Nach der zitierten Stelle der Vita Adelheids von Vilich
müßte es im 10. Jahrhundert zwei Herzöge namens Gottfried
gegeben haben, Vater und Sohn, von denen der Sohn noch unverehelicht
und wohl noch nicht in allzu fortgeschrittenem Alter stehend starb. Bei
letzterem dürfte es sich, worauf schon Schenk zu Schweinsberg hinwies,
um den im Sommer 964 in Mittelitalien von einer Seuche im kaiserlichen
Heer dahingerafften Godefridus dux Lotharensis handeln
[23 Contin. Reginonis ad 964, ed. F. Kurze, SS rer. Germ. Seite
174: Ex qua pestilentia obierunt Heinricus archiepiscopus Trevirensis
et Gerricus abbas Wirzeburgensis et Godefridus dux Lothariensis.
Auch Ann. Hildesheim. ad 963, ed. G. Waitz, SS rer. Germ. (1878) Seite
22: dux Goderfridus ... ceterique non pauci.]. Jener wird auch in
Ruotgers Vita Brunonis erwähnt.
Diesen jüngeren Gottfried hat man dann wohl
auch in der Urkunde vom 2. Juni 965 vor sich, mit der OTTO
I. auf Bitten Bruns von Köln und
des Grafen Richar pro remedio anime ... dilecti quondam ... ducis
nostri Godefridi den Ort Villers-Ghislain der Abtei St. Ghislain
bestätigte; quam videlicet terram olim Godefridus bone memoriae
dux noster ad stipendia fratrum ... ex beneficio, quod ex nobis
habuerat, destinaverat pro remedo animae suae concedendam [26 MG
DD Otto I Seite 408 nr. 291. - Als Todestag dieses Herzogs Gottfried
läßt sich der 5. August 964 ermitteln; vgl. F. W. Oediger,
Die Regesten der Erzbischöfe von Köln I Seite 141 nr. 456, und
ders., Die Stiftskirche des hl. Viktor zu Xanten Band II, 3: Das älteste
Totenbuch des Stiftes Xanten, hrsg. von F. W.Oediger (1958) Seite 63.].
Da seine Tätigkeit also im zweiten Viertel des 10.
Jahrhunderts nachgewiesen ist, darf man wohl auch die Urkunde vom 25. November
941 nach der Düren in comitatu Sunderscas ubi Godefridus comes
presse dinoscitur lag, bei der Betrachtung dieses Gottfried
heranziehen [33 Nicht mehr auf diesen Pfalzgrafen zu beziehen
sind indessen folgende drei Belege: rogatu Godefridi comitis wurde
am 11. Juni 958 von OTTO I. ein dem
Immo in villa Castra et in pago Daregouue ac in comitatu Rotberti comitis
gelegenes Gut abgesprochen und einem Tietboldus übergeben, MG
DD Otto I. Seite 276 nr. 194; am 13. Juni 958 wurde der Ort Wambaix in
pago Hainia (= Hennegau) in comitatu Godefridi gelegen
bezeichnet, ebenda Seite 276 nr. 195; nach einer Urkunde vom 25. Dezember
962 lag der Ort Stommeln in pago Gillgoui in comitatu Gotfridi comitis,
Th. J. Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins
I (1840) Seite 61 nr. 105. Bei diesem Grafen dürfte es sich um den
späteren, 964 gestorbenen Herzog von Nieder-Lothringen oder
eventuell auch um Graf Gottfried von Verdun gehandelt haben, der als Gottfried
der Gefangene in de Geschichte eingegangen ist.].
Man kann in ihm leicht den älteren Gottfried
der Vita Adelheids von Vilich, seine bislang unbekannte Gemahlin, seinen
gleichnamigen Sohn, der als Herzog 964 in Italien dem Fieber
erlag, die Namen der drei anderen Söhne sowie die Tochter Gerberga,
die Gemahlin des Grafen Megengoz und Mutter Adelheids von Vilich, wiedererkennen.
In diesen Brereichen (Lüttichgau) ist er der Nachfolger
des 964 in Italien an einer Seuche gestorbenen dux Godefridus,
also des Sohnes des Pfalzgrafen Gottfried, in der Verwaltung des
durch Brun von Köln
zerschlagenen (niederlothringischen) Machtbereich des mächtigen, für
das Reich gefährlichen und des Hochverrats beschuldigten Reginar und
seiner Familie. Richar erscheint zusammen mit Brun
von Köln auch bereits 965 bei OTTO
DEM GROSSEN als Petent für eine Stiftung zum Gedächtnis
des im Jahre vorher verstorbenen Herzogs Gottfried [63 MG
DD Otto I Seite 408 nr. 291: domnus scilicet Bruno
sacre sedis Coloniensis archiepiscopus
germanus noster simul et Richarius comes fidelis noster causas ad nos detulerunt
pro quadam terra ... sita in loco qui Uillare dicitur (= Villers-Ghislain),
quam videlicet terram olim Godefridus bone memoriae dux noster
ad stipendia fratrum (von S. Ghislain) ... destinaverat.].
So beginnen sich Beziehungen dieses Mannes zur Gottfried-Familie
abzuzeichnen.
Kimpen ging davon aus, daß der 964 in Mittelitalien
von einer verheerenden Fieberepidemie dahingeraffte Herzog Gottfried,
der nach sder Vita Adelheids von Vilich noch nicht verheiratet gewesen
war und der nach Ruotgers Worten von Erzbischof
Bruno von Köln erzogen und ausgebildet worden ist, "offensichtlich
jung" verstarb: "Da Erzbischof Bruno,
der selbst frühestens 925 geboren war, Gottfried erzog, sollte
man diesen in seinem Todesjahr auf einen Mann von etwa 20 bis höchstens
25 Jahre einschätzen dürfen" [245 E. Kimpen, Rheinische
Anfänge Seite 24.]. Kimpen legt also die Geburtszeit des Herzogs
Gottfried auf ca. 940-945 fest [246 E. Kimpen, Rheinische
Anfänge Seite 24 Anm. 129: "Eine Geburtszeit um etwa 935 käme
auch schon deshalb nicht in Frage, weil Bruno,
der erst 953 Erzbischof wurde, dann wenig an Gottfried zu erziehen
gehabt hätte".] und kann dadurch - da dieser zur Herzogswürde
gelangte Sohn des Pfalzgrafen Gottfried auch als der älteste
unter den Söhnen zu vermuten war - die im Jahre um 945 als die Geburtszeit
des atavus Kaiser HEINRICHS III.
ansetzen.
In dieser Argumentation spielt Ruotgers Ausdruck quem
ipse nutrivit [247 Siehe oben Seite 53.], der zur Charakterisierung
des Verhältnisses Brunos von Köln
gegenüber Herzog Gottfried dient, eine wichtige Rolle. Er wird
von Kimpen ganz wörtlich genommen. Es dürfte aber durch neuere
Arbeiten schon genügend klargestellt sein, daß Brun
in seiner Kölner Domschule keine Knabenerziehung betrieb, sondern
daß er dort heranwachsenden Männern (jungen Leuten in der Blüte
ihrer Jahre) das Rüstzeug für die Staatsverwaltung zu geben trachtete.
Es muß aber vor allem darauf hingewiesen werden, daß sich ja
Herzog Gottfrieds Eltern, Pfalzgraf Gottfried und seine Gemahlin
Ermentrud, schon ca. 934 cum infantibus
nachweisen lassen [249 Vgl. oben Seite 57.]. Daraus ergibt sich
bereits, daß der Herzog Gottfried doch wohl 10-15 Jahre älter
war, als Kimpen meint. Wenn er bei seinem Tode 964 noch unverheiratet
war und noch keine ehelichen Kinder hatte, so ist das ja nicht unbedingt
so zu verstehen, daß er damals erst ins heiratsfähige Alter
getreten ist [250 Eher darf man ihn wohl für einen Hagestolz
halten, zumal die Worte der Vita Adelehids von Vilich das Vorhandensein
illegitimer Kinder dieses Manes geradezu nahelehen; vgl. oben Seite 51
(mit der Betonung: legitimae uxoris liberorum iucunditate numquam letaus).].
Da nun sein Vater Pfalzgraf Gottfried aus der 900 geschlossenen
Ehe des MATFRIEDINGERS Gerhard und der LIUDOLFINGERIN
Oda hervorging und wohl 901 oder recht bald danach geboren sein
dürfte, und da andererseits seine Gemahlin Ermentrud
aus der 907 geschlossenen Ehe König Karls
des Einfältigen stammt und als älteste von sechs Töchtern
etwa 908 geboren ist, dürften doch wohl die Kinder der beiden in der
Zeitspanne zwischen 925 und 935 geboren sein.