Boshoff, Egon: Seite 63-127
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"Lothringen, Frankreich und das Reich in der Regierungszeit Heinrichs III."

Der Kaiser hat selbst in die Kämpfe nicht eingegriffen; er begnügte sich mit der Absetzung Gottfrieds des Bärtigen und ernannte an seiner Stelle einen Grafen Adalbert zum Herzog, den Laurentius von Lüttich in der Verduner Bistumsgeschichte als Herren von Longwy bezeichnet [160 Gesta epp. Virdun. cap. 2, MGH SS 10, Seite 492: ... nobilissimus Albertum de Longui castro, quem super se ille ducem statuerta, bello exemerit (scil. Gottfried). Vgl. Steindorff, 2 Seite 24.]; durch die Forschungen von E. Hlawitschka steht inzwischen fest, daß er der Bruder seines Nachfolgers Gerhard gewesen ist, den dieselbe Quelle als Castiniensis comes kennzeichnet, also mit dem Familienbesitz um die südlich von Toul gelegene Burg Chatenois in Verbindung gebracht [161 ebd. Ducatus autem patris earum (= der beiden Töchter des Herzogs Friedrich) ... datus est a rege Gerardo Castiniensi comiti ...; bei Sigebert, Chronica MGH SS 6, Seite 359 wird dieser Gerhard als "de Alsatia" bezeichnet. Vgl. dazu: Eduard Hlawitschka; Studien zur Äbtissinnenreihe von Remiremont (7.-13. Jh.), (Veröffentlichung des Instituts für Landeskunde des Saarlandes 9, 1963) Seite 69ff., vor allem Anm. 243; ders., Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jh., (Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 4, 1969) Seite 79ff., 99f. Vgl. aber auch: Michel Parisse, la Lorraine du IX au XI siecle, Annales de l'Est 23 (1971) Seite114.]. Dem neuen Herzog hat HEINRICH III. die Bekämpfung Gottfrieds überlassen, aber Adalbert fand bereits um die Mitte des folgenden Jahres in einem Gefecht mit dem Rebellen den Tod [162 Steindorff, 2 Seite 46; gegen Thuin als Ort des Gefechtes Dupreel, Seite 52.]; daß die Ernennung seines Bruders Gerhard zu seinem Nachfolger eine endgültige Klärung in der Frage der Besetzung des oberlothringischen Herzogtums bedeuten und eine jahrhundertelange Herrschaft des Hauses CHATENOIS (HABSBURG-LOTHRINGEN) begründen sollte, war im Jahre 1048 wahrlich nicht vorauszusehen.
Es fällt auf, daß die beiden von HEINRICH III. ernannten lothringischen Herzöge Gerhard und Friedrich in den Auseinandersetzungen so gut wie gar nicht in Erscheinung treten, wenn man einmal davon absieht, daß der LÜTZELBURGER bei dem militärischen Unternehmen der BALDUINE und Gottfrieds des Bärtigen von 1055 als Verteidiger von Antwerpen genannt wird. Der Wandel, der sich hier gegenüber den Zeiten Gozelos vollzogen hat, ist nicht zu verkennen: der Vater Gottfrieds des Bärtigen hat das Herzogtum tatsächlich noch in seiner Person repräsentiert; Freund und Feind galt er als der große Sieger in der Schlacht von Bar, der nostre patriae dux, der nach der Darstellung des Verfassers der Touler Vita Leonis IX zusammen mit dem Bischof Bruno von Toul nicht nur Lothringen, sondern auch den angrenzenden Regionen den Frieden sicherte. Und wenn der Triumphus sancti Remacli in antikisierender Terminologie die Stellung des Herzogs - bezogen auf Gottfried den Bärtigen - als magister militiae Lothringiae umschreibt, so hat das seine Berechtigung vielleicht für diesen noch, bestimmt aber für seinen Vater Gozelo, die beiden Gegenspieler Gottfrieds jedoch werden kaum mehr als Führer des lothringischen Heerbannes Anerkennung gefunden haben. Die Fürstenliste des D. H III. 372 ordnet Gottfried vor den Herzögen Gerhard und Friedrich ein; wenn man die  Bedenken als Produkt der königlichen Kanzlei verwerten könnte, würde sie ein Beleg sein für die Anerkennung des Vorranges des ehemaligen Herzogs gegenüber den beiden amtierenden, einer Führungsrolle im lothringischen Adel, die  Gottfried dann in den Tagen des Üergangs der Herrschaft auf HEINRICHS III. unmündigen Sohn tatsächlich gespielt hat. Auch das also ist ein Ergebnis des langen Konflikts, daß die Herzogsgewalt in beiden Lothringen beträchtlich an Ansehen und Führunsgfunktionen eingebüßt hat; es fehlte die Machtbasis, die es den Herzögen erlaubt hätte, den aufstrebenden Adel in Schranken zu halten, sich über ihren unmittelbaren Herrschaftsbereich hinaus Gehör zu verschaffen. Eine fortschreitende Zersplitterung war die Folge.
Unter den Adelsdynastien, auf deren Unterstützung das salische Königshaus bei der Durchsetzung seiner politischen Ziele im lothringischen Raume rechnen konnte, standen LÜTZELBURGER und EZZONEN, vielleicht auch bereits das Haus CHATENOIS [267 Dazu Michel Parisse, Les ducs, Seiote 87 und ebd. Anm. 9. Freilich bleibt seine Erwägung, der Graf Gerhard, der Vater der späteren Herzöge Adalert und Gerhard, habe 1045 nach der Absetzung Gottfrieds des Bärtigen für eine kurze Zeit die Herzogswürde innegehabt, wie er selbst einräumt, hypothetisch und kann daher auf sich beruhen; vgl. auch Hlawitschka, Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen, Seite 80 Anm. 2 sowie ders., Studien zur Äbtissinnenreihe von Remiremont (wie Anm. 161) Seite 64 Anm. 214.] voran.