Bruno: Kapitel 16,26,45
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"Das Buch vom Sächsischen Krieg."
 

Kapitel 16.

 
Da nun der König unter solchem Treiben schon dem Jünglingsalter entwuchs, begann er bald, nachdem Bischof Adalbert von Bremen sein vornehmster Rathgeber geworden war, auf dessen Zureden an wüsten Orten hohe und von Natur feste Berge aufzusuchen, und auf diesen so feste Burgen zu bauen,
daß sie dem Reiche zu großem Schutz und Schmuck gereicht haben würden, wenn er sie an passenden Orten errichtet hätte. Die erste und größte dieser Burgen nannte er die Harzburg, und befestigte sie von außen so gewaltig mit einer starken Mauer, mit Thürmen und festen Thoren, schmückte sie im Innern so herrlich mit königlichen Gebäuden, baute auch darin ein so stattliches Münster, zierte dieses mit so reichem Schatze, und versammelte hier aus allen Gegenden eine so zahlreiche und so  ansehnliche Geistlichkeit, daß mancher Bischofsitz mit seiner ganzen Einrichtung kaum dagegen aufkam, ja daß sogar einige dahinter zurückblieben. Das schönste Stück des Kirchenschatzes, welches
er bei irgend einem Bischofe sah, verschaffte er sich durch Bitte oder Befehl, um es seinem Stifte zu verleihen. Bei den übrigen Burgen aber sah er weniger auf Schönheit und Pracht als auf Festigkeit. Gesegnet, sehr gesegnet wäre sein Name, wenn er diese Vesten gegen die Heiden aufgerichtet hätte. Denn ohne Zweifel würden diese dann schon längst entweder alle die Taufe angenommen haben, oder den christlichen Fürsten auf ewige Zeiten zinspflichtig sein. Aber dieser Burgenbau an  verschiedenen Orten erschien unsern Landsleuten anfänglich wie ein  kindisches Spiel, weil seine böse Absicht noch nicht durchschaut war. Und da sie keine Gefahr davon besorgten, hinderten sie ihn nicht nur nicht daran, als sie dazu noch imstande waren, sondern sie unterstützten ihn sogar mit Geld und Arbeit bei dem Bau, weil sie daraus die Hoffnung schöpften, daß er gegen fremde Völker kriegerischen Muth beweisen werde. Nachdem aber Besatzungen in die Burgen gelegt waren und diese nun anfingen rund  umher auf Beute auszugehen, für sich zu ernten, wo sie nicht  gesäet hatten, freie Männer zu knechtischer Arbeit zu zwingen und ihre Töchter und Frauen zu beschimpfen: da erst sahen sie ein, was jene Burgen bedeuteten, und doch wagten sie noch nicht Widerstand zu leisten oder sich zu vertheidigen. Nur diejenigen, welche selbst den Schaden duldeten, beklagten sich verstohlener Weise bei denen, welche, ferner wohnend, noch nichts von den Burgmannschaften zu leiden hatten. Aber diese versäumten es, den Bedrängten Hülfe zu leisten, und kräftigten auf  diese Weise selbst die Tyrannei, welche dann auch sie erreichte. Denn von den Bauern ging der König weiter zu dem  Ritterstande, von den Bodenfrüchten zum Raub der Freiheit. So nahm er den Friderich vom Berge, welcher unter den freien Männern und sogar unter dem Adel für sehr angesehen galt, als seinen Dienstmann in Anspruch; und auch den Willehalm, welcher wegen seiner übertriebenen Prachtliebe der König von Lothesleben genannt wurde, verfolgte er mit solcher Grausamkeit, weil er nämlich reichen Besitz, aber wenig Verstand hatte, daß vornehmlich wegen dieser beiden ganz Sachsen sich gegen den König verschwor; obgleich sie es ihrem Volke schlecht genug vergolten haben. Denn nachdem alle Sachsen schon offenen Krieg gegen den König begonnen hatten, vergaßen jene beiden
der beschworenen Treue, verließen ihr Vaterland und schlugen sich zuerst als erbärmliche Ueberläufer zu den Feinden. Allein das wird sich später zeigen.
 

Kapitel 26.

 
Demgemäß erklärte Erzbischof Werinher von Magdeburg, seine Stadt sei vom Könige zweimal mit Mord und Raub heimgesucht; außerdem aber versicherte er, daß er über das allen zugefügte Unrecht nicht weniger Schmerz empfinde, als über sein eigenes, und gelobte dem entgegenzutreten, als ob er
selbst allein das alles erduldet hätte. Bischof Burchard von Halberstadt klagte, daß der König ihm das Erbgut eines Edelmannes, Namens Bodo, welches von Rechts wegen seiner Kirche zukomme, gewaltsam entrissen habe. Herzog Otto erhob Klage, daß ihm das Herzogthum in Baiern, welches er lange mit vollem Recht besessen, ohne daß irgend eine Beschuldigung gegen ihn erwiesen wäre, vom Könige durch einen hinterlistigen Anschlag wider Recht genommen sei. Markgraf Dedi klagte, daß   einige von Rechts wegen ihm gehörige Güter ungerechter Weise ihm entzogen wären. Graf Heriman erzählte, was kürzlich geschehen war, daß nämlich der König ihm die von seinen  Vätern ererbte Veste Lüneburg listig überfallen hatte, und, hätte er sie nur behaupten können, jenes ganze Land, des Grafen rechtes Erbgut, nicht nach königlichem Rechte, sondern mit Unrecht in Besitz nehmen wollte. Pfalzgraf Friderich beklagte sich, daß ihm ein großes Lehen, welches er von der Abtei  Herolfesfelde  gehabt habe, durch einen ungerechten Befehl des Königs genommen sei, und er vergeblich versucht habe, es mit hundert Hufen Landes vom Könige einzulösen. Friderich vom Berge und Willehalm, genannt der König, von denen Heinrich dem einen die Freiheit, dem zweiten sein Erbgut zu nehmen
versuchte, brachten beide ihre Klage vor, und diese erregte noch mehr als die übrigen Klagen die Teilnahme aller Anwesenden, weil sie daran ermaßen, was erhallen insgesammt anzuthun gedenke; nämlich, daß er darauf sinne, wenn es ihm möglich sei, ihnen allen Freiheit und Erbe zugleich zu nehmen. Darauf trug nun noch jeder das Unrecht vor, welches er erlitten hatte; aber weder der Raum dieser Schrift, noch das menschliche Gedächtniß reichen hin, um das alles zu fassen. Die ganze  Versammlung also - es war aber eine gewaltige Heeresmacht dort zusammengekommen - schwur einen feierlichen Eid, den jeder einzeln ablegte, die Bischöfe nämlich, daß sie, soweit sie es ohne Schaden ihres Standes vermöchten, die Freiheit ihrer Kirchen und ganz Sachsens gegen jedermann aus allen Kräften vertheidigen wollten; die Laien aber, daß sie bis an ihren Tod ihre Freiheit nicht preisgeben und ihr Land fernerhin von niemand mit Gewalt ausplündern lassen wollten.
 

Kapitel 45.

 
Als die Sachsen das vernommen hatten, da sandten sie erst zahlreiche Botschaften an den König und seine Fürsten, mit flehentlichen Bitten, doch nicht ganz ohne ihr Verschulden  sie mit dem Schwerte anzugreifen; denn wenn man sie in  irgend einem Punkte des Verbrechens der beleidigten Majestät
des Königs überführe, so seien sie ja bereit, nach dem Ermessen der Fürsten selber dafür Buße zu leisten. Da entbot der König dem Erzbischof von Magdeburg nebst einigen anderen seine Gnade, und zeigte ihnen an, daß seine Freunde ihm den Rath gegeben hätten, nicht das ganze Volk ohne sein Verschulden zu verderben; auf deren Rath, sagte er, wolle er hören, wenn jene sich von seinen Feinden trennen, und ihm den Bischof Burchard von Halberstadt, den Herzog Otto, den Pfalzgraf
Friderich, nebst den übrigen, die er sonst noch fordern würde, überliefern wollten. Auf diese Botschaft wurde mit Zustimmung derjenigen, deren Auslieferung er verlangte, erwiedert, daß ihm diese unter der Bedingung vorgeführt werden sollten, daß sie vor ein Gericht von Fürsten beiderlei Standes gestellt würden, damit deren Spruch sie entweder, falls sie überführt würden, verurtheile, oder wenn sie unschuldig erfunden würden, ihnen, nebst dem ganzen Sachsenvolke, die Gnade des Königs wiedergewinne. Aber Willehalm mit dem Beinamen der König, und Friderich vom Berge vergaßen, als sie sahen, daß der Krieg bereits offen begonnen habe, des Eides, den sie mit den übrigen Sachsen geschworen hatten, und der vielfachen Unbill, welche sie selbst erduldet halten, so wie daß sie selbst ein Hauptanlaß gewesen waren, den Krieg zu beginnen, verließen treulos ihr Vaterland, und gingen mit noch ärgerer Untreue bei nächtlicher Weile hinüber zu dem Könige, dem Feinde ihres Vaterlandes.
Denn nachher trauten ihnen weder ihre Landsleute noch die Feinde, und bei beiden verächtlich und ehrlos lebten sie in Schande und Elend.