Vorläufig beschränkte sich der Kaiser darauf
Gotfried des oberlothringischen Herzogtums zu entsetzen und mit diesem
wichtigen Reichsamt einen anderen zuverlässigeren Großen zu
betrauen. Er übertrug es einem gewissen Adalbert [1 Herim.
Chron. 1047: Cuius (sc. Gotefridi) ducatum imperator Adalberto
cuidam tradidit.], der in einer lothringischen Geschichtsquelle des
zwölften Jahrhunderts als Edler von Longwy bezeichnet wird
[2 Laurentius, Gesta c. 2: nobilissimum Albertum de Longvi
castro,
quem
super se ille (sc. imperator) ducem statuerat.], während
er neueren Forschern zufolge in dem rheinfränkischen Elsengau die
Grafschaft hatte [3 Cohn, Stammtafeln Nr. 28; Giesebrecht Kaiserzeit
II, 436] und zu den elsaß-lothringischen Seitenverwandten der kaiserlichen
Familie gehörte. Über die Stelle aber, die er innerhalb dieser
Verwandtschaft einnahm, herrscht Zweifel: bald wird er für einen Mutterbruder
KONRADS
II. gehalten [4 Cohn a.a.O.] und dann identifiziert mit
dem lothringischen Grafen Adalbert, dessen Wipo in seiner
Erzählung von der Wahl jenes Kaisers gedenkt [5 Gesta Chuionradi
c. 2.]; bald gilt er für einen Sohn ebendieses
Adalberts oder
von dessen Bruder, dem Grafen Gerhard, also für einen Vetter
KONRADS
II. [6
Giesebrecht a.a.O.]. Sicheres ist über ihn
nicht zu ermitteln.
Das Herzogtum Ober-Lothringen blieb indessen nicht lange
unbesetzt. Noch vor Ende des Jahres ging es über auf Gerhard,
welcher in den Quellen durch Zunamen, wie Graf von Chatenois [4
Laurentius Leod. I. I.], der vom Elsaß [5 Sigebert, Chron.
a. 1048: Ducatum ... Gerardus de Alsatia...optinet.] charakterisiert
wird, nach allgemein gebilligter Annahme älterer und neuerer Genealogen
ein naher Verwandter, Bruder oder Neffe seines Vorgängers [6 Hieronym.
Vignier, La veritable origine des tres-illustres maisons d'Alsace (Paris
1649) p. 3 et 4; Calmet, Histoire de Lorraine (Nouv. edition) Teil II,
p. 215; A. Cohn, Stammtafeln Nr. 28.]. Jedenfalls, was bei Adalbert
nur Vermutung, das ist bei Gerhard so gut wie gewiß: er gehörte
zu dem ältesten und schon deshalb vornehmsten Dynastengeschlecht des
Landes, er war nahe verwandt mit jenen beiden lothringischen Grafen, den
Brüdern Gerhard und Adalbert, welche sich bei der Wahl
Kaiser KONRADS II. einen Namen machten
und ihre Ahnenreihe durch eine von Wipo überlieferte Sage bis in die
Urzeit des fränkischen Reiches zurückzuführen suchten [1
Wipo,
Gesta c. 2, SS. XI, 258. Vgl. unten Seite 48, Anm. 1, wonach, wenn anders
diese Kombination richtig, Adalbert der Großvater, Gerhard
der Großoheim des neuen Herzogs waren.]. Auf Grund dieser Abstammung
durfte sich der jüngere Gerhard einer erlauchten Vetterschaft
rühmen, so mit den LUXEMBURGERN
[2 Eva von Luxemburg, Tochter des Grafen Siegfried und Schwester
der Kaiserin Kunigunde, war vermählt
mit Gerhard, Grafen im Elsaß, comes Alsatiae
bei Thietmar, Chron. I. c. 13, SS III, 796, der wahrscheinlich identisch
ist mit dem gleichnamigen Großoheim Gerhards des Jüngeren.],
ferner mit dem gräflichen Hause von Egisheim im Elsaß und mit
Bischof Bruno von Toul [3
Nach Vignier p. 3 waren die Urgroßväter
Graf Gerhards vom Elsaß und Hugo, der zweite Graf von Egisheim
Brüder.], in dessen Diözese seine Hauptburg Chatenois
lag, aber auch mit dem Kaiser, dessen Großmutter Adelheid
ebenfalls zur lothringischen Dynastie gehörte, eine Schwester der
obengenannten Grafen Gerhard und Adalbert war [4
Wipo
I. 1.]. Überdies durch seine Gemahlin Hedwig (Hadwidis)
von Namur, eine Nichte des kletzten KAROLINGERS
[5 A. Cohn, Stammtafeln Nr. 28.], war Herzog Gerhard
mit einem der größeren Grafenhäuser von Nieder-Lothringen
verschwägert, während er durch Familientradition und wohl auch
aus eigener Neigung zu verschiedenen Kirchen und Klöstern Beziehungen
hatte, die ihm Sympathienm weit über die Grenzen seines Gebieets hinaus
verbürgten. Sein Großvater Adalbert hatte in der Diözese
Metz das Kloster des heiligen Petrus oder zum heiligen Kreuz in Bousonville
gestiftet [6 Calmet II, 115,116, gestützt auf die sogenannte
Charta fundationis Bosonis Villae bei Vignier p. 97,99,102, in Wahrheit
keine Urkunde, sondern eine Notizia, welche allerdings aus dem Kloster
selbst stammt, aber erst nach dem Tode Herzog Gerhards, gestorben
1070, wie es scheint in den ersten Jahren seines Sohnes Theoderich
verfat wurde. Daher die Incorrektheit mancher Daten.] und, nachdem es von
Bischof Theoderich II. am 31. Janaur 1033 geweiht war [7 Vignier
p. 97.], die Leitung desselben den bewährten Händen, nämlich
Poppo von Stablo [8 Vita Popponis c. 19, SS XI, 305.] anvertraut.
Graf Gerhard, der gleichnamige Vater des Herzogs, stand mit Halinard,
dem Erzbischof von Lyon, in gutem Einvernehmen, zu einer Zeit, als dieser
nur noch Abt von S. Benignus in Dijon war: Ebnde Juni 1033 hatte jener
sich durch eine Landschenkung um das Kloster verdient gemacht [9 Urkunde
Gerhards mit dem Actum Remiremont, Calmet II, Preuves p. CCLXIII.
Die Schenkung erfolgte unter anderem: proque patris mei Adalberti
et avunculi mei Gerardi animarum salute. Im Chron. S. Benigni
Divion. ed. d'Achery, Spicilegium I, p. 471 wird auch der Herzog Gerhard,
Girardus dux, als Donator des Klosters gerühmt,
aber auffallender Weise wird sein Vater hier Albertus genannt mit
dem Zusatze: comes Metensis.]. Endlich Gerhard selbst begünstigte
in späteren Jahren das Kloster Echternach in einer Weise, welche nur
genügend verständlich wird, wenn eine ältere traditionelle
Verbindung vorausgegangen war [1 Urkunde des Herzogs Gerhard
vom 11. April 10567; Beyer, Mittelrheinisches Urkundebuch I, 423. Das Kloster
erwirbt das herzogliche Allod zu Heinge und übernimmt als Entgelt
die Memoiren des Herzogs, seiner Gemahlin Hadwidis und seines Sohnes
Theoderich, aber auch die Anniversarien seiner Eltern Gerhard
und Gisla. In der sogenannten Charta Fundationis von Bousonville
bei Vignier p. 102 wird die Reihe der Wohltäter des Klosters eröffnet
von dem Stifter, dem Grafen Adalbert und seiner Gemahlin Judith,
es folgen Graf Gerard und Gisla, dann als Söhne derselben
außer Gerard dem Herzog ein Adalbertus, der sich ohne
Schwierigkeite mit dem gleichnamigen Vorgänger Herzog Gerhards,
mit dem erschlagenen Adalbert, identifizieren lößt. In
dem Abschnitt, welcher dem Verzeichnis der Wohltäter voraufgeht, nennt
die Charta auch noch einen Graf Theoderich als Sohn Gerhards
und der Gisla und einen dritten Bruder Herzog Gerhards, mit
Namen Odelrich, lernt man kennen aus der Urkunde des Bischofs Adalbero
III. von Metz für das Kloster S. Trond vom Jahr 1065, Rodulfi abbat.
Trudon. epistolae, SS. X, 325.]. In den allgemeinen Angelegenheiten hatte
sich Gerhard unseres Wissens bisher nicht hervorgetan, in der weiteren
Entwicklung dagegen gelangte er zu eine bedeutenden Stellung, vor allem,
er wurde der Stammvater der Dynastie, welche Ober-Lothringen, bezeichnenderweise
Lothringen schlechtweg, fast sieben Jahrhunderte lang unter dem herzoglichen
Titel beherrscht hat [2 A. Cohn, Stammtafeln Nr. 29 und 30.].
Als der neue Herzog sein Amt antrat, befand sich der
Kaiser in Straßburg und nicht unmöglich wäre es, daß
die Einsetzung eben hier stattfand [3 Herim. Aug. Chron. a. 1048
berichtet zunächst: Post quem (Adalbertum) Gerhardus
dux ab imperatore constituitur und fährt dann fort: Ipsis
imperator diebus Argentoratum ... proficiscitur.]. Gewiß ist:
die Ereignisse, welche diesen Akt veranlaßten, der Sieg Gottfrieds
bei Thuin und die Katastrophe Herzog Adalberts zeigten von Neuem,
wie sehr die eben hergestellte Verbindung des Kaisers mit dem König
von Frankreich durch die Lage der Dinge geboten war, wie notwendig es war
das Bündnis von Ivois aufrecht zu halten und weiter zu bilden.
Ein Sohn des Grafen Hugo II. von Egisheim, der ein Vetter
Kaiser KONRADS war [3 Wibert,
I. I, c. 1, ed. Watterich, p. 128. Vgl. Wibert, I.,I, c. 9, wo Bruno als
nepos Kaiser KONRADS bezeichnet
wird.], gehörte Bruno, wie sein Oheim und Lehrer, Bischof Adalbero
III. von Metz [4 Als Neffe des Grafen Gerhard des Ältere von
Elsaß, der Adalberos Tante Eva geheiratet hatte. Hirsch, Heinrich
II. Band I Seite 535 und 537.] zu den Verwandten des kaiserlichen Hauses.
1056
Der Kaiser hielt damals einen Fürstentag, auf dem
er unter anderem die stark in Verwirrung geratenen Vogteiverhältnisse
und das Hofrecht des Klosters S. Maximin bei Trier neu ordnete und dazu
erschienen nicht nur stets getreue Große wie die beiden Herzoge
Gerhard und Friedrich, sondern auch Gottfried stellte sich ein.