SCHWINDSUCHT
Lexikon des Mittelalters:
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Schwindsucht (Phthisis)
bezeichnete im MA Lungenkrankheiten, die zur Auszehrung führten.
Nach Galen (2. Jh.) handelte es sich um Geschwüre, die durch
Katarrhe sowie die Retention von Eiter und Blut im Bronchialbaum
hervorgerufen wurden. Von der rein ulcerösen Form (eitriger
Auswurf) waren dabei primär entzündliche (Bluthusten) und
chronische Varianten (Husten, körperliche Schwäche) zu
unterscheiden. Die Lehre Galens (der auch die Ansteckungsgefahr und den
'phthisischen Habitus' erwähnt und spezielle Luftkurorte
empfiehlt) wurde im MA weitgehend übernommen. Alexander von
Tralleis und Aetios von Amida (6. Jh.) vermuteten
Gefäßrupturen und blutige Verschwartungen als weitere
Ursachen. Avicenna unterschied ein entzündliches,
geschwüriges und kavernöses Stadium. 1480 schloß der Memminger Stadtarzt Ulrich Ellenbog
bei Blutsturz, eitrigem Auswurf und entsprechendem Habitus auf eine
Sschwindsucht. Therapeutisch wurden Expektorantien (Arnald von
Villanova), Fuchslungenpulver (Bernhard von Gordon), Milch, Thymian und
Ysop (Alexander von Tralleis) empfohlen, bei Blutsturz auch Eigelb,
Zucker, Diät und Ruhe (Avicenna, Bernhard von Gordon). Der
Anti-Galenist Paracelsus sah in der Schwindsucht eine 'tartarische'
Erkrankung, die er auf eine Schwächung des ausscheidenden
'Archeus' zurückführte. Die Lunge wird dabei zum feurigen
Element, das die Organe durch Trockenheit aufzehrt. Die Skrofulose
(Skrofeln), deren Verbindung zur Schwindsucht natürlich unbekannt
war, galt seit dem HochMA als 'morbus regius' (besonders in England und
Frankreich) und wurde traditionell durch Berührung bzw.
Handauflegen des Königs (oder seiner engsten Verwandten) geheilt.
Tuberkel wurden erstmals im 17. Jh. beschrieben (Sylvius).
K. Bergdolt