Ist es nicht bemerkenswert, daß in den heftigen
Auseinandersetzungen nach dem Bruch HEINRICHS
III. mit Gottfried dem Bärtigen 1044/47 der niederlothringische
Herzog so gut wie überhaupt nicht in Erscheinung tritt [103
Einzige Ausnahme in der Regierungszeit Herzog Friedrichs (1046-1065)
ist seine Verteidigung der Burg Antwerpen 1055, deren Belagerung
Balduin V. von Flandern und Gottfried der Bärtige concurrentibus
Lotharingis abbrechen mußten, Sigiberti Gembl. Chron. ad a. 1055,
MGH SS 6, Seite 360; vgl. dazu auch unten Seite 423. Boshof sieht in der
mangelnden Beteiligung
Friedrichs und Gerhards von Ober-Lothringen
an diesen Auseinandersetzungen einen weiteren Hinweis auf den Verlust an
"Ansehen und Führungsfunktionen" der lothringischen Herzogsgewalt.
Dieses Urteil wird zusätzlich bestätigt, bedenkt man, daß
1049 die Bischöfe gegen den Grafen von Holland zogen und 1051 Gottfried
der Bärtige einen kaiserlichen Verteidigungsauftrag für den Hennegau
erhielt, vgl. Anmerkung 101 und 104; jeweils ist von Herzog Friedrich
- dessen Aufgabe beide Aktionen gewesen wären - nicht die Rede.] und
daß HEINRICH III. nach seinem
Ausgleich mit Gottfried diesen statt Herzog Friedrich gegen den
flandrischen Ausgriff auf Hennegau zum provinciae ... defensorem
bestellte.
Diese Gefahr abzuwehren und die Zugeständnisse von
1039 rückgängig zu machen, vermochte HEINRICH
III. erst, als es ihm gelang, 1046 Gozelo II. in Lothringen
durch den LUXEMBURGER
Friedrich zu
ersetzen [193 Vgl. Annales Altahenses ad a. 1046 (wie Anmerkung
104), Seite 41: Gottefrido duci gratiam suae reconciliationis dedit
ac ducatum unum, cuui patre vivente dominabatur. Alter vero nec illi nec
fratri habendus permittebatur, sed Gozziloni sublatus Friderico,
Baioarie ducis fratri, est datus. Zu den Vorgängen vgl. Boshof,
Lothringen (wie Anmerkung 13), Seite 85ff., der diese Regelung als einen
"Kompromiß zwischen dem Erbanspruch des Hauses VERDUN und dem vom
Königtum vertretenenen Amtsgedanken" (Seite 87) bezeichnet.].
Wie zurückhaltend die Könige bei der Vergabe
von Reichsgut dem Herzog gegenüber verfuhren, zeigt die einzige direkt
bezeugte Besitzübertragung, die Überlassung königlicher
Güter in Amberloup und Laroche in den Ardennen an Herzog Friedrich
durch HEINRICH III. 1046/56 - sie erfolgt
im Tausch gegen Güter des Herzogs in Sachsen.
Der 1046 eingesetzte niederlothringische Herzog Friedrich
aus
dem Hause LUXEMBURG verfügte über
wesentlich schwächere Ausgangspositionenn als seiner Vorgänger,
da ihm weder die nördlichen Grafschaften noch eigene, der Grafschaft
Verdun und dem Machtzentrum um Bouillon vergleichbare Machtgrundlagen zur
Verfügung standen: Sein wichtigster Rückhalt dürfte zweifellos
seine im Mosel-Eifel-Raum begüterte Familie gewesen sein, die in eben
diesen Jahren unter nachhaltiger Förderung HEINRICHS
III. eine führende Rolle in der Reichspolitik spielte.
Welche Grafschaft Friedrich, der bereits 1033 als comes
bezeugt ist, vor seiner Herzogserhebung innehatte und ob er seine Grafschaftsrechte
nach 1046 beibehielt, ist unbekannt [303 Die Ardennergrafschaft
als "Stammgrafschaft" der LUXEMBURGER zwischen
Saar, Mosel, Alzette und Sauer hatte Friedrichs Bruder Heinrich
(1026-1047) auch noch nach seiner Erhebung zum Herzog von Bayern 1042
inne; nach Heinrichs Tod ging sie an seinen Bruder, Graf Giselbert
von Salm (1047-1059), über; vgl. Renn, Luxemburger Grafenhaus
(wie Anmerkung 129); Seite 116ff. und 128. Möglicherweise war Friedrich
Inhaber einer der kleineren Grafschaften des Hauses im Mittelmosel-Eifel-
Raum, vgl. dazu J. Schoos, Die Familie der Luxemburger, Geschichte einer
Dynastie, in: F.-J. Heyen (Hg.), Balduin von Luxemburg. Erzbischof von
Trier - Kurfürst des Reiches 1285-1354, Mainz 1985, Seite 120ff.].
Mit Sicherheit aber handelte es sich dabei nicht um die Grafschaft im
Gau
Maselant, als deren Inhaber er 1056 erscheint: der hier in comitatu
Friderici
ducis in pago Maselant genannte Ort Epen westlich Aachen wird 1041
in pago Livgowe et in comitatu Dietbaldi comitis lokalisiert.
Wie die Grafschaft Friedrichs in pago Maselant einzuordnen
ist, deren Entstehung in die Phase "schwimmender Grenzen der Komitatsbezirke
und ihrer allmählichen Auflösung" im Bereich des alten Livgowe
fällt, muß vorerst fraglich bleiben. Möglicherweise versuchte
der Herzog, gestützt auf eigene Besitzungen [308 Zu den Besitzrechten
seines Bruders Heinrich in diesem Raum vgl. MGH D H III. 94. Umfangreiche
Güter Friedrichs in diesem Gebiet, die er seiner Gemahlin Gerberga,
einer Enkelin Herzog Karls von Nieder-Lothringen
und Graf Lamberts von Löwen, verdankt habe, vgl. Renn, Luxemburger
Grafenhaus (wie Anmerkung 129), Seite 120f., werden vor allem daraus erschlossen,
daß entsprechend der Nachricht bei Alberich von Troisfontaines ad
a. 1064, MGH SS 23, Seite 794, das dominium ultra Mosam prope Leodium
der Grafen von Limburg auf die Mutter Graf Heinrichs von Limburg, Herzog
Friedrichs
einzige Tochter Jutta, zurückgeführt wird,
vgl. Schoppmann, Limburg (wie Anmerkung 210), Seite 25ff.; zur Diskussion
um die Herkunft und die genealogische Einordnung des Grafen von Limburg
vgl. zuletzt U. Bader, Geschichte der Grafen von Are bis zur Hochstadenschen
Schenkung (1246) (Rhein. Archiv 107), Bonn 1979; Seite 12ff.], sich in
dem wichtigen Raum zwischen Aachen und Maastricht eine Zone eigener verdichteter
Herrschaft zu schaffen, um so ein Bindeglied zwischen den Obervogteien
von Stablo-Malmedy und St. Truiden zu gewinnen, die er als wichtigste eigene
Herrschaftsgrundlagen einbringen konnte. Deutlich ist auf jeden Fall, daß
auch Herzog Friedrich Grafschaftsrechte in seinem Herzogssprengel
zu erwerben suchte, ohne damit auch sein comitatus um Epen erloschen
sein [309
Die nur unter Friedrich bezeugte Grafschaft scheint
mit dem Zerfall seines Machtkomplexes nach seinem Tode 1065 wieder
aufgelöst und in der Grafschaft Limburg, im Aachengau und in den neu
entstandenen kleineren Herrschaften wie Dalhem, Herzogenrath, Valkenburg
und Wijlre aufgegangen zu sein.]. Wenn ihm HEINRICH
III.
1050/55 nach dem Parteiwechsel Balduins V. zu Gottfried
dem Bärtigen die Mark Antwerpen verlieh, dann diente dies in
der konkreten politischen Situation dieser Jahre eher der Sicherung der
Mark als der Stützung der Herzogsherrschaft, mußte Friedrich
die Mark doch 1055 mit seinen
Lotharingis gegen Balduin V. von Flandern
und Gottfried den Bärtigen verteidigen.
Unverkennbar ist das durchgängige Bestreben der
aus der Gegend um Verdun/Bouillon beziehungsweise dem Mosel-Eifelraum in
Nider-Lothringen eingesetuten "landfremden" Herzöge des 11. Jahrhunderts,
innerhalb des Dukats möglichst viele vom Herzogsamt unabhängige
Rechts- und Besitztitel zu erwerben, in die großen einheimischen
Familien einzuheiraten und eine breitere Grundlage der Herzogsherrschaft
zu gewinnen. Erstmals in aller Deutlichkeit tritt dieses Bestreben entgegen
bei dem Versuch Friedrichs von Luxemburg (1046-1065), mit Hilfe
der Obervogteien von Stablo-Malmedy und St. Truiden, der Grafschaft Maselant
und der eigenen Hausgüter eine Zone verdichteter Herrschaft in den
nördlichen Ardennen und an der mittleren Maas zu schaffen und damit
einer Verbindung zu den Machtzentren seiner von HEINRICH
III. reich geförderten Familie im Mosel-Eifel-Raum und
in den südlichen Ardennen herzustellen.
Die Konsequenzen waren weitreichend: nahezu zwei Jahrzehnte
hindurch, Jahrzehnte extremer politischer Instabilität zunächst
infolge der lothringischenWirren, dann infolge der Unmündigkeit HEINRICHS
IV., stand mit Friedrich von Luxemburg (1046-1065) ein
Herzog ohne ausreichende Machtgrundlagen überlegenen Herrschaftsträgern
wie Gottfried dem Bärtigen, Anno II. von Köln und den Bischöfen
von Lüttich und Utrecht gegenüber, die an seiner Stelle, mit
oder ohne königlichen Auftrag, herzogliche Funktionen wahrnehmend,
sich zum Teil gegen ihn stellten und nicht mehr in eine übergreifende
Herzogsherrschaft zu integrieren waren.