Kapitel 16.
Da nun der König unter solchem Treiben schon dem
Jünglingsalter entwuchs, begann er bald, nachdem Bischof Adalbert
von Bremen sein vornehmster Rathgeber geworden war, auf dessen Zureden
an wüsten Orten hohe und von Natur feste Berge aufzusuchen, und auf
diesen so feste Burgen zu bauen,
daß sie dem Reiche zu großem Schutz und Schmuck
gereicht haben würden, wenn er sie an passenden Orten errichtet hätte.
Die erste und größte dieser Burgen nannte er die Harzburg,
und befestigte sie von außen so gewaltig mit einer starken Mauer,
mit Thürmen und festen Thoren, schmückte sie im Innern so herrlich
mit königlichen Gebäuden, baute auch darin ein so stattliches
Münster, zierte dieses mit so reichem Schatze, und versammelte hier
aus allen Gegenden eine so zahlreiche und so ansehnliche Geistlichkeit,
daß mancher Bischofsitz mit seiner ganzen Einrichtung kaum dagegen
aufkam, ja daß sogar einige dahinter zurückblieben. Das schönste
Stück des Kirchenschatzes, welches
er bei irgend einem Bischofe sah, verschaffte er sich
durch Bitte oder Befehl, um es seinem Stifte zu verleihen. Bei den übrigen
Burgen aber sah er weniger auf Schönheit und Pracht als auf Festigkeit.
Gesegnet, sehr gesegnet wäre sein Name, wenn er diese Vesten gegen
die Heiden aufgerichtet hätte. Denn ohne Zweifel würden diese
dann schon längst entweder alle die Taufe angenommen haben, oder den
christlichen Fürsten auf ewige Zeiten zinspflichtig sein. Aber dieser
Burgenbau an verschiedenen Orten erschien unsern Landsleuten anfänglich
wie ein kindisches Spiel, weil seine böse Absicht noch nicht
durchschaut war. Und da sie keine Gefahr davon besorgten, hinderten sie
ihn nicht nur nicht daran, als sie dazu noch imstande waren, sondern sie
unterstützten ihn sogar mit Geld und Arbeit bei dem Bau, weil sie
daraus die Hoffnung schöpften, daß er gegen fremde Völker
kriegerischen Muth beweisen werde. Nachdem aber Besatzungen in die Burgen
gelegt waren und diese nun anfingen rund umher auf Beute auszugehen,
für sich zu ernten, wo sie nicht gesäet hatten, freie Männer
zu knechtischer Arbeit zu zwingen und ihre Töchter und Frauen zu beschimpfen:
da erst sahen sie ein, was jene Burgen bedeuteten, und doch wagten sie
noch nicht Widerstand zu leisten oder sich zu vertheidigen. Nur diejenigen,
welche selbst den Schaden duldeten, beklagten sich verstohlener Weise bei
denen, welche, ferner wohnend, noch nichts von den Burgmannschaften zu
leiden hatten. Aber diese versäumten es, den Bedrängten Hülfe
zu leisten, und kräftigten auf diese Weise selbst die Tyrannei,
welche dann auch sie erreichte. Denn von den Bauern ging der König
weiter zu dem Ritterstande, von den Bodenfrüchten zum Raub der
Freiheit. So nahm er den Friderich vom Berge, welcher unter den freien
Männern und sogar unter dem Adel für sehr angesehen galt, als
seinen Dienstmann in Anspruch; und auch den Willehalm, welcher wegen
seiner übertriebenen Prachtliebe der König von Lothesleben
genannt wurde, verfolgte er mit solcher Grausamkeit, weil er nämlich
reichen Besitz, aber wenig Verstand hatte, daß vornehmlich wegen
dieser beiden ganz Sachsen sich gegen den König verschwor; obgleich
sie es ihrem Volke schlecht genug vergolten haben. Denn nachdem alle Sachsen
schon offenen Krieg gegen den König begonnen hatten, vergaßen
jene beiden
der beschworenen Treue, verließen ihr Vaterland
und schlugen sich zuerst als erbärmliche Ueberläufer zu den Feinden.
Allein das wird sich später zeigen.
Kapitel 26.
Demgemäß erklärte Erzbischof Werinher
von Magdeburg, seine Stadt sei vom Könige zweimal mit Mord und Raub
heimgesucht; außerdem aber versicherte er, daß er über
das allen zugefügte Unrecht nicht weniger Schmerz empfinde, als über
sein eigenes, und gelobte dem entgegenzutreten, als ob er
selbst allein das alles erduldet hätte. Bischof
Burchard von Halberstadt klagte, daß der König ihm das Erbgut
eines Edelmannes, Namens Bodo, welches von Rechts wegen seiner Kirche zukomme,
gewaltsam entrissen habe. Herzog Otto erhob Klage, daß ihm das Herzogthum
in Baiern, welches er lange mit vollem Recht besessen, ohne daß irgend
eine Beschuldigung gegen ihn erwiesen wäre, vom Könige durch
einen hinterlistigen Anschlag wider Recht genommen sei. Markgraf Dedi klagte,
daß einige von Rechts wegen ihm gehörige Güter
ungerechter Weise ihm entzogen wären. Graf Heriman erzählte,
was kürzlich geschehen war, daß nämlich der König
ihm die von seinen Vätern ererbte Veste Lüneburg listig
überfallen hatte, und, hätte er sie nur behaupten können,
jenes ganze Land, des Grafen rechtes Erbgut, nicht nach königlichem
Rechte, sondern mit Unrecht in Besitz nehmen wollte. Pfalzgraf Friderich
beklagte sich, daß ihm ein großes Lehen, welches er von der
Abtei Herolfesfelde gehabt habe, durch einen ungerechten Befehl
des Königs genommen sei, und er vergeblich versucht habe, es mit hundert
Hufen Landes vom Könige einzulösen. Friderich vom Berge und Willehalm,
genannt der König, von denen Heinrich
dem einen die Freiheit, dem zweiten sein Erbgut zu nehmen
versuchte, brachten beide ihre Klage vor, und diese erregte
noch mehr als die übrigen Klagen die Teilnahme aller Anwesenden, weil
sie daran ermaßen, was erhallen insgesammt anzuthun gedenke; nämlich,
daß er darauf sinne, wenn es ihm möglich sei, ihnen allen Freiheit
und Erbe zugleich zu nehmen. Darauf trug nun noch jeder das Unrecht vor,
welches er erlitten hatte; aber weder der Raum dieser Schrift, noch das
menschliche Gedächtniß reichen hin, um das alles zu fassen.
Die ganze Versammlung also - es war aber eine gewaltige Heeresmacht
dort zusammengekommen - schwur einen feierlichen Eid, den jeder einzeln
ablegte, die Bischöfe nämlich, daß sie, soweit sie es ohne
Schaden ihres Standes vermöchten, die Freiheit ihrer Kirchen und ganz
Sachsens gegen jedermann aus allen Kräften vertheidigen wollten; die
Laien aber, daß sie bis an ihren Tod ihre Freiheit nicht preisgeben
und ihr Land fernerhin von niemand mit Gewalt ausplündern lassen wollten.
Kapitel 45.
Als die Sachsen das vernommen hatten, da sandten sie
erst zahlreiche Botschaften an den König und seine Fürsten, mit
flehentlichen Bitten, doch nicht ganz ohne ihr Verschulden sie mit
dem Schwerte anzugreifen; denn wenn man sie in irgend einem Punkte
des Verbrechens der beleidigten Majestät
des Königs überführe, so seien sie ja
bereit, nach dem Ermessen der Fürsten selber dafür Buße
zu leisten. Da entbot der König dem Erzbischof von Magdeburg nebst
einigen anderen seine Gnade, und zeigte ihnen an, daß seine Freunde
ihm den Rath gegeben hätten, nicht das ganze Volk ohne sein Verschulden
zu verderben; auf deren Rath, sagte er, wolle er hören, wenn jene
sich von seinen Feinden trennen, und ihm den Bischof Burchard von Halberstadt,
den Herzog Otto, den Pfalzgraf
Friderich, nebst den übrigen, die er sonst noch
fordern würde, überliefern wollten. Auf diese Botschaft wurde
mit Zustimmung derjenigen, deren Auslieferung er verlangte, erwiedert,
daß ihm diese unter der Bedingung vorgeführt werden sollten,
daß sie vor ein Gericht von Fürsten beiderlei Standes gestellt
würden, damit deren Spruch sie entweder, falls sie überführt
würden, verurtheile, oder wenn sie unschuldig erfunden würden,
ihnen, nebst dem ganzen Sachsenvolke, die Gnade des Königs wiedergewinne.
Aber Willehalm mit dem Beinamen der König, und Friderich
vom Berge vergaßen, als sie sahen, daß der Krieg bereits offen
begonnen habe, des Eides, den sie mit den übrigen Sachsen geschworen
hatten, und der vielfachen Unbill, welche sie selbst erduldet halten, so
wie daß sie selbst ein Hauptanlaß gewesen waren, den Krieg
zu beginnen, verließen treulos ihr Vaterland, und gingen mit noch
ärgerer Untreue bei nächtlicher Weile hinüber zu dem Könige,
dem Feinde ihres Vaterlandes.
Denn nachher trauten ihnen weder ihre Landsleute noch
die Feinde, und bei beiden verächtlich und ehrlos lebten sie in Schande
und Elend.