Im Alter von 17 Jahren wurde OTTO,
dem Sohn König HEINRICHS I., der
erste Sohn geboren. Die Mutter des Knaben war eine vornehme Slawin.
Durch die Namensgebung - das Kind erhielt den Namen Wilhelm
- war dieser aus der Familie der LIUDOLFINGER
ausgeschlossen worden.
In seinen späteren Lebensjahren erlangte
Wilhelm
Bekanntheit als Erzbischof von Mainz,
und hier besonders durch die Gegnerschaft zu den Plänen seines Vaters,
König
OTTOS I., die neue "sedes regia" Magdeburg zu einem Erzbistum
zu erheben.
1. Wilhelms Weg ins Bischofsamt
-----------------------------------------
Wilhelm kam im Jahr
929 zur Welt: "cuius mater, licet peregrina, nobili tamen erat genere
procreata".
König HEINRICH
sah sich veranlaßt, die ungestüme Jugend seines Sohnes zu zügeln
und ihn mit einer dem König genehmen Gemahlin, der angelsächsischen
Königs-Tochter Edgith, zu vermählen. Die Namensgebung
für den neugeborenen Knaben verdeutlichte dessen illegitimen Charakter:
der Name
Wilhelm war und blieb in der
Familie der LIUDOLFINGER vollkommen
unüblich und schloß den Sohn OTTOS
somit aus dem engeren Familienverband aus.
Schon bald dürfte Wilhelm
für die geistliche Laufbahn bestimmt worden sein. Rückschlüsse
auf seinen Bildungsstand erlauben uns zwei Dokumente: der Brief des Mainzer
Erzbischofs an den Papst Agapit II., mit dem sich Wilhelm
über die Pläne OTTOS I. zur
Einrichtung des geplanten Erzbistums in Magdeburg beschwerte, und Notizen
von seiner eigenen Hand in Wilhelms Handexemplar
der Annales Augienses. Der Brief an Papst Agapit beweist durch seine geschickte
Wortwahl und seine raffinierte Argumentationstechnik, dass Wilhelm
in einer entsprechenden Ausbildung auf eine führende Stellung in der
Kirchenhierarchie vorbereitet worden sein muß. Neben seinen Kenntnissen
in lateinischer Stilistik war der Königssohn auch im kanonischen Recht
offenbar gut bewandert. Des weiteren zeigte WilhelmInteresse
an Geschichtsschreibung und Literatur: bezeugt ist seine Bekanntschaft
mit der Geschichtsschreiberin und Dramatikerin Hrotsvith von Gandersheim.
Staatsmännische Fähigkeiten bewies der Mainzer Erzbischof, als
er mit seinem Onkel, Erzbischof Brun von Köln,
während des zweiten Italienzuges OTTOS DES
GROSSEN die Regentschaft im Reich führte. Wilhelmwar
offenbar am 25. September 953, als er in das kanonisch vorgeschriebene
Alter von 24 Jahren eingetreten war, von seinem Onkel Bruno
an dessen Ordinationstag zum Priester geweiht worden.
In das Licht unserer Quellen tritt Wilhelm
aber erst im Jahr 954. Auf dem Reichstag zu Arnstadt, auf dem
auch das Urteil über die Beteiligten des Liudolf-Aufstandes gefällt
wurde, bestimmte man Wilhelm zum Erzbischof
von Mainz, dem größten und einflußreichsten
Metropolitansitz des Reiches. Er folgte Erzbischof Friedrich von Mainz
nach, der am 25. Oktober desselben Jahres verstorben war.
Wilhelm erlangte
die Würde des Mainzer Erzbischofs als Sohn OTTOS
DES GROSSEN. Dennoch darf die Erhebung Wilhelms
nicht als Erfolg König OTTOS I.
gewertet werden, wie dies Martin Lintzel mit einleuchtenden
Argumenten aufgezeigt hat. Die ältere Forschung hat in der Wahl Wilhelms
einen Sieg OTTOS gesehen, der in seiner
Bedeutung mit der Unterwerfung Liudolfs vergleichbar
sei. Erzbischof Friedrich, der Amtsvorgänger Wilhelms,
war für die Regierung OTTOS DES GROSSEN immer
ein Unsicherheitsfaktor gewesen, und es sei, wie die Forschung meinte,
in der Wahl eines Sohnes des Königs die Einsetzung eines vertrauenswürdigen,
zuverlässigen Metropoliten vollzogen worden, wie an die Stelle der
aufständischen Herzöge Liudolf und
Konrad zuverlässige Anhänger des Königs getreten seien.
In seinem Handexemplar der Annales Augienses notierte
Wilhelm
in Ergänzung des Jahreseintrages:
"Anno dominicae incarnationis 954, indictione 12, beatae
memoriae domnus Frithuricus, sancta Mogontiacensis aecclesiae archiepiscopus,
8 Kal. Novembris obiit. Eodem vero anno ego Willihelmus,
tantae successionis indignus, logo eius cum consensu cleri et populi aiusdem
sanctae sedis 16 Kal. Januarii, ipsoque die pace inter regem Ottonem et
filium eius Liudolfum facta, in loco Aranstedi, sum electus..."
Wilhelm betont in dieser Notiz die nach den kanonischen
Regeln vorgenommene Wahl durch Klerus und Volk von Mainz. Kein Wort deutet
darauf hin - Lintzel macht besonders auf dieses Argument e silentio aufmerksam
-, hiermit sei ein Sieg über das aufständische Mainz errungen
worden. "Tantae successionis indignus": auch dies dürfte mehr sein
als eine der üblichen Bescheidenheitsformeln. Eine derartige Topik
hätte sich in andere Form kleiden lassen, ja gekleidet werden müssen,
wenn Wilhelm ein Gegner seines Amtsvorgängers
gewesen sein sollte.
Wilhelm dürfte
in Friedrich somit eher ein Vorbild denn das Negativbild eines Erzbischofs,
gegen den er sich hätte absetzen müssen, gesehen haben. Der verstorbene
Erzbischof hatte in jedem Aufstand eine für die Herrschaft OTTOS
DES GROSSEN zumindest zwiespältige Haltung eingenommen.
Mainz war von Friedrich, wenn er sich auch nicht selbst an den Kämpfen
beteiligt hatte, doch an die beiden Empörer Liudolf
und
Konrad überlassen worden: die Herrschaft König
OTTOS I. hatte wegen dieses Verhaltens schweren Schaden erlitten.
Zudem war im Dezember 954 der Liudolfaufstand noch nicht endgültig
beendigt: in Bayern hielten die LUITPOLDINGER weiter die Stadt Regensburg
in ihrer Hand, in Sachsen schwelte der Aufstand weiter, und auch Mainz
war noch unbezwungen, wenn sich die Stadt auch eben in Arnstadt ergab.
So entsprach es durchaus der gesamtpolitischen Situation, wenn die Nachfolge
des verstorbenen Mainzer Erzbischofs ein Mann antrat, der in seiner Person
versprach, die Politik seines Amtsvorgängers nicht aprupt in die andere
Richtung zu lenken.
Auf der anderen Seite dürfen wir aber auch nicht
vergessen, dass
Wilhelm nun auch ein
Sohn des Königs war. So mochte OTTO I. vielleicht
darauf hoffen, sein Sohn könne sich durch familäre Rücksichten
dazu bewogen fühlen, auf lange Sicht gesehen doch einen eher ottonen-freundlichen
Kurs einzuschlagen. Es ließe sich somit die These vertreten, beide
Seiten könnten in Wilhelm einen Kompromißkandidaten gesehen
haben, von dem jede Partei hoffte, der neue Erzbischof werde sich schließlich
eher den eigenen Vorstellungen gemäß entwickeln.
Die erste Amtshandlung des neuen Erzbischofs, die in
den Quellen bezeugt ist, zeigt die eigenständige Handlungsweise Wilhelms,
obwohl sie sich ganz im Rahmen des Üblichen hält. So rasch wie
nur irgend möglich, gleich nachdem die Alpenpässe wieder passierbar
waren (Wilhelm war ja Dezember zum
Erzbischof erhoben worden), überbrachten Boten Papst Agapit II. die
Wahlanzeige. Wilhelm erbat und erhielt
die Würde eines "vicarius missus in partibus Germaniae Galliaeque",
wie sie auch sein Amtsvorgänger Friedrich innegehabt hatte. Mit diesem
Amt, das den besonderen Schutz des Papstes für die Rechts- und Ehrenstellung
der Mainzer Kirche gewährleistet, war das Recht verbunden, an jedem
beliebigen Ort im Vikariatsbereich eine Synode einberufen zu können.
Es war an und für sich nichts Ungewöhnliches,
eine solche Wahlanzeige an den Papst zu senden, sondern allgemein geübte
Praxis bei den Erzbischöfen. Auffällig ist allerdings die Eile,
mit der Wilhelm nach
Rom sandte. So nahm
Wilhelms Onkel,
Erzbischof
Bruno von Köln, erst zwei Jahre nach dem Amtsantritt mit
dem Papst Kontakt auf, als zufällig ein Bote in anderem Auftrag nach
Rom reiste: Abt Hadamar von Fulda überbrachte dem Heiligen Stuhl die
Nachricht vom Ungarnsieg OTTOS DES GROSSEN
und bat zugleich um ein Privileg für den König, der in Magdeburg
ein Erzbistum einrichten wollte - dies alles unter dem offiziellen Auftrag
(wohl als Vorwand), für Brun das
Pallium zu erbitten. "Man darf die Frage aufwerfen, ob in diesem verschiedenen
Handeln der beiden Erzbischöfe nicht schon eine unterschiedliche Auffassung
von ihrer Stellung offenbar wurde."
Schon im November 955 sah sich Erzbischof
Wilhelm veranlaßt, sich erneut an den Papst zu wenden.
Diesmal ging es um die Problematik, die der Plan König
OTTOS I. aufgeworfen hatte, für die Slawenmission ein neues
Erzbistum einzurichten.
2. Überblick über die Ostpolitik Ottos des Großen
-------------------------------------------------------------
König HEINRICH I.
hatte in wechselhaften Kämpfen die Grenzen seines Reiches über
Elbe und Saale hinaus geschoben. Auch sein Sohn OTTO
I. sah eine der Hauptaufgaben seiner Regierung darin, die Ostgrenze
zu sichern und auszubauen. Die Zielsetzung OTTOS
ging jedoch über die seines Vaters hinaus: von Anfang an
plante er, die neuerworbenen Gebiete auf dem Weg der Christianisierung
der Heiden für das Reich auf Dauer zu sichern.
Um die O-Grenze militärisch zu verteidigen und für
die weiteren Feldzüge eine Ausgangsbasis zu schaffen, waren Marken
eingerichtet worden, die OTTO gleich
nach dem Regierungsantritt mit neuen, fähigen Männern besetzte.
Die Herrschaft mußte aber auch auf das Heil der
Beherrschten bedacht sein und bezog aus dieser Motivation nicht zuletzt
ihre Rechtfertigung: so ergab sich aus diesen Zielen zwangsläufig
die Pflicht des Herrschers zur Mission: "Quoniam augmentum divini cultus
salutem et statum esse regni vel imperii nostri credimus: idcirco cunctis
quibus posse suppetit modis hoc amplificare tendimus et desideramus." Um
dieser seiner Pflicht zu genügen, errichtete König
OTTO I. im Jahr 937 das Kloster des heiligen Mauritius (Moritz),
das von Anfang an als Missionszentrum geplant war, wie die reiche Ausstattung
nahelegt. Neben der Verwendung als Militär- und Handelsstützpunkt
wurde die Stadt an der Elbe einer der bevorzugten Aufenthaltsorte OTTOS
I. Im Jahr 948 wurden mehrere Bistümer: Brandenburg und
Havelberg an der mittleren Elbe sowie Schleswig, Ripen und Aarhus gegründet;
sie wurden den beiden Metropolitansitzen in Mainz und in Hamburg-Bremen
als Suffraganbistümer zugeschlagen.
3. Der Brief Wilhelms an Papst Agapit II. vom November
955
----------------------------------------------------------------------------
Durch den Brief Erzbischof Wilhelms
an Papst Agapit II. erfahren wir erstmals von dem Plan König
OTTOS DES GROSSEN, für die Slawengebiete ein eigenes Erzbistum
einzurichten. Da dieses Schreiben sowohl für die Politik OTTOS
DES GROSSEN als auch für die Person Wilhelms
von Mainz aufschlußreich ist, sei hier ausführlich
darauf eingegangen.
Nach einleitenden und allgemeinen Höflichkeitsfloskeln
weist Wilhelm auf die Gefahr im Innern
des Reiches hin, da die Bedrohung von außen (die Ungarn) nun abgewendet
sei: die Lage der Kirche im Reich sei bedroht, der geistliche Bereich unter
die Herrschaft der weltlichen Macht geraten. So sei beispielweise der Erzbischof
Herold von Salzburg von einem weltlichen Fürsten, Herzog
Heinrich von Bayern, geblendet worden. (Hier sei darauf aufmerksam
gemacht, dass Heinrich von Bayern Wilhelms Onkel
war und zu dieser Zeit zu den vertrautesten Fürsten am königlichen
Hofe gezählt werden muß.)
Nun bringt Wilhelm
sein eigentliches Anliegen zur Sprache. Sein Erzbistum sei zwar so groß,
daß es keiner Vergrößerung mehr bedürfe, doch werde
versucht, das Erzbistum zu schädigen. Als Vorwand für dieses
widerrechtliche Vorhaben dienten Missionspläne. Wilhelm
zitiert wörtlich das ihm vor mehreren Monaten erteilte
Vikariatsprivileg, das jegliche Minderung des Erzstuhles ausdrücklich
untersagte. Einer Schädigung von Mainz, so schreibt Wilhelm
weiter, werde er nie im Leben zustimmen. Nun sei aber ein falscher Prophet,
ein "Wolf im Schafspelz", nach Rom gereist, der ein päpstliches Privileg
mitgebracht habe, das dem König erlaube, nach Gutdünken Bistümer
einzurichten. Dies sei ohne sein (Wilhelms)
Wissen geschehen, obwohl ihm als Vikar die Regelung aller kirchlichen Fragen
vom Papst, dem Adressaten seines Schreibens, zugestanden worden sei.
Der Papst wird in diesem Brief in die Rolle des eigentlichen
Angeklagten hineinmanövriert, während Wilhelm
seinen
Vater, den König, auffallend schont. Der Erzbischof beruft sich auf
die juristische Lage der Dinge, die ihn eindeutig ins Recht setzte: ohne
Zustimmung des Mainzers durfte niemand eine Verkleinerung des Metropolitangebietes
vornehmen, wie dies König OTTO
mit der Verlagerung des Bistums Halberstadt nach Magdeburg und dessen Erhebung
zum Erzbistum plante.
Sollte der Papst aber dennoch an seinem Vorhaben festhalten
wollen, forderte Wilhelm in seinem
Brief die Einberufung eines Konzils, an dem der König und die Erzbischöfe
von Köln, Mainz und Trier teilnehmen sollten, um die anstehenden Punkte
zu erörtern: die Blendung Herolds von Salzburg, die Vertreibung Bischof
Rathers aus Lüttich und andere Fragen, womit das eigentliche Hauptanliegen
Wilhelms,
die Magdeburger Problematik, geschickt kaschiert war. Wenn es der Papst
zum Konzil kommen lassen wollte, drohte Wilhelm
zudem mit der Aufkündigung des Gehorsams: lieber wolle er sich dann
den Aufgaben der Mission widmen. Auch diese Absichtserklärung war
kirchenrechtlich korrekt. Die Mission galt im 10. Jahrhundert als peregrinatio,
als besondere Ausprägung strenger religiöser Zucht und Gesinnung.
Sie brachte erhöhte Anstrengungen mit sich, verlangte den Verzicht
auf Heimat und führte in ein ungewisses Dasein. Andererseits galt
der Grundsatz, man dürfe eine kirchliche Stellung nur dann verlassen,
um dagegen ein strengeres, höheren religiösen Anforderungen genügendes
Leben einzutauschen.
Wilhelms Protesthaltung,
zu der ihn keinesfalls eine innere Berufung drängte, hätte ihn
mit Sicherheit nicht in allzu große Nachteile gestürzt: Papst
Agapit II. und
hätten kaum anders handeln können, als Wilhelm
den neuen Erzstuhl in Magdeburg zu übertragen, wenn der Mainzer schon
zur Aufgabe seiner glanzvollen Stellung als Metropolit von Mainz bereit
gewesen wäre.
In seinem Brief stellte Wilhelm
dem Hauptanliegen die Kritik an der allgemeinen Lage der Kirche im Reich
voran: weltliche Große richteten Kleriker, wie zum Beispiel Herzog
Heinrich von Bayern Herold von Salzburg hätte blenden lassen:
"Non personam, mitisque sibi opperam vindicat." Wilhelm
fordert also, Kleriker nach dem kanonischen und nicht nach dem weltlichen
Recht abzuurteilen. Auch gegen den König, der nur so nebenher Erwähnung
findet, werden ähnliche Vorwürfe laut: OTTO
I. informiere den am nächsten Beteiligten nicht einmal,
wenn er die Einrichtung neuer Bistümer plane, geschweige denn, daß
er diesen um sein Einverständnis bitte; mit Geld erkaufe sich der
König Privilegien, die alte Kirchenrechte verletzten. Hiermit war
"das ganze System der ottonischen Politik gemeint, die alles und jedes
in ihren Bereich und unter ihre Leitung zu ziehen sich unterfing". König
OTTO I. sollte allerdings bei der Regelung der strittigen Punkte
durchaus beteiligt sein, nicht wie gut 100 Jahre später Humbert von
Silva Candida und Papst Gregor VII. den völligen Ausschluß des
Kaisers und die alleinige Kompetenz des Papstes forderten. Doch sprach
aus dem Brief Wilhelms "das Verlangen,
daß die Dinge der Kirche im Einvernehmen mit dem Klerus zu behandeln
seien, daß Geistliches geistlich behandelt würde, daß
die Grenzen der beiden Sphären, des weltlichen und des Geistlichen,
nicht verwischt würden.
Die Boten des Erzbischofs von Mainz trafen den Adressaten
ihres zu überbringenden Briefes nicht mehr unter den Lebenden an.
Der Nachfolger Agapits auf dem Stuhl Petri, Papst Johannes XII., antwortete
Wilhelm
nur in allgemein gehaltenen Segenswünschen und Ermahnungen, ohne auf
die scharfen Anschuldigungen des Mainzers überhaupt einzugehen. Trotzdem
waren die Magdeburger Pläne OTTOS I. vorerst
gescheitert - zumal Wilhelm nicht der
einzige Gegner gewesen sein dürfte.
Welche Gründe den Mainzer letztlich dazu bewogen,
gegen die Pläne zur Gründung des Erzbistums Magdeburg einzuschreiten,
ist auf der Basis unseres Wissens aus den Quellen nicht zu entscheiden.
In der Forschung werden an Motiven genannt: die Tradition der Mainzer Bischofskirche,
in die Wilhelm eingetreten sei, reines
Machtstreben oder eine tiefe Sorge um das Heil der Kirche. Der Rechtsstandpunkt
war in jedem Fall unangreifbar, in ihm fand die königliche Macht ihre
Grenze. "Es gibt nur den freiwilligen Verzicht des Berechtigten und nichts
anderes, was dieses Recht auf rechtlichem Weg beseitigen kann." Wenn der
König seine Pläne zur Errichtung eines Erzbistums in Magdeburg
nicht völlig aufgeben wollte, mußte er versuchen, sich mit Wilhelm
gütlich zu einigen, um sein Vorhaben dann im Einvernehmen mit dem
Mainzer Metropoliten in die Tat umsetzen zu können.
4. Der erste Kompromiß
------------------------------
Wilhelm hatte deutlich
gesagt, worin für ihn kein Kompromiß möglich war: "tum
quod minorationem nostrae sedis translationemque Halberestetensis aeclesia
me vivo non consentiam". Diese beiden Punkte - keine "minoratio" von Mainz
und keine "translatio" des Bistums Halberstadt - waren also bei allen Überlegungen
zu einer eventuellen Verständigung unbedingt zu berücksichtigen.
Zunächst scheint sich keine gemeinsame Basis gefunden
zu haben. Zwischen König OTTO I. und
Erzbischof
Wilhelm ist keinerlei Kontakt nachweisbar - etwa durch die Intervention
Wilhelms in einer Königsurkunde.
Wilhelm
tritt jedoch in einigen UrkundenOTTOS DES GROSSEN
als Erzkanzler in der Rekognitionszeile in Erscheinung: hierbei handelt
es sich zwar nur um eine rein ehrende Erwähnung, da der Erzkanzler
in aller Regel keinerlei Tätigkeiten in der königlichen Kanzlei
ausübte. In der Forschung interpretiert man diese Nennung
Wilhelms
als Erzkanzler dahingehend,
OTTO DER GROSSE habe
die Haltung seines Sohnes, des Erzbischofs von Mainz, respektiert, wenn
diese auch seinen eigenen Planungen zuwiderlief. Allerdings unternahm der
König in den nächsten Jahren vorbereitende Schritte, ohne hiermit
freilich die endgültige Verwirklichung durchsetzen zu können.
Das Mauritiuskloster wurde wiederholt dotiert, als neues Missionszentrum
das Magdeburger Laurentius-Kloster neu gestiftet. In Merseburg richtete
OTTO
I. ein Stift ein, um die personellen Voraussetzungen für
die Einrichtung eines Domkapitels zu schaffen. Als weitere vorbereitende
Maßnahmen transferierte man Reliquien nach Magdeburg, insbesondere
die Gebeine des heiligen Mauritius, die, wie es die Aufgabe von Heiligenreliquien
ist, für die geplante Missionstätigkeit wirken sollten.
Schließlich kam es auf der Basis der von Wilhelm
in seinem Brief von November 955 abgesteckten Position zu einem Kompromiß
zwischen König und Erzbischof, dessen Symptom die Forschung darin
sieht, daß der Mainzer in der Königsurkunde D O I. 222 b vom
23. April 961 zum ersten Mal als Intervenient Erwähnung findet. Für
den Zeitraum des geplanten Italienzuges König
OTTOS DES GROSSEN wurde Wilhelm
nicht nur die Erziehung des Thronfolgers, des soeben gekrönten OTTO
II., und die Führung der Regierungsgeschäfte in Gemeinschaft
mit seinem Onkel, Erzbischof Brun von Köln,
übertragen, sondern auch eine Sonderaufgabe: "cura ab imperatore...
comissa fuit Parthenopolim disponendi". Kurz zuvor hatte sich OTTO
DER GROSSE in einer wichtigen Angelegenheit von seinem Sohn
beraten lassen: auf Wilhelms
Vorschlag sandte er den Trierer Mönch Adalbert aus dem Kloster St.
Maximin zu Trier in Missionsaufgaben nach Rußland.
Wie hatte Wilhelm
dazu bewogen werden können, seinen Widerstand aufzugeben? Helmut Beumann
hat in Beantwortung dieser Frage die These vertreten, Wilhelm
seien wichtige Rechte als Lohn für sein Einverständnis zugestanden
worden, und zwar seien diese Rechte in einem nicht mehr erhaltenen Papstprivileg,
das im Jahr 962 ausgestellt worden sein müsse, verbrieft worden. Dieses
von Beumann vermutete Privileg lasse sich aus einer im Jahre 975 ausgestellten
Bestätigung der 962 verbrieften Rechte nachweisen und rekonstruieren;
die Papsturkunde von 975 war für Willigis, den Nachfolger Wilhelms
auf dem Mainzer Metropolitansitz, ausgestellt worden. Wilhelm,
so Beumann, habe mit dem verlorenen Privileg den Primat über die anderen
deutschen Metropoliten zugesprochen erhalten sowie das Recht, die Könige
des Reiches zu krönen. Hinzu kam die Erlaubnis, das Pallium an den
Festtagen des heiligen Mauritius und des heiligen Laurentius zu tragen.
Diese zusätzlichen Palliumstage wurden von König
OTTO auch für die anderen Metropoliten erwirkt als Zeichen
der hohen Verehrung, die der König diesen beiden Heiligen entgegenbrachte.
Zudem hatte sich der König dazu bewegen lassen, das Erzbistum Magdeburg
nicht durch eine Verlegung des Bistums Halberstadt einzurichten; somit
sollte dem Mainzer Erzstuhl nur eine relativ geringe Gebietsabtretung zugemutet
werden.
König OTTO I.hatte
hiermit die Forderungen Wilhelms im
großen und ganzen, mit nur kleinen Abstrichen, erfüllt und ihm
zum Ausgleich für die geringen Nachteile eine erhebliche Steigerung
seines Ansehens zugestanden - so scheint es wenigstens auf den ersten Blick.
Wilhelm
fand sich unter diesen Bedingungen dazu bereit, dem Kompromiß zuzustimmen.
Freilich sollte der Mainzer Erzbischof von nun an von
der weiteren Beteiligung an der Missionspolitik ausgeschlossen werden.
Hierfür hätte er nur die recht vage Aussicht für sich eingehandelt,
in eine ähnliche Vertrauensstellung beim König aufzusteigen,
wie sie sein Onkel Bruno beim König
innehatte, und die ihm künftig über den Einfluß im königlichen
Rat auch die weitere Beteiligung an der Missionspolitik sichern würde.OTTO
DER GROSSE dürfte in diesen Tagen allerdings kompromißbereit
gewesen sein als sieben Jahre zuvor. Die unruhige Lage in den Slawengebieten
erforderte einfach eine festere Organisation. Zudem war auch im Moment
die Lage in Rom sehr günstig, um endlich die Kaiserkrone zu erringen,
worum sich König OTTO I. bereits
bei seinem ersten Italienzug bemüht hatte. So war es angebracht, sich
im Rücken Ruhe zu verschaffen, um die Hände für ein Eingreifen
in Italien frei zu haben. Zugleich konnte auf diesem Italienzug neben der
Kaiserkrone auch das Einverständnis des Papstes für die Einrichtung
der Slawenbistümer, was nach dem Kirchenrecht unabdingbar notwendig
war, eingeholt werden.
Wie sich freilich zeigen sollte, war König
OTTO I. trotz der Modifikation seiner Pläne der Neugründung
in Magdeburg nicht nähergekommen. Mit dem Placet des Mainzer Erzbischofs
hatte er sich das Veto des Bischofs von Halberstadt eingehandelt. Der dortige
Bischof Bernhard hätte zwar gern seine Erhöhung zum Erzbischof
von Magdeburg erlebt; aber in den neuen Plänen sollte er derjenige
sein, der durch Abtretungen von seinem Sprengel die territoriale Grundlage
für das neue Erzbistum schaffen sollte.
Trotzdem wurde das Ergebnis des Kompromisses zwischen
König
OTTO I. und Wilhelm von Mainz
während des Aufenthaltes OTTOS
in der Ewigen Stadt in einem Papstdekret ausformuliert. In der Dispositio
ordnet der Papst die Einrichtung des Erzbistums in Magdeburg an, geht aber
gleichzeitig davon aus, sein Dekret allein könne dies nicht entscheiden.
Andernfalls hätte es sich nämlich erübrigt, die Metropoliten
des Reiches, die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier, Salzburg
und Hamburg-Bremen, ausdrücklich dazu zu verpflichten, den Beschlüssen
des Papstes für Magdeburg zuzustimmen und die Neugründung nach
Kräften zu unterstützen. Mit diesem Dekret werden sämtliche
deutsche Metropoliten zu einer dem Papst konkurrierenden Instanz. Diese
Stellung der deutschen Erzbischöfe wird noch dahingehend erweitert,
daß das Dekret den Metropolitanbischöfen ein Konsensrecht bei
der Ernennung neuer Suffraganbischöfe durch den Erzbischof von Magdeburg
zugesteht. Interessant ist hier, daß alle Metropolitanbischöfe
und nicht etwa nur der Mainzer Erzbischof allein ein Zustimmungsrecht zugesprochen
erhalten: der Primat des Mainzer Erzbischofs kommt allerdings in dessen
Nennung an erster Stelle zum Ausdruck, während Wilhelm
nach Amtszeit erst die dritte zugestanden wäre. In diesem Papstdekret
deutet sich so erstmals die Bildung einer Reichskirche an, die eine mit
dem Papst konkurriende Zuständigkeit beansprucht.
Die skizzierten Einschränkungen in dem Papstdekret
lagen durchaus in der Linie der ursprünglichen Forderungen Wilhelms,
der die alleinige Zuständigkeit des Papstes bestritten und die Einberufung
einer Nationalsynode gefordert hatte. Allerdings wird sich der Mainzer
Erzbischof diese Nationalsynode etwas anders vorgestellt haben: in seinem
Brief hatte er die ausschlaggebende kirchenrechtliche Kompetenz für
sich und den Mainzer Metropolitansitz in Anspruch genommen. Nun sah er
sich, nach Berücksichtigung seiner rechtlichen Bedenken, auf den Vorsitz
in einem Gremium beschränkt, dessen Mehrheitsvotum bei der damaligen
personellen Zusammensetzung nicht zweifelhaft sein konnte. Zudem ist es
ziemlich fraglich, ob die Vermehrung seiner Palliumstage um die neu hinzugekommenen
Gedenktage der Magdeburger Heiligen Mauritius und Laurentius für Wilhelmein
Quell ungeteilter Freude gewesen ist. Das nur ad personam verliehene Krönungsrecht
war so kurz nach der endgültigen Regelung der Thronfolge mit der Krönung
des 7-jährigen OTTO II.auch nur
eine sehr vage Aussicht auf einen eventuellen Gewinn an Ansehen. Bei näheren
Zusehen wird so ersichtlich, wie das Papstdekret und die dazugehörigen
Absprachen einige Spitzen gegen den Mainzer Erzbischof enthalten haben.
5. Der zweite Kompromiß
--------------------------------
Doch das Veto Bernhards von Halberstadt erwies sich als
ebenso unüberwindlich wie das bisherige Wilhelms
von Mainz: "Ibi [in Magdaburgensi civitate] etiam episcopatum
facere conatus, apud Bernardum, sanctae Halverstidensis aeclesiae antistitem
VII um, in cuius diocesi urbs praefata iacet, quamdiu vixit, impetrare
non potuit." Bei Bernhard wird die Erklärung seines Widerstandes gemeinhin
mit Altersstarrsinn gesehen: er war bereits in den 70-ern. Auch Wilhelm
scheint mit dem ausgehandelten Kompromiß nicht recht zufrieden gewesen
zu sein. Seine Beteiligung am weiteren Aufbau der geplanten Diözese
zeigt sich zwar in den Interventionen in den Königsurkunden, mit denen
OTTO
I. weiterhin das im Aufbau befindliche Kirchenzentrum dotierte.
Jedoch scheint der Mainzer Erzbischof einer endgültigen Entscheidung
in der Magdeburger Frage ausgewichen zu sein: dies legt eine von Eduard
Quiter durchgeführte Untersuchung der Kaiserurkunden der Zeit nahe,
in der sich Kaiser OTTO DER GROSSE
zwischen seinem zweiten und seinem dritten Italienzug im Reich aufgehalten
hat. Da Wilhelm an diesen beiden Italienzügen
nicht teilgenommen hat, traf er nur in dieser Zeit zwischen Januar 965
und August 966 mit dem Kaiser zusammen. Von den rund 60 Diplomen nennen
allein 16 Wilhelm
als Intervenienten
oder Petenten: so häufig intervenierte in dieser Zeit kein anderer
Erzbischof des Reiches. Doch bei einer chronologischen Zusammenstellung
der Diplome ergeben sich drei Perioden, während derer
Wilhelm,
der seit dem Tod Bruns von Köln
alleiniger Erzkanzler war, als Intervenient genannt wird (Februar bis Mai
965, Januar und Februar 966 sowie August 966), während in den dazwischen
liegenden Zeiträumen (Juni bis Dezember 965 sowie März bis Juli
966) der Mainzer überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Setzt man diese
Zeiträume, in denen die Anwesenheit Wilhelms
am Hofe durch dessen Intervention bezeugt ist, mit dem Itinerar
des Kaisers in Beziehung, so kann man feststellen, daß sich der Kaiser
in diesen Monaten, in denen Kontakt mit Wilhelm
bezeugt ist, sich im Südwesten und Westen des Reiches aufhielt: zuerst
in Worms, Ingelheim und Wiesbaden, im zweiten Abschnitt in Köln, Aachen
und Maastricht und im letzten in Speyer, Straßburg und Rufach. Während
der Zeit, für die keine Intervention Wilhelms
genannt ist, hielt sich OTTO I. in
Sachsen auf: für den Sommer 956 sind die Aufenthaltsorte Dornburg,
Magdeburg, Quedlinburg, Siptenfeld und Wallhausen, für das Frühjahr
966 wieder Quedlinburg, Siptenfeld und Wallhausen. Auch beim Magdeburger
Hoftag im Juni 965 scheint Wilhelm nicht
anwesend gewesen zu sein. Wilhelm hat
somit ein Zusammentreffen mit seinem Vater, wie wir resümieren können,
während dessen Aufenthalt in Sachsen vermieden, und das gerade zu
einer Zeit, in der Kaiser OTTO DER GROSSE
das Moritzkloster im Sommer 965 mit einem ganzen Bündel von Urkunden
reich dotierte. Darüber hinaus nahm OTTO
I. auf dem Magdeburger Hoftag im Juni 965 eine verwaltungsmäßige
Neugliederung der Slawengebiete vor: er teilte die Mark des vor kurzem
verstorbenen Markgrafen Gero in 6 kleinere Marken auf und stärkte
auf diese Weise die Stellung des Reiches gegenüber den mit weitreichenden
Kompetenzen ausgestatteten Markgrafen. Bei dieser Neuorganisation des Gebietes
und der gleichzeitigen Fülle von Schenkungen für St. Moritz hat
man sicherlich auch über das weitere Vorgehen in der immer noch ungelösten
Magdeburger Frage beraten.
So fällt es auf, dass Wilhelm
in seinem eigenen sächsischen Metropolitangebiet die Nähe des
Kaisers vermieden hat, während er in fremden Kirchenprovinzen mit
dem Hof mitreiste, wo er nur die Funktion des päpstlichen Vikars und
des Erzkanzlers des Reiches ausüben konnte. Seine Haltung mutet wie
ein vorsichtiges Umgehen oder Verzögern der endgültigen Entscheidung
über die neue Kirchenprovinz im Osten an. Was Wilhelm
allerdings wirklich zu diesem skizzierten Verhalten bewogen hat, wissen
wir nicht. Vielleicht stützten sich sogar die beiden Hauptgegner des
Magdeburger Vorhabens, Wilhelm von Mainz
und Bernhard von Halberstadt, gegenseitig in ihrem Widerstand, vielleicht
zögerte Wilhelmaber auch nur,
um seinen Suffragan nicht öffentlich bloßzustellen. Möglicherweise
hat Wilhelm auch nur nach außen
den Plänen seines Vaters zugestimmt, im Inneren seines Herzens aber
weiter opponiert, da er einer Schmälerung seiner Kirchenprovinz eben
doch nicht zustimmte, er Bedenken gegen die Stabilität des neuen Erzbistums
im unruhigen Slawengebiet hatte oder immer noch insgeheim Widerstand gegen
die Kirchenpolitik seines Vaters, des Kaisers, hegte. Und dies sind nur
einige Möglichkeiten, an die man denken kann.
Auf seinem dritten Italienzug hatte Kaiser
OTTO DER GROSSE die feste Absicht, jetzt endlich den Weg für
die Gründung des Erzbistums in Magdeburg freizumachen: noch auf dem
Weg nach Italien urkundete OTTOfür
das Kloster St. Moritz. Neben der Magdeburger Angelegenheit standen viele
andere Probleme zur Lösung an: die Ordnung in Rom und im Kirchenstaat
mußte wiederhergestellt werden, die Beziehungen zu Byzanz sollten
geklärt werden - zumal OTTO DER GROSSE
daran dachte, auch die unteritalienischen Fürstentümer in sein
Hoheitsgebiet einzubeziehen.
Am 20. April 967 stellte der Papst dem Kaiser ein Privileg
nach Verhandlungen auf einer Synode zu Ravenna aus, mit dem er die Erhebung
Magdeburgs zu einem Erzbistum endgültig verfügte. Das neu gegründete
Erzbistum erhielt einen größeren Bereich zugewiesen, als dies
962 geplant war. Die Bistümer in Brandenburg und Havelberg wurden
jetzt ausdrücklich dem neuen Metropoliten unterstellt. Zudem erhielt
der Erzbischof von Magdeburg das Recht, in Merseburg, Zeitz und Meißen
Bischöfe einzusetzen. Hierbei verzichtete man auf die Konsensklausel
von 962. Die Frage weiterer Suffraganbistümer blieb allerdings genauso
offen wie der genaue Gebietsumfang des Erzbistums. Doch wieder scheiterte
der Plan am hartnäckigen Widerstand Bischof Bernhards von Halberstadt,
der als Hauptbetroffener den vorgesehenen Änderungen unbedingt hätte
zustimmen müssen. Mit dem Hinweis auf sein hohes Alter verweigerte
Bernhard die Reise nach Italien.
6. Die endgültige Lösung
------------------------------
Erst im Jahr 968 änderte sich die Lage zu Gunsten
des Kaisers OTTO DER GROSSE: in den
ersten Monaten dieses Jahres verstarben sowohl Erzbischof
Wilhelm von Mainz als auch Bischof Bernhard von Halberstadt.
Die bisherigen Schwierigkeiten in der Magdeburger Angelegenheit hatten
deutlich gezeigt, daß das jeweilige Einverständnis der beiden
Hauptbeteiligten unbedingt vorher eingeholt werden mußte. In Form
einer Urkunde erteilten die beiden neuen Bischöfe von Mainz und von
Halberstadt ihr Placet zu den Abtretungen für das neu einzurichtende
Erzstift. Hiermit waren die Schranken für das Erzbistum Magdeburg
gefallen.
Wilhelm scheint bis
zuletzt einer Entscheidung aus dem Weg gegangen zu sein. Auf der Synode
zu Ravenna, die über die Pläne OTTOS
DES GROSSEN beraten hat, ist sicherlich auch über die künftige
Stellung des Mainzer Erzbischofs gesprochen worden, wo dieser doch als
Generalvikar und bisherige Metropolit der abzutretenden Bistumsgebiete
ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Doch das päpstliche Dekret
schweigt darüber.
Nun berichtet die Chronik Thietmars von Merseburg, Erzbischof
Wilhelm sei selbst in die Ewige Stadt gekommen, um den jungen
OTTO
II., der ihm zur Erziehung übergeben worden war, zur Kaiserkrönung
zu begleiten. Als zusätzlichen Beleg für einen Romaufenthalt
Wilhelmsließe
sich die Kaiserurkunde D O I. 345 anführen, die am 23. September 967
in Rom datiert ist und Wilhelm als Intervenienten nennt. Doch nach den
Erkenntnissen der Urkundenkritik Theodor Sickels ist das fragliche Diplom
in der überlieferten Form erst 977 ausgestellt worden, wenn auch das
Formular kanzleigemäß ist. Zudem läßt sich D O I.
345 in das Itinerar von OTTO II. einfügen,
was aber notwendig wäre, falls Wilhelm
seinen
Schützling begleitet haben sollte: da OTTO
II. erst Anfang Oktober mit seinem Vater in Verona zusammengetroffen
ist, kann sich der ihn begleitende Wilhelmnicht
schon in der 2. Septemberhälfte in Rom aufgehalten haben. Zudem ist
die Anwesenheit des Intervenienten bei der Ausstellung der Urkunde nicht
zwingend notwendig. Will man die Thietmarstelle nicht ganz verwerfen, so
kann man annehmen, Wilhelm habe seinen
Schützling bis an den Fuß der Alpen begleitet und dann mit Hinblick
auf gesundheitliche Rücksichten den jungen König allein nach
Italien ziehen lassen:
Wilhelm starb
ja wenige Monate später im Alter von etwa 40 Jahren.
Auch wenn es bei der Quellenlage, die uns keinen Einblick
in die Überlegungen
Wilhelms gestattet,
nicht einfach ist, ein Resümee zu ziehen, kann man sich der Wertung
Quiters anschließen: "Der Mainzer Metropolit hatte sich zwar offiziell
zu einer Einwilligung in den modifizierten Plan einer Magdeburger Kirchenprovinz
bereit gefunden, aber er hatte das Vorhaben nicht in dem Maße unterstützt,
da seiner Stellung als Vorsteher der Mainzer Provinz und als Primas Germaniens
zugekommen wäre, vielmehr scheint er sogar bewußt einer endgültigen
Entscheidung sorgsam aus dem Weg gegangen zu sein."
7. Zusammenfassende Würdigung
------------------------------------------
Die Einsetzung Wilhelms,
des unehelichen Sohnes OTTOS I., als
Erzbischof in Mainz, war nicht, wie die Forschung vor Lintzel meinte, ein
Erfolg des Königs, der nun entsprechend zur Absicherung seiner Herrschaft
durch die Einsetzung von Verwandten in die Herzogtümer nun auch den
Mainzer Erzstuhl mit einem engen Verwandten besetzte, der wegen dieser
Verwandtschaft zu OTTO I. zu dessen
zuverlässigen Paladinen gehören würde. Die Vermutung Lintzels,
mit Wilhelm sei ein Kompromißkandidat
auf den Mainzer Erzstuhl gelangt, wird durch die weitere Entwicklung auf
das beste bestätigt. Das Verhältnis zwischen König
OTTO I. und seinem Sohn war bis an das Lebensende Wilhelms
gespannt und durch die scharfe Kontroverse um die Einrichtung eines Erzbistums
in Magdeburg bestimmt. Erst der Tod des Sohnes OTTOS
I. machte diesen Weg zur kirchlichen Neuorganisation wirklich
frei gangbar.
Für Wilhelmdarf
am wenigsten unter allen Verwandten der OTTONEN-Dynastie
der Grundgedanke der "Familienpolitik", wie ihn die Forschung gemeinhin
sieht, postuliert werden, nämlich: es sei die Absicht des Königs
gewesen, durch die Einsetzung von Verwandten die königliche Macht
zu stärken. Doch andererseits ist es zu keiner direkten Auseinandersetzung
zwischen König OTTO I. und Erzbischof
Wilhelm von Mainz gekommen; die Kontroverse bewegte sich immer
auf der diplomatischen Ebene schriftlicher Konfliktaustragung. Ja, in seinem
Protestschreiben an den Papst Agapit II. schont Wilhelm
seinen
Vater sogar auffällig. Insoweit wäre Wilhelm wirklich am gerechtesten
beurteilt, wenn wir in ihm einen Kompromißkandidaten sehen.