Denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, als sei Friedrich
lediglich ein Herzog von Ober-Lothringen gewesen. Er titulierte sich jedenfalls
ausdrücklich Herzog der Lothringer [311 Kienast, Herzogst.
383.]. Die Neigung zu einer These von Ober- und Nieder-Lothringen kam vor
allem auch dadurch, daß in den Quellenberichten über den Italienzug
OTTOS I. ein lothringischer Herzog
Gottfried genannt wird [312 dux Lothariensis. Contin.
Regin. 964; Ruotger cap. 41. Köpke/Dümmler, Jbb. 227; Parisot,
Origines 69, der jedoch in seinen Schlußfolgerungen zu weit geht;
Sproemberg, Beiträge 175f. Die von der älteren Forschung bei
Ruotger cap. 11 auf diesen Gottfried geschehene Bezugsetzung, vgl.
Giesebrecht, Wilhelm, Geschichte der deutschen Kaiserzeit I, Braunschweig
1873, Seite 826, ist von Schrörs, Ann. Hist. Ver. Niederrh. 88, 36
Anm. 2 in einer Identifizierung mit dem Bischof Gottfried von Speyer eliminiert
worden. Brunner, Intit. II, 296 nimmt das dux Lothariensis lediglich
als Angabe der Abstammung Gottfrieds aus Lothringen, was jedoch
an sich schon fraglich ist. Sproemberg, Beiträge 175. Im übrigen
kann auf Grund der allgemeinen Ausdrucksweise der damaligen Quellen diese
Formulierung nicht besagen: ein aus Lothringen stammender Herzog. Da Bruno
ein Hilfskontingent Lothringer mit Herzog Gottfried an der Spitze
nach Italien schickte (Ruotger cap. 41), bedeutet das wohl ausdrücklich,
daß er ihn als Heerführer, als dux, an
seiner Stelle diesen Lothringern voranstellte.]. Dieser Gottfried stammte
wahrscheinlich aus dem Raum um Jülich und ist durch Erzbischof
Bruno in besonderem Sinne gefördert worden. Er hat nach
der Niederwerfung des Grafen Reginar vom Hennegau in der Hauptsache dessen
Erbe übernommen.
Als Hauptbeweisstück für Gottfrieds Herzogstellung
gilt eine Urkunde, die Bruno für
das Kloster Stablo ausstellte, in der bei der Datierung hinter dem Namen
König OTTOS die Angabe Godefrido duce steht.
Indes ist diese Urkunde sehr umstritten. Zunächst einmal kann das
Datum von 953 in diesem Schriftstück nicht stimmen, denn es wird darin
der Abt Werinfrid von Stablo genannt, der erst nach dem 3. Oktober des
folgenden Jahres Abt geworden sein kann. Die Schwierigkeit glaubte man
lösen zu können, durch die Annahme, der Kopist der Urkunde habe
bei den Regierungsjahren OTTOS I. irrtümlich
XVIII statt XXIII geschrieben. Dadurch sollte die Urkunde im Datumsjahr
mit der Ernennung des Grafen Friedrich zusammenfallen, was indes ein Irrtum
war, denn in Wirklichkeit gelangt man dadurch bis zum 31. Oktober 958.
Daraufhin wurde vorgeschlagen, bei der Datierung ein versehentliches Auslassen
einer X anzunehmen, so daß man mit XXVIII in das Jahr 963 gelangen
würde. Ein Zeugnis für die Existenz der Herzogswürde
Gottfrieds in diesem Jahre würde also die Annahme einer gleichzeitigen
Ernennung mit Friedrich im Jahre 959 ermöglichen. Indessen ist auf
der anderen Seite die Echtheit der Urkunde überhaupt angezweifelt
worden. Aus bestimmten Gründen soll sie auf den Namen Brunos
gefälscht worden sein, wobei man vielleicht einen Grafen Gottfried
mit dem Herzogsnamen bedachte.
Mit einer Berufung auf die Titulierung Gottfrieds
an sich ist wohl kaum weiter zu kommen, da der Titel Herzog
noch nichts Entscheidendes besagt. Nun kann man seine Benennung als
lothringischer Herzog in der Fortsetzung der Chronik Reginos im Zusammenhang
mit der bei Ruotger, dem Biograhhen Brunos,
berichteten Entsendung eines Hilfskontingentes Lothringer nach Italien
sehen, an dessen Spitze Bruno den Herzog
Gottfried gestellt hat. Möglicherweise ist daraus der Schluß
erlaubt, Gottfrieds Bezeichnung als Herzog beziehe sich auf einen
militärischen Auftrag, und die Ausdrucksweise des Fortsetzers der
Chronik Reginos, bei dem Gottfried nicht Herzog der Lothringer,
sondern lothringischer Herzog genannt wird, könnte sich
gerade auf diese lediglich militärische Aufgabe seines Amtes beziehen.
Es ergibt sich also keine eindeutige Berechtigung, von
Gottfried als von einem Herzog von Nieder-Lothringen zu sprechen,
wohl könnte seine Stellung eine ähnliche wie die Friedrichs gewesen
sein und wurde ihm vielleicht erst anläßlich des Italienzuges
OTTOS I. als eine militärische
Funktion in Stellvertreterschaft Brunos
übertragen, der selbst nicht mitziehen konnte. Er ist übrigens
auf diesem Zuge im Juli 964 gestorben. In seinem herzoglichen Amt
erhielt er keinen Nachfolger, wohl aber in seinen aus dem Besitz Reginars
stammenden Gütern in Nieder-Lothringen, die einem Grafen Richer
übertragen wurden. Man kann daraus vermuten, daß sich hier seit
Reginar eine Art Markgrafschaft herausgebildet hat, und daß Gottfried
eine solche, einem Markgrafen ähnliche Stellung bekleidet hat.