BRÜNN
Lexikon des Mittelalters:
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Brünn (tschechisch Brno; lateinisch Brunna)
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Burg und Stadt an der Mündung der Zwittawa in die Schwarzawa in
Mähren; der Name wird vom alttschechischen brn ('Ton, Lehm') bzw.
seiner Adjektivform brnen abgeleitet (also 'Burg auf dem
Tonhügel'). Die älteste Erwähnung (Brynen, Birnen,
Byrno, Brnno) findet sich bei Kosmas
von Prag (1091), die lateinische und deutsche Überlieferung
ist etwa ein Jahrhundert jünger. Nach den Siedlungsfunden aus der
Burgwallzeit, die eine Kontinuität zeigen, entstand die
mittelalterliche Siedlung in einem Burgwall. Die landesherrliche Burg
wurde wahrscheinlich bald nach der Erwerbung Mährens durch Bretislav I. am Petrov errichtet, in
den siebziger Jahren des 12. Jh. wurde die romanische Peterskirche
gegründet. Die älteste Kirche ist allerdings die
Großpfarre St. Michael in der Vorburg.
Die Brünner provincia war bis 1182 ein mährisches Teil-Fürstentum,
ab 1197 wechselte sich Brünn als Verwaltungszentrum von
Mähren mit Olmütz ab. Infolge des wirtschaftlichen
Aufschwungs in Mähren wuchs die Bedeutung des burgus Brunnensis
als Handelsort, in dem auch viele Klöster errichtet wurden
(Benediktiner, Prämonstratenser, Zisterzienser). Neben der
einheimischen Bevölkerung siedelten sich auch fremde Kolonisten
und Händler an (Romanen, Flamen, Deutsche und Juden). Es entstand
neben der älteren Siedlung westlich der Burg, die bald
Altbrünn genannt wurde, nun im Norden und Osten der Burg eine neue
Siedlung mit Jakobskirche und Nikolauskirche. Bereits 1237 wurden die
Einwohner Bürger genannt, 1243 wurde Brünn als Stadt
bezeichnet, für 1247 ist das Stadtsiegel belegt, für 1315 das
Stadtwappen. Nachdem die alte, halbverfallene Burg in die Stadt
eingegliedert worden war, entstand am 283 m hohen Spielberg eine neue
Burg. Im 13. Jh. errichtete man in der neuen Stadt drei Klöster:
1227-1239 das Dominikanerkloster (auf Initiative des Markgrafen Premysl), um 1230 das
Minoritenkloster (von Wenzel I.
gegründet) und 1240-1241 das Augustinerinnenkloster (nach der ersten Priorin Herburg Herburgen
genannt, auch als Dominikanerinnenkloster bezeichnet, da es den
Dominikanern unterstand, gestiftet von dem Bürger Ulrich Niger).
1243 wurde Brünn in Anlehnung an das Wiener Recht durch
Privilegien Wenzels
I. (»Gloria principum« und »Hae sunt
libertates«) ein eigenes Recht verliehen. An der Spitze des
städtischen Gemeinwesens standen 24 Schöffen, die ihre Macht
auch
über die Güter der Bürger außerhalb der Stadt
ausübten. Brünn entwickelte sich bald nicht nur zu einem
wichtigen wirtschaftlichen, sondern auch zu einem politischen Zentrum.
Nach dem Sieg RUDOLFS
I. VON HABSBURG über Premysl Ottokar II.
von Böhmen erhielt Brünn von diesem verschiedene
Privilegien und wurde sogar zur Reichsstadt erhoben. Allerdings ist
nicht erwiesen, daß diese Privilegien tatsächlich
ausgestellt wurden, da sie nur in Formelbüchern erhalten sind; sie
kamen jedenfalls nie zum Tragen. Die engen Beziehungen zu den HABSBURGERN
hatten zur Folge, daß Brünn bald seine Vorrangstellung in
Mähren einbüßte und erst wieder unter Johann von.
Luxemburg eine neue Blüte erlebte, besonders, als KARL IV. mit
seiner Gattin Blanka als Markgraf von Mähren seinen Hof
in Brünn hielt (ab 1334). KARL IV.
folgte in Brünn sein Bruder Johann Heinrich und
1375-1441 dessen Sohn JODOK.
Seit 1348 wurden in Brünn wie in Olmütz die mährischen
Landtafeln geführt. Zwischen beiden Städten entwickelte sich
eine starke Konkurrenz, da in ihnen auch die Landtage zusammentraten.
Brünn erhielt weitere kirchliche Institutionen: ab 1296 war die
alte Peterskirche Kollegiatkirche; Johann von Luxemburg
gründete 1312 ein Dominikanerkloster bei St. Anna; Elisabeth Rejcka,
die Witwe Wenzels II.,
gründete 1323 ein Zisterzienserinnenkloster in Altbrünn und Johann Heinrich
1356 ein Kloster der Augustinereremiten; 1375 entstand die Kartause
Königsfeld nördlich der Stadt.
Um die Mitte des 14. Jh. hatte die Stadt einen Umfang von 36,4 ha. Sie
war in fünf Stadtviertel (davon ein Judenviertel) unterteilt und
hatte vier Vorstädte. Die Einwohnerzahl schwankte in der
vorhussitischen Zeit zwischen 8.000 und 10.000 Einw. (fünf Achtel
in der Stadt, drei Achtel in den Vorstädten). Die Sozialstruktur
Brünns zeichnete sich durch eine starke
»Patrizierschicht« aus, 45% der Einwohner gehörten zur
Unterschicht, fast 53% zur Mittelschicht. Ein starker Anteil des
Gewerbes war für die Stadt charakteristisch. Die Patrizier
betätigten sich vorwiegend im Fernhandel. War der deutsche Anteil
an der Bevölkerung ursprünglich sehr groß, so verschob
sich jedoch infolge der großen Seuchen, besonders im dritten
Viertel des 14. Jh., das Verhältnis zugunsten der Tschechen. Die
städtische Selbständigkeit erreichte 1372 einen
Höhepunkt, als es gelang, dem Markgrafen die Hochgerichtsbarkeit
abzukaufen. Die bekanntesten Stadtschreiber der Zeit waren Johann und Johann von Gelnhausen, beide
angesehene Juristen. Von dem Stadtschreiber
Johann stammt die Aufzeichnung des Brünner
Schöffenbuchs aus der Mitte des 14. Jh., das neben den
Schöffensprüchen auch Zusätze mit Ausführungen zum
römisch-kanonischen Prozeß enthielt. Die hussitische
Bewegung ließ auch Brünn nicht unberührt, doch blieben
die Anhänger des Hussitentums in der Minderheit, und die Versuche
der Hussiten, sich der Stadt 1424 und 1428 zu bemächtigen,
scheiterten. Brünn blieb die Stütze Kaiser SIEGMUNDS
und seines Schwieger-Sohns ALBRECHT II. Während
des Aufenthalts des Johannes von
Capestrano wurde 1451 in der südlichen Vorstadt ein
Bernhardinerkloster gegründet. 1454 wurden die Juden aus
Brünn vertrieben. Georg von Podiebrad,
König von Böhmen (1458-1471), besetzte gleich am
Anfang seiner Regierung Stadt und Burg, 1467 fiel jedoch Brünn von
ihm ab. Brünn blieb dem
ungarischen König Matthias
I. Corvinus (1458-1490) bis zu dessen Tod
unterstellt. Erst dann wurde Brünn gemeinsam mit Mähren
wieder mit Böhmen zusammengeschlossen.
I. Hlavácek