Während die beiden älteren Töchter Kaiser OTTOS II. und der Theophanu, Sophie und Adelheid, - wie wir gesehen haben - die Äbtissinnenwürde in den ottonischen Hausklöstern Quedlinburg und Gandersheim übernehmen sollten und daher auch schon in sehr jungen Jahren auf diese Aufgabe vorbereitet wurden, heiratete die jüngste der Schwestern Kaiser OTTOS III., die nach der Mutter OTTOS DES GROSSEN den Namen Mathilde erhielt, den rheinischen Pfalzgrafen Ezzo.
1. Die Heirat mit dem Pfalzgrafen Ezzo
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Thietmar von Merseburg berichtet uns, die Heirat zwischen
Mathilde
und
Ezzo, dem rheinischen Pfalzgrafen, hätte vielen
mißfallen. Noch deutlicher illustriert dieses Unbehagen der zweiten
uns überlieferte Quellenbericht über diese Vermählung, den
wir in der Geschichte der Gründer des rheinischen Klosters Brauweiler
nachlesen können.
Erklärend müssen hier einige Worte zu dieser
Quelle eingeschoben werden. Brauweiler bei Köln wurde gegen Ende der
Regierungszeit Kaiser HEINRICHS II. als
Hauskloster der EZZONEN-Familie eingerichtet. Über die Klostergründung
und noch mehr über die Familie der Gründer selbst sind wir durch
einen Quellentext unterrichtet, der von den verschiedenen Herausgebern
den Titel "Fundatio monastrerii Brunwilarensis" oder auch "Brunwilarensis
monasterii fundatorum actus" erhalten hat; dieses Werk ist der hausgebundenen
Adelsliteratur zuzurechnen. Der Autor war ein Brauweiler Mönch und
erzählt uns zur Hochzeit der Kaiser-Schwester
Mathilde, Pfalzgraf Ezzo habe seine Braut beim Würfelspiel
mit Kaiser OTTO III.
gewonnen. Auch
eine solche Nachricht läßt sich als eine gewisse Verstimmung
über die Vermählung lesen. Die Forschung hat diese Hinweise mit
der Annahme zu erklären versucht,
Ezzo sei kein ebenbürtiger
Ehemann für eine Kaiser-Tochter und Kaiser-Schwester gewesen. Man
dachte weiter noch daran, die Eheschließung werde eben zur Zeit der
vormundschaftlichen Regierung erfolgt sein, also unter einem schwächeren
weiblichen Regiment.
Um diese Frage mit Sicherheit beantworten zu können,
müssen wir das genaue Jahr der Eheschließung kennen. Die Quellen
haben es uns aber nicht überliefert, und auch das Geburtsjahr Mathildes,
das uns zu einer ungefähren Bestimmung weiterhelfen würde, ist
nicht genau bekannt. Der einzige verwertbare Hinweis findet sich in der
Brauweiler Gründungsgeschichte, nach der die Mutter der Braut, die
Kaiserin
Theophanu, ihre Zustimmung zur Eheschließung ihrer Tochter
gegeben habe. Weil
Mathilde aber wahrscheinlich
erst 978 geboren ist, wäre sie bei einer Eheschließung
zu Lebzeiten ihrer Mutter maximal 13 Jahre alt gewesen. So nehmen wir mit
Mathilde Uhlirz besser an, die Ehe sei 993, als Mathilde
15 Jahre alt war, geschlossen worden, und die Kaiserin
Theophanu habe somit nur eine Eheabsprache oder einer Verlobung
zugestimmt.
Auch die Machtstellung des Pfalzgrafen Ezzo zur
Zeit seiner Verehelichung ist nur schwer abzuschätzen. Ezzo scheint
die Stellung eines Großgrafen innegehabt zu haben: sein Vater ist
als Graf im Eifelgau, Ruhr, Gellep- und Zülpichgau bezeugt, und Ezzo
erbte nach dem Tod des Vaters die Mehrzahl der Grafschaften und die Pfalzgrafenwürde.
Die Brauweiler Gründergeschichte versteigt sich sogar zu der Behauptung,
Ezzo
habe
zu der Kaiserin Theophanu in einem
derart vertrauten Verhältnis gestanden, dass er "preter regium nomen
secundus in regno" gewesen sei. Mit dieser Sicht der Dinge steht der Brauweiler
Mönch allerdings allein: wir finden in keiner anderen Quelle auch
nur eine Andeutung, dass Pfalzgraf Ezzo wenigstens zum äußeren
Kreis der Berater der Kaiserin Theophanu gehört
habe.
Freilich scheinen die Vorfahren des Pfalzgrafen bereits
zum karolingischen Reichsadel gehört
zu haben. So braucht man nicht unbedingt an einen gesellschaftlichen Abstieg
der Kaisertochter zu denken, wenn man die Eheschließung in ihrem
Rang in der Adelshierarchie bewertet, und wir können uns gut vorstellen,
dass die Kaiserin Theophanu die Zustimmung
zur Heirat Ezzos mit ihrer Tochter
Mathilde
erteilt
haben wird.
Der rheinische Pfalzgraf holte seine Braut angeblich
aus dem Stift Essen, das in der späteren OTTONEN-Zeit
in enger Beziehung zur Herrscherdynastie stand, und wo die ältere
Cousine der
Kaiser-Tochter Mathilde,
die ebenfalls den Namen Mathilde trug
(sie war eine Tochter des aufständischen
Schwaben-Herzogs
Liudolf), ihren Schützling nur sehr unwillig herausgab.
Als Morgengabe erhielt die nunmehrige Gemahlin des Pfalzgrafen Ezzo
das Gut Brauweiler.
2. Pfalzgraf Ezzo und der Thronwechsel 1002
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Die Ehe der Kaiser-Tochter Mathildeund
Ezzos
war mit drei Söhnen und sieben Töchtern sehr kinderreich. Die
Söhne der Mathilde
waren nach
dem Tod Kaiser OTTOS III.die nächsten
männlichen Verwandten des verstorbenen Herrschers. Von einer möglichen
Thronkandidatur der Söhne des Pfalzgrafenpaares, die Hermann, Liudolf
und Otto hießen, hören wir aber in keiner Quelle etwas, nicht
einmal in der Brauweiler Gründergeschichte. Der Brauweiler Mönch
schildert allerdings
Kaiser HEINRICH II. als
einen machtgierigen, schon lange nach der Herrschaft lechzenden "regni
invasor", dem auch erst nach Überwindung vieler Schwierigkeiten der
Gewinn der Macht gelang. Doch es gibt noch einen weiteren Hinweis auf eine
mögliche Beteiligung des Pfalzgrafen Ezzo an den Vorgängen
beim Thronwechsel 1002, eine Interpolation aus einer nicht erhaltenen Fassung
der Brauweiler Gründergeschichte, die deren letzter Benutzer, der
Bollandist Gamans, in den "Acta Sanctorum" tradiert hat, allerdings nur
in der stark paraphrasierenden Wendung: "narratur, quod Otto 3 Heriberto
Coloninsi commiserit insignia Imperii, ad sororis Maritum Erenfridum deferenda".
Zu dieser Nachricht fügt sich ein angeblicher Partikel der Heiligen
Lanze, der noch heute in der Abtei Brauweiler aufbewahrt wird: gerade die
Heilige Lanze hatte in den letzten Regierungsjahren OTTOS
III. eine besondere Bedeutung unter den Reichsinsignien erlangt.
Wie wir aus Thietmars Chronik wissen, hatte Erzbischof Heribert von Köln
auch tatsächlich die Heilige Lanze vorausgesandt, bevor es bei Polling
zu der folgenschweren Begegnung des Leichenzuges mit Herzog
Heinrich IV. von Bayern kam. Unter der Zusammenschau all dieser
Hinweise - Interpolation, angeblicher Lanzenpartikel und Voraussendung
der Heiligen Lanze - kommt ein Teil der Forschung zu der Schlußfolgerung,
Pfalzgraf
Ezzo
müsse von Kaiser auf dem Sterbebett zum Nachfolger designiert
worden sein, während andere die Ansicht vertreten, der Pfalzgraf sei
als sehr naher Verwandter des verstorbenen Herrschers nur in besonderer
Weise dazu legitimiert gewesen, die Insignien bis zu einer Entscheidung
über die Thronfolge zu verwahren, ähnlich wie diese auch die
Kaiserin
Kunigunde nach dem kinderlosen Tod HEINRICHS
II. war und tat.
Aus dem tradierten Quellenmaterial wird man die Frage
einer möglichen Thronkandidatur Ezzos mit voller Sicherheit
nicht entscheiden können. Einerseits ist zu bedenken, dass gerade
die neuesten Arbeiten zum Thronwechsel 1002 herausgearbeitet haben, wie
stark damals der Gesichtspunkt des Geblütsrechts in die Diskussion
um die Thronkandidaten eingetreten ist. Somit wäre es erstaunlich,
wenn Thronbewerber wie Markgraf Ekkehard I. von Meißen und Herzog
Hermann II. von Schwaben ihren Anspruch angemeldet hätten, deren Verwandtschaft
mit dem verstorbenen Kaiser bis auf Herzog Otto den Erlauchten zurückgeführt
werden mußte, und dann aber die Nächstverwandten in keiner Weise
als mögliche Bewerber mit in der Diskussion gewesen wären. Andererseits
- um diesen Gedanken gleich wieder einzuschränken - müssen wir
mitbedenken, dass die Ezzo-Söhne damals höchstens 7-8
Jahre alt gewesen sein können: somit hätte für sie nur der
ungeliebte Vater agieren können.
Es scheint gegen HEINRICH II.
dann
doch in Zusammenhang mit der Moselfehde, bei der der König gegen die
luxemburgischen Brüder seiner Gemahlin kämpfen mußte, zu
einem Eingreifen des Pfalzgrafen Ezzo gekommen zu sein: dies berichtet
die Brauweiler Gründergeschichte. Die Forschung vermutet, soweit sie
diese Nachricht nicht wie die ganze "Fundatio" als wertlos einschätzt,
es könne sich hinter einer Beteiligung Ezzos auf der Seite
der Königsgegner der Konflikt um das Erbe Kaiser
OTTOS III. verbergen: die Kinder von Ezzos Gemahlin Mathilde
hatten ja als nächste Verwandte des verstorbenen Kaisers
wesentlich bessere Erbansprüche vorzuweisen als König
HEINRICH II. Die Auseinandersetzung zwischen Pfalzgraf und König
eskalierte nun mehr und mehr; doch da lenkte HEINRICH
II. plötzlich ein und entschädigte Ezzo mit
Reichsgut. Dieser plötzliche Sinneswandel des Herrschers wurde von
der Forschung teilweise mit Erstaunen konstatiert, teilweise, wie es die
Brauweiler Gründergeschichte schon vorgedacht hatte, mit der Einsicht
des "heiligen Königs" erklärt. Die überzeugendste Motivierung
des Handelns HEINRICHS II. ließe
sich aber in der Vermutung sehen, der Ausgleich zwischen Ezzo und
dem König sei im Zusammenhang mit der Vermählung der Ezzo-Tochter
Richeza
mit
Mieszko II., dem Sohn des Polen-Herzogs
Boleslaw Chrobry, erfolgt. Die Heirat ist in den Zusammenhang
der Entspannung zwischen dem Reich und Polen zu stellen, und somit hatte
HEINRICH
II. guten Grund, sich mit dem Brautvater gut zu stellen, sofern
er nicht sogar selbst eine tragende Rolle bei dieser Eheschließung
übernommen haben sollte.
3. Die Kinder der Kaisertochter Mathilde und des Pfalzgrafen
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Von den insgesamt 10 Kindern des Pfalzgrafen Ezzo
erhielten nur zwei einen Namen, der dem väterlichen Namensgut zuzuordnen
ist. Alle übrigen 8 Kinder erhielten ottonische Namen. Hierin zeigt
sich die hohe Wertschätzung, die der mütterlichen Herkunft zugemessen
wurde, die sich ebenso deutlich in der Grabinschrift einer der Töchter,
der Äbtissin Theophanu von Essen, ablesen läßt: die Inschrift
nennt allein die mütterliche Abstammung der Theophanu von der Tochter
Kaiser
OTTOS II., während der Vater, Pfalzgraf Ezzo, nicht
nur einmal andeutungsweise einer Erwähnung für wert befunden
wurde.
Eine besondere Rolle unter den Kindern des Pfalzgrafenpaares
war Richeza
zugedacht, der ältesten
Tochter Mathildes.
Sie wurde im Jahr 1013 im Zusammenhang mit den Bemühungen um einen
deutsch-polnischen Interessenausgleich im Friedensvertrag von Bautzen mit
Mieszko,
dem Sohn des damaligen Polen-Herzogs Boleslaw
I. Chrobry, verheiratet: also eine ausgesprochen politische
Hochzeit, bei dem die friedensstiftende Kraft einer Ehe deutlich zu spüren
ist. Nach dem Tode Kaiser HEINRICHS II.
ließ sich Boleslaw Chrobry zum
König proklamieren, ebenso wie dies sein Sohn,
Mieszko
II., bei der bald darauf folgenden Thronfolge tat, und Richeza
trat in die Würde einer "regina Poloniorum" ein. Die Kaiser-Enkelin
vermittelte über ihre Kinder ottonische Blutsanteile an die wichtigsten
Herrscherfamilien des Ostens, an die PIASTEN,
ARPADEN
und
RURIKIDEN.
Von den weiteren Kindern des Pfalzgrafenpaares folgten
zwei Söhne, Liudolf und Otto, in den Amts- und Besitzbereich ihres
Vaters nach, während die übrigen 7 in kirchliche Dienste traten.
Der dritte Sohn, Hermann, wurde als Hermann II. Erzbischof von Köln,
die Töchter standen als Äbtissinnen bedeutenden Stiften und Klöstern
vor: in dieser wichtigen Stellung in der Reichskirche dokumentierte sich
die Bedeutung der EZZONEN-Familie im Diesseits und sorgte darüber
hinaus auch für die notwendige Fürbitte für die Familie
im Jenseits.
4. Zusammenfassende Würdigung der Kaisertochter Mathilde
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Bei der Heirat der Kaiser-Tochter
Mathilde
mit dem rheinischen Pfalzgrafen haben wir den ersten
und auch einzigen Fall der Verehelichung einer Königs- oder Kaisertochter
seit der Verheiratung der Luitgard mit Herzog Konrad dem Roten von
Lothringen. Die Töchter der
OTTONEN-Dynastie
seit Liutgard hatten eher Aufgaben im Bereich der Fürsorge für
das Seelenheil der Familie übernommen. Bei dieser Wertung ist freilich
mit zu bedenken, dass OTTO III. und
HEINRICH
II. kinderlos verstarben und somit auch keine Töchter für
eine eventuelle Eheschließung zur Verfügung standen. Möglicherweise
war diese Kinderlosigkeit
Kaiser HEINRICHS II.
mit
ein Grund für den Ausgleich des Königs mit dem rheinischen Pfalzgrafen
nach dessen Eingreifen in die Moselfehde: wenn nämlich der Friede
von Merseburg 1013 durch ein Ehebündnis bekräftigt werden sollte,
so boten sich, da der König ja keine Kinder hatte, die Töchter
Mathildes
und
Ezzos
als die königsnähsten Damen und möglichen Bräute
an, und dies mag dann HEINRICH II.zu
einem Vergleich mit Ezzo bewogen haben.
Nicht mit letzter Sicherheit zu beurteilen ist eine mögliche
Kandidatur
Ezzos bzw. eines seiner Söhne beim Thronwechsel
1002. In der Forschung besteht keine Einigkeit in der Antwort auf diese
Frage, wiewohl neueste Stellungnahmen ein klares "Nein" ausschließen
dürften.