Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2128
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Lotharingien
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Zwischen dem West- und Ostfrankenreich gelegenes 'Regnum' des Frankenreiches, zu den späteren Herzogtümern Ober- und Nieder-Lothringen siehe Lothringen, Nieder-Lothringen.
I. DAS REGNUM DER 'FRANCIA MEDIA' (855-900)
Nach dreijährigem Kampf zwischen den Söhnen
LUDWIGS DES FROMMEN, in dessen Verlauf verschiedene Reichsteilunspläne
diskutiert wurden, erfolgte im Vertrag von Verdun (August 843) die Erbfolgeregelung:
An Ludwig den Deutschen fielen die
Reichsgebiete östlich des Rheines, an KARL
DEN KAHLEN die Gebiete westlich von Maas und Saone (die Flüsse
bildeten jedoch nur theoretisch die Grenze, die in der Realität keineswegs
so exakt definiert war); LOTHAR I.,
dem die beiden Hauptstädte Rom und Aachen zugesprochen worden waren,
erhielt diejenigen Länder, die diese beiden Zentren umgaben bzw. verbanden,
das heißt einen langgestreckten Gebietsstreifen, der von Friesland
bis nach Mittelitalien reichte und - zum Teil in recht vager Weise - Italien,
Burgund und Teile des stark verkleinertem Austrien umfaßte. Dieses
Regnum wurde als 'Francia media' bezeichnet. Nach dem Tode LOTHARS
I. (+ 855) wurde es unter seine Söhne geteilt: LUDWIG
II. erhielt Italien, Lothar II.
den N-Teil (von Friesland bis Burgund), Karl die
Provence.
Wird der Begriff 'Lotharii regnum' (Lotharingia) in der
Sehweise von Historikern bisweilen zur Bezeichnung des weiträumigen
Reiches LOTHARS I. gebraucht, so steht
er im engeren Sinn für das Reich Lothars
II., das sich zwischen Maas und Rhein, der Nordseeküste
und dem Gebiet von Besancon erstreckte - während einer Periode, die
einerseits geprägt war von der funktionierenden karolingischen
'Brüdergemeine' (fraternitas) (regelmäßige Begegnungen
der fränkischen Herrscher), andererseits aber auch von Konflikten,
die maßgeblich von Lothars II.
'Ehestreit' (Streben nach Scheidung von Theutberga und Anerkennung der
Verbindung mit Walderada)ausgelöst worden. Schon zu Lebzeiten
Lothars II. hatten sich seine Onkel Ludwig
und KARL über eine Teilung des
Erbes Lothars abgesprochen. Konnte
KARL
nach Lothars Tod (+ 8. August 869)
infolge einer Erkrankung seines Bruders rasch in Metz einziehen und sich
zum alleinigen König (des Lothar-Reiches)
krönen lassen (September 869), so mußte er unter dem Druck Ludwigs
im folgenden Jahr einer gerechteren Teilung Lotharingiens zustimmen (Vertrag
von Meerssen, September 870). Anhand der Aufteilung der Bischofsstädte,
Grafschaften und Abteien, die Hinkmar von Reims in den Annalen von St-Bertin
nennt, läßt sich das Reich Lothars
II. rekonstruieren. Durch die Teilung erhielt Ludwig
die Bistümer Lüttich, Trier und Metz, das Elsaß und das
Toulois (Toul).
Seit 882 führten Verhandlungen zwischen den Königen
des Ost- und Westfränkischen Reiches zu einer Neuorganisation Lotharingiens
unter der Herrschaft der ostfränkischen KAROLINGER
Ludwig 'der Jüngere',
KARL 'DER
DICKE' und ARNULF 'von Kärnten'.
Letzterer entschloß sich zu einer Wiederherstellung des regnum Lotharii,
in das er 895 seinen Sohn Zwentibold
als
König einsetzte. Dieser verstrickte sich in Konflikt mit der örtlichen
Aristokratie, angeführt von Gerhard und Matfrid, in deren Verlauf
er fiel (900). Damit fand das eigenständige lotharingische Königtum
sein Ende.
II. DAS HERZOGTUM LOTHARINGIEN (900-959)
Die Ratgeber Ludwigs des Kindes
designierten den Franken Gebhard zum Herzog des "regnum quod Hlotharii
dicitur". Von der örtlichen Aristokratie kaum anerkannt, verteidigte
Gebhard
die königliche Autorität mit Mühe. Nach seinem Tode (gefallen
910 im Kampf gegen die Ungarn) fungierte mehrere Jahre lang kein Herzog
mehr; eine wichtige Rolle spielten Aristokraten wie Reginar I. und
vielleicht Ricuin, dann vor allem Reginars Sohn
Giselbert,
der hier seit 920 den ersten Platz einnahm und das Vertrauen des deutschenKönigs
HEINRICH I. besaß. 911-925 unterstellten die lothringischen
Großen das Regnum dem westfränkischen
KAROLINGER
Karl III. 'dem Einfältigen',
der allerdings durch schwere politische Fehler, vor allem starke Begünstigung
seines Vertrauten Hagano, in Mißkredit geriet. Konnte
Karl noch seine Kandidaten als Bischöfe durchsetzen (Richer
in Lüttich, Gauzlin in Toul) und einen Ausgleich mit dem deutschen
Königtum finden (Bonn, Vertrag von, 921), so gelang es
HEINRICH I. nach der Niederlage Karls
III. und dem Tode Roberts I. (923),
Lotharingien zurückzuerobern, eigene Kandidaten auf Bischofssitze
zu bringen und Giselbert, den er zu seinem Schwiegersohn machte,
als Herzog einzusetzen (928).
Nach HEINRICHS Tod
brachen unter den Grafen und Bischöfen Auseinandersetzungen aus; OTTO
I. wandte zur Durchsetzung seiner Autorität Waffengewalt
an. Nach dem Tode Giselberts (Oktober 939) und dem vorübergehenden
Eingreifen Ludwigs IV. von W-Franken
wurde die Situation wieder stabiler, wenngleich die kriegerischen Aristokratie
Lotharingiens stets ein Unruheherd blieb. Als ottonische
Herzöge fungierten nacheinander Heinrich,
der Bruder des Königs; Otto von Verdun, der Sohn Ricuins;
Konrad
der Rote, Schwiegersohn des Königs; nach Konrads
Empörung
(951) dann Erzbischof Brun von Köln,
der Bruder OTTOS I. Brun
stützte
sich auf Lotharingien, vor allem bei seinen Interventionen in Frankreich,
wo seine beiden Schwestern (Gerberga
als Königin, Hadwig als Herzogin)
einflußreich waren. Der mit Aufgaben überhäufte Brun
ernannte 959 (dieses Datum ist erwiesen) zwei Helfer, die den Herzogstitel
(den Brun nie geführt hat) erhielten:
Friedrich
(+ 978) für den Süden des Landes (das spätere Ober-Lothringen),
Gottfried
(gefallen 964) für den Norden (das spätere Nieder-Lothringen).
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LOTHRINGEN
Zwentibold König von Lothringen ( 895- 900) |
Reginar I. Langhals Herzog von Lothringen (900- 911) |
Giselbert Herzog von Lothringen (924- 939) |
Heinrich von Sachsen Herzog von Lothringen (939- 940) |
Otto Graf von Verdun Herzog von Lothringen ( 940- 944) |
Konrad der Rote Herzog von Lothringen (944- 953) |