Herzog Arnulf unternimmt einen Heereszug nach
Verona,
um für seinen Sohn Eberhard die langobardische Königskrone zu
erwerben.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Nach dem böhmischen Feldzug des Jahres
922 war dieser
Zug nach Italien das, jedenfalls soweit unsere Kenntnis reicht, zweite
selbständige Unternehmen, mit dem Herzog
Arnulf über die Grenzen seines
Landes hinausgriff. Diesmal galt es aber nicht mehr eine Mark zu
sichern
oder einen widerspenstigen Vasallen zur Botmäßigkeit zu
bringen,
sondern es ging um nichts Geringeres als die langobardische
Königskrone.
- Im Jahre 922 war König Rudolf II. von
Hoch-Burgund
von
Gegnern des Kaisers
BERENGAR zum König
der Langobarden gewählt worden. Doch auch als
BERENGAR zwei Jahre später ermordet worden war, blieb Rudolf
nicht
im ungeschmälerten Besitz seiner neuen Krone, denn seine Gegner
wandten
sich an den Markgrafen
Hugo von der Provence,
den mächtigsten Herren im Königreich Nieder-Burgund. Dieser
war
schon durch die Lage seines Landes für das neue Amt besonders
geeignet,
und er zögerte auch nicht, es anzunehmen: 926 wurde er in Pavia
zum
König erhoben. Hugo
konzentrierte
nun sein ganzes Interesse auf Italien und erreichte, dass
Rudolf
auf
ein Eingreifen in Ober-Italien verzichtete, dadurch, dass er ihm die
Herrschaftsansprüche
in der Provence abtrat. Doch abermals gab es Unzufriedene im Land und
diese
wandten sich an den mächtigen
Herzog Arnulf
von Bayern, dessen Land im Süden auch an Italien
grenzte.
- Dies ist in kurzen Zügen die zum Verständnis des Folgenden
notwendige Vorgeschichte von Arnulfs
italienischen Unternehmen. Zunächst wird einmal zu fragen sein,
wer
nun eigentlich Arnulf
nach Italien
rief. Luidprand von Cremona überlieferte uns zwei Namen, den des Bischofs
Rather von Verona und den eines
Grafen Milo. Der Belgier
Rather, ehedem
Mönch in Lobbes, mit feiner Bildung aber auch durch
unruhigen politischen
Ehrgeiz ausgezeichnet, begleitete 926 seinen Abt Hilduin
nach Italien,
wo ihn dessen Vetter Hugo 931 zum Bischof von Verona machte. Bald
aber
entzweite er sich mit seinem Wohltäter, wohl nicht ohne seine
eigene
Schuld, wie er selbst in einem Brief eingestand. Graf Milo, der nach fränkischem
Recht lebte, wurde später Graf
von Verona. Er war ein
treuer Anhänger
Kaiser
BERENGARS gewesen. Im allgemeinen hielt man sich an die
Nachricht
bei Luidprand und nahm an, dass die Einladung an Arnulf,
nach Italien zu kommen, von dem Bischof und dem Grafen ausgegangen sei.
Doch betonte Weigle die Unsicherheit dieser Vermutung und meinte,
bestimmt
wüssten wir nur, dass sich Rather
und Milo dem Bayern-Herzog später
gerne angeschlossen hätten. So rückt auch die Angabe bei
Staindel,
Arnulf sei
ab exulibus Italis factiosis
gerufen worden, in ein merkwürdiges Licht.
Ob ihm wohl noch andere Quellen vorlagen? Vielleicht trifft so
Breßlaus
Vermutung zu, dass die Einladung an Arnulf
von
den gleichen italienischen Großen ausging, die sich 933 noch
vergeblich
an Rudolf von Hoch-Burgund gewandt
hatten. Diese Einladung an Rudolf und
der darauf folgende Vertrag zwischen Hugo und
Rudolf,
worin der Hoch-Burgunder seine Ansprüche auf Italien gegen die
Abtretung
von Hugos Rechten in der Provence
aufgab,
ist in seiner zeitlichen Einordnung sehr umstritten. Doch kann
man
ihn nach den Untersuchungen von Holtzmann mit großer
Wahrscheinlichkeit
in das Jahr 933 setzen. Dass sich die italienische Partei gerade an Arnulf
von Bayern wandte und dass sich dieser auf das Unternehmen
einließ,
wird seinen Hauptgrund in den landschaftlichen und völkischen
Beziehungen
zwischen Bayern und Ober-Italien haben. Neuerdings stellte Tyroller
einen
anderen Gedanken zur Lösung dieser Frage zur Diskussion. Er nahm
an,
dass die Gattin Herzog Arnulfs
Judith hieß
und die Tochter des UNRUOCHINGERS
Eberhard war, der 888 als Graf
im Sülichgau erschien In diese Familie gehörte auch
der spätere
Kaiser
BERENGAR, der ein
Großonkel
Judiths war. Als dieser
ermordet worden war ohne einen Sohn hinterlassen zu haben, schien die
Nachkommenschaft
seines Bruders Unruoch zur
Nachfolge in Italien berufen zu sein. Zu dieser
gehörte durch Judith
auch
Herzog Arnulf
von Bayern. Immerhin wäre aber meines Erachtens
dabei zu
bedenken, ob es noch die alte Partei Kaiser BERENGARS
war,
die den bayerischen Herzog nach Italien rief.
Die Datierung des Vertrages zwischen Rudolf
und
Hugo
ins Jahr 933 ist besonders wichtig für die zeitliche Festlegung
von
Arnulfs
Unternehmen.
Dieser, in den Quellen zu verschiedenen Jahren überlieferte
Italienzug,
war zeitlich auch dadurch schwer einzureihen, dass er mit dem Tode des
Erzbischofs Odalbert von Salzburg
verknüpft wurde. Waitz stellte ihn
in das Jahr 935, Büdinger und Breßlau zu 934, während
Vogel
sich mit zwei oder noch mehr Zügen zu helfen suchte, die er auf
die
Jahre 934 und 935 verteilte. Erzbischof
Odalbert von Salzburg, der uns
bereits mehrfach bei Tauschverträgen in Verbindung mit den Herzögen
Arnulf und
Berthold begegnete, nahm an diesem Zug nach
Italien teil. Nach Erben geschah das nicht nur wegen seines guten
Verhältnisses
zu den Bayern-Herzögen, sondern auch im Interesse seiner in Tirol
begüterten
Kirche. Nun ist in den zwei bayerischen Annalen aus Garsten und St.
Rupert
in Salzburg der Bericht über seine Expedition nach Italien und
über
seinen Tod so zusammengezogen, dass es aussehen kann, als ob er gleich
nach der Rückkehr vom Italienunternehmen gestorben sei. Beide
Ereignisse
sind zu 935 gestellt. Aus nekrologischen Notizen ist zu entnehmen, dass
der Erzbischof tatsächlich am 14. November starb, sodass man auch
das Unternehmen Arnulfs in dieses
Jahr
stellte. Diese Verwirrung löste sich, als die alten Salzburger
Annalen
gefunden waren, in denen Arnulfs Italienzug zu 934 und der Tod
des
Erzbischofs zu 935 aufgezeichnet waren. Die Annalen aus Garsten, St.
Rupert
und Admonts hatten diese Nachricht ihrer Vorlage in ein Jahr
zusammengezogen.
Stand so der Datierung des Italienzuges Herzog
Arnulfs zu 934
nichts mehr im Wege, so gelang es Weigle zu einer
genaueren zeitlichen Einreihung zu kommen. Aus einem Brief Rathers von
Verona konnte er den 3. Februar 934 als den Termin ermitteln, an
dem der
Bischof von König
Hugo abgesetzt
worden war. Zu diesem Zeitpunkt musste also das Unternehmen Herzog
Arnulfs bereits
zusammengebrochen sein. Er kam zu dem Schluss,
dass der Zug Arnulfs wahrscheinlich
schon im Herbst oder Winter 933 begann und Anfang Februar 934 sein Ende
fand. Holtzmann brachte noch den Hinweis darauf, dass der verbleibende
eine Monat des Jahres 934 für die Wahl Eberhards und den
Kriegszug
Arnulfs
zu kurz gewesen sei, und er ist der Ansicht, dass das Jahr
934
versehentlich durch die Salzburger Annalen für 933 geschrieben
worden
ist. Dieser zeitliche Ansatz ist auch sonst sehr gut bezeugt, denn Erzbischof
Odalbert ist in Salzburger Urkunden zuletzt am 13. September 933
und dann
wieder am 1. Mai 9234 belegt.
Wir können nun im Folgenden versuchen, den Verlauf
des Zuges, den Herzog Arnulf nach Italien
unternahm, zu rekonstruieren. Gegen Ende des Jahres 933 wandten sich
italienische
Verbannte, Gegner Hugos von der Provence,
als sie von König
Rudolf von Hoch-Burgund
eine Absage erhalten hatten, an den bayerischen Herzog. Ob Herzog
Arnulf selbst
zu Gunsten seines ältesten Sohnes verzichtete,
oder ob die italienischen Großen diesen von vornherein
nominierten,
ist nach Breßlau nicht mehr mit Sicherheit zu entscheiden.
Jedenfalls
steht fest, dass die Italiener Eberhard huldigten. Noch im
gleichen
Jahre brach das bayerische Heer, bei dem sich auch Erzbischof Odalbert
von Salzburg befand, über Trient nach Verona auf, wo es von
dem Bischof
Rather und dem Grafen Milo
empfangen wurde. Auf die Kunde davon stieß
Hugo
von der Provence, der sich gerade auf einem Kriegszug gegen
Rom befand, gegen die Stadt vor. Bereits das erste Zusammentreffen mit
der bayerischen Besatzung des Kastells Gauseningo, das mit
einer
Niederlage für die Bayern endete, brachte die Entscheidung. Wollte
man bisher in dem Gauseningo Luidprands den Ort Gossolengo südlich
von Piacenza an der Trebbia sehen, so hielt Weigle dem entgegen, dass
aus
Luidprands Darstellung nirgends hervorginge, dass
Arnulf
wesentlich
über Verona nach Süden vorgedrungen sei. Er entschied sich
daher
für Bussolengo am Etschknie oberhalb von Verona, einem Ort,
für
den auch manche sachliche Gründe sprechen. Als Brückenkopf
auf
dem etwas höheren südlichen Etschufer gelegen, am Sammelpunkt
mehrerer von Süden kommender Straßen, die nördlich des
Flusses vereinigt geradlinig auf die Etschklause zuführten, war
Bussolengo
ein strategischer Punkt erster Ordnung. Setzte
Hugo hier über den Fluss, so stand er zwischen den
Engpässen
der Etsch und dem in Verona liegenden Hauptheer des Bayern und hatte
diesem
den Rückzug und Nachschub abgeschnitten. So ist es
verständlich,
dass Arnulf gleich
nach der Kunde von der Niederlage seiner Besatzung am Brückenkopf
in Eilmärschen nach Norden zog, um sein Heer vor der drohenden
Abschnürung
zu retten. - Vor dem Abzug des bayerischen Heeres aus Verona kam es
hier
nach dem Bericht Luidprands noch zu einem großen Tumult und
schließlich
zu offenem Kampf zwischen den bislang Verbündeten. Graf Milo selbst,
in der Befürchtung, von Arnulf als
Geisel nach Bayern mitgenommen zu werden, ging zu
König Hugo über.
Sein Bruder aber verteidigte die
Burg der Stadt gegen den Bayern-Herzog,
wurde aber schließlich doch
überwältigt und zusammen mit seinen Leuten weggeführt.
Durch
eine glückliche Entdeckung Weigles fällt sogar ein noch etwas
helleres Licht auf diese letzten Tage des bayerischen Heeres in Verona.
Durch die genaue Untersuchung eines Briefes, den Bischof Rather zwischen
August 936 und März 937 aus seinem Exil in Como an den Kleriker
Ursus
in Verona schrieb, konnte er zahlreiche Anspielungen auf das Verhalten
der Bayern in den letzten Tagen ihres Aufenthaltes feststellen. Dabei
ist
natürlich zu beachten, dass alles von der Sicht Rathers aus, der sich
verteidigen und sein Verhalten entschuldigen wollte, dargestellt ist.
Danach
hatten die Bayern, als nach der Niederlage bei Bussolengo ihre Lage
hoffnungslos
geworden war, einen für die Veroneser Bürger
kompromittierenden
Absage- und Schmähbrief an König
Hugo
erpresst. Nach Rathers
Darstellung war der Verfasser dieses Briefes ein
nicht genannter Archidiakon aus der Stadt, der auf diese Weise sich
sowie
den weltlichen und geistlichen Adel der Stadt bei den Bayern von dem
Verdacht
der Konspiration mit König Hugo
retten wollte und musste. Der Schreiber dieses Absagebriefes war Ursus,
der Adressat dieses Rather-Briefes.
Diese beiden aber bezichtigten später
Rather Hugo gegenüber als den
Urheber des verhängnisvollen Schreibens, und der wurde daraufhin
vom
König verbannt. Dass aber die Bayern mit diesem Brief als
Faustpfand
gegen die Veroneser noch nicht genug hatten, sondern sich bei ihrem
Abzug
aus der Stadt auch noch Tumulte und Plünderungen zuschulden kommen
ließen, wies wieder sehr glücklich Weigele nach, indem er
die
gens effera et barbara nicht
auf den Burgunder Hugo,
wie es bisher geschah, sondern auf die abziehenden Bayern deutete. Wie
Weigele bemerkte, wäre es doch unverständlich, wenn Rather aus
der Gefangenschaft heraus einem König, vor dem er sich
rechtfertigen
wollte, sowie seinen Kriegern vorgeworfen hätte, sie seien ein
rohes
und barbarisches Volk.
Das Unternehmen war vollständig zusammengebrochen.
Doch lässt der Bericht Luidprands erkennen, dass der bayerische
Herzog
gewillt war, mit einem neuen Heer das gleiche Unternehmen noch einmal
in
Angriff zu nehmen. Auch dass er den Grafen
Milo als Geisel mitnehmen wollte,
lässt darauf schließen, dass er seine italienischen
Pläne
noch nicht aufgegeben hatte. Wohl nur sein bald darauf erfolgter Tod
hat
eine Wiederholung des Zuges vereitelt. Doch allein aus der Tatsache,
dass
der bayerische Herzog derartiges überhaupt planen und unternehmen
konnte, ergeben sich weitreichende Folgerungen. Dieses völlig
selbständige
Unternehmen
Arnulfs, dessen Gelingen
Bayern wohl beinahe zwangsläufig aus dem Verband des jungen
deutschen
Reiches hätte hinauswachsen lassen, war eigentlich die letzte
Konsequenz
der Zugeständnisse, die König HEINRICH
I.
921 vor Regensburg dem Bayern-Herzog
hatte machen müssen.
Der König hat auch in diesem Falle in keiner Weise Herzog
Arnulf gehindert,
solche Pläne zu verfolgen, wohl um die
mühsam erkaufte Eintracht nicht zu gefährden. Dass ihm aber
durch
die selbständige Italienpolitik der beiden süddeutschen
Herzogtümer
und besonders durch diesen Zug Herzog Arnulfs
die Notwendigkeit eines eigenen Italienzuges nach Italien,
von
dem Widukind erzählte, vor Augen geführt wurde, ist schon
wiederholt
ausgesprochen worden. Holtzmann hat nun wahrscheinlich gemacht, dass
auch
der Erwerb der heiligen Lanze durch den deutschen König mit diesen
seinen Plänen zusammenhing. Auf friedlichem Wege und durch
Drohungen
versuchte er dieses kostbare Symbol, dessen Besitz ihm wichtig für
sein Unternehmen schien, von Rudolf von
Hoch-Burgund
zu
erlangen und kam nach Holtzmann tatsächlich im Juni 935 bei seiner
Zusammenkunft mit dem französischen König
Raoul und
Rudolf von Hoch-Burgund
am Chiers an das Ziel seiner Wünsche. Dadurch, ferner durch seine
Freundschaft zu dem Hoch-Burgunder, die ebenfalls aus dem Jahre 935
rührte
und durch einen Vertrag mit Hugo von der
Provence,
dem Herrn Ober-Italiens, hatte er sich die Grundlagen für sein
Eingreifen
in Italien geschaffen. Auf diese Weise wollte wohl der deutsche
König
den gefährlichen Plänen des Bayern-Herzogs
in Bezug auf dieses
Land begegnen. Doch die beiden Männer starben, ehe sie an die
Verwirklichung
dieser Pläne gehen konnten.