Reginar starb Ende des Jahres 915. Sein Besitz
ging auf seine Söhne Giselbert und
Reginar über. Giselbert erbte
den weitaus größten Teil. Über seine Stellung lässt
sich nichts Genaues ermitteln. Er ist jedenfalls damals nicht Herzog in
Lothringen geworden. Zwar erwähnt der Mönch Sigehard in seinem
962 oder 963 verfassten Miracula S. Maximini: Giselbert,
noch ein Jüngling, sei dem Reich als Herzog vorgesetzt worden, da
er aber in diesem Zusammenhang weiter schreibt, zur gleichen Zeit sei HEINRICH
I. König gewesen, lässt sich erkennen, dass seine
chronologischen Vorstellungen nicht ganz klar sind, und so ist es nicht
angebracht, seiner Nachricht über die Herzogserhebung eine unbedingte
chronologische Autorität zuzuschreiben. Wir besitzen dann noch die
Bemerkung des im letzten Jahrzehnts des 10. Jahrhunderts schreibenden Mönchs
Richer von Reims, Giselbert habe von
König
Karl das väterliche Erbe erhalten. Da Richer aber für
Reginar
die
Titulierung vir consularis gebraucht, hat er Reginar und
damit Giselbert
nur als Grafen betrachtet.
Es ergibt sich indessen der Eindruck, Giselbert
sei wenigstens zu Beginn auch nicht einmal Graf gewesen. Auf
einer Versammlung der Großen des Reichs im Januar 916 wird er in
der Aufzählung der Teilnehmer ohne Titulierung, indes an dritter Stelle
in der Reihe der weltlichen Großen genannt. Erst im Sommer 919 ersehen
wir aus einer Urkunde Karls des Einfältigen,
durch die die Abtei St. Servatius in Maastricht, die im Besitz Giselberts
war, an das Erzbistum Trier gegeben wurde, dass er nicht mehr in der Gunst
des Königs stand.
Was sich in Wirklichkeit ereignet hat, lässt sich
nicht erkennen. Jedenfalls aber musste er Lothringen verlassen und kehrte
erst 920 zurück, als der westfränkische König wegen Hagano
mit seinen Großen in Schwierigkeiten geriet. Die Stimmung war jetzt
für ihn günstig, er konnte an die Spitze derjenigen treten, die
sich mit den westfränkischen Großen in der Unzufriedenheit über
die Politik des Königs trafen. Und so wählte ihn der größte
Teil der Lothringer im Jahre 920 nach den Worten des Chronisten Flodoard
von Reims zum princeps.
Es ist nicht klar zu erkennen, welche lothringische Großen
damals auf Seiten Giselberts standen.
Von den Bischöfen steht es fest, dass sie zum überwiegenden Teil
bei der Sache Karls blieben. Inzwischen
hatte sich Giselbert in der 2. Hälfte
des Jahres 920 König Karl wieder
unterwerfen müssen. Daraufhin war es ihm möglich, das Bistum
Lüttich an Abt Richer zu übertragen, der am 4. November 921 die
päpstliche Bestätigung erhielt. Karl erschien jetzt in Lothringen,
um einen letzten Widerstand auszuräumen, den noch Richwin, Graf von
Verdun, leistete.
In der Folgezeit finden wir Giselbert
zusammen mit Otto, wohl dem Grafen von Verdun, als Gegner
Karls, der nach Lothringen kam, um die beiden zu bekämpfen.
Giselberts
Aussichten stiegen dann, als auch im westfränkischen Reich
eine Opposition erstarkte, deren Führer Robert
von Neustrien war. Allerdings spalteten sich darüber die
Lothringer, ein Teil von ihnen hielt auf der Seite Karls
aus.
So kam es in Lothringen zu einigen Kämpfen, besonders um die Giselbert
gehörende
Burg Chevremont bei Lüttich, die
von
Karl belagert wurde. Er musste
sich indes beim Herannahen von Roberts
Sohn
Hugo zurückziehen.
Die Ernennung Rudolfs von Burgund
zum Gegen-König hat in Lothringen besondere Folgen gehabt. Karl
verlor
dort seinen Anhang, doch blieben die Lothringer in sich gespalten. Die
Hinwendung eines Teils von ihnen unter Führung des Bischofs Wigerich
von Metz zu Rudolf machten Graf
Giselbert und Erzbischof Ruotger von Trier nicht mit. Die Motive
dieser Gruppe lagen zum Teil wohl in einer direkten Abneigung gegenüber
Rudolf.
Sie wandten sich an den ostfränkischen
König
HEINRICH, der jetzt aktiv in die Auseinandersetzung eingriff.
Interne Auseinandersetzungen der lothringischen Großen
traten jetzt in den Vordergrund, Giselbert
geriet in Streit mit seinem Schwager, Graf Berengar vom Lommegau, mit dem
sich später auch Giselberts Bruder
Reginar verbündete.
Giselbert
suchte in seiner Streitsache eine Unterstützung bei König
Rudolf, dem er seine Unterwerfung anbot, er wurde aber zurückgewiesen.
Inzwischen ging zu Beginn 925 Giselbert
nochmals
die westfränkischen Großen an. Er verhandelte zunächst
mit Herbert von Vermandois, der seinerseits die Verbindung zu Hugo
von Francien und König Rudolf
herstellte. Der König setzte ein Treffen mit Giselbert
und den Lothringern in Cambrai an. Die Lothringer ließen
allerdings den Termin ungenützt, kamen anschließend jedoch Rudolf
über
die Maas entgegen, wobei Giselbert
und
Graf Otto von Verdun die Huldigung leisteten.
Im April 925 erschien auch König
HEINRICH in Lothringen und eroberte einen festen Platz, der
Giselbert
gehörte,
wahrscheinlich Zülpich. Dieser stellte ihm darauf Geiseln, wonach
HEINRICH das Land wieder verließ. Was weiterhin geschah,
können wir nicht mehr feststellen, im Laufe des Jahres 925 unterwarfen
sich alle Lothringer dem ostfränkischen König. Dieser söhnte
Giselbert
mit dem Grafen Boso und dessen Verbündeten Reginar,
Bruder
Giselberts, aus. Diese Nachricht
zeigt, wie letzterer jetzt für die Politik HEINRICHS
an Bedeutung gewonnen hat. Er wurde in mehrfacher Hinsicht begünstigt.
So erhielt er die lange zwischen seiner Familie und dem Erzbischof von
Trier umstrittene Abtei St. Servatius in Maastricht auf Lebenszeit übertragen,
allerdings unter Wahrung der Besitzrechte von Trier, und wahrscheinlich
gab ihm HEINRICH jetzt seine Tochter
Gerberga
zur Gemahlin.
Man wird wohl auch annehmen können, dass in dieser
Zeit Giselbert als
Herzog in Lothringen eingesetzt wurde, der genaue Zeitpunkt steht
allerdings nicht fest. Er selbst nennt sich in seinen eigenen Urkunden
seit 928 dux.
König HEINRICH
tituliert ihn indes noch im Jahre 931 in einer Urkunde als Grafen. Von
da an ist aber allgemein der Herzogstitel festzustellen. Im Jahre 930 bereits
erscheint
Giselbert deutlich auch öffentlich
in einer solchen Stellung, als er an der Spitze einer lothringischen Armee
in die westfränkischen Verhältnisse eingriff. Gerade im Zusammenhang
mit diesem Umstand dürfte die Veranlassung zu suchen sein, weshalb
HEINRICH
ihn zu seinem Stellvertreter delegierte. Der König wurde nämlich
immer stärker in die westfränkische Politik einbezogen, er musste
dort die Kräfte seines Reichs einsetzen. Da er andererseits gerade
aber an den Ostgrenzen gebunden war, konnte ein Herzog in Lothringen diese
Aufgabe übernahmen. Durch die Heirat mit seiner Tochter glaubte er
dabei, Giselbert an die Interessen
der Dynastie genügend gebunden zu haben.
In die westfränkischen Kämpfe der folgenden
Jahre griff Giselbert wiederholt im
Auftrage HEINRICHS I. zur Sicherung
der lothringischen Grenzen ein, stritt 931 mit Graf Boso, zog gegen dessen
Burg Durofostum aus und eroberte sie, worauf sich dieser dem westfränkischen
Reich anschloss.
Die Einigung von Ivois im Oktober 931 zwischen den beiden
Königen führte auch zu einem Stellungswechsel bei Herzog
Giselbert, der im Jahre 932 den mit König
Rudolf verbündeten Herzog Hugo
Unterstützung gegen Herbert verlieh. Es war indes nur eine kurze Aktion.
Die Notiz, dass es zu einer Unterredung mit König
Rudolf kam, bevor Giselbert seine
Streitkräfte zurückzog, könnte darauf deuten, dass er sich
von seinem König HEINRICH nicht
zu einem nachhaltigen Eingreifen ermächtigt hielt. Im Jahre 933 gingen
die Kämpfe zwischen Herbert und König
Rudolf mit wechselvollen Ergebnissen weiter. Schließlich
hat dann der ostfränkische König im späten Frühjahr
934 eine große Gesandtschaft abgefertigt, um in diesem Streit zugunsten
Herberts zu vermitteln. Dieser Gesandtschaft gehörten Herzog
Giselbert, ein Graf Eberhard und lothringische Bischöfe
an. Sie konnten einen Waffenstillstand bis zum 1. Oktober 934 zustandebringen,
wobei Herbert einige Opfer bringen musste. Nach Ablauf der Waffenruhe ist
dann Giselbert aus
nicht ersichtlichen Gründen Herbert mit einer Streitmacht gegen Hugo
von Francien zu Hilfe gezogen. Das scheint den Abschluss eines
neuen Waffenstillstandes bis zum 1. Mai 935 bewirkt zu haben, aufgrund
dessen die Lothringer sich wieder zurückzogen.
Als im Jahre 936 König
HEINRICH I. starb, finden wir bei der Krönung seines Sohnes
OTTO
in Aachen den Herzog Giselbert
an maßgebender Stelle. Nach
den Worten des Chronisten Widukind von Corvey hat er alles angeordnet,
was zum Feste nötig war. In den Auseinandersetzungen OTTOS
mit Bayern und Sachsen erwies sich auch Herzog
Giselbert für den König als unzuverlässig. Mehreren
Gesandtschaften begegnete er ausweichend. Auf der anderen Seite wurde Giselbert
auch in die westfränkischen Auseinandersetzungen verwickelt,
in die der dortige neue König Ludwig
mit seinen mächtigen Großen Hugo von
Francien und Herbert von Vermandois geraten war. Allerdings
könnte dies ganz im Sinne König OTTOS
gewesen sein, denn Hugo,
dem Giselbert zu Hilfe zog, hatte kurz zuvor OTTOS
Schwester
Hadwig
geheiratet.
Inzwischen verschlechterte sich im Jahre 938 die Lage
König
OTTOS. Nachdem schon eine Zeit lang nicht unerhebliche Unruhen
in Sachsen geherrscht hatten, begann sein Bruder Heinrich
Ansprüche auf den Thron aufzunehmen, wobei er gestützt
oder sogar veranlasst wurde durch Herzog Eberhard von Franken. Eberhard
seinerseits scheint den
Herzog Giselbert
für den Aufstand gewonnen zu haben, der in dieser Zeit versuchte,
mit dem westfränkischen König zu einer Verständigung zu
kommen. Durch eine Gesandtschaft bot er diesem seine Unterwerfung an, wobei
seine Motive hierfür nicht zu erkennen sind. Ludwig
lehnte
jedoch ab, weil kurz zuvor eine Verständigung zwischen ihm und
OTTO I. zustande gekommen war.
In Sachsen begann nun der Aufstand gegen OTTO.
Heinrich
zog von hier an den Rhein, um sich mit Giselbert
zu vereinigen. Sie trafen auf lothringischem Gebiet zusammen,
wohin auch Eberhard gelangte. OTTO
erschien nun ebenfalls am Rhein, unterschätzte jedoch die Sachlage,
denn er ließ sein Heer übersetzen, ohne zu wissen, dass die
feindliche Macht in unmittelbarer Nähe stand. So wurde im März
939 bei Birten, in der Nähe von Xanten, der bereits übergesetzte
Teil des königlichen Heeres in eine Schlacht verwickelt, in der trotz
der ungünstigen Umstände die Königlichen Sieger blieben.
Dieser an sich kleine Sieg hatte Folgen größeren
Ausmaßes. Es zerfiel nämlich darüber die gesamte Aktion
der drei Verbündeten. Nach Sachsen wurde gemeldet,
Heinrich sei gefallen, worauf ihn dort seine Anhänger zum
Teil aufgaben. Er selbst eilte dorthin, um seine Besitzungen zu retten,
doch konnte er sich nicht halten. Es kam dann zum Abschluss eines Waffenstillstandes
für die Dauer eines Monats, durch den Heinrich
freien Abzug erhielt. Er legte anschließend das Hauptgewicht auf
sein Bündnis mit Giselbert und ging wiederum nach Lothringen.
Dort wurde auch versucht, das ganze Unternehmen auf eine breitere Basis
zu stellen. Die Lothringer wandten sich erneut an den westfränkischen
König. Der Schritt wurde gemeinsam von Herzog
Giselbert und den Grafen Otto von Verdun und Isaak von Verdun
unternommen, ihnen schlossen sich auch Graf Dietrich von Holland an. Sie
alle leisteten
Ludwig IV. die Huldigung.
Die lothringischen Bischöfe fügten sich dieser Aktion allerdings
nicht an, weil sie zuvor OTTO Geiseln
für ihr Wohlverhalten hatten stellen müssen. Es scheint auch
zu einigen Kriegsvorbereitungen im westfränkischen Reich gekommen
zu sein, doch griff jetzt OTTO sehr
rasch ein.
Er erschien mit einem Heer in Lothringen, wobei das Land
durch die ostfränkischen Truppen schwer verwüstet wurde. Giselbert
musste flüchten, doch leistete andererseits seine Burg
Chevremont der Belagerung erfolgreichen Widerstand. Auch verblieb Graf
Immo, dessen Besitzungen im Raum Maastricht lagen, auf seiner Seite. Demgegenüber
knüpfte OTTO Verbindung mit den
westfränkischen oppositionellen Großen an und schloss mit ihnen
einen Vertrag, was sich allerdings noch nicht direkt auf die Lage auswirkte.
Dem König blieb nichts anderes übrig, als Lothringen wieder zu
verlassen.
Inzwischen kam eine Aktion des westfränkischen Königs
in Gang. Er kam nach Verdun, wo ihm jetzt wahrscheinlich die Bischöfe
von Metz, Toul und Verdun huldigten. Der Zug ging dann noch weiter ins
Elsaß, wobei der Zweck allerdings nicht klar zu erkennen ist. Die
Situation bleibt für uns etwas ins Dunkel gehüllt, weil die Quellenberichte
nicht miteinander übereinstimmen. Jedenfalls wurde OTTOS
Lage sehr schwierig, da in seiner Umgebung ein starker Abfall einsetzte.
In diesem Augenblick überquerten Giselbert
und Eberhard mit einem Heere bei Andernach den Rhein und brachen
in Sachsen ein. Es handelte sich anscheinend um einen Plünderungs-
und Verwüstungszug, denn sie gingen wieder zurück, bevor es zu
einem Treffen mit den gegnerischen Kräften gekommen war. Ein Teil
ihrer Streitkräfte war bereits auf das westliche Rheinufer zurückgesetzt,
als die Grafen Udo und Konrad mit ihren Leuten ankamen und Eberhard und
Giselbert
überraschen konnten. Eberhard fiel im Kampfe; Giselbert
suchte über den Rhein zu fliehen, die einen sagen in einem Boot, die
andern auf seinem Pferde, jedenfalls ertrank er bei diesem Versuch.