Steindorff, Ernst: Band II Seite 24,46-48,55 N.4,341
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"Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich III."

Vorläufig beschränkte sich der Kaiser darauf Gotfried des oberlothringischen Herzogtums zu entsetzen und mit diesem wichtigen Reichsamt einen anderen zuverlässigeren Großen zu betrauen. Er übertrug es einem gewissen Adalbert [1 Herim. Chron. 1047: Cuius (sc. Gotefridi) ducatum imperator Adalberto cuidam tradidit.], der in einer lothringischen Geschichtsquelle des zwölften Jahrhunderts als Edler von Longwy bezeichnet wird [2 Laurentius, Gesta c. 2: nobilissimum Albertum de Longvi castro, quem super se ille (sc. imperator) ducem statuerat.], während er neueren Forschern zufolge in dem rheinfränkischen Elsengau die Grafschaft hatte [3 Cohn, Stammtafeln Nr. 28; Giesebrecht Kaiserzeit II, 436] und zu den elsaß-lothringischen Seitenverwandten der kaiserlichen Familie gehörte. Über die Stelle aber, die er innerhalb dieser Verwandtschaft einnahm, herrscht Zweifel: bald wird er für einen Mutterbruder KONRADS II. gehalten [4 Cohn a.a.O.] und dann identifiziert mit dem lothringischen Grafen Adalbert, dessen  Wipo in seiner Erzählung von der Wahl jenes Kaisers gedenkt [5 Gesta Chuionradi c. 2.]; bald gilt er für einen Sohn ebendieses Adalberts oder von dessen Bruder, dem Grafen Gerhard, also für einen Vetter KONRADS II. [6 Giesebrecht a.a.O.]. Sicheres ist über ihn nicht zu ermitteln.
Das Herzogtum Ober-Lothringen blieb indessen nicht lange unbesetzt. Noch vor Ende des Jahres ging es über auf Gerhard, welcher in den Quellen durch Zunamen, wie Graf von Chatenois [4 Laurentius Leod. I. I.], der vom Elsaß [5 Sigebert, Chron. a. 1048: Ducatum ... Gerardus de Alsatia...optinet.] charakterisiert wird, nach allgemein gebilligter Annahme älterer und neuerer Genealogen ein naher Verwandter, Bruder oder Neffe seines Vorgängers [6 Hieronym. Vignier, La veritable origine des tres-illustres maisons d'Alsace (Paris 1649) p. 3 et 4; Calmet, Histoire de Lorraine (Nouv. edition) Teil II, p. 215; A. Cohn, Stammtafeln Nr. 28.]. Jedenfalls, was bei Adalbert nur Vermutung, das ist bei Gerhard so gut wie gewiß: er gehörte zu dem ältesten und schon deshalb vornehmsten Dynastengeschlecht des Landes, er war nahe verwandt mit jenen beiden lothringischen Grafen, den Brüdern Gerhard und Adalbert, welche sich bei der Wahl Kaiser KONRADS II. einen Namen machten und ihre Ahnenreihe durch eine von Wipo überlieferte Sage bis in die Urzeit des fränkischen Reiches zurückzuführen suchten [1 Wipo, Gesta c. 2, SS. XI, 258. Vgl. unten Seite 48, Anm. 1, wonach, wenn anders diese Kombination richtig, Adalbert der Großvater, Gerhard der Großoheim des neuen Herzogs waren.]. Auf Grund dieser Abstammung durfte sich der jüngere Gerhard einer erlauchten Vetterschaft rühmen, so mit den LUXEMBURGERN [2 Eva von Luxemburg, Tochter des Grafen Siegfried und Schwester der Kaiserin Kunigunde, war vermählt mit Gerhard, Grafen im Elsaß, comes Alsatiae bei Thietmar, Chron. I. c. 13, SS III, 796, der wahrscheinlich identisch ist mit dem gleichnamigen Großoheim Gerhards des Jüngeren.], ferner mit dem gräflichen Hause von Egisheim im Elsaß und mit Bischof Bruno von Toul [3 Nach Vignier p. 3 waren die Urgroßväter Graf Gerhards vom Elsaß und Hugo, der zweite Graf von Egisheim Brüder.], in dessen Diözese seine Hauptburg Chatenois lag, aber auch mit dem Kaiser, dessen Großmutter Adelheid ebenfalls zur lothringischen Dynastie gehörte, eine Schwester der obengenannten Grafen Gerhard und Adalbert war [4 Wipo I. 1.]. Überdies durch seine Gemahlin Hedwig (Hadwidis) von Namur, eine Nichte des kletzten KAROLINGERS [5 A. Cohn, Stammtafeln Nr. 28.], war Herzog Gerhard mit einem der größeren Grafenhäuser von Nieder-Lothringen verschwägert, während er durch Familientradition und wohl auch aus eigener Neigung zu verschiedenen Kirchen und Klöstern Beziehungen hatte, die ihm Sympathienm weit über die Grenzen seines Gebieets hinaus verbürgten. Sein Großvater Adalbert hatte in der Diözese Metz das Kloster des heiligen Petrus oder zum heiligen Kreuz in Bousonville gestiftet [6 Calmet II, 115,116, gestützt auf die sogenannte Charta fundationis Bosonis Villae bei Vignier p. 97,99,102, in Wahrheit keine Urkunde, sondern eine Notizia, welche allerdings aus dem Kloster selbst stammt, aber erst nach dem Tode Herzog Gerhards, gestorben 1070, wie es scheint in den ersten Jahren seines Sohnes Theoderich verfat wurde. Daher die Incorrektheit mancher Daten.] und, nachdem es von Bischof Theoderich II. am 31. Janaur 1033 geweiht war [7 Vignier p. 97.], die Leitung desselben den bewährten Händen, nämlich Poppo von Stablo [8 Vita Popponis c. 19, SS XI, 305.] anvertraut. Graf Gerhard, der gleichnamige Vater des Herzogs, stand mit Halinard, dem Erzbischof von Lyon, in gutem Einvernehmen, zu einer Zeit, als dieser nur noch Abt von S. Benignus in Dijon war: Ebnde Juni 1033 hatte jener sich durch eine Landschenkung um das Kloster verdient gemacht [9 Urkunde Gerhards mit dem Actum Remiremont, Calmet II, Preuves p. CCLXIII. Die Schenkung erfolgte unter anderem: proque patris mei Adalberti et avunculi mei Gerardi animarum salute. Im Chron. S. Benigni Divion. ed. d'Achery, Spicilegium I, p. 471 wird auch der Herzog Gerhard, Girardus dux, als Donator des Klosters gerühmt, aber auffallender Weise wird sein Vater hier Albertus genannt mit dem Zusatze: comes Metensis.]. Endlich Gerhard selbst begünstigte in späteren Jahren das Kloster Echternach in einer Weise, welche nur genügend verständlich wird, wenn eine ältere traditionelle Verbindung vorausgegangen war [1 Urkunde des Herzogs Gerhard vom 11. April 10567; Beyer, Mittelrheinisches Urkundebuch I, 423. Das Kloster erwirbt das herzogliche Allod zu Heinge und übernimmt als Entgelt die Memoiren des Herzogs, seiner Gemahlin Hadwidis und seines Sohnes Theoderich, aber auch die Anniversarien seiner Eltern Gerhard und Gisla. In der sogenannten Charta Fundationis von Bousonville bei Vignier p. 102 wird die Reihe der Wohltäter des Klosters eröffnet von dem Stifter, dem Grafen Adalbert und seiner Gemahlin Judith, es folgen Graf Gerard und Gisla, dann als Söhne derselben außer Gerard dem Herzog ein Adalbertus, der sich ohne Schwierigkeite mit dem gleichnamigen Vorgänger Herzog Gerhards, mit dem erschlagenen Adalbert, identifizieren lößt. In dem Abschnitt, welcher dem Verzeichnis der Wohltäter voraufgeht, nennt die Charta auch noch einen Graf Theoderich als Sohn Gerhards und der Gisla und einen dritten Bruder Herzog Gerhards, mit Namen Odelrich, lernt man kennen aus der Urkunde des Bischofs Adalbero III. von Metz für das Kloster S. Trond vom Jahr 1065, Rodulfi abbat. Trudon. epistolae, SS. X, 325.]. In den allgemeinen Angelegenheiten hatte sich Gerhard unseres Wissens bisher nicht hervorgetan, in der weiteren Entwicklung dagegen gelangte er zu eine bedeutenden Stellung, vor allem, er wurde der Stammvater der Dynastie, welche Ober-Lothringen, bezeichnenderweise Lothringen schlechtweg, fast sieben Jahrhunderte lang unter dem herzoglichen Titel beherrscht hat [2 A. Cohn, Stammtafeln Nr. 29 und 30.].
Als der neue Herzog sein Amt antrat, befand sich der Kaiser in Straßburg und nicht unmöglich wäre es, daß die Einsetzung eben hier stattfand [3 Herim. Aug. Chron. a. 1048 berichtet zunächst: Post quem (Adalbertum) Gerhardus dux ab imperatore constituitur und fährt dann fort: Ipsis imperator diebus Argentoratum ... proficiscitur.]. Gewiß ist: die Ereignisse, welche diesen Akt veranlaßten, der Sieg Gottfrieds bei Thuin und die Katastrophe Herzog Adalberts zeigten von Neuem, wie sehr die eben hergestellte Verbindung des Kaisers mit dem König von Frankreich durch die Lage der Dinge geboten war, wie notwendig es war das Bündnis von Ivois aufrecht zu halten und weiter zu bilden.
Ein Sohn des Grafen Hugo II. von Egisheim, der ein Vetter Kaiser KONRADS war [3 Wibert, I. I, c. 1, ed. Watterich, p. 128. Vgl. Wibert, I.,I, c. 9, wo Bruno als nepos Kaiser KONRADS bezeichnet wird.], gehörte Bruno, wie sein Oheim und Lehrer, Bischof Adalbero III. von Metz [4 Als Neffe des Grafen Gerhard des Ältere von Elsaß, der Adalberos Tante Eva geheiratet hatte. Hirsch, Heinrich II. Band I Seite 535 und 537.] zu den Verwandten des kaiserlichen Hauses.
1056
Der Kaiser hielt damals einen Fürstentag, auf dem er unter anderem die stark in Verwirrung geratenen Vogteiverhältnisse und das Hofrecht des Klosters S. Maximin bei Trier neu ordnete und dazu erschienen nicht nur stets getreue Große wie die beiden Herzoge Gerhard und Friedrich, sondern auch Gottfried stellte sich ein.