Homan Balint: Band II Seite 276-280
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"Geschichte des Ungarischen
Mittelalters"
Karl Robert
blieb auch nach seiner Krönung in
den Augen der Nation ein Parteien-König und dazu noch der
König einer verschwindend kleinen Partei. Die große Mehrheit
der Nation erkannte ihn auch weiterhin nicht als ihren Herrscher an.
Sie suchte einen anderen König und fand ihn auch in der Person des
12-jährigen Sohnes Wenzels II., der den gleichen Namen trug. Bei der Wahl
beachtete man auch die Gesichtspunkte der vom heiligen Stuhl
bestrittenen Erblichkeit im weiblichen Ast. Demzufolge war der Erbe des
Thrones das dem verstorbenen Herrscher am nächsten stehende
weibliche Familienmitglied. Nach der Meinung des Heiligen Stuhles und
der ungarischen Anhänger der ANJOUS war
dieses weibliche
Familienmitglied Königin Maria von Neapel, die älteste
Schwester Ladislaus' IV.,
da sie die eheliche Abstammung Andreas'
III.
und die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft in
Zweifel zogen.
Nach der ungarischen öffentlichen Meinung aber hatten Königin
Maria und ihr Enkel bei der Geburt der Tochter Andreas' III. ihr
Erbrecht verloren und im Sinne der weiblichen Nachfolge kam nicht mehr
ihnen, sondern der Tochter des Andreas und dem ihr
geborenen Sohn der
Thron zu. Der Verlobte der Herzogin Elisabeth wurde aber Wenzel. Bei
seiner Wahl war also das Prinzip der Erbfolge nicht verletzt worden.
Die Stände versammelten sich noch im Frühling des Jahres 1301
zum Reichstag, erklärten die Krönung zu Gran für
ungültig und wählten Wenzel zum ungarischen König. Sie
baten seinen Vater, für ihn bis zur Großjährigkeit die
Regierung des Landes zu führen. Der böhmische König
erhob nach dem Tode Ladislaus' IV.
auf Grund seiner Großmutter
selbst Ansprüche auf die ungarische Krone. Jetzt stimmte er mit
Freuden der Krönung seines Sohnes zu, und im Juli des Jahres 1301
begaben sich beide nach Ungarn. An der Grenze wurden sie vom Erzbischof
Johann von Kalosca an der Spitze einer großen
Gesandtschaft
empfangen und nach Gran und von dort nach Ofen geleitet. Der Einzug des
jungen Wenzel
wurde von dem in Ofen zum Reichstag zusammengetretenen
Adel gemeinsam mit der Geistlichkeit und den Ofener Bürgern mit
Glockengeläut und Gottesdienst gefeiert. Danach riefen sie ihn auf
dem Reichstag zum Könige aus und zeigten ihn vom Hochaltar der
Kirche unserer Lieben Frau dem Volke. Von Ofen begleiteten sie Wenzel
nach Stuhlweißenburg, wo er Ende August vom Erzbischof Johann von
Kalocsa mit der Krone des heiligen Stephan gekrönt wurde.
Der neue
König vertauschte seinen slawisch klingenden Namen mit dem
ungarischen Namen Ladislaus und
während sein Vater nach Prag
zurückkehrte, richtete er in Ofen seinen königlichen Hof ein.
Ende 1301 stand die Bevölkerung des Landes mit Ausnahme einiger
südungarischer Anhänger Karl Roberts
und des gewählten
Erzbischofs Gregor mit Leib und Seele hinter König Ladislaus
(1301-1305).
Die Bischöfe nahmen unter der Führung des
Erzbischofs Johann einstimmig
für ihn Stellung.
Inzwischen hatten die beiden Könige schon die Zitierung von Papst
Bonifatius erhalten, zwecks Klärung der Thronfolge vor dem
Richterstuhl zu erscheinen. In Vertretung der Königin Maria und
Karl Roberts gingen
der Erzbischof Stephan von Kalocsa
und die
Bischöfe Michael von Agram,
Benedikt von Veszprem und Theodor von
Raab zum Papste. Wenzel und sein Sohn schickten keine
Fürsprecher,
sie entsandten nur drei rechtsgelehrte Gesandte zur Darlegung ihres
Standpunktes, weil sie nicht um Ungarn prozessieren wollten, auf dessen
Thron "einstimmig und vorschriftsmäßig
gewählt worden war". Da Ladislaus
seine Krone der Wahl der
ungarischen Stände zu verdanken hatte, mußte er an der
ungarischen Rechtsauffassung festhalten. Die Anwälte Karl Roberts
dagegen erkannten das Entscheidungsrecht des Papstes an. Sie erreichten
ihr Ziel auch bald, Bonifatius VIII.
verbot nach Beratschlagung mit den
Kardinälen im Mai 1303 durch Urteil dem böhmischen König
und seinem Sohne den
Gebrauch des ungarischen Königstitels und den
Bewohnern Ungarns unter Lösung vom Treueide, die Steuerzahlung und
Dienstleistung. Er sprach die ungarische Krone Karl Robert
zu,
ermächtigte ihn und seine Groß-Mutter zum Tragen des Titels
des ungarischen Königs und der ungarischen Königin. Den
deutsch-römischen König ALBRECHT und den Herzog Rudolf
von
Österreich forderte er brieflich zur
Unterstützung Karl
Roberts auf.
Wenzel, Ladislaus und
ihre ungarischen Anhänger waren nicht
gewillt, dem Urteil des Papstes nachzukommen. Sie bereiteten sich zum
Kampfe vor, als die Nachricht vom unerwarteten Tode Bonifatius' VIII.
eintraf.
Nachdem der neue Erzbischof den Günser Grafen Gran weggenommen
hatte, gelang es ihm bald, alle Bischöfe für seinen Herrn zu
gewinnen, und infolge der Agitation der hohen Geistlichkeit
verließen die angesehensten Magnaten und dann auch die Ofenner
Bürger und die Kumanen nacheinander das Lager Ladislaus',
der an
seinem Ofener Hofe sich auf nicht gerade königliche Weise
vergnügte und Gelage veranstaltet. Die ANJOU-Partei beabsichtigte im
Bunde mit dem Herzog von Österreich Böhmen anzugreifen. König Wenzel
bereitete sich auf die Verteidigung vor, aber auf den Rat des Iwan von
Güns kam er mit seinem Heer vorher nach Ungarn, um seinem
Sohn den
Thron zu sichern. Aber die dortigen Erfahrungen verstimmten ihn sehr.
Er sah, daß die Lage unhaltbar zu werden begann. Deshalb
vertraute er die Regierung des Landes Iwan
an und kehrte mit seinem Sohne heimlich nach Böhmen
zurück. Aber er nahm die heilige Krone und auch die übrigen
Kroninsignien mit sich, damit man Karl Robert
nicht mit ihnen zum König krönen könne. Wenzel und sein
Sohn gaben den Anspruch auf den Thron nicht auf, sie wollten das
Ergebnis des bevorstehenden Zusammenstoßes an einem sicheren Ort
abwarten.
Wenzel
war schon nach Prag unterwegs, als Ende August Karl Robert und
Herzog Rudolf von Österreich ihre
Heere vor Preßburg sammelten und formal das Bündnis gegen
Böhmen schlossen. ALBRECHT VON
HABSBURG und sein Sohn hatten sich bisher nicht in den Kampf um
die ungarische Krone eingemischt. Karl Robert
und Ladislaus
waren beide durch ihre Mutter Enkel RUDOLFS VON HABSBURG und die Verwandtschaft
veranlaßte den deutschen König und den österreichischen
Herzog zur Neutralität. Sie symapathisierten trotzdem mit den ANJOUS, deren
Bestrebungen ihre Interessen nicht gefährdeten. Mit der Herrschaft
des Erben des böhmischen Thrones
in Ungarn erstand aber die Gefahr von neuem, die vor 30 Jahren
auf dem Marchfelde abgewehrt worden war. Wenzel II.
regierte seit dem jahre 1296 außer in Böhmen auch in Polen
und die Erwerbung des ungarischen Königreiches hätte eine
Wiederauferstehung der Macht Ottokars II.
im breiteren Rahmen bedeutet. Das Interesse HABSBURGS
forderte die Verhinderung der Vereinigung Ungarns und Böhmens, und
deshalb folgte ALBRECHT
gern der Aufforderung des Papstes, Karl Robert
gegen Wenzel zu
helfen. Das Bündnis war übrigens mit einer Machtvermehrung
für die HABSBURGER
verbunden, weil Karl
Robert einwilligte, daß Preßburg als Besitz der
österreichischen Witwe Andreas'
III. in
österreichischer Hand verblieb. Die Ungarn und die Kumanen der ANJOU-Partei
griffen Ungarn an. Der Palatin Amadeus
fiel mit einem kleinen Heere des polnischen
Herzogs Wladislaw Lokietek
in Galizien ein. Das deutsche Heer ALBRECHTS drang
im Oktober auf böhmischem Gebiet bis nach Kuttenberg vor. In dem
zwei Monate währenden Kriege kam es zu keinem größeren
Zusammenstößen, aber Böhmen litt schwer unter den
verwüstenden Angriffen und die Herrschaft des böhmischen
Königs in Polen wurde in ihren Grundlagen erschüttert. Der
Winter machte dem Krieg ein Ende, und nachdem Wenzel II. im
Juni 1305 gestorben war,
schloß sein Sohn mit König
ALBRECHT Frieden.
Im Sinne dieses Friedens verzichtete Ladislaus auf
Ungarn, löste seine mit der
Tochter Andreas' III. geschlossene Verlobung und
versprach, die Heilige Krone und die übrigen
Krönungsinsignien herauszugeben. Aber er schloß mit Karl Robert nicht
Frieden und als er im Oktober 1305 auch feierlich auf seine
Ansprüche auf Ungarn verzichtete, übertrug er seine Rechte
nicht auf ihn, sondern auf Herzog Otto von Bayern, dem er
auch die Krönungsinsignien übergab. Zu diesem Schritt
veranlaßten ihn seine ungarischen Anhänger. Er trat das Erbe
seines Vaters unter dem namen Wenzel III.
an, aber er trug die böhmische Krone wegen seines plötzlichen
Todes nur ein Jahr lang.