Lutz Partenheimer
Gedruckt in:
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Die frühen Askanier. Protokoll der Wissenschaftlichen
Konferenzen zur politischen und territorialen Herrschaftsgeschichte sowie
(zu) den sozialen und kulturhistorischen Aspekten der frühen Askanierzeit
am 19./20. Mai 2000 in Aschersleben/Ballenstedt und am 25. Mai 2002 in
Bernburg (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts
28). Halle 2003, S. 254-274.
Über die Gemahlinnen der ersten in den Quellen auftretenden
Angehörigen dieser Dynastie [1 Zu ihren Ursprüngen Helmut
ASSING: Die Anfänge askanischer Herrschaft im Raum Köthen. In:
Helmut ASSING: Brandenburg, Anhalt und Thüringen im Mittelalter. Askanier
und Ludowinger beim Aufbau fürstlicher Territorialherrschaften. Zum
65. Geburtstag des Autors hg. von Tilo KÖHN/Lutz PARTENHEIMER/Uwe
ZIETMANN. Köln/Weimar/Wien 1997, S. 177-188 (zuerst: Mitteilungen
des Vereins für Anhaltische Landeskunde (künftig: MVAL) 1/1992,
S. 28-38); Helmut ASSING: Die frühen Askanier und ihre Frauen. Hg.
von der Kulturstiftung Bernburg. Bernburg 2002; Lutz PARTENHEIMER: Albrecht
der Bär. Gründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums
Anhalt. 2. Aufl., Köln/Weimar/Wien 2003, S. 15-31.] ist noch weniger
als von den Männern bekannt. Immerhin läßt sich soviel
sagen, daß das Geschlecht den Aufstieg zum Fürstenrang nicht
zuletzt der Wahl der Frauen verdankt. Das rechtfertigt die folgende Vorstellung,
wobei die überlieferten Familienmitglieder bis zu Albrecht dem
Bären (+ 1170) berücksichtigt sind.
Das Hochadelshaus empfing den Namen nach Aschersleben
am Harzrand, wo die frühen Vertreter im 11./12. Jahrhundert im Auftrag
des deutschen Königs als Grafen Gericht hielten. Schriftlich wird
Albrecht
der Bär als erster ASKANIER 1147 mit dem Ort in Verbindung
gebracht, als ihn eine Urkunde des Erzbischofs von Magdeburg „Graf von
Aschersleben“ (comes de Aschersleve) nennt. [2 Urkundenbuch des
Erzstifts Magdeburg. Teil 1 (937-1192). Bearb. von Friedrich ISRAEL unter
Mitwirkung von Walter MÖLLENBERG (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
und des Freistaates Anhalt. Neue Reihe 18). Magdeburg 1937 (künftig:
UBM), Nr. 264. Die Urkunde ist allerdings nur durch Drucke bekannt.]
Albrecht gab den Titel an den jüngsten Sohn
Bernhard weiter. Der führte ihn bis zu seiner Erhebung zum Herzog
von Sachsen im Jahre 1180, worauf die höhere Würde in den Vordergrund
trat. Nach Bernhards Tod (1212) übernahm dessen ältester Sohn
Heinrich den auf Aschersleben bezogenen Grafenrang, während der jüngere
Bruder Albrecht den Herzogshut erbte. Heinrich verzichtete aber bereits
in seiner ersten bekannten Urkunde von 1213 auf „-leben“, indem er sich
comes Ascharie nannte [3 Codex diplomaticus Anhaltinus. Hg. von
Otto VON HEINEMANN, Band (künftig: Bd.) 2. Dessau 1875 (Nachdruck
(künftig: ND) Osnabrück 1986) (künftig: CDA), Nr. 9.]. Im
14. und 15. Jahrhundert wurde dann „Aschkaria/Askaria“ zu „Aschkania/Askania“
[4
Das „n“ an Stelle des „r“ ist erstmals 1320 (CDA 3. Dessau 1877
(ND Osnabrück 1986), Nr. 406) belegt, als sich Fürst Bernhard
III. von Anhalt-Bernburg comes Ascanie nannte, doch ist die Urkunde nur
in einer Abschrift des 16. Jh. überliefert. Ein Originaldiplom Fürst
Albrechts II. von Anhalt-Köthen aus dem Jahre 1323 (CDA 3, Nr. 454)
bietet comes Asschanie.]. Daraus leiteten nach 1500 im Dienst des Fürstenhauses
tätige Geschichtsschreiber die Abstammung ihrer Herren von Ascanius,
dem Sohn des aus Troja entkommenen Helden Aeneas, und sogar von Aschkenas,
dem Urenkel Noahs, ab. Nun mußten die Vorfahren Albrechts
ebenfalls „ASKANIER“ heißen, und dieser Name wurde schließlich
auch für die Angehörigen aller von seinen Söhnen begründeten
Linien verwandt.
Nach der schriftlich zuerst 1140 – und zwar als Besitz
Albrechts
des Bären – erwähnten Burg Anhalt [5 Monumenta Germaniae
historica (künftig: MG), Scriptores (künftig: SS), Bd. 16. Hannover
1859 (ND Stuttgart 1994), S. 80, 187, 258; Bd. 23. Hannover 1874 (ND Stuttgart
1986), S. 145. Wann und von wem die Burg Anhalt errichtet wurde, ist nicht
überliefert. In Frage kommen als Erbauer
Albrecht der Bär,
einer seiner Vorfahren, ein anderes Adelsgeschlecht oder das Königtum
(vor allem HEINRICH IV.).] auf dem
Großen Hausberg über dem Selketal südlich von Ballenstedt
nennt man die Familie außerdem „Haus ANHALT“ und ihre Mitglieder
„ANHALTINER“. Schon Albrecht ist auf einer Prägung seiner
Münzen „Anhaltischer Markgraf“ [6
Umschrift eines 1860 in Freckleben
(südöstlich von Aschersleben) gefundenen Brakteaten (Hohlpfennig):
ADELBERTVS MARCHIO ANEHALDENSI(S) (Heinz THORMANN: Die anhaltischen Münzen
des Mittelalters. Münster/Westfalen 1976, Nr. 9 auf S. 19 und Tafel
II).]. Noch bei Lebzeiten des alten ASKANIERS führte dessen
Sohn Bernhard als erster Vertreter des Geschlechts 1170 den Titel „Graf
von Anhalt“ [7
Pommersches Urkundenbuch. 1. Bd.: 786-1253. 2. Aufl.,
neu bearb. von Klaus CONRAD (Veröffentlichungen der Historischen Kommission
für Pommern, Reihe 2). Köln/Wien 1970 (künftig: PUB 1),
Nr. 54. S. dazu L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie Endnote (künftig:
EN) 1), S. 180 mit EN 1536 auf S. 345.]. Er nannte sich bis zur Belehnung
mit Sachsen zuweilen so, meist jedoch „Graf von Aschersleben“. Neben diesem
Rang hinterließ Bernhard seinem ältesten Sohn auch die Bezeichnung
„Graf von Anhalt“, woraus Heinrich 1215 „Fürst von Anhalt“[8 CDA
2, Nr. 14 (princeps in Anahalt).] machte. Dabei sollte es unter dessen
Nachfolgern bleiben [9 Die Teilungen des Fürstentums Anhalt
bleiben hier unberücksichtigt. „Graf von Ascanien“ wurde nach dem
Verlust Ascherslebens an das Bistum Halberstadt (1315) nicht aufgegeben,
trat aber an die zweite Stelle der Titulatur. S. dazu u. a. Werner FREITAG:
Kleine Reichsfürsten im 15. Jahrhundert – das Beispiel Anhalt. In:
Sachsen und Anhalt (künftig: SuA) 23/2001, S. 141-160, und Michael
HECHT: Landesherrschaft im Spiegel der Heraldik: Das große Wappen
des Fürstentums Anhalt in der frühen Neuzeit. In: SuA 22/1999/2000,
S. 267-288.], bis sie 1806/07 die Herzogswürde annahmen.
Der früheste zeitgenössische (!) Bezug des
Titels auf einen Ort ist für Albrechts Vater Otto überliefert,
den eine Urkunde von 1106 „Graf von Ballenstedt“ nennt. [10 CDA
1, Dessau 1867 (ND Osnabrück 1986), Nr. 166 (comes Otto de Ballenstad).]
Er war Sohn des Grafen Adalbert. Dessen Vater Graf Esiko
ist der erste namentlich bekannte ASKANIER. Auch diese beiden im
11. Jahrhundert lebenden Angehörigen der Dynastie nennt die um 1150
entstandene Reichschronik des Annalista Saxo – eines wahrscheinlich im
Magdeburger Raum arbeitenden Geschichtsschreibers [11Klaus NAß:
Die Reichschronik des Annalista Saxo und die sächsische Geschichtsschreibung
im 12. Jahrhundert (MG, Schriften 41). Hannover 1996, S. 367, 375.] – nach
Ballenstedt [12 Annalista Saxo. Hg. von Georg WAITZ. In: MG SS 6.
Hannover 1844 (ND Stuttgart 1980). Über Graf Esiko S. 676 (zu
1026), 678 (zu 1030); zu Graf Adalbert S. 693 (zu 1062), 754 (zu
1117).]. Den darauf bezogenen Grafentitel führten ebenfalls Albrecht
der Bär [13 Schon bei seiner ersten Erwähnung – noch
zu Lebzeiten des Vaters – in einer Urkunde des Bischofs von Halberstadt
aus dem Jahre 1120 (CDA 1, Nr. 187). Letztmals wird Albrecht der Bär
am 1.1.1134 als Graf von Ballenstedt bezeichnet (Johann Friedrich BÖHMER:
Regesta Imperii. IV, 1. Abteilung: Die Regesten des Kaiserreiches unter
Lothar III. und Konrad III. 1. Teil: Lothar III. 1125 (1075)-1137, neubearb.
von Wolfgang PETKE. Köln/Weimar/Wien 1994 (künftig: R L III.),
Nr. 384).], bevor er 1134 endgültig in den Markgrafenrang aufstieg,
und zuletzt dessen Sohn Adalbert kurz vor des Vaters Tod im Jahre 1170
[14 S. EN 7.]. Daher ist für die ersten in den Quellen erscheinenden
ASKANIER
bzw. ANHALTINER auch die Bezeichnung „BALLENSTEDTER“ oder
„Grafen von Ballenstedt“ üblich.
Die älteste zeitgenössische Erwähnung
Esikos stammt höchstwahrscheinlich vom 26. Oktober 1036. Einer
an dem Tag auf der Pfalz Tilleda unterhalb des Kyffhäusers ausgefertigten
Urkunde Kaiser KONRADS II. ist zu entnehmen,
daß Esiko damals der für Kölbigk (bei Ilberstedt
westlich von Bernburg) zuständige Graf war [15 MG, Diplomata
regum et imperatorum Germaniae (Die Urkunden der Könige und Kaiser
Deutschlands) (künftig: MG DD). Bd. 4: Die Urkunden Konrads II. Hg.
von Harry BRESSLAU unter Mitwirkung von Hans WIBEL und A. HESSEL. Hannover/Leipzig
1909 (ND München 1980) (künftig: D K II.), Nr. 234. Dazu H. ASSING:
Die frühen Askanier (wie EN 1), S. 6 f.; L. PARTENHEIMER: Albrecht
der Bär (wie EN 1), EN 18 auf S. 202.].
Seine Eltern sind nicht überliefert, doch wissen
wir, daß die Mutter einen Bruder Siegfried hatte, dessen Vater Markgraf
Hodo gewesen ist [16 Der Annalista Saxo (MG SS 6, S. 678) berichtet
über jemand, der Herzog Mieszko II.
bei dessen Angriff auf ostsächsische Gebiete im Jahre 1030 unterstützte:
Iste
est Sigefridus, avunculus Esici comitis de Ballenstide, filius Odonis
incliti marchionis, qui sub tertio Ottone defunctus et in Nienburh sepultus
fuerat. Danach erscheint Siegfried nicht mehr in den Quellen. Mit avunculus
bezeichnete man damals in der Regel einen Bruder der Mutter. Die Nachricht
darf aber nicht so gedeutet werden, daß
Esiko im Jahre 1030
(oder 1026: MG SS 6, S. 676) zuerst erwähnt wurde, da der Chronist
um 1150 schrieb.]. Der stand der sächsischen Ostmark (Niederlausitz)
vor und gehörte zu den Hochadligen, die der deutsche König mit
dem wichtigsten weltlichen Amt in den ab 928/29 unterworfenen Slawengebieten
zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße [17
Zu diesen Kämpfen
jetzt Lutz PARTENHEIMER: Krieg, Verrat und Diplomatie bei der Entstehung
der Mark Brandenburg (928/29-1157). Ein Beitrag zur Vorbereitung des 850.
Geburtstages der Mark Brandenburg (11. Juni 2007). In: Olaf GRÜNDEL/Ralf
PRÖVE (Hg.): Mars an Havel und Spree. Militärgeschichte als Landesgeschichte
(Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 5). Münster/Hamburg/London
2003 (im Druck).] betraute. Das war die Funktion des Mark-, d. h. Grenzgrafen
[18 Hodo starb 993 und wurde im Kloster Nienburg (nördlich von Bernburg)
beigesetzt
(s. EN 16). Zu seiner Einordnung in die sog. Christian-Sippe s. H. ASSING:
Die Anfänge askanischer Herrschaft im Raum Köthen (wie EN 1),
S. 179-181.]. Also gelang es von den frühen ASKANIERN spätestens
Esikos Vater, eine Frau aus sehr vornehmer Familie zu heiraten.
Daher dürfen dessen Besitz und Stellung nicht zu gering veranschlagt
werden, auch wenn wir nicht wissen, ob er den für seinen Sohn belegten
Grafenrang ebenfalls schon bekleidete. Esikos Vorfahren hatten nach
den Untersuchungen Helmut Assings ihre Stammbesitzungen vermutlich im Raum
Köthen, im damaligen Gau Serimunt [19 Ebda., S. 186-188; Helmut
ASSING: Die askanischen Herrschaftsrechte auf dem Territorium des Herzogtums
Anhalt in der Zeit Albrechts des Bären (1120-1170). In: H. ASSING:
Brandenburg, Anhalt und Thüringen im Mittelalter (wie EN 1), S. 189-209
(zuerst: MVAL 3/1994, S. 11-31); Helmut ASSING: Die Anfänge askanischer
Herrschaft in den Gebieten östlich der Elbe. In: Friedrich BECK/Klaus
NEITMANN (Hg.): Brandenburgische Landesgeschichte und Archivwissenschaft.
Festschrift für Lieselott ENDERS zum 70. Geburtstag (Veröffentlichungen
des Brandenburgischen Landeshauptarchivs 34). Weimar 1997, S. 29 mit Anm.
71; H. ASSING: Die frühen Askanier (wie EN 1), S. 7 f.; L. PARTENHEIMER:
Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 15-20.]. Der wurde – wie Gertraud
Eva Schrage zeigte – offenbar im 10. Jahrhundert von Initiativen zum Landesausbau
erfaßt, die von den OTTONEN ausgingen
[20 Gertraud Eva SCHRAGE: Zur Siedlungspolitik der Ottonen. Untersuchungen
zur Integration der Gebiete östlich der Saale im 10. Jahrhundert.
In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 135/1999, besonders
S. 222, 226, 233-239, 245, 251, 255, 257, 260-268.]. Diese Beobachtungen,
verknüpft mit der Ehe zwischen Esikos Vater und der Tochter
Markgraf Hodos, deuten vielleicht auf eine Förderung der ersten
ASKANIER
durch das Herrscherhaus hin. Möglicherweise waren beide Familien sogar
miteinander verwandt. [21 Im 11. Jh. wird ein solches Verhältnis
vielleicht durch Esikos Gemahlin Mathilde vermittelt, deren
Vater, Herzog Hermann II. von Schwaben, 1002 – evtl. auf Grund seiner vermuteten
Abstammung von den LIUDOLFINGERN –
als Kandidat für die Nachfolge Kaiser OTTOS
III. auftrat (s. dazu die bei Alois SCHÜTZ: Die Grafen
von Dießen und Andechs, Herzöge von Meranien. In: Armin WOLF
(Hg.): Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten
(Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte (Veröffentlichungen
des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte Frankfurt
am Main) 152). Frankfurt am Main 2002, in den Anm. 40 und 47 f. auf den
S. 237 und 239 f. verzeichneten Arbeiten).]
Hodos Dynastie starb im Mannesstamm zwischen 1032 und
1034 aus, und ihre Güter sowie Rechte gelangten wohl wenigstens teilweise
[22 Im einzelnen ist das heute kaum noch feststellbar. Vgl. zu den
in der EN 19 genannten Arbeiten auch Otto VON HEINEMANN: Albrecht der Bär.
Eine quellenmäßige Darstellung seines Lebens. Darmstadt 1864
(ND Bernburg 2001, erschienen 2002), S. 5-13. ] – dann vermutlich auch
über Esikos Mutter [23 Das war sicher ein Weg, muß aber
nicht der einzige gewesen sein, auf dem Allodien, Lehen und Ämter
der sog. Christian-Sippe – zu der Hodo wahrscheinlich gehörte – an
das Haus BALLENSTEDT fielen. Hier ist auch an eine königliche
Privilegierung zu denken, zumal Esiko, der damals lebende ASKANIER,
zu dem Zeitpunkt Schwager der Kaiserin war, s. nächste EN. Von Esikos
Eltern kennen wir weder die Namen, noch Lebensdaten oder Grablege.]
– an die ASKANIER.
Esikos Frau Mathilde entsproß noch
höherem Adel. Sie war nach zum Jahre 1026 eingereihten Informationen
des um 1150 schreibenden Sächsischen Annalisten eine Schwester Giselas,
der Gemahlin Kaiser KONRADS II. [24
Annalista
Saxo (MG SS 6, S. 676): Rex natale Domini Leodii celebravit; et Heinricum,
filium suum ex Gisla, regem fecit.
Hec Gisla et soror eius
Machtildis
fratresque
eius Rodulfus et Bernhardus nati erant in Westfalia, de loco qui dicitur
Werla ... Machtildem desponsavit
comes Esicus de Ballenstide,
genuitque ex ea comitem Adalbertum
seniorem, patrem comitis
Ottonis.] Die Mutter der beiden Damen,
Gerberga,
gehörte dem WELFEN-Hause an. Ihr
Vater war
König Konrad I. von Burgund (937-993)
[25 Dessen Schwester Adelheid
heiratete
der ostfränkische König OTTO I. Über
Gerberga
haben die ASKANIER also spätestens seit Mathildes Sohn
Adalbert
welfisches
Blut in den Adern.], als Geschwister hatte sie u. a. König
Rudolf III. von Burgund (993-1032) und Gisela
[26
Sie entstammte der ersten Ehe KönigKonrads
I. von Burgund.] , die als Gemahlin Herzog
Heinrichs des Zänkers von Bayern die Mutter Kaiser
HEINRICHS II. wurde. Gerberga
heiratete nach dem Tod ihres ersten Mannes, des westfälischen Grafen
Hermann von Werl (+ ca. 985/86), den späteren Herzog Hermann II. von
Schwaben (997-1003). Während der Annalista Saxo Esikos Frau
Mathilde
und Kaiserin Gisela väterlicherseits
dem Grafenhause WERL zuordnete, sahen manche Forscher sie als Halbschwestern
an, indem sie vermuteten, daß diese der zweiten, jene der ersten
Ehe Gerbergas entstammte [27 Z.
B. CDA 1, S. 91.]. Inzwischen wurde wahrscheinlich gemacht, daß beide
Töchter Herzog Hermanns II. von Schwaben gewesen sind. [28 Dazu
und zum Folgenden Paul LEIDINGER: Untersuchungen zur Geschichte der Grafen
von Werl. Ein Beitrag zur Geschichte des Hochmittelalters (Studien und
Quellen zur westfälischen Geschichte 5). Paderborn 1965, S. 51-67;
Eduard HLAWITSCHKA: Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte
des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands. Zugleich
klärende Forschungen um „Kuno von Öhningen“ (Vorträge und
Forschungen (künftig: VuF), Sonderbd. 35). Sigmaringen 1987, S. 52
mit Anm. 159, 138 mit Anm. 108, 152 mit Anm. 183; Winfrid GLOCKER: Die
Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik
und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses (Dissertationen zur
mittelalterlichen Geschichte 5). Köln/Wien 1989, S. 322; Mechthild
BLACK-VELDTRUP: Kaiserin Agnes (1043-1077). Quellenkritische Studien (Münstersche
Historische Forschungen 7). Köln/Weimar/Wien 1995, S. 151 f.; Franz-Reiner
ERKENS: Konrad II. (um 990-1039). Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers.
Regensburg 1998, S. 26 f., 36; Bernd SCHNEIDMÜLLER: Die Welfen. Herrschaft
und Erinnerung (819-1252) (Urban-Taschenbücher 465). Stuttgart/Berlin/Köln
2000, S. 90; L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 21 f.]
Für die wohl um 988 geborene Mathilde war
Graf
Esiko bereits der dritte Gemahl. Zuerst hatte sie etwa 1002 Herzog
Konrad I. von Kärnten (1004-1011), nach dessen Tod Herzog Friedrich
II. von Ober-Lothringen (+ um 1026/27) die Hand gereicht. Der stand zu
König
KONRAD II. auf Distanz.
Mathilde hatte damals durch Übersendung
eines Gebetbuches [29
U. a. abgebildet bei Helmut MAURER: Der Herzog
von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer,
salischer und staufischer Zeit. Sigmaringen 1978, S. 331. S. auch Brygida
KÜRBIS: Die Epistola Mathildis Suevae an Mieszko II. in neuer Sicht.
In: Frühmittelalterliche Studien 23/1989, S. 318-343.] Kontakte zu
Mieszko
II., dem mit dem Reich verfeindeten Polen-König, angeknüpft.
Dessen Bundesgenosse war 1030 Esikos Onkel Siegfried, und daher
suchte Mathilde bei der Wahl ihres dritten Mannes möglicherweise
wieder Verbindung zu dem SALIER übelgesonnenen
Kreisen, wenn Esikos Haltung gegenüber dem Herrscher auch unbekannt
ist. Sollte das stimmen, hätte die Ehe zumindest zeitweise den Aufstieg
der ASKANIER eher gefährden als fördern können.
Mathilde starb 1031/32, nachdem sie dem
dritten Gemahl mit ungefähr 40 Jahren die Kinder Adalbert und
Adelheid
geboren
hatte. Was sie Esiko bzw. dem Sohn an Gütern und Rechten zubrachte,
ist offen. Da ein etwaiges Zerwürfnis zwischen
Mathilde und
ihrem kaiserlichen Schwager wohl nur vorübergehend gewesen sein kann
[30 L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S.
21 f.], profitierten die ASKANIER letztlich vielleicht doch von
der erheirateten Nähe zu den SALIERN
[31 1043 bezeichnet König HEINRICH
III. den Grafen Esiko als nostre consanguinitati coniunctus
(MG
DD, Bd. 5: Die Urkunden Heinrichs III. Hg. von Harry BRESSLAU/Paul KEHR.
Berlin 1926-1931 (ND München 1993) (künftig: D H III.), Nr. 106;
CDA 1, Nr. 115 (D H III., Nr. 398 (Vorbemerkung); CDA 1, Nr. 129, ist eine
Fälschung des 12. Jh.)), also als „Unserer (Bluts-) Verwandtschaft
verbunden (oder auch: vermählt)“, was der ASKANIER als Mann
der Schwester der Mutter des Herrschers ja auch war.], wenn hierfür
auch keine Einzelheiten überliefert sind.
Von weiteren Gemahlinnen, die Esiko vor oder nach
der Ehe mit Mathilde hatte, ist nichts bekannt. Er brachte möglicherweise
mit Hilfe einer Propsteigründung den Ballenstedter Burgberg an sich
[32 H. ASSING: Die frühen Askanier (wie EN 1), S. 8 f. Grafenrechte
im Raum Aschersleben sind für Esico nur in der weiteren Umgebung
des Ortes belegt (L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S.
17).] und wurde wahrscheinlich 1059 letztmalig erwähnt [33
CDA 1, Nr. 136. Vielleicht ließ sich Esiko in der wohl von
ihm gegründeten Propstei zu Ballenstedt beisetzen. Zu beachten ist
aber, daß der Ort vermutlich erst unter seinem Sohn Adalbert
fester Sitz der ASKANIER wurde, nachdem der die Grafenrechte für
diesen Raum erworben hatte. S. vorige EN und EN 76. Esikos Gemahlin
Mathilde
wurde
im Wormser Dom bei ihrem 1011 verstorbenen ersten Mann Herzog Konrad I.
von Kärnten bestattet, wie dessen Neffe Kaiser
KONRAD II. 1034 beurkundete (D K II., Nr. 204).].
Auch seine Schwiegertochter entstammte einem vornehmen
Geschlecht. Esikos 1063 erstmals erwähntem Sohn Graf Adalbert
[34
CDA 1, Nr. 139-141.] reichte Adelheid von Orlamünde
die Hand. Sie war eine der drei Töchter Graf Ottos von Weimar – der
von 1062 bis zu seinem Tod 1067 das Amt des Markgrafen von Meißen
bekleidete – und gebar ihrem Gemahl die Söhne Siegfried und
Otto
[35 Der Annalista Saxo (MG SS 6, S. 693) berichtet über Markgraf
Otto: Habuit autem uxorem nomine Adhelam de Brabantia ... que peperit
ei tres filias, Odam, Cunigundam,
Adhelheidam
... Adhelheidis vero coniuncta fuit Adalberto comiti de Ballenstide
... Qui Adalbertus genuit ex ea Ottonem comitem et Sigefridum
palatinum comitem. Zu diesem Hans PEPER: Graf Siegfried von Ballenstedt,
Pfalzgraf bei Rhein, ein treuer Vasall Kaiser Heinrichs IV. In: Anhaltische
Geschichtsblätter 10/11/1934/35, S. 1-37. Der Ur-Ur-Urgroßvater
von Adelheids Mutter Adela von Löwen, Herzog Reginar Langhals
von Lothringen (+ 915) war ein Sohn Irmgards,
der Tochter Kaiser LOTHARS I., des
Enkels KARLS DES GROSSEN. Also gab
Adelheid
dessen
Blut (wie ihre Schwiegermutter Mathilde
welfisches)
an die ASKANIER weiter. Sie starb 1100 (Annalista Saxo, MG
SS 6, S. 733: Adhela sive
Adelheit palatina Romam pergens defuncta
est. Hec et soror eius
Cunigunda filie
erant Adhele marchionisse ex Ottone marchione). Adelheids
Beisetzungsort ist das Kloster Springiersbach zwischen Cochem und Bernkastel-Kues.
Von ihren beiden Schwestern heiratete Oda Markgraf Ekbert II. von Meißen,
der 1090 – angeblich bei der Selkemühle (unter der Burg Anhalt) –
erschlagen wurde. Die Verbindung blieb kinderlos. Kunigunde
war
zuerst mit Großfürst Izjaslaw von Kiew,
nach dessen Tod (1078) mit Kuno von Beichlingen, ermordet 1103 (Brüder:
Heinrich der Fette von Northeim (nördlich von Göttingen) und
Siegfried III. von Boyneburg (Burg südlich von Eschwege), und dann
mit Wiprecht von Groitzsch (südlich von Leipzig) vermählt. Der
Ehe mit dem Großfürsten entsproß eine Tochter, die ein
Graf Günther, wohl ein Käfernburger, heimführte. Kunigunde
die Jüngere, eine von vier Töchtern aus der Verbindung mit dem
Beichlinger, heiratete Wiprecht den Jüngeren von Groitzsch, ihre Schwester
Adela den Grafen Dietrich III. von Katlenburg, nach dessen Tod (1106) den
Grafen Helperich von Plötzkau. Aus der dritten Ehe
Kunigundes
der Älteren – mit Wiprecht dem Älteren – gingen keine
Kinder mehr hervor (Annalista Saxo, MG SS 6, S. 693, 737 f.; Hans PATZE/Walter
SCHLESINGER (Hg.): Geschichte Thüringens. 2. Bd., 1. Teil: Hohes und
spätes Mittelalter (Mitteldeutsche Forschungen (künftig: MDF)
48/2/1). Köln/Wien 1974, S. 180); dort, nach der S. 129, auch die
Abbildung eines Siegels der Adelheid von Orlamünde).]. Beide erscheinen
erstmals 1083 [36 L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN
1), EN 128 auf S. 212.]. Adalbert hat wahrscheinlich bereits als
Mitgift seiner Frau nicht näher bekannte weimar-orlamündische
Besitzungen empfangen.
Als Otto von Weimar ohne Söhne starb, erbte Adelheid
vermutlich einen Teil von dessen Gütern [37 Nach Hans PATZE/Walter
SCHLESINGER (Hg.): Geschichte Thüringens 2, 1 (wie EN 35), S. 179
f. (ohne Beleg), erhielt sie von den Beichlinger Besitzungen, die „offenbar“
dem Markgrafen Otto von Meißen gehörten, „durch eine Erbteilung
die Sachsenburg mit einem Teil von Frankenhausen“. Über den die obere
und die untere Sachsenburg tragenden Berg und das unter ihm liegende Kloster
Oldisleben (zu ihm s. EN 51) verfügten die ASKANIER später
jedenfalls. Ein Graf von Anhalt (nach Hans PEPER: Die Ascherslebische Linie
der Askanier: Heinrich II., Otto I., Otto II. (1233-1315). Ein Beitrag
zur Geschichte des Anhaltischen Fürstenhauses. 1. Teil: Heinrich II.
(1233-1266) (Diss. Jena). Ballenstedt a. H. 1912, S. 24-28: Heinrich II.)
baute 1247 im Thüringischen Erbfolgekrieg die Sachsenburg (Annales
Erphordenses fratrum praedicatorum. In: Monumenta Erphesfurtensia saec.
XII., XIII., XIV. Hg. von Oswald HOLDER-EGGER (MG SS rerum Germanicarum
in usum scholarum separatim editi (künftig: rer. Germ.) [42]). Hannover/Leipzig
1899, S. 101: ... comes etiam de Anhalt, sue partis non immemor, montem
qui claustro Oldesleiben imminet occupans potenter incastellavit, adiacentem
vastando viciniam). Armin TILLE: Die Anfänge der Stadt Weimar
und die Grafen von Weimar und Orlamünde (Neue Beiträge zur Geschichte
der Stadt Weimar 2, 3). Weimar 1939, S. 53, mutmaßte: „vielleicht
sind ihr (Adelheid v. Orlamünde – L. P.) die Burgen Mühlburg
und Gleichen zugefallen.“ S. EN 49.]. Doch ihr Gemahl erstrebte offenbar
– worauf wohl seine gleich zu schildernden Aktivitäten deuten – weitere
Stücke der thüringischen Hinterlassenschaft des Schwiegervaters.
Allerdings trachteten danach auch Adalberts Schwager, der mit Adelheids
Schwester
Oda vermählte neue Meißener Markgraf Ekbert II. [38 Sein
Vater, Ekbert I. von Braunschweig, hatte die Mark Meißen nach dem
Tode Ottos von Weimar erhalten, war aber schon 1068 gestorben.], und der
WETTINER Markgraf Dedi II. von der Ostmark, der Ottos Witwe Adela von Löwen
heiratete. Der WEIMARER hatte jedoch von seinem Bruder Poppo einen Neffen
Ulrich I. hinterlassen, der zwar seit spätestens 1058 Markgraf von
Krain und Istrien war [39 Poppo wurde mit der Markgrafschaft Krain
belehnt und heiratete eine Gräfin von Friaul.], aber außerdem
die Grafschaft Orlamünde beanspruchte. Wenigstens Teile davon wollte
zu allem Überfluß wohl auch noch der König an sich ziehen.
In dieser Situation rebellierten Dedi und dessen Stiefschwiegersohn Adalbert
1069 gegen HEINRICH IV. Während
der Kämpfe brachte der ASKANIER die Reichsabtei Nienburg in
seine Gewalt und suchte sich die in deren Umgebung gelegenen königlichen
Güter dienstbar zu machen. Allerdings gaben Adalbert und der
WETTINER auf, weil der Herrscher die von Dedi besetzten Burgen Scheidungen
(westlich von Freyburg an der Unstrut) und Beichlingen (nördlich von
Kölleda) einnehmen konnte, und gerieten vorübergehend in salische
Haft [40 S. dazu unter Angabe der Quellen und weiterer Literatur:
L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), EN 104 f. auf S. 209
f.; außerdem Lutz FENSKE: Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung
im östlichen Sachsen. Entstehung und Wirkung des sächsischen
Widerstandes gegen das salische Königtum während des Investiturstreites
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 47).
Göttingen 1977, S. 86-91.].
Nachdem der ASKANIER um 1080 durch Egino
den Jüngeren von der Konradsburg erschlagen und wohl in Ballenstedt
beigesetzt worden war, heiratete die Witwe den Pfalzgrafen Hermann vom
Rhein. Dieser starb 1085, worauf sich Adelheid mit dessen Nachfolger
Heinrich von Laach vermählte. Da der kinderlos blieb, adoptierte er
die Söhne seiner Frau aus deren erster Ehe, zumindest aber Siegfried.
Dem fiel daher nach Heinrichs Tod (1095) die rheinische Pfalzgrafschaft
zu. So stieg mit Siegfried zum ersten Male ein ASKANIER in
den Rang eines Reichsfürsten auf, und der Anteil seiner Mutter daran
darf wohl nicht zu gering veranschlagt werden.
Spätestens nach der Ermordung Markgraf Ekberts II.
von Meißen im Jahre 1090 konnte Ulrich II., der Sohn des 1070 gestorbenen
Ulrich I., die Grafschaft Weimar-Orlamünde übernehmen. Doch als
er 1112 ohne Nachkommen verschied [41 Er war zwar kurz mit Adelheid,
der Tochter Graf Ludwigs des Springers von Thüringen, verheiratet,
hatte sie aber verstoßen.], brach der Streit darum erneut aus. Vor
allem machte jetzt der ASKANIER Siegfried, Pfalzgraf vom Rhein,
Ansprüche geltend, die er wohl auf seine Mutter, die 1100 gestorbene
Adelheid
von Orlamünde, zurückführte. Siegfrieds Bruder
Otto
konnte darüber hinaus sogar noch auf eine weitere Spur verweisen,
die auf das Erbe des erloschenen thüringischen Grafenhauses deutete:
Ulrich I. hatte nach dem 1062 erfolgten Tod seines Onkels, Wilhelms IV.
von Weimar, dessen Verlobte Sophia
– eine Tochter König Belas I. von Ungarn(1061-1063)
– geheiratet. Nachdem ihr Gemahl 1070 entschlafen war, ehelichte sie Herzog
Magnus von Sachsen und gebar ihm u. a. Eilika, die Graf Otto
von Ballenstedt zum Altar führte.
Aber – wie gesagt – nicht dieser, sondern dessen Bruder
Siegfried
erhob 1112 Anspruch auf den Nachlaß des Weimarer Grafenhauses. So
wollte er wohl seine Stellung in Thüringen stärken, hatte er
doch vielleicht durch die Ehe mit Gertrud, der Tochter Graf Heinrichs
des Fetten von Northeim [42 Gestorben 1101, Sohn des als Gegner
König
HEINRICHS IV. bekannten Otto von Northeim (+ 1083). Die Vermählung
mit einer Frau aus diesem Geschlecht zeigt, daß auch Siegfried
versuchte, durch die Ehe Macht und Ansehen zu stärken. Seine Bewidmung
des Klosters Herrenbreitungen an der Werra nordwestlich von Schmalkalden
(1112: CDA 1, Nr. 181) könnte darauf hindeuten, daß er in dem
betreffenden Raum über Gertrud zu Northeimer Gütern gelangt
war.], bereits Besitzungen an der Werra erlangt. Im Konflikt mit HEINRICH
V., der die Güter Ulrichs II. für das Reich einziehen
wollte, wurde
Siegfried mit zwei Verbündeten [43 Es
handelte sich um Graf Ludwig den Springer von Thüringen und Graf Wiprecht
von Groitzsch.] am 21. Februar 1113 durch den kaiserlichen Feldhauptmann
Hoyer von Mansfeld an der Teufelsmauer bei Warnstedt (nördlich von
Thale) überrascht. Schwer verwundet entkam der Pfalzgraf, starb aber
bereits am 9. März. Seine damals noch unmündigen Söhne,
Siegfried
(II.) und
Wilhelm, hinderte der Kaiser vermutlich zunächst
daran, von ihrem Erbe Besitz zu ergreifen. Die Pfalzgrafschaft am Rhein
erhielt ein anderer.
Doch der Sieg der weiter gegen den SALIER
opponierenden sächsischen Fürsten am Welfesholz über Hoyer
von Mansfeld 1115 verbesserte auch die Chancen der Söhne Siegfrieds.
Dessen Bruder Otto versuchte anscheinend, den auch durch seine Mutter
Adelheid
erworbenen Anspruch der ASKANIER auf das Reichsfürstentum im
Westen aufrechtzuerhalten [44
So ist wohl die Fehde zu erklären,
die er offensichtlich gegen das Erzbistum Trier führte. Dessen Kleriker
informieren nämlich in einem in die Jahre um 1118 datierten Schriftstückrest
ihren Metropoliten über eine mit Graf Otto von Ballenstedt vereinbarte
Waffenruhe (CDA 1, Nr. 185).]. Spätestens 1119 dürfte Siegfried
(II.) zumindest Teile der vom Vater begehrten Güter in Thüringen
besessen haben [45
Damals bezeichnet ihn der Erzbischof von Mainz
als Vogt der Erfurter Marienkirche (CDA 1, Nr. 186). Die Verwaltung dieses
Amtes dürfte Besitzungen von nicht unerheblichem Ausmaß in der
Umgebung vorausgesetzt haben.]. Schließlich ging es sogar in den
im gleichen Jahr zu Metz geführten Verhandlungen zwischen Kaiser und
Papst u. a. um das Erbe Pfalzgraf Siegfrieds [46
Das erfahren
wir ohne weitere Einzelheiten aus den Bestimmungen des im Oktober 1121
in Würzburg geschlossenen Friedens zwischen dem Kaiser und seinen
Gegnern (CDA 1, Nr. 191; Annalista Saxo, MG SS 6, S. 757: Hoc est consilium,
in quod convenerunt principes de controversia inter domnum imperatorem
et regnum: ... De hereditate palatini comitis Sigefridi, sicuti
Metis (Metz 1119 – L. P.) inter ipsum (Papst Calixt II. – L.
P.) et domnum imperatorem definitum fuit, ita permaneat. Die Grablege
Pfalzgraf
Siegfrieds ist nicht bekannt, u. a. sind dafür Braunschweig (als
Erbe seiner Gemahlin Gertrud von Northeim) oder das Kloster Herrenbreitungen
an der Werra vermutet worden (H. PEPER: Graf Siegfried von Ballenstedt,
Pfalzgraf bei Rhein (wie EN 35), S. 26).Nach Peter LANGE: Zur Geschichte
der Grafschaft Weimar-Orlamünde. In: Thüringen im Mittelalter.
Die Schwarzburger (Beiträge zur
schwarzburgischen Kunst- und Kulturgeschichte 3). Rudolstadt
1995, S.188 f., wurde Siegfried im Kloster Springiersbach zwischen Cochem
und Bernkastel-Kues bestattet ].
Dessen gleichnamiger Sohn starb 1124/25. Wilhelm,
der Bruder Siegfrieds (II.), erscheint 1125 als Pfalzgraf [47
Im April des Jahres bezeichnet ihn der Kaiser als Wilhelmus palatinus,
Sigefridi
filius (CDA 1, Nr. 196). Den Tod Siegfrieds (II.) melden die
Annales S. Petri Erphesfurtenses antiqui. In: Monumenta Erphesfurtensia
(wie EN 37), S. 16, zum Jahre 1125: Sigefridus iunior palatinus comes
obiit;
cui Willehelmus frater eius successit.
Zur Vermutung, daß
Siegfried
(II.) evtl. schon 1124
starb, s. H. PEPER: Graf Siegfried von
Ballenstedt, Pfalzgraf bei Rhein (wie EN 35), S. 23, 28.] und ist auch
als Herr von Orlamünde nachweisbar [48 Das belegen zwei Quellen,
nämlich eine Urkunde Erzbischof Konrads von Mainz von 1194, in der
der WITTELSBACHER auf Wunsch Graf Siegfrieds
III. von Weimar-Orlamünde (1176-1206, Vater:
Albrechts des Bären
Sohn Hermann) u. a. ein (nicht erhaltenes) Diplom des Pfalzgrafen für
die Orlamünder Nikolaikirche bestätigt (Mainzer Urkundenbuch.
Bd. 2: Die Urkunden seit dem Tode Erzbischof Adalberts I. (1137) bis zum
Tode Erzbischof Konrads (1200), Teil 2: 1176-1200. Bearb. von Peter ACHT
(Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission Darmstadt). Darmstadt
1971, Nr. 588; CDA 5, Dessau 1881 (ND Osnabrück 1986), Nr. 271 a),
und die Bezeichnung als Willehelmus palatinus comes de Orlahemunde
durch den Abt von Hersfeld 1137 (Regesta diplomatica necnon epistolaria
historiae Thuringiae. Hg. von Otto DOBENECKER. 1. Bd. Jena 1896, Nr. 1343;
CDA 1, Nr. 247).]. Laut einer nur in die Jahre zwischen 1125 und 1137 zu
datierenden Schenkung an den Mainzer Erzbischof war Wilhelm außerdem
im Besitz der thüringischen Festen Gleichen und Mühlburg. Weil
Albrecht
der Bär dabei als Zeuge auftrat, galt er offenbar als Erbe des
kinderlosen Vetters [49 Regesten der Markgrafen von Brandenburg
aus askanischem Hause. Bearb. von Hermann KRABBO (Veröffentlichungen
des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg). 1. Lieferung, Leipzig
1910 (künftig: Krabbo), Nr. 56; Mainzer Urkundenbuch. Bd. 1: Die Urkunden
bis zum Tode Erzbischof Adalberts I. (1137). Bearb. von Manfred STIMMING
(Arbeiten der Historischen Kommission für den Volksstaat Hessen).
Darmstadt 1932, Nr. 616; CDA 1, Nr. 271 (hier zu 1140): ... castra Gliche
et Muleburch cum universo monte qui dicitur Reberc et Breidenride, quod
dedit palatinus Willehelmus et mater eius annuente marchioneAdelberto
...). Obwohl wir durch eine Urkunde Pfalzgraf Wilhelms von 1130
wissen, daß er eine Gemahlin Adelheid – deren Familie allerdings
nicht überliefert ist – hatte (CDA 1, Nr. 203), starb er
1140
ohne Erben (Annales Rodenses. Hg. von Georg Heinrich PERTZ. In: MG SS 16.
Hannover 1859 (ND Stuttgart 1994), S. 714: Wilemmus comes palatinus
obiit, cui nullus haeres successit). Er wurde im Kloster Springiersbach
zwischen Cochem und Bernkastel-Kues beigesetzt (H. PEPER: Graf Siegfried
von Ballenstedt, Pfalzgraf bei Rhein (wie EN 35), S. 35 f.; Meinrad SCHAAB:
Geschichte der Kurpfalz. Bd. 1: Mittelalter. 2. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln
1999, S. 31), sein Bruder Siegfried (II.) vermutlich in Herrenbreitungen
an der Werra (H. PEPER: Graf Siegfried von Ballenstedt, Pfalzgraf bei Rhein
(wie EN 35), S. 28).]. Trotzdem erlangte der Markgraf nach Wilhelms
Tod
(1140) vermutlich erst mit mehrjähriger Verzögerung die Herrschaft
Weimar-Orlamünde [50 L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär
(wie EN 1), S. 81 f., 93.]. Als deren Graf bezeichnet
Albrecht den Bären
zwar keine Quelle, er war aber Inhaber von Rechten in Thüringen [51
Spätestens
1148 dürfte Albrecht der Bär Vogt des wohl von Kunigunde
von Beichlingen, der Schwester seiner Großmutter Adelheid
von Orlamünde (s. EN 35), – evtl. unter deren Mitwirkung – um
1088/89 gegründeten Klosters Oldisleben (südlich des Kyffhäusers)
gewesen sein. Denn damals wandte sich ein Hildesheimer Geistlicher an Wibald
von Stablo und Corvey, damit der beim Markgrafen erreiche, daß Heinrich
von Boyneburg den vakanten Oldislebener Abtsposten erhalte (Krabbo, Nr.
162). S. dazu auch L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), EN
515 auf S. 245 f., S. 103 mit EN 873 auf S. 281, 108 f., 175 f.] und Lehnsherr
dort ansässiger Vasallen und Ministerialen [52 L. PARTENHEIMER:
Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 130, 139 f., 181.]. Und gewiß
durch ihn hat sein zweiter Sohn Orlamünde erhalten, in dessen Besitz
Hermann allerdings erst 1165 sicher nachweisbar ist [53 Eine auf
1155 datierte Urkunde BARBAROSSAS,
unter deren Zeugen marchio Albertus senior und comes Hermannus de
Orlagmunde erscheinen, bezieht sich vermutlich auf eine 1156 erfolgte Handlung
und ist wohl sogar erst 1165 ausgefertigt (MG DD, Bd. 10, 1: Die Urkunden
Friedrichs I. 1152-1158. Hg. von Heinrich APPELT unter Mitwirkung von Rainer
Maria HERKENRATH/Walter KOCH/Josef RIEDMANN/Winfried STELZER/Kurt ZEILLINGER.
Hannover 1975 (künftig: D F I.), Nr. 153 (einschließlich Vorbemerkung).].
Das alles kann wohl nur so erklärt werden, daß Albrecht der
Bär die Grafschaft Weimar-Orlamünde schließlich doch
– und zwar wahrscheinlich zwischen 1143 und 1148 [54 S. EN 50 f.]
– empfing. Daß sein Onkel Siegfried Pfalzgraf bei Rhein (also
Reichsfürst) wurde und außerdem in Thüringen Fuß
fassen konnte, verdanken die ASKANIER also wesentlich Adelheid
von Orlamünde, der Gemahlin Graf Adalberts, des zweiten
namentlich belegten BALLENSTEDTERS.
Wenden wir uns nun Adalberts anderem Sohn, Siegfrieds
bereits mehrfach genanntem Bruder Otto, zu. Seine Gemahlin Eilika
war
bekanntlich eine Tochter von Magnus, dem letzten Herzog von Sachsen aus
dem Hause der BILLUNGER, und dessen Frau Sophia,
der Tochter König Belas I. von Ungarn(1061-1063)
und
Witwe Graf Ulrichs I. von Weimar (+ 1070). Beinahe hätte ein anderer
Eilika
zum Altar geführt, nämlich Markgraf Udo III. von der Nordmark.
Der gehörte dem Hause der Grafen von Stade an, wollte die BILLUNGERIN
heiraten, lernte dann aber beim Grafen Helperich von Plötzkau dessen
Schwester Irmgard kennen und entschied sich für diese [55 Annales
Stadenses auctore Alberto. Hg. von Johann Martin LAPPENBERG. In: MG SS
16. Hannover 1859 (ND Stuttgart 1994), S. 326: Marchio Udo (1087-1106
– L. P.) proponens ducere Eilikam, filiam Magni ducis, declinavit
in domum Helprici comitis de Ploceke, et videns valde pulchram sororem
suam, Ermengardam, duxit eam.].
Wenn die betreffende Information der allerdings erst
im 13. Jahrhundert entstandenen Stader Annalen stimmt und Udo tatsächlich
zunächst Eilika erwählt hatte, dann können wir aus
den dazu meist nur selten Auskunft gebenden Quellen hier vielleicht individuelle
Züge der Gemahlin Graf Ottos des Reichen von Ballenstedt und
Mutter Albrechts des Bären erschließen: Die Ehe mit ihr
– einer der beiden Erbtöchter des letzten Herzogs von Sachsen aus
der Dynastie der BILLUNGER [56 Wulfhild wurde wohl spätestens
um 1075, Eilika anscheinend um 1080 geboren. S. dazu Ruth BORK:
Die Billunger. Mit Beiträgen zur Geschichte des deutsch-wendischen
Grenzraumes im 10. und 11. Jahrhundert. Diss. Greifswald 1951, S. 189 f.;
Gerd ALTHOFF: Die Billunger in der Salierzeit. In: Stefan WEINFURTER unter
Mitarbeit von Helmuth KLUGER (Hg.): Die Salier und das Reich. Bd. 1: Salier,
Adel und Reichsverfassung. 2. Aufl., Sigmaringen 1992, S. 309-329. Daß
Eilika
Wulfhilds jüngere Schwester war, sagt die in der ersten Redaktion
wohl um 1278 verfaßte Markgrafenchronik (Chronica Marchionum Brandenburgensium.
Hg. von Georg SELLO. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen
Geschichte 1/1888, S. 117): Eylicham, secundam filiam ducis Magoni,
duxit Otto comes Ascharie vel de Ballenstede, et genuit ex ea Albertum
Ursum ...] – versprach sicher einen wesentlich größeren
Zuwachs an Besitz und Ansehen als eine Verbindung mit der Plötzkauer
Grafentochter. Da sich Markgraf Udo dennoch für Irmgard entschied,
dürfte sie Eilika an Liebreiz bei weitem übertroffen haben.
Die BILLUNGERIN heiratete schließlich
Graf Otto von Ballenstedt
[57
Annalista
Saxo (MG SS 6, S. 744 (zu 1106)): Magnus quoque dux Saxonie obiit, qui
duxerat uxorem
Sophiam, viduam Odelrici
de Wimmar, sororem Ladislai regis Ungarorum,
genuitque illi duas filias Wifhildem et Eilicam.
Eilica nupsit
Ottoni
comiti de Ballenstide, genuitque ex ea Adelbertum marchionem
et filiam Adhelheidem, que nupsit Heinrico marchioni de Stathen.
Wifhildis nupsit Heinrico duci, filio Welfi ducis senioris de Bawaria,
genuitque Heinricum inclitum ducem Saxonie et Bawarie et Welfonem et quatuor
filias.
Helmoldi presbyteri Bozoviensis cronica Slavorum. Hg.
von Bernhard SCHMEIDLER (MG SS rer. Germ. [32]). 3. Aufl., Hannover 1937,
I, 35: Mortuus est post haec dux Saxoniae Magnus, et dedit cesar ducatum
Ludero comiti, eo quod Magnus non haberet filium, sed filias. Quarum una,
Eilike
nomine,
nupsit Ottoni comiti genuitque ei Adalbertum marchionem cognomento
Ursum. Altera vero filiarum Vulfildis nomine data est duci Bawariae Catulo,
quae peperit ei Heinricum Leonem. Im letzten Satz sind der
welfische
Herzog Heinrich der Schwarze von Bayern (1120-1126) und dessen Sohn Heinrich
der Stolze (1126-1139) gemeint. Die Eheschließung zwischen Otto
und Eilika erfolgte wohl zwischen um 1095 und 1100; für die
erste der beiden Jahreszahlen O. V. HEINEMANN: Albrecht der Bär (wie
EN 22), S. 319, Anm. 6.].
Sie brachte den ASKANIERN einen Teil des Erbes
des sächsischen Herzogs, den Anspruch auf dessen Stellung und durch
die Ehe ihrer Schwester die Rivalität mit den WELFEN
ein. Die über Eilika an das Haus ANHALT gelangten billungischen
Güter sind nur schwer zu ermitteln. Die Gräfin von Ballenstedt
ist nach dem Tod des Gemahls (1123) im Besitz von Werben [58 Vermutlich
Burgwerben (nördlich von Weißenfels), denn dort ließ Eilika
nach
der Gosecker Chronik eine Burg bauen; die Annalen des Klosters Pegau (südsüdwestlich
von Leipzig) nennen sie Herrin von Werben (Krabbo, Nr. 17 b). 1139 wird
sie auch vom König als Eilika von Werben bezeichnet und verfügt
über Besitz im benachbarten Kriechau (MG DD, Bd. 9: Die Urkunden Konrads
III. und seines Sohnes Heinrich. Hg. von Friedrich HAUSMANN. Wien/Köln/Graz
1969 (ND München 1987) (künftig: D K III.), Nr. 28; Krabbo, Nr.
72; CDA 1, Nr. 263. – Zur mitunter angefochtenen Echtheit dieser Urkunde
s. Lutz PARTENHEIMER: Albrecht der Bär, Konrad III. und die Partei
Heinrichs des Stolzen im Kampf um das Herzogtum Sachsen (1138-1142). In:
MVAL 4/1995, EN 109 auf S. 108). – Auch das Dorf Obschütz (bei Weißenfels,
vielleicht auch Oetzsch bei Lützen) scheint dazugehört zu haben,
denn es ist wohl jenes Ouziz, das Albrechts des Bären Tochter
Hedwig, Witwe Markgraf Ottos des Reichen von Meißen, am 5. 1. 1197
(als ihr Sohn Dietrich der Bedrängte zum Kreuzzug aufbrach) im Landgericht
Schkölen (südlich von Naumburg) dem Kloster Altzella schenkt,
wobei sie es als väterliches Erbe bezeichnet (CDA 1, Nr. 712 f.).
Die Vogtei des Klosters Goseck (westlich von Weißenfels) hatte Eilika
ebenfalls
inne, allerdings den thüringischen LUDOWINGERN abgerungen (Krabbo,
Nr. 17 c; 24 a, c; 33 a). Wohl 1132 oder 1133 ertauschte Eilika
vom Herrscher Güter, die in der Nähe von Goseck lagen (R L III.,
Nr. 365 in Verbindung mit Nr. 304). Dietrich CLAUDE: Geschichte des Erzbistums
Magdeburg bis in das 12. Jahrhundert. Teil 2 (MDF 67, 2). Köln/Wien
1975, S. 8 f., rechnete allerdings damit, daß Albrecht der Bär
Burgwerben in den Jahren 1123/24 dem Erzbistum Magdeburg im Kampf mit dessen
Vogt Wiprecht von Groitzsch entrissen hatte.] und Bernburg [59 Zu
1138 ist die Bernburg als Eilikas Sitz überliefert: Annalista
Saxo (MG SS 6), S. 776: Castrum quod Berneburh dicitur, igne crematum
est propter tirannidem, quam inde marchionissa Eilica exercebat.
Annales
Magdeburgenses. Hg. von Georg Heinrich PERTZ. In: MG SS 16. Hannover 1859
(ND Stuttgart 1994), S. 186: Eodem tempore castrum quod Berneburch dicitur
igne crematum est propter tyrannidem, quam exercebat inde Eilica cometissa
cum suis (Krabbo, Nr. 67 a). Allerdings könnte Bernburg – mit
Blick auf die umliegenden askanischen Besitzungen – auch Eilikas
Witwengut gewesen, ihr also von ihrem Gemahl übertragen worden sein.]
nachzuweisen. Beide Orte könnten aus dem Nachlaß ihres Vaters
stammen. Vielleicht kamen durch Eilika auch ehemals billungische
Güter in der seit dem 14. Jahrhundert so genannten Altmark an die
ASKANIER
[60 1519 schrieb Heinrich Basse (Mönch des Klosters Ballenstedt)
in seinem „Panegiricus Genealogiarum Illustrium Principum Dominorum in
Anhalt“. In: Johann Christoph BECKMANN: Accessiones Historiae Anhaltinae
... Zerbst 1716, S. 10: ... Otho vero accepit cum Uxore sua in
dotem Soldveddel cum sex Civitatibus que nunc Vetus appellatur Marchia
... Johannes SCHULTZE: Die Mark Brandenburg. 1. Bd.: Entstehung und Entwicklung
unter den askanischen Markgrafen (bis 1319). Berlin 1961 (ND Berlin 1989),
S. 61, vermutet, daß Otto das wohl zunächst als Allod
oder Lehen den Markgrafen der Nordmark aus dem Hause STADE gehörende
Salzwedel als Entschädigung für den Verzicht auf das Herzogtum
Sachsen im Jahre 1112 (dazu gleich weiter unten) erhalten haben könnte.
Helmut ASSING: Albrecht der Bär. Markgraf von Brandenburg (1150/57-1170).
In: Eberhard HOLTZ/Wolfgang HUSCHNER (Hg.): Deutsche Fürsten des Mittelalters.
Fünfundzwanzig Lebensbilder. Leipzig 1995, S. 222, meint: „Er (Graf
Otto v. Ballenstedt – L. P.) ... konnte dank dieser Ehe anscheinend seinen
Herrschaftsbereich beträchtlich nach Norden in den Raum Stendal-Salzwedel
erweitern.“ – Als Albrecht der Bär 1160 die Kirche zu Werben
in der Wische dem Johanniter-Orden schenkt, erklärt er, daß
das Gotteshaus zu seinem Erbe gehöre (Urkunden und erzählende
Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter. Hg. von Herbert HELBIG/Lorenz
WEINRICH. Erster Teil: Mittel- und Norddeutschland, Ostseeküste (Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe
26 a). 3. Aufl., Darmstadt 1984, Nr. 16; CDA 1, Nr. 456; bei Krabbo, Nr.
306, fehlt die Passage: de hereditate mea). Demnach kommen als Vorbesitzer
nur die Eltern des Markgrafen in Frage. Sollte Otto der Reiche Werben
besessen haben, dann dürfte es ihm wohl durch die Gemahlin zugefallen
sein, da Ottos Vater kaum schon in der Altmark Fuß gefaßt
haben wird. Oder Werben ging direkt von Eilika auf ihren Sohn über.
Natürlich könnte Otto auch auf andere Weise Grund und
Boden in der Altmark erlangt haben, z. B. durch Kauf – wie für seinen
Nachfolger bezeugt (Krabbo, Nr. 301). Aber es ist wohl zumindest wahrscheinlicher,
daß Albrecht der Bär von den Eltern übernommene
altmärkische Güter gegen Bezahlung erweiterte, als daß
Otto
auf diese Weise dort erst den Grundstein für askanischen Besitz
legte. – Daß Albrechts Erbe im Falle Werbens wohl eher von
der Mutter stammen dürfte, scheint auch das Eigentum Heinrichs des
Löwen in der Wische zu belegen, auf das dessen Sohn König
OTTO IV. 1208 zugunsten des Erzstifts Magdeburg verzichtete:
Conferemus
ecclesie Magdeburgensi ... omnem proprietatem, quam pater noster habuit
in Marchia Brandenburch et in terra, que wisch vocatur (Codex diplomaticus
Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften
für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten. Hg. von
Adolph Friedrich RIEDEL, Hauptteile A (25 Bde.), B (6), C (3), D (1 Bd.),
SB (Ergänzungsbd.), 5 Registerbde. Berlin 1838-1869, A 17, S. 436
f.). Vor 1150 ist zudem Besitz des WELFEN
in Wittenmoor (südwestlich von Stendal) bezeugt (D K III., Nr. 241).
Auch hier dürfte Eigentum zugrunde gelegen haben, das der Vater Heinrichs
des Löwen, Heinrich der Stolze, von seiner Mutter, der BILLUNGERIN
Wulfhild, übernommen hatte (so auch Johannes SCHULTZE: Nordmark und
Altmark. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands
6/1957, S. 95 f.). – Es bleibt die Frage, ob Eilika ihren Anteil
an der BILLUNGER Erbschaft nach dem Tod Herzog Magnus’ (1106) ihrem
Gemahl Otto übergab oder ob ihn erst beider Sohn Albrecht
nach
Ottos
Ableben (1123) oder sogar erst nach Eilikas Tod (1142) erlangte.
– S. auch L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), EN 237 auf
S. 225, EN 336 auf S. 234.] Möglicherweise verfügte die
Mutter Albrechts des Bären außerdem im Raum Halle über
Allod oder Lehen bzw. Rechte [61 1130 war
Eilika bei Halle
in Kampfhandlungen verwickelt (Krabbo, Nr. 17 b). Ob hier billungische
Ansprüche bestanden, ist aber offen, s. O. V. HEINEMANN: Albrecht
der Bär (wie EN 22), Anm. 129 auf S. 333.].
Johannes Schultze vermutete, daß sie vielleicht
Erbansprüche auf die Hildagesburg (nördlich von Magdeburg, zwischen
Elbeu und Barleben) besaß [62 J. SCHULTZE: Nordmark (wie EN
60), S. 85.], die aber wohl eher eine alte Reichsfeste war, die dem
Markgrafen der Nordmark unterstand [63 So Hans K. SCHULZE: Adelsherrschaft
und Landesherrschaft. Studien zur Verfassungs- und Besitzgeschichte der
Altmark, des ostsächsischen Raumes und des hannoverschen Wendlandes
im hohen Mittelalter (MDF 29). Köln/Graz 1963, S. 185-207. Ihm folgt
Wolfgang PODEHL: Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg. Untersuchungen
zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung
von Altmark, Neumark und Havelland (MDF 76). Köln/Wien 1975, S. 17-29.
Beide versuchen wahrscheinlich zu machen, daß neben der Hildagesburg
auch Arneburg, Tangermünde, Werben und Salzwedel als Reichsburgen
den Markgrafen der Nordmark unterstanden.]. Im Gebiet um Bremen hatte Eilika
dagegen offenbar Anteil an billungischen Rechten und Besitzungen
[64 Eine nachträglich gefälschte Urkunde Kaiser
LOTHARS III. von 1134 (R L III., Nr. 400) und ein Diplom König
KONRADS III. von 1145 (D K III., Nr. 133) informieren darüber,
daß Eilika mit ihrem Sohn auf eigentlich dem Kloster Corvey
zustehende Fischereirechte (bei Blumenthal nordwestlich von Bremen) verzichtete.
S. dazu auch L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 52 mit
EN 344 auf S. 234 f. Darüber hinaus belegt eine von 1142 stammende
Urkunde des Erzbischofs von Bremen, daß Albrecht der Bär
im westlich der Weserstadt gelegenen Sumpfgebiet Besitz hatte, der wahrscheinlich
aus den billungischen Gütern in diesem Raum stammte (Quellen
zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter (wie EN 60), Nr. 24; CDA 1, Nr.
292; Krabbo, Nr. 107). S. dazu auch L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär
(wie EN 1), S. 91 mit EN 750-752 auf S. 266.]. Daß ihr auch bei Querfurt
Güter gehörten, sollte man nicht daraus schließen, daß
sie 1139 Grund und Boden im benachbarten Gatterstedt vom Bremer Erzbischof
ertauschte [65 D K III., Nr. 28.], denn sie schenkte die Liegenschaft
dem thüringischen Kloster Paulinzella (östlich von Ilmenau) [66
CDA
1, Nr. 408.].
Die genaue Lage des Dorfes Diwiche an der Saale, von
dem Eilika der Abtei Huysburg (nördlich von Halberstadt) zwei
Hufen übertrug [67 CDA 1, Nr. 445.], ist unbekannt. Der Besitz
Graf Dietrichs von Werben, eines Sohnes Albrechts des Bären,
beim Kloster Obernkirchen (östlich von Minden) und im benachbarten
Vehlen [68 CDA 1, Nr. 524.] sowie bei Apelern (zwischen Bückeburg
und Hannover) [69 Ein Viertel des Kirchenlehens zu Apelern, das
zum Erbteil seines Sohnes Dietrich gehörte, schenkte Albrecht der
Bär 1162 dem Nonnenkloster Lamspringe (nördlich von Bad Gandersheim,
nordöstlich der Winzenburg), in dem des Markgrafen Tochter Adelheid
bestattet worden war (CDA 1, Nr. 463).] könnte ebenfalls von seiner
Großmutter Eilika stammen. Deren Mitwirkung an der Resignation
von vier Hufen in Löpitz (östlich von Merseburg) durch Markgraf
Albrecht an KONRAD III.
zum
Zwecke der Übergabe an den Konvent in Pforta bei Naumburg weist vielleicht
auf ehemals billungischen Besitz im Merseburger Raum hin.[70
D
F I., Nr. 178.]
Doch nicht nur Teile der Hinterlassenschaft Herzog Magnus’
von Sachsen kamen über dessen Tochter Eilika an Graf Otto
von Ballenstedt und ihren Sohn, auch der Aufstieg der ASKANIER
in die Hochadelshierarchie dürfte durch die Ehe nicht unerheblich
gefördert worden sein. Das zeigte sich schon 1112. Nach Zerwürfnissen
zwischen dem 1106 von HEINRICH V. zum
neuen sächsischen Herzog berufenen Grafen
Lothar von Süpplingenburg und dem Kaiser ersetzte dieser
jenen durch Otto, einen der beiden Schwiegersöhne des letzten
BILLUNGERS.
Allerdings einigten sich der SAALIER
und der von ihm Gestürzte wenige Wochen später wieder, und der
BALLENSTEDTER
verlor noch 1112 den neuen Herzogshut. Als im nächsten Jahr sein Bruder,
Pfalzgraf
Siegfried bei Rhein, infolge der bei Warnstedt empfangenen Wunden starb,
waren die ASKANIER den reichsfürstlichen Rang ganz los.
Daß sie ihn spätestens 1125 mit Siegfrieds
Sohn Wilhelm im Amt des Vaters wiederhatten [71Von spätestens
1125 an sollten sich Mitglieder des Hauses ANHALT bis 1918 im Besitz
reichsfürstlicher Würden behaupten. Zwar starb Wilhelm 1140
ohne
Kinder, doch sein Vetter Albrecht der Bär und einzelne Linien
von dessen Nachkommen trugen seit 1134 ununterbrochen markgräfliche
(bis 1320), herzogliche (1180-1689, ab 1806), fürstliche (1215-1807)
oder kurfürstliche (1198/1356-1422) Titel.], geht kaum auf die Verbindung
mit der BILLUNGERIN Eilika zurück, eher schon die Durchsetzung
ihres Sohnes Albrecht als Markgraf der Lausitz. Gegen den Willen
des Kaisers wurde der neue Graf von Ballenstedt dabei von 1123 bis 1125
von Herzog Lothar von Sachsen unterstützt.
[72 Graf Otto der Reiche von Ballenstedt starb 1123. Zum
unmittelbar darauf einsetzenden ersten Aufstieg seines Sohnes Albrecht
des Bären in den Markgrafenrang L. PARTENHEIMER: Albrecht der
Bär (wie EN 1), S. 33-47.] Vielleicht spielte die Abkunft Eilikas
auch
eine gewisse Rolle, als Lothar, der
1125 deutscher König und 1133 Römischer Kaiser geworden war,
Albrecht
den Bären 1134 zum Markgrafen der Nordmark ernannte [73
Ebda.,
S. 47-52. Als Markgraf der Lausitz war Albrecht 1131 abgesetzt worden,
nachdem er den König provoziert hatte.]. Von größerem Gewicht
dürfte sie jedoch beim 1138 zunächst erfolgreichen Plan ihres
Sohnes gewesen sein, wie Vater und Großvater Herzog von Sachsen zu
werden. Als Albrecht nach der Erhebung durch
König
KONRAD III. auf die Opposition einiger sächsischer Fürsten
stieß, unterstützte ihn die Mutter sogar mit Gewalt [74 S.
EN 59 und L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 63-84.].
Sie starb am 16. Januar 1142 [75 Krabbo, Nr. 99 a.]
– während Albrechts Herzogszeit ablief – und wurde wahrscheinlich
an der Seite ihres 1123 entschlafenen Gemahls im askanischen Hauskloster
Ballenstedt beigesetzt [76
Heinrich Basse (wie EN 60) schreibt über
Graf
Otto von Ballenstedt und dessen Gemahlin (S. 11): ... sepultus cum
Patribus suis in Oratorio monasterii sui novi Anno Domini Millesimo Centesimo
Vicesimo tercio. Heylicha vero ejus Uxor ... sepulta ibidem juxta
maritum suum.].
Abschließend sei noch das wenige vorgestellt, was
wir von der Frau desjenigen wissen, der die reichsfürstliche Stellung
des Hauses ANHALT – als letzter Markgraf der Nordmark und erster
Markgraf von Brandenburg – endgültig errang. Die Herkunft der Gemahlin
Albrechts
des Bären steht im Gegensatz zu den Gattinnen seiner Vorfahren
nicht fest. Wir wissen, daß sie Sophia hieß und eine
Schwester Beatrix hatte. Diese wurde 1123 Äbtissin des Klosters Heerse
und leitete seit 1138 das Quedlinburger Stift [77 Annalista Saxo
(MG SS 6), S. 776: Pro Gerburga Quidelingeburgensi abbatissa substituta
est Beatrix, abbatissa cenobii quod dicitur Herse. Hierbei handelt
es sich um das Kanonissenstift Heerse (Neuenheerse) östlich von Paderborn,
wo Beatrix seit 1123 Äbtissin war (Westfälisches Klosterbuch.
Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung
bis zu ihrer Aufhebung (Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte
2 – Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen
44). Teil 2: Münster-Zwillbrock. Hg. von Karl HENGST. Münster
1994, S. 140, 146).]. Beide starben 1160 [78 Magdeburger
Annalen (MG SS 16), S. 191: Sophia marchionissa obiit. Annales
Palidenses auctore Theodoro monacho. Hg. von Georg Heinrich PERTZ. In:
MG SS 16. Hannover 1859 (ND Stuttgart 1994) (Pöhlder Annalen), S.
92: Anno Domini 1160. domna Sophia marchionissa obiit, quam pie
memorie soror eius Beatrix, abbatissa Quidilingeburgensis, octavo die moriendo
subsecuta est. Im Necrologium Herisiense. Hg. von Julius EVELT. In:
Zeitschrift (künftig: Zs.) für vaterländische Geschichte
und Alterthumskunde (Westfälische Zs.), 36, 2 /1878, steht unter dem
25.
März (S. 47) : O(biit – L. P.). Sophia marchionissa.].
Erwähnt ist Sophia allerdings erst 1155 [79 UBM, Nr.
282.]. Wahrscheinlich zu Unrecht nahm man denn auch an, daß Albrecht
der Bär zweimal verheiratet gewesen sei [80 Leopold VON
LEDEBUR: Die Grafen von Valkenstein am Harze und ihre Stammgenossen. Berlin
1847 (ND Naumburg 2000), S. 47-49, wollte Albrecht als erste Gemahlin
Mechthild,
eine Schwester der beiden letzten Plötzkauer Grafen Konrad und Bernhard,
zuweisen. Gerlinde SCHLENKER: Die Rolle der Askanier und Albrechts des
Bären. In: Die Altmark – eine Region in Geschichte und Gegenwart.
Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums am 11./12. 10. 1997 in Havelberg
(Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts 8). Halle
1998, S. 12, meint, daß der Markgraf zuerst mit Sophie von „Rineck“,
dann mit Sophie von Assel verheiratet gewesen sei. Sie bringt dafür
keinen Beleg und stützt sich offensichtlich auf recht alte Publikationen
(s. dazu O. V. HEINEMANN: Albrecht der Bär (wie EN 22), S. 411-413).
Wichtig zur Klärung dieser Frage ist die Feststellung, daß alle
bekannten Söhne des Markgrafen – also von Otto, dem Ältesten,
bis zu Bernhard, dem Jüngsten (das Altersverhältnis der Töchter
ist noch schwerer zu ermitteln) – durch drei Quellen als Kinder Albrechts
und
seiner Gemahlin Sophia ausgewiesen sind. Das geschieht erstens in
einer Urkunde des Ballenstedter Abtes Arnold von 1159 (sub testimonio
marchionis
Adalberti atque nobilissime coniugis eius Sophie necnon filiorum
ipsorum, scilicet Ottonis, Adalberti, Theoderici, Hermanni, Bernhardi ...
(Quellen
zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter (wie EN 60), Nr. 8; CDA 1, Nr.
454)); zweitens bezeichnet Otto I. von Brandenburg anläßlich
der Havelberger Domweihe vom 16. August 1170 seine Mutter Sophia
und Markgraf Albert als Eltern (Quellen zur deutschen Ostsiedlung
im Mittelalter (wie EN 60), Nr. 17; CDA 1, Nr. 513:
pro animabus parentum
nostrorum, hoc est marchionis Alberti et Sophie matris nostre);
und drittens berichtet die Markgrafenchronik (wie EN 56, S. 117 f.): Marchio
primus. Albertus Ursus ex uxore sua genuit Ottonem; Bernardum ducem
Saxonie; iste Bernardus 1180 coram
Frederico imperatore
dominica Judica
(6. April – L. P.) Geylenhusen ducatum Saxonie ex
sententia principum optinuit duci Henrico abiudicatum; Hermannum comitem
de Orlemunde; Albertum comitem de Anhalt; Syfridum episcopum Brandeburgensem,
postea archiepiscopum Bremensem, et Hadewigem, quam duxit Otto marchio
Misnensis ... – Zwar fehlen in der Aufzählung neben mehreren Töchtern
Albrechts
dessen Söhne Heinrich, der Magdeburger Domherr, und Dietrich, der
Graf von Werben, aber wieder ist wichtig, daß Sophia sowohl
als Mutter des Ältesten wie des Jüngsten erscheint. – S. auch
O. v. Heinemann: Albrecht der Bär (wie EN 22), Ende der Anm. 6 auf
S. 413, der darauf hinweist, daß des Markgrafen Kinder Sophia
urkundlich als Mutter, nicht als Stiefmutter bezeichnen. Auch gedenkt Albrecht
der Bär in seinen beiden darauf Bezug nehmenden Urkunden nur des
Seelenheils einer verstorbenen Gemahlin (CDA 1, Nr. 456 (1160): Athelbertus
divina favente clementia Brandeburgensis marchio. Noverit ... universitas,
quod ego Athelbertus Dei gracia Brandeburgensis marchio ob mee videlicet
et uxoris mee Sophie liberorumque meorum necnon et predecessorum
posterorumque meorum salutis recordacionem ...; CDA 1, Nr. 463 (1162):
... Ego Adelbertus Dei gratia Brandenburgensis marchio pro remedio
anime mee et patris mei et matris mee et uxoris mee, precipue filie mee
Adelheitis, que sepulta est in ecclesia que Lamesprinhe vocatur...).].
Sophia
dürfte ihm spätestens zwischen 1123 und 1125 die Hand gereicht
haben, da ihr ältester bekannter Sohn, Markgraf Otto I. von Brandenburg
(+ 1184), offenbar in dem Zeitraum zur Welt kam [81Helmut ASSING:
Albrecht der Bär als marchio de Brandenburg und marchio Brandenburgensis.
Werdegang und Hintergründe einer Titeländerung. In: DERS.: Brandenburg,
Anhalt und Thüringen im Mittelalter (wie EN 1), (zuerst: Jahrbuch
für brandenburgische Landesgeschichte 46/1995), S. 144-150, 167-170.].
Über ihre Besitzungen wissen wir kaum etwas [82 1157 bestätigt
Albrecht der Bär dem Kloster Leitzkau u. a. eine Hufe zu Wolmirsleben
(an der Bode, östlich von Egeln), die seine Gemahlin dem Konvent bei
dessen Weihe (1155) zur Beschaffung von Kerzen geschenkt hatte (...
unum mansum situm Wolmersleve, quem uxor mea Sophia largitione mera
et annuentibus filiis in dedicatione ecclesiae in monte beatae Mariae Leetzekeensi
ad luminaria comparanda contulit ... (CDA 1, Nr. 441)). Als der Markgraf
dem Kloster Unser Lieben Frauen zu Magdeburg – wohl vor dem 15.1.1149 –
einen benachbarten Hof und Besitzungen nördlich und östlich der
Domstadt an der Elbe schenkte, heißt es in der darüber ausgestellten
Urkunde, die in der überlieferten Form vermutlich der Zeit um 1160
angehört (CDA 1, Nr. 362, dazu Rainer Maria HERKENRATH: Wibald von
Stablo, Albrecht der Bär und die Mark Brandenburg. In: Mitteilungen
des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 98/1990,
S. 110-112; H. ASSING: Albrecht der Bär als marchio (wie vorige EN),
S. 161 f.), daß er die Übereignung zusammen mit seiner Gemahlin
vorgenommen habe. Ob Teile dieser Güter wirklich Sophia gehörten
und welche das in dem Fall waren, ist unbekannt. Außerdem bliebe
offen, inwiefern es sich bei Besitzungen der Markgräfin um deren Mitgift
oder um Wittum handelt, das sie von Albrecht erhalten hatte. Deshalb
ist es kaum möglich, aus der Lage von Gütern Sophias auf
ihre Abstammung zu schließen.]. 1158 begleitete sie den Gemahl auf
einer Wallfahrt nach Jerusalem [83 Daß der Markgraf das Heilige
Grab besuchen wollte, hatte er 1158 urkundlich erklärt (timore
et amore creatoris mei permotus, cum ad visendum sepulchrum eius votum
fecissem (CDA 1, Nr. 445)). Die Pöhlder Annalen (MG SS 16), S.
90, berichten denn auch zu dem Jahr: Adelbertus marchio cum Odelrico
Halberstadensi episcopo per Greciam Ierosolimam causa orationis proficiscitur.
Weitere Quellen mit dieser Meldung bei Krabbo, Nr. 289. Die Teilnahme Sophias
und „vieler anderer“ ist der im 13. Jh. entstandenen Chronik des Klosters
auf dem Petersberg bei Halle zu entnehmen (Chronicon Montis Sereni. Hg.
von Ernst EHRENFEUCHTER. In: MG SS 23. Hannover 1874 (ND Stuttgart 1986),
die zu 1158 berichtet (S. 151): Ulricus Halverstadensis episcopus et
Albertus
marchio cum uxore et aliis multis iter peregrinacionis ad partes transmarinas
assumpserunt.]. Sophia wurde vermutlich im Kloster Ballenstedt
beigesetzt, der 1170 verstorbene Albrecht der Bär neben
ihr. Dort fand der Bernburger Baurat Friedrich Maurer im Jahre 1880 in
der Nikolaikapelle des erhaltenen Westwerks die wahrscheinlichen Gräber
[84 L. PARTENHEIMER: Albrecht der Bär (wie EN 1), S.
183 f. Der durch den 1860 gehobenen Frecklebener Münzfund bekannte
Brakteat Albrechts des Bären, der den Markgrafen und eine offenbar
weibliche Person – anscheinend seine Gemahlin – nebeneinanderstehend zeigt
(Umschrift: ADELBERT(V)S MARCHIO), ist u. a. abgebildet bei H. THORMANN:
Die anhaltischen Münzen des Mittelalters (wie EN 6), Nr. 8 auf S.
19 und Tafel II; Matthias PUHLE (Hg.): Erzbischof Wichmann (1152-1192)
und Magdeburg im hohen Mittelalter. Stadt – Erzbistum – Reich. Magdeburger
Museen 1992, S. 266.].
Im Falle Sophias, deren Herkunft die Quellen nicht
nennen, schlug man dafür – wie schon angegeben – bereits mehrere Adelshäuser
vor. So ist z. B. auf Grund der späteren Grabinschrift ihrer Schwester
[85 Äbtissin Beatrix von Quedlinburg gründete das Kloster
Michaelstein bei Blankenburg im Harz, wo sie sich auch bestatten ließ.
Ihre dortige spätere Grabinschrift, die O. V. HEINEMANN: Albrecht
der Bär (wie EN 22), S. 412, älterer Literatur entnommen hat,
gab an: ... Orta de stemmate regali Friderici
...
Per XXIII annos abbatissa praefui. Incarnationis Domini MCLXI anno, ind.
VIII, Jd. Julii. – Jahr und Todestag sind nach der Indiktion und den
unter EN 78 genannten Quellen zu korrigieren. S. auch Marita KREMER: Die
Personal- und Amtsdaten der Aebtissinnen von Quedlinburg bis zum Jahre
1574. Diss. Leipzig 1924, S. 30.] die Abstammung der beiden Damen von den
HOHENSTAUFEN
vermutet worden [86 Otto V. HEINEMANN: Albrecht der Bär (wie
EN 22), S. 413, meint, daß – die Richtigkeit der in der vorigen EN
zitierten Grabinschrift vorausgesetzt – Sophia und Beatrix dann
Töchter Herzog Friedrichs I. von Schwaben und seiner Gemahlin Agnes
(deren Vater Kaiser HEINRICH IV. war),
also Schwestern Herzog Friedrichs II. und König
KONRADS III., gewesen sein müßten. Horst GAISER:
Orta de stemmate regali Friderici. Ist die Gemahlin Albrechts des Bären
doch eine Stauferin? Zur ottonisch-salischen Abstammung der Quedlinburger
Äbtissinnen. In: Zs. für Württembergische Landesgeschichte
40/1981, S. 221-229, hat diese Variante noch einmal ins Spiel gebracht.
Doch bezeichnet weder der erste staufische
Herrscher Albrecht als Schwager, noch nennt der zweite ihn Oheim.
Außerdem bemerkt Wolfgang PETKE: Kanzlei, Kapelle und königliche
Kurie unter Lothar III. (1125-1137) (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte
des Mittelalters. Beihefte zu J. F. BÖHMER, Regesta Imperii 5), Köln/Wien
1985, S. 38 mit Anm. 136, wohl zu Recht, daß die Erhebung einer STAUFERIN
zur Äbtissin in dem westfälischen Stift (Neuen-) Heerse schlecht
zur politischen Lage der Jahre vor 1125 passe. Beatrix übernahm das
Amt 1123.]. Die größte Wahrscheinlichkeit darf derzeit jedoch
wohl die Identifikation der Gemahlin Albrechts des Bären mit
einer Tochter Graf Hermanns I. von Winzenburg (+ 1122) beanspruchen
[87 Die Winzenburg liegt nordwestlich von Bad Gandersheim.
Adolf COHN: Beiträge zur älteren deutschen Geschlechtskunde.
I: Zur Geschichte der Grafen von Reinhausen und Winzenburg. In: Forschungen
zur Deutschen Geschichte 6. Göttingen 1866, S. 529-584, versuchte
wahrscheinlich zu machen, daß Graf Hermann II. von Winzenburg der
Bruder von Albrechts Gemahlin Sophia und deren Schwester
Beatrix, der Äbtissin von Quedlinburg, war. Dazu paßt nach W.
PETKE: Kanzlei (wie vorige EN), S. 37 f. mit Anm. 136, daß Hermanns
Ermordung in der Nacht vom 29. zum 30. Januar 1152 gerade im Necrologium
Herisiense (wie EN 78, S. 43) erwähnt wird. Weiterhin kann diese These
dadurch gestützt werden, daß die beiden ältesten Söhne
Albrechts
des Bären Otto und Hermann, also nach dem Vater des Markgrafen
und wohl dem seiner Gemahlin, hießen. Außerdem wissen wir laut
Albrechts eigenem Zeugnis aus dem Jahre 1162, daß dessen Tochter
Adelheid im Nonnenkloster Lamspringe (bei der Winzenburg!) begraben wurde,
demnach vermutlich diesem Konvent beigetreten war (s. EN 80). Daß
Graf Hermann II. von Winzenburg zunächst Albrecht den Bären
1138/39 als neuen Herzog von Sachsen unterstützte (L. PARTENHEIMER:
Albrecht der Bär (wie EN 1), S. 71-76) und dieser nach dem erbenlosen
Tod Hermanns 1152 dessen Erbe beanspruchte (ebda., S. 122, 124 f.), würde
sich natürlich gut erklären, wenn beide Schwäger gewesen
waren. Auch die 1147 belegte Stellvertretung des ASKANIERS für
den WINZENBURGER als Corveyer Vogt (D K III., Nr. 182) ist vielleicht
damit zu begründen. Eduard HLAWITSCHKA: Die ‚Verwandtenehe‘ des Gegenkönigs
Hermann von Salm und seiner Frau Sophie. Ein Beitrag zu den Familienbeziehungen
der rheinischen Ezzonen/Hezeliniden und des Grafenhauses von Formbach/Vornbach.
In: Konrad ACKERMANN/Alois SCHMID/Wilhelm VOLKERT (Hg.): Bayern. Vom Stamm
zum Staat. Festschrift für Andreas KRAUS zum 80. Geburtstag, Bd. 1
(Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 140). München 2002,
S. 41-43 mit Anm. 92, meint jetzt, daß Sophia nicht der Ehe
Hermanns I. von Winzenburg mit Hedwig von Windberg, sondern der vermuteten
vorangegangenen Verbindung dieses Grafen mit einer EBENSTEINERIN entsprossen
war.]. Die Güter dieser Familie waren nicht unerheblich, wie allein
schon der erbitterte Streit beweist, der nach ihrem Erlöschen (1152)
über die Hinterlassenschaft zwischen Albrecht und Heinrich
dem Löwen geführt wurde [88 S. vorige EN.].
Fazit: Daß Adlige Besitz, Macht und Ansehen
u. a. durch die Auswahl der Gemahlinnen zu mehren suchten, ist bekannt.
Die Konsequenz jedoch, mit der die ersten überlieferten ASKANIER
in jeder Generation – Esikos Vater, Esiko, Adalbert,
Otto
(auch dessen Bruder Siegfried) und Albrecht der Bär
–
dabei verfuhren, darf wohl Aufmerksamkeit beanspruchen und erklärt
neben noch weiter zu untersuchenden Faktoren den Aufstieg des Hauses
ANHALT im 11. und 12. Jahrhundert vom Grafen- in den reichsfürstlichen
Rang.