Annalista Saxo: Seite 50,56,155,156,176
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"Reichschronik"
 

Das Jahr 1030.
 

Der Kaiser feierte Weihnachten in Paderbrunnen und nahm sich vor, nach dem Schlusse der Feiertage über den Rhein zu gehen. Am 16. Januar geschah eine  bejammernswerthe und von allen Getreuen Christi zu betrauernde Sache. Miseko, der Herzog der Polanen, welcher gegen das römische
Kaiserreich für sich den Königstitel in Anspruch nahm, hat, als er den Tod des Markgrafen Thietmar erfuhr, ein Heer von Heiden in die heilige Kirche geführt, nachdem er heimlich des Teufels Trabanten, Sigefrid und andere Verbrecher, an sich gezogen hatte. Dieser Sigefrid ist ein Oheim des Grafen Esic von Ballenstide, ein Sohn des berühmten Markgrafen Odo, der unter Otto III gestorben und in Nienburg begraben war. In diesem Kloster hat jener Sigefrid lange unter den Mönchen im Mönchsgewande gelebt; aber nach dem Tode des Vaters warf er Gewand und Gelübde fort und wurde  abtrünnig. Miseko also hat zwischen der Albia und Sala mehr als hundert Dörfer mit Brand und Mord verheert, neuntausendfünfundsechzig christliche Männer und Frauen elendiglich gefangen, den ehrwürdigen Brandenburger Bischof Liuzo wie einen gemeinen Sklaven ergriffen, auch die heiligen Altäre nicht geschont, sondern alles mit Mord und Blut besudelt und fromme und edle Frauen mit gewaffneter Hand sich angeeignet. Ein Mittel allein gab es gegen so großes Unglück, nämlich den köstlichen und ersehnten Tod. Ehrbare, selbst schwangere Frauen tödtete die rohe Hand der Heiden mit den Schwertern oder durchbohrte sie mit den Lanzen. Er ließ alle durch Waffen umkommen, denen hohes Alter oder zarte Jugend oder Schwäche von Krankheit Kräfte versagt hatte. Inzwischen kam Graf Theoderich mit Streitern herbei, tödtete mehrere von ihnen und verjagte die Uebrigen.
 

Das Jahr 1039.
 

[Der Kaiser feierte Weihnachten unter den ehrfurchtsvollen Glückwünschen seiner Fürsten geziemend in Goslar.] Während man am heiligen Tage darauf wartete, daß er in königlichem Schmucke zur Messe gehen sollte, da wird - schauerlich zu erzählen! ein ungewöhnliches und schreckliches Zusammenstoßen der Wolken von der dritten bis zur sechsten Stunde von den Dabeistehenden mit Furcht und Verwunderung zugleich betrachtet.  - [Frau Sophia, ehrwürdigen Gedächtnisses Aebtissin von Gandersheim, starb am dritten Tage nach Mariä Reinigung, und so hat Gott die Weissagung des heiligen Godehard offenbar erfüllt. Ihr folgte im Herrn ihre Schwester Adelheid, Aebtissin von Quidilingeburg,] obwohl der Kaiser, so lange er lebte, sich widersetzte, aber mit Erlaubniß seines Sohnes Heinrich. - In diesem Jahre starben die Bischöfe Eilbert von Frisien, Reinbold von Spira und Lambert von Wirdun mit vielen anderen Edlen. - In diesen Zeiten kehrt Kazimer, der Sohn Miseko's Herzogs der Polanen, in seine Heimat zurück, wird von den Polanen gern aufgenommen und führte als Gemahlin eine Tochter des Königs von Ruscien heim und zeugte zwei Söhne: Vladizlaus und Bolizlaus.
 

Das Jahr 1135.

 
Kaiser Lothar feierte Weihnachten in Aachen, wo die Kölner die Gnade des Kaisers erlangen. Daselbst trennen sich der Kaiser und der Kölner Erzbischof, gegenseitig erzürnt. Der heiligen Maria Reinigung feierte er in Quidelingeburg. Am Sonntage vor Mittfasten d. h. am 17. März kam er, wie er versprochen hatte, unter dem Geleite der Fürsten fast des ganzen Reiches und mit einer starken Mannschaft auserwählter Ritter und Bewaffneter nach Babenberg, und Friderich mit den Seinen hat, obwohl er sich eine Zeit lang sträubte, die Gnade des Kaisers demüthig nachgesucht, öffentlich ihm zu
Füßen fallend, und bald gewonnen. Er gelobte auch, mit dem Kaiser im nächsten Jahre nach Italien ziehen zu wollen und befahl in ganz Schwaben fest den Landfrieden zu beachten, wie es beschlossen worden war. Daselbst hat der Kölner Erzbischof Bruno auf Fürsprache der Fürsten und durch seine  Genugthuung Verzeihung für sein Vergehen gegen den Kaiser erlangt. Der Kaiser feierte Ostern in Quidelingeburg, Pfingsten aber in Magedaburg, wo die Reichsfürsten zum erstenmal vor ihm festen Frieden in ihrem Gebiet und außerhalb desselben auf zehn Jahre geschworen haben, und darnach wird die übrige Menge des Volkes sowohl dort als auch in den einzelnen Theilen des Reiches dasselbe zu thun überredet und gezwungen. Daselbst werden der Herzog von Böhmen und der Herzog von Ungarn, die Feindschaft unter sich hatten, verbündet. Ueberdies waren die Gesandten des Polanenherzogs Bolizlav und Godefrids von Lovene, Herzogs von Lotharingien, auch der Ungarn und Dänen und ebenso der Slaven dort anwesend, welche er sämmtlich mit passenden Antworten entließ.
 
Abt Lodowich von Augia wurde in der Kirche von seinen Ministerialen erschlagen, wie das Gerücht ging, durch die Nachstellungen Othelrichs, des Bruders des Grafen Friderich von Zolre. Der folgte ihm, aber endete selbst in demselben Jahre sein Leben durch Gift. Die Genossenschaft der kanonischen Nonnen in Luttera wird vom Kaiser in ein Leben nach der Regel des heiligen Benedict umgewandelt, und der mit  Mönchen vom Kloster des heiligen Johannes in Magedaburg  dorthin geschickte Eberhard wird daselbst zum ersten Abt geweiht, und in demselben Jahre wird das neue Kloster angefangen, nachdem von dem Kaiser und der Kaiserin die ersten Steine in den Grund gelegt worden.
 
Der Kaiser feiert Petri Kettenfeier in Nienburg, aber das  Fest des heiligen Laurentius und die Himmelfahrt der heiligen Maria in Mersburg. Dorthin strömten mit den Ersten des Reiches die Herzoge von Polen und Böhmen zusammen und, prächtige Geschenke mit sich führend, die Gesandten des Kaisers der Griechen, welche den Kaiser um Frieden und Freundschaft und um Hülfe gegen den Tyrannen Rokker baten, der einen Theil des römischen Kaiserreiches und das Land der Griechen gar sehr beunruhigt hatte. Nachdem sie geziemend  wiederbeschenkt waren, sandte er sie mit seinen Boten, dem Havelberger Bischof Anselm und Anderen in ihr Land zurück. Herzog Bolizlaus von Polen aber macht sich am heiligen Tage durch Handschlag zum Vasallen desselben und trug vor ihm, als er zur Kirche gehen wollte, das Schwert. Darnach reist er des Gebets wegen zum heiligen Godehard und auf der Rückkehr von dort wird er auf die Bitte des Kaisers festlich empfangen, was seit niemandes Gedenken geschehen war, außer zur Zeit des ersten Erzbischofs Adalbert, welcher Herimann, einen klugen Mann und Vertheidiger der Kirchen, dort in ähnlicher Weise empfing, wodurch er den Kaiser Otto, den Gründer dieses Ortes, sehr beleidigte, und nur mit Mühe hatte er ihn versöhnt, obwohl jener von höherer Würde war, als dieser Slave und Ausländer. Nach dem Feste des heiligen Michael kam der Kaiser nach Mulehusen, woselbst Konrad, der Usurpator des Königstitels, des Herzogs Friderich Bruder, die Krone und allen Königsschmuck aufgebend, demüthig durch den
Magedaburger Erzbischof Konrad vom Banne gelöst wird und durch Vermittlung der Kaiserin, vor dem Kaiser auf die Kniee fallend, dessen Gnade gewinnt.
 
Wohl muß man wissen, daß diesen Kaiser Lothar Könige und Königreiche meist so achteten, daß er, wie wir schon oben  gesagt haben, beständig von Geschenken und Botschaften der Ungarn und Ruthenen, der Dänen und Franken und der übrigen Könige und Völker aufgesucht wurde. Denn unter ihm genoß das Reich des Friedens, es war Fülle an allen Dingen, die Klosterzucht blühte, es herrschte die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit verstummte.
 

Das Jahr 1138.

 
Die Kaiserin Richenza sagte für das Fest der Reinigung der heiligen Maria eine Fürstenversammlung in Quidelingeburg an. Diese Versammlung wurde von dem Markgrafen und seinen Helfershelfern verhindert, welche alles, was für den Dienst der Kaiserin dort vorbereitet war, wegnahmen, ihr den Einzug in die Stadt verwehrten und ihr mit Raub sowohl als mit Brand sehr vielen Schaden thaten.
Lambert, welcher als Abt von Ilsineburg zum Bischof der Brandenburger Kirche erwählt worden, reiste auf Bitte des Halberstädter Bischofs Rodolf nach Rom und wurde auf der Heimkehr von Räubern erschlagen. Es folgte Wigger, Probst der heiligen Maria in Magedaburg. Für die  Quidelingeburger Aebtissin Gerburg wird Beatrix, Aebtissin des Klosters, welches Herse heißt, eingesetzt. Es starb Petrus Leonis, welcher gegen Innocentius sich des päpstlichen Stuhles bemächtigt hatte. Die Kölner erheben für Hugo den Probst des heiligen Andreas, Arnold, zum Erzbischofe über sich, die Mainzer aber den jungen Adalbert, des vorigen Adalbert Neffen. Folkmar, Abt von Korvey, starb, und ihm folgte, aus derselben Genossenschaft erwählt, Adalbero, ein Bruder des Herzogs Heinrich.

Die Fürsten beschlossen auf Verabredung, zu Pfingsten eine allgemeine Versammlung in Mainz zu halten, um gemeinschaftlich denjenigen über das Reich zu setzen, den Gott dazu bestimmt haben würde. Aber auf Antrieb des Erzbischofs Adalbero von Trier und einiger Fürsten folgte der schwäbische Konrad, des Herzogs Friderich Bruder, einst der Usurpator des Königstitels, am Montage nach dem Sonntage Oculi erhoben zum König der Römer und geweiht von dem  Kardinalbischöfe Thietwin, und regierte an der vierundachtzigsten Stelle nach Augustus, im Jahre 1890 nach der Gründung Roms, dem elfhundertachtunddreißigsten der Fleischwerdung des Herrn. Jedoch ist die Zustimmung vieler großen Fürsten zur Verherrlichung dieses Ereignisses keineswegs nachgesucht worden. Dieser Konrad hat die königlichen Güter, welche Herzog Heinrich von Baiern unter sich hatte, der auch der Sachsen Herzog und Schwiegersohn des Kaisers Lothar war, schlau an sich gebracht und wollte denselben des Herzogthums Sachsen berauben, indem er dieses dem Markgrafen Adalbert gab. Seiner Wahl wird von Einigen, besonders von den Fürsten Sachsens,  widersprochen. Erzürnten Gemüths haben nämlich Markgraf Konrad, Pfalzgraf Friderich, Graf Sifrid von Boumeneburg und Graf Rodolf von Stade auf Anstiften der Kaiserin Richeza sich verabredet, gleichzeitig einzutreffen, um gegen den Markgrafen Adalbert zu kämpfen. Er aber kam der Feindesschaar zuvor an dem Orte, welcher Mimirberg heißt, und nahm, da er unerwarteter Weise Sieger blieb, mehrere der Gegner gefangen. Bolizlaus, der Herzog der Polanen, starb und hinterließ fünf ihn überlebende Söhne, unter welche er vor den Bischöfen und Fürsten jenes Landes seine Erbschaft vertheilte. Von diesen erhielt Bolizlaus das Herzogthum, weil er der Aelteste und ein Schwager des Königs Konrad war. Das Schloß, welches Berneburg heißt, wurde mit Feuer verbrannt, der Gewaltsamkeiten wegen, welche die Markgräfin Eilika von dort aus verübte.