Versuchen wir nun, Gottfried
von Jülich, Sohn des Pfalzgrafen gleichen Namens, Bruder
des Kölner Erzbischofs Wicfried, in seiner angeblichen Eigenschaft
als Herzog von Nieder-Lothringen erwähnenden Belegquellen methodisch
ähnlich zu prüfen.
Konsultieren wir wiederum zunächst die Diplome der
Reichskanzlei.
Am 11. Juni 958 nennt sie ihn comes. Im
gleichen Monat und Jahr gibt ihm die Reichskanzlei erneut den Grafentitel.
Im übrigen verrät uns diese Urkunde, dass Juni 958 Gottfried
der
Hennegau als gräfliches Amtsgut übertragen wurde in der Nachfolge
des von Brun verbannten Reginar III.
Beide vorgenannten Diplome wurden anläßlich des Kölner
Hoftages ausgestellt. Dass Gottfried schon
958 zum Herzog eingesetzt worden sei, ist also auszuschließen. Ein
Jahr nach Gottfrieds
Tod
schreibt ein kanzleifremdes, im Original erhaltenes Diplom vom 2. Juni
965 pro remedio anime... dilecti quondam ducis nostris Godefridi.
Wenngleich
der dux-Titel vom Aussteller posthum nachträglich eingefügt worden
sein kann, hätten wir hier das einzige, zu Lebzeiten
OTTOS
I. und nach Gottfrieds Ableben
ausgestellte Königsdiplom, das Gottfriedden
zwar aussagearmen Kurztitel dux einräumte, ohne allerdings
jegliche ethnische oder geographisch-politische Zuordnung, geschweige denn
teilungspolitischen Hinweis. Auf keinen Fall gibt dieses Diplom einen chronologischen
Hinweis auf eine eventuelle Erhebung Gottfrieds zum Herzog. Darüber
hinaus ist Gottfried in den Urkunden
der Reichskanzlei nicht erwähnt.
Untersuchen wir nun die Privaturkunden.
Die aus dem 13. Jahrhundert stammende Abschrift einer
in Aachen 31. Oktober 953 datierten Urkunde für die Abtei Stablo-Malmedy
erwähnt regnante rege Ottone
fratre nostro, anno XVIII, Godefrido duce.
H. Breslau hielt sie für unecht. Köpke-Dümmler nehmen
recht unklar Stellung, neigen jedoch zu der Annahme, dass Gottfried
schon
953 Herzog gewesen sei. Ohne sich klar auszudrücken, hält
Waitz die herzogliche Gewalt Gottfrieds für
gegeben. Vanderkindere macht zunächst Zweifel an diesem Beleg geltend,
und zwar weil in dem damaligen binnenlotharingischen Unruhen der damals
noch jugendliche Gottfried wohl kaum
von Brun, Gottfrieds
Lehrer, an die Spitze eines lotharingischen Heeres gestellt werden konnte.
Dezember 962 schenkt Brun
dem Kölner Cäcilienstift den Fronhof Stommelen im Gilgau in
comitatu Gotfridi comitis. Also
962 immer noch der comes-Titel - nicht etwa comes et dux
-, und zwar einer Schenkungsurkunde seines ehemaligen Lehrers, des Erzbischofs
von Köln. Ein auf Juni 964 datierte Präkerie der Abtei Prüm
mit einem Eberhard weist Gottfried
in der Zeugenreihe nach dem Propst und 26 Mönchen, das heißt
zwar an 28. Stelle, aber an erster Stelle der Laien als dux aus.
Hier sind erhebliche chronologische Bedenken angebracht. Im Juni 964 befand
sich
Gottfried gemäß Ruotger
in Italien und erlag dort der Pest im selben Monat. Hinzugefügt
sei, dass diese auf Juni 964 datierte Klosterurkunde nur in einer Kopialschrift
von Ende des 11. Jahrhunderts vorliegt.
Ruotger ist zum Jahr 964 die erste verläßliche
Quelle, die Gottfried
den dukalen Rang einräumt. Zeitliche Übereinstimmung
des dukalen Titels bei Ruotger mit der Beauftragung Gottfrieds,
ein lotharingisches Heereskontingent nach Italien zu führen, legen
nahe, den funktionalen Bereich dieses Titels Gottfrieds
auf eine zeitlich beschränkte und außerordentliche
Heerführerfunktion einzuschränken und weniger auf einen permanenten
herzoglichen Willens- und Aufgabenbereich in Lotharingien zu beziehen.
Den bedeutendsten Rang nimmt natürlich in seinem
direkten raumpolitischen Einflußbereich die ihm 958 ganz oder teilweise
übertragene Grafschaft Hennegau ein. Der Hennegau war mehr
als 50 Jahre Teil des reginarischen Machtbereichs gewesen. Ein Gebiet,
das in der Berichtsepoche von Valenciennes im Süden über Mons
bis zur Grafschaft Namur reichte und Orte beinhaltete wie Chimay an der
heutigen belgisch-französischen Grenze, Nismes und Couvin südlich
von Namur. Ob Valenciennes schon damals zum hennegauischen Besitzstand
zu zählen war, ist schwer zu dokumentieren. Es ist möglich, dass
Gottfried wie sein Vorgänger Laienabt
der Abtei St. Waudru in Mons und Vogt des Klosters Ste. Aldegonde bei dem
südlich von Mons gelegenen Maubeuge gewesen war. Gottfrieds
Stellung in diesen beiden Abteien sicherte ihm Ausdehnung seines
Einflußbereichs in das Tal der Sambre in Richtung Beaumont, südöstlich
von Mons. Ein schon zitiertes Königsdiplom von Juni 965 entsprach
Gottfrieds zu dessen Lebzeiten formulierten
Wunsch, einen 18 Hufen umfassenden, bei Villers-Gislain zwischen Mons und
Binche gelegenen Lehnsbesitz dem Kloster Ghislain zu schenken. Eine Privaturkunde
des Jahres 962 erwähnt Gottfrieds
Grafschaft Gilgau im Westen Kölns.