (1152-1192)
------------------------------               Bischof von Naumburg (1148-1152)
um 1116-25.8.1192
              Könnern bei Köthen

Begraben: Magdeburg, Dom
 

Sohn des Grafen Gero I. von Seeburg und der Mathilde von Wettin-Brehna, Tochter von Graf Thimo I.
 

Lexikon des Mittelalters: Band IX Spalte 60
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Wichmann, Erzbischof von Magdeburg 1152/54-1192
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* vor 1116, + 25. August 1192
                    Könnern bei Köthen

Begraben: Magdeburg, Dom

Sohn Graf Geros von Seeburg (Seitenlinie der Herren von Querfurt) und Mathildes von Wettin (Schwester Markgraf Konrads von Meißen); daher vielleicht Verwandtschaft mit seinem Amtsvorgänger Erzbischof Friedrich)

Ausbildung in Halberstadt, 1145 Propst von St. Pauli, 1146 Dompropst von Halberstadt, 1149 Bischof von Naumburg als Nachfolger Bischof Udos II., mit dem Wichmann verwandt war. In Naumburg lernte er Organisationsformen der Ostsiedlung kennen. Vor dem 1. Juli 1152 verlieh König FRIEDRICH I. ohne Konsultation des Papstes und nur auf das Votum einer Minderheit der Wahlkörperschaft gestützt Wichmann die Regalien für das Erzbistum Magdeburg, dessen Domkapitel nach dem Tod Erzbischof Friedrichs (14./15. Januar 1152) zwiespältig gewählt und damit keinen eindeutigen Vorschlag erbracht hatte. Päpstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erhebungsverfahrens und Kritik am bischöflichen Rang des Kandidaten, der seine Diözese zugunsten des neuen Amtes würde aufgeben müssen, hinderten Wichmann zunächst daran, die Magdeburger cathedra zu übernehmen; seine frühest erhaltene Urkunde als Erzbischof stammt vom 1. August 1154 (UB Ebm. Magdeburg 277), denn erst Ende April/Anfang Mai 1154 konnte er nach schwierigen Verhandlungen des Königs mit der Kurie das Pallium erlangen. Beweggründe FRIEDRICHS I., Wichmann trotz vorhersehbarer Schwierigkeiten als Erzbischof von Magdeburg durchzusetzen, können nur vermutet werden (persönliche Qualifikation unter anderem zur Befriedigung Sachsens durch Vermittlung zwischen Heinrich dem Löwen und Albrecht dem Bären, Förderung der offenbar als Teil königlicher Kompetenz angesehenen Ostkolonisation durch Ausbau der schon von König KONRAD III. begründeten Reichslandschaft im Pleißegebiet, Repräsentanz des Königs an der Ostgrenze des Reiches). 1157 nahm Wichmann am Feldzug FRIEDRICHS I. gegen Polen zur Wiederherstellung der Lehnshoheit des deutschen Königs teil und eroberte im Juni gemeinsam mit Albrecht dem Bären Brandenburg; vielleicht im Zusammenhang damit (sicher vor 1161) erwarb er Jüterbog, 1166 durch Tausch das Reichskloster Nienburg an der Saale und vor 1185 das Land Dahme südöstlich des Fläming, so dass die Besitzausdehnung Magdeburgs östlich der Elbe und die Erschließung durch Siedlung möglich wurden. Seit 1158 setzten Lokatoren Wichmanns niederländische und brabantische Siedler nach besonderem Recht (unter anderem Schultheißenwahl, Freiheit vom Grafengericht, Burgwerk und Zoll) auf erblich zugewiesenen Hofstellen an, ins folgende Jahr gehört seine erhaltene Siedlungsurkunde (UB Ebm. Magdeburg 299). Wichtigster Handels- und Gewerbeort (Tuchweberei) wurde Burg, Marktsiedlung nach Magdeburger Recht in Groß-Wusterwitz und Jüterbog sollten Vororte ihres Umlandes sein, an dessen aufwendiger Erschließung Wichmann die Klöster und Stifte seiner Erzdiözese sowie Ministeriale beteiligte. Die Förderung der Städte Magdeburg, Halle und Leipzig korrespondierte mit der administrativen Durchdringung der Diözese (Ausbau der Pfarrorganisation, häufige Synoden, Stärkung der erzbischöflichen Klöster und Stifte Liebfrauen/Magdeburg, Nienburg, Neuwerk und St. Moritz/Halle, St. Georg/Glaucha, Gottesgnaden bei Calbe) sowie mit Neugründungen von Klöstern (Zinna, 1171) und Stiften (Umwandlung der Seeburg südöstlich Eisleben in ein Kanonikerstift mit 12 Präbenden 1174/76).
Zugunsten dieser Aktivitäten scheint FRIEDRICH I. Wichmann vom Reichsdienst in Italien weitgehend freigestellt zu haben; auf der Synode von Pavia (27. Januar 1160) erklärte Wichmann sich für den kaiserlichen Papst Victor IV., hielt aber in den folgenden Jahren Wege zum Ausgleich mit Alexander III. offen. 1166 war Wichmann führend an der Koalition der Gegner Heinrichs des Löwen(Rainald von Dassel, Albrecht der Bär, Landgraf Ludwig II. von Thüringen, Otto und Dedo von Wettin) beteiligt und erreichte die Entfestigung der Burg Haldensleben; die Spannungen zwischen Wichmann und dem Herzog wurde auf dem Erfurter Hoftag FRIEDRICHS I. (24. Juni 1170) so nachhaltig beseitigt, dass Heinrich der Löwe bei seiner Abreise nach Konstantinopel und Jerusalem 1172 Wichmann die Regentschaft in Sachsen übertrug. Im gleichen Jahr zog Wichmann im Gefolge des Kaisers gegen Fürst Boleslaw IV. von Polen; 1176 kämpfte er in der Schlacht bei Legnano und leitet anschließend Verhandlungen, die über den Vertrag von Anagni zum Frieden von Venedig (24. Juli 1177) führten. In den folgenden Auseinandersetzungen der sächsischen Großen mit Heinrich dem Löwen suchte Wichmann (vielleicht auf Anregung des Kaisers) zu vermitteln und griff erst nach der Zerstörung Halberstadts (23. September 1179) auf seiten der Gegner des Herzogs militärisch ein, der daraufhin Elbslaven und Pommern zum Kampf gegen Wichmann veranlaßte (Vernichtung Zinnas und Jüterbogs im Spätherbst 117). Im Mai 1181 eroberte Wichmann nach dreimonatiger Belagerung Haldensleben und ließ es zerstören (Wiederbesiedlung erst 1223); im November 1181 geleitete er Heinrich den Löwen zum Hoftag nach Erfurt, wo die Verbannung des Herzogs beschlossen wurde. Anfang 1192 berief Wichmann im Auftrag HEINRICHS VI. die sächsischen Großen zu Beratungen über Maßnahmen gegen die WELFEN nach Goslar.
Wichmann hat das ehemalige Missionserzbistum Magdeburg endgültig den hochmittelalterlichen Bedingungen angepaßt und zur Landesherrschaft ausgebaut, deren Siedlungspolitik an die Stelle einer vom Königtum selbst getragenen Expansion trat und wirtschaftlich, rechtlich, administrativ modernisierend wirkte. Wenn der Erzbischof trotz einer Pilgerfahrt ins Heilige Land (1164) spirituell wenig profiliert erscheint, so entsprach er damit dem Typus des hochmittelalterlichen deutschen Reichsbischofs; seine Förderung der Magdeburger Domschule ging über den Rahmen des Üblichen nicht hinaus. Magdeburg war zur Zeit Wichmanns ein Zentrum der Bronzegießerei. Ein vielleicht an seinem Hof entstandenes Gedicht auf den Frieden von Venedig rühmt Wichmann als „omnis pacis artifex“ (Carmina Burana, ed. Hilka-Schumann, Nr. 35).

Quellen:
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G. A. v. Mülverstedt, Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis, I, 1876, 507-71 – UB Erzstift Magdeburg, I, 1937 - G. Wenz-B. Schwineköpfer, Ebm. Magdeburg, I, 1-2 (GS, 1972)

Literatur:
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W. Hoppe, Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965, 1-152 - H. Patze, Ks. Friedrich Barbarossa und der Osten (VuF 12, 1968), 337-408 - D. Claude, Gesch. des Ebm.s Magdeburg, II, 1975, 71-175 - R. Lieberwirth, Das Privileg des Ebf.s W. und das Magdeburger Recht, AAL 130, 3, 1990 - Ebf. W. und Magdeburg im hohen MA, hg. M. Puhle, 1992 - J. Elers, Heinrich der Löwe und der sächs. Episkopat (VuF40, 1992), 435-466 – K. Brunner, Ebf. W. v. M., „Nachbar“ in Sachsen und Österreich (Ks. Friedrich Barbarossa, hg. E. Engel-B. Töpfer, 1994), 51-62 - O. Rader, Das Urkk.wesen der Ebf.e v. Magdeburg bis zum Tode Ebf. W.s, SaAn 18, 1994,417-514.



Thiele, Andreas: Tafel 183
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"

WICHMANN VON SEEBURG
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    + 1192

Wichmann wurde 1148 Bischof von Naumburg und als treuer STAUFER-Anhänger 1152 Erzbischof von Magdeburg. Er nahm 1154/55 und 1158/62 an BARBAROSSAS Italienfeldzügen teil und war 1172/73 Regent in Sachsen für den im Orient weilenden Heinrich den Löwen. Er war 1175/76 erneut mit in Italien und machte 1176 die entscheidende Schlacht bei Legnano mit. Er stand gegen die Querfurter Burggrafen von Magdeburg, war führend in der Opposition gegen Heinrich den Löwen, machte den Reichskrieg gegen ihn mit und erreichte dadurch eine Steigerung seiner Macht. Er gründete unter anderem Jüterbog und förderte zusammen mit Onkel und Cousin die deutsche Ostkolonisation maßgeblich. Er führte im Stil seiner Zeit viele sinnlose Fehden mit seinen Nachbarn und hinterleiß ein gefestigtes Erzbistum.



Literatur:
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Annalen von Magdeburg - Annalen von Pöhlde - Annalista Saxo: Reichschronik Seite 52 - Cardini, Franco: Friedrich I. Barbarossa. Kaiser des Abendlandes, Verlag Styria Graz 1990 Seite 185,216,239 - Claude, Dietrich: Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12. Jahrhundert. Böhlau Verlag Köln Wien 1975 Teil 2, Seite 71-175 - Csendes, Peter: Heinrich VI., Wissenschaftliche Buchgemeinschaft Wiesbaden 1993 Seite 40,107,112 - DEUTSCHE FÜRSTEN DES MITTELALTERS. Fünfundzwanzig Lebensbilder. Edition Leipzig 1995 Seite 27,41,210,228,230, 234-244 - Fenske, Lutz: Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung im östlichen Sachsen. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1977, Seite 186,303,306,310,317,318,356 A. 22 - Hiller, Helmut: Friedrich Barbarossa und seine Zeit. Eine Chronik. Paul List Verlag KG München 1977 Seite 61,70,99, 180,194,199,230,247,250,256,286,288,294,303,311,316,327,331,334,336,338,388,427 - Hoppe-Berlin, Willy: Erzbischof Wichmann von Magdeburg, Geschbll. f. Stadt und Land Magdeburg 1908 Seite 1-152 - Jordan, Karl: Heinrich der Löwe, Deutscher Taschenbuch Verlag München, Seite 53,72,77,97,106,115-119,123,139,175,196,201,207,227 - Kölner Königschronik - Opll Ferdinand: Friedrich Barbarossa. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1998 Seite 42,44,72,92,94,99, 103,128,133,209 - Partenheimer Lutz: Albrecht der Bär. Gründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2001 Seite 88,97,105,109,113,117-119, 124-127,129-132,134-137,141-144,146,150-159,164-175,177-179,181-185,191,194,263,273,278,280, 288,293,298,303,305,307-310,315-317,320,323,325,329-331,333-344,346-348 - Pätzold Stefan: Die frühen Wettiner. Adelsfamilie und Hausüberlieferung bis 1221, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 1997, Seite 39,42,47,49,51,53,66,101,107-111,119,130,161,193,230,280,311-313,318,341,345,365 - Slavenchronik des Arnold von Lübeck - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 183 - Wies, Ernst W.: Kaiser Friedrich Barbarossa. Mythos und Wirklichkeit, Bechtle Esslingen 1999, Seite 49,53,60,192,201,234,255,270,273,279,312 -