Althoff Gerd:
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"Der Sachsenherzog Widukind als Mönch auf der Reichenau. Ein Beitrag zur Kritik des Widukind-Mythos"

Bei kaum einer Person aus dem Mittelalter besteht ein so krasses Mißverhältnis zwischen dem Echo der zeitgenössischen Quellen und dem der wissenschaftlichen Literatur wie bei dem sächsischendux Widukind, dem Gegner KARLS DES GROSSEN in den Sachsenkriegen. Zwar betonte schon Martin Lintzel 1934 anläßlich einer erbitterten Diskussion um die Beurteilung von Widukind und KARL DEM GROSSEN zu Recht, die zeitgenössischen Quellen zu Widukind könnten "auf dem vierten Teil einer Quartseite" untergebracht werden, doch das wissenschaftliche und außerwissenschaftliche Interesse an der Person und am Schicksal Widukinds blieb in der Zeit des Nationalsozialismus unverändert groß. Nach dem zweiten Weltkrieg verlor Widukind zwar in Schule und Wissenschaft seine beherrschende Stellung, doch scheinen zumindest die ungelösten Fragen seines Schicksals nach der Taufe noch immer mit erheblicher Aufmerksamkeit rechnen zu dürfen. In der Tat ist das Identifakationangebot, das der Mythos vom Sachsen-Herzog Widukind birgt, in verschiedener Hinsicht beachtlich. Das Verhaltensmuster vom erfolgreichen Widerstand des Schwächeren gegen den übermächtigen fremden Eroberer ließ sich, verbunden mit der Betonung der 'Mannestreue' und 'Volksverbundenheit', deuten und ausbeuten als Verkörperung bester deutscher Tugenden, die nicht zuletzt dann besonders gefragt waren, wenn es um die geistige Mobilmachung gegen die französischen 'Erbfeinde' ging. Höhepunkt der nationmalistischen und rassistischen Propagierung des Widukind-Mythos war zweifelsohne die Zeit des Nationalsozialismus, für den Alfred Rosenberg 1934 auf dem sogenannten Thingplatz in Verden, auf dem man, zum Gedenken an die von KARL DEM GROSSEN hingerichteten Sachsen, 4500 Findlingsblöcke aufstellen ließ, formulierte: "Vor unseren Augen steigen somit drei entscheidende Gestalten deutscher Vergangenheit und Gegenwart auf: einmal Hermann im Kampf gegen die römischen Legionen als Sieger, fast 800 Jahre später Widukind als zweiten Kämpfer für Blut und Boden als der tragisch Unterlegene, und 1000 Jahre später Adolf Hitler als unmittelbarer Fortsetzer des Werkes Hermanns des Cheruskers und des Herzogs Widukind."
Erheblich älter, und zunächst vielleicht noch überraschender, ist die Stilisierung Widukinds zum Heiligen, die davon ausgeht, dass der Sachsenkrieg sich nach seiner Taufe als Gründer und eifriger Förderer christlicher Kirchen hervorgetan hätte. Diese Tradition knüpft wohl an Nachrichten aus der älteren Vita Mathildis aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts an und wurde in Enger selbst besonders gepflegt, wo man Widukind auch um 1100 aus nicht ganz geklärtem Anlaß ein Grabdenkmal errichtete und dessen Kirche in der spätmittelalterlichen Tradition als seine Grabkirche galt. Dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit gehören ferner eine ganze Reihe von Versuchen an, Widukind als 'Stammvater' säschsischer Adelsgeschlechter zu vereinnahmen, eine Tendenz, die sich wohl mit der Propagierung der Abstammung der Königin Mathilde von Widukind erklären läßt, weil sie schon Widukind von Corvey verbreitete. In diesen Bereich gehört wohl auch die Beobachtung, dass Adelsgeschlechter des Raumes um Enger den Namen Widukind seit dem 12. Jahrhundert als Leitnamen führten.
Angesichts dieser Vielfalt von Anknüpfungen hat man zu fragen, worin die Eignung Widukinds als Leitfigur dynastischer, religiöser oder nationaler Wertvorstellungen eigentlich begründet war, ohne dass damit von vornherein unterstellt werden soll, dass diese Eignung überhaupt rational herleitbar ist.
Angelpunkt des gesamten Widukind-Bildes ist allem Anschein nach die sogenannte Enger-Tradition, die Vorstellung nämlich, dass Widukind nach seiner Unterwerfung und Taufe in der Gegend von Enger gelebt habe und dort in der von ihm gegründeten Kirche begraben sei. Von dieser Vorstellung ist auch die Beurteilung der geschichtlichen Wirksamkeit und der Leitung Widukinds unmittelbar abhängig. Der unterstellte Erfolg Widukinds besteht nämlich vor allem darin, dass er sich angesichts der drohenden militärischen Niederlage in Verhandlungen mit KARL DEM GROSSEN einließ, der ihm durch Geiseln seine Unverletzlichkeit garantierte, und von dem er das Zugeständnis erhielt, nach seiner Taufe als 'Privatmann' oder gar als karolingischer Amtsträger frei in Sachsen leben zu dürfen. Nur diese Varianten unterscheiden ihn strenggenommen von den anderen Gegnern KARLS DES GROSSEN, etwa von Tassilo von Bayern oder dem Langobarden-König Desiderius, die nach ihrer Unterwerfung zum Eintritt in ein Kloster gezwungen wurden und für die Nachwelt nicht den Charakter einer Identifikationsfigur erlangten. Der Widerstand Widukinds wurde mit anderen Worten erst dadurch eigentlich erfolgreich, dass er in Kriegsführung und Verhandlungen scheinbar die Initiative behielt und KARL zu Zugeständnissen brachte. KARL DEM GROSSEN schien die Unterwerfung des sächsischen Gegners so viel wert, dass er Bedingungen Widukinds zu erfüllen bereit war: Er ließ ihm Leben, Freiheit und Besitz. Als Beweis dafür, dass auch Widukind den Vertrag und sein Wort gehalten habe, wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Beobachtung angeführt, dass eine Beteiligung des sächsischen dux an den späteren Aufständen in Sachsen nicht mehr festzustellen sei. Dieses ganze Gedenkgebäude stützt sich aber auf nichts anderes als auf die Engersche Widukind-Tradition. Nur sie hat die Forschung auf den Gedanken bringen können, Widukind habe nach der Unterwerfung als freier Mann in Sachsen gelebt. Zeitgenössische Quellen berichten hierüber nämlich nichts. Mit der Richtigkeit dieser Voraussetzung aber steht und fällt ein beträchtlicher Teil dessen, was als Widukind-Bild mit mehr oder minder großem Pathos vom 10. Jahrhundert bis heute verbreitet wurde.
Nun ist nicht ganz zu Unrecht der historische Zeugniswert der Enger-Tradition umstritten. In der älteren Vita der Königin Mathilde, die als erste über die Verbindung Widukinds zu Engern berichtet, wird nämlich im gleichen Zusammenhang erzählt, Widukind sei von Bonifatius getauft worden, der bekanntlich zum Zeitpunkt der Taufe bereits 30 Jahre verstorben war. Schon das älteste Zeugnis dieser Tradition ist daher alles andere als unverdächtig, und es ist nicht auszuschließen, dass die späteren Zeugnisse die Aussagen der Mathilden-Vita ausschmückten, ohne auf anderen Quellen zu basieren.
Karl Schmid hat daher nach eingehender Abwägung der Überlieferungssituation  das Urteil formuliert: "Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann und wo Widukind gestorben ist, wo er begraben liegt, ob er nach seiner Unterwerfung ein Amt bekleidet hat oder als Privatmann auf seinen Gütern lebte." Dieses Urteil ist bis heute gültig, auch wenn in den Jahren 1971-1973 ertragreiche Grabungen in der Stiftskirche zu Enger durchgeführt wurden, deren Ergebnisse jetzt größtenteils veröffentlicht sind. Man ergrub in Enger einen karolingischen, steinernen Kirchenbau, in dessen Chor sich drei Gräber befanden. Auch wenn bei der Deutung der Funde in den verschiedenen Stellungnahmen unterschiedliche Tendenzen erkennbar sind, scheint das Urteil des Leiters der Ausgrabungen, Uwe Lobbedy, die derzeitigen Aussagemöglichkeiten der archäologischen Funde und Befunde am klarsten zusammenfassen: "Die Chorgräber enthalten nichts Spezifisches, was ihre gesicherte Identifizierung mit einer geschichtlichen Persönlichkeit erlaubt. Einzig die Lage vor und neben dem Altar charakterisiert die hier Beigesetzten als Stifterpersönlichkeiten von besonderem Rang. Das archäologische und das anthropologische Untersuchungsergebnis haben aber auch kein Argument zutage gefördert, das einer Identifizierung des der Lage nach vornehmsten Grabes 463 mit demjenigen Widukinds widerspricht."
Damit bleibt auch nach der Grabung die zentrale Frage ungeklärt. Eine gesicherte Beurteilung der Beziehungen Widukinds zu Enger ist beim gegenwärtigen Forschungsstand weiterhin nicht möglich, und es scheint fraglich, ob auf der Basis der bisherigen Argumente entscheidende Änderungen dieser Sachlage zu erwarten sind. Nicht nur die Beurteilung Widukinds hängt jedoch von der Glaubwürdigkeit der Enger-Tradition entscheidend ab, auch die Einschätzung der karolingischen Politik gegenüber den Sachsen bleibt ein Stück weit hypothetisch, solange man nicht weiß, ob KARL DER GROSSE Widukind nach der Taufe frei in Sachsen leben ließ oder ihn sogar mit einem Grafenamt betraute. In den zeitgenössisch bezeugten Kontex analoger Fälle paßt jedenfalls die unterstellte Sonderbehandlung Widukinds ebensowenig  wie in den sonstigen Kontex der Behandlung der Sachsen in der Zeit um 785. So wurden politische Gegner wie Desiderius, Tassilo oder auch der KAROLINGER Pippin zum Teil unter entwürdigenden Bedingungen und unter Einschluß der ganzen Familie in Klosterhaft gegeben und so politisch ausgeschaltet. In anderen Fällen von Opposition, wie etwa bei der thüringischen Adelsgruppe um Hardrat, ging man rabiater vor und blendete oder erschlug die politischen Gegner.
Die Capitulatio de partibus Saxoniae, die in den Zeitraum der Taufe Widukinds fällt, zeigt ferner in aller Deutlichkeit, dass man für Sachsen ein drakonisches Kriegsrecht erließ, das selbst für kleinere Vergehen die Todesstrafe vorsah. Auch die für den Zeitraum zwischen 792 und 804 bezeugten Erhebungen der Sachsen gegen die fränkische Herrschaft und die daraufhin eingeleiteten Deportationen beweisen, dass die Lage weiterhin höchst unsicher war und KARL DER GROSSE entschlossen, die Eroberung Sachsens mit allen Mitteln zu sichern. In diese Zeit und in diese politische Stimmung paßt die Vorstellung, Widukind habe gleichzeitig als freier Mann in der Gegend von Enger gelebt und Kirchen gegründet, wohl recht wenig hinein. Zumindest unterstellt sie KARL DEM GROSSEN bei der Behandlung eines Gegners Großmut, Leichtgläubigkeit und Fahrlässigkeit, Eigenschaften, für die es im politischen Handlungsspektrum KARLS sonst keine Anhaltspunkte gibt. Immerhin hatte er die Taufe Widukinds dem Papst gemeldet, der einen dreitägigen Gottesdienst in allen christlichen Kirchen anordnete. Dies zeigt wohl ebenso wie das propagandistische Urteil der Reichsannalen (baptizati sunt supranominati Widochindus et Abbi una cum sociis eorum; et tunc tota Saxonia subiugata est), dass man die Unterwerfung Widukinds als entscheidenden Fortschritt bei der Eingliederung Sachsens in das karolingische Imperium ansah. Angesichts dieser offiziösen Lagebeurteilung scheint es sehr gewagt, mit allzu viel Großmut und Freizügigkeit bei der Behandlung Widukinds zu rechnen. Dieser Sicht widerspricht die in den zeitgenössischen Quellen bezeugte Tatsache, dass KARL DER GROSSE Widukind aus der Taufe hob, also als dessen Taufpate fungierte, nur scheinbar. Gewiß übernahm KARL als Taufpate gewisse Verpflichtungen gegenüber Widukind, doch beinhalteten diese zweifelsohne nicht, den Getauften in seine sächsische Heimat zu entlassen. Auf das durch die Patenschaft aufgeworfene Problem sei jedoch hier nur hingewiesen. Es soll später in Zusammenhang neuer Beobachtungen behandelt werden.
Außer der Enger-Tradition werden in der Forschung nur zwei Quellen diskutiert, die Anhaltspunkte über die Tätigkeit Widukinds nach der Taufe zu geben scheinen. In der vita secunda des ersten münsterischen Bischofs Liudger wird in einer Wundergeschichte erzählt, Widukind habe einen Pferdedieb von seinen Leuten steinigen lassen und ihn dann nicht begraben. Liudger aber habe gehört, dass dieser Pferdedieb Christ gewesen sei und daher Widukind um die Erlaubnis gebeten, den Glaubensbruder begraben zu dürfen. Als man den Dieb nach erteilter Erlaubnis ins Grab legen wollte, habe Liudger den scheinbar Toten zum Leben erweckt. Eine Zeitangabe gibt die Vita nicht, als Ort der Begebenheit wird Buddonfeld, ein Ort im Raum Waldeck genannt. Da Widukind in der Geschichte die Funktion hat, unchristliche Grausamkeit zu demonstrieren, scheidet diese Quelle als Nachweis für eine christliche Phase im Leben Widukinds aus.
Die zweite Quelle entstand bei der Synode in Koblenz im Jahr 922. Im Kapitel 11 der Synodalakten wird über Zehnten aus dem Erbe antiqui comitus vel ducis Widukindi gehandelt haben, deren Einziehung den Bischöfen zustehe. Auch hier deutet schon die Unsicherheit in der Bezeichnung an, dass die Erinnerung an Widukind bereits ziemlich verblaßt war. In jedem Falle aber bietet die Quelle keinen Beleg dafür, dass Widukind nach seiner Unterwerfung ein Grafenamt in Sachsen bekleidete. Es kann sich genauso gut um konfiszierten Besitz Widukinds handeln, dessen Zehnt bestimmten Kirchen zustand. Beide Quellen lassen sich also nicht benutzen, um den Verbleib Widukinds nach 785 zu klären. Dies wird auch in der bisherigen Forschung einhellig betont, die davon ausgeht, dass Widukind nach 785 aus den Quellen verschwindet.
Damit sind die Bedingungen und Ausgangspunkte einer neuen Untersuchung zum sächsischen dux Widukind abgesteckt: Nach Meinung der Forschung verschwindet Widukind nach seiner Taufe aus den zeitgenössischen Quellen und begegnet erst wieder in der Widukind-Tradition des 10. Jahrhunderts, die durch den Hinweis auf die Kirchengründung in Enger Anhaltspunkte für sein Verbleiben nach 785 liefert. Ein gesichertes und abschließendes Urteil über die Glaubwürdigkeit dieser Tradition scheint derzeit nicht möglich. Als wichtiger Hinweis auf das Schicksal Widukinds nach der Taufe darf aber die Entdeckung gewertet werden, dass möglicherweise Widukinds Kampfgefährte und gener Abbio in St. Wandrille in Klosterhaft gehalten wurde. Sollte es sich bei dem in St. Wandrille genannten Sachsen um Abbio, den gener Widukinds handeln, wäre ein wichtiger Hinweis auch auf das potentielle Schicksal gegeben. Die Unsicherheit, ob mit dem Sachsen Abbio in St. Wandrille tatsächlich der Gefährte Widukinds gemeint ist, läßt sich jedoch nicht beseitigen, da außer dem Namen keine weiteren Indizien beigebracht werden können. Der Name Abb(i)o ist jedoch keineswegs selten und könnte auch einer der zahlreichen sächsischen Geiseln gehören, die von KARL DEM GROSSEN in den Sachsenkriegen fränkischen Klöstern übergeben wurden.
Zumindest aber ist der Befund geeignet, auch einer neuen Bemühung um das Schicksal Widukinds die Richtung zu weisen, denn es ist - vielleicht auf Grund des suggestiven Einflusses der Enger-Tradition - bisher noch nicht versucht worden, die Widukind-Belege des 9. Jahrhunderts zusammenzustellen und zu fragen, auf welche Personen sie sich eigentlich beziehen. Die Ergebnisse einer solchen Bemühung sollen im folgenden diskutiert werden.
Zunächst ist zu betonen, dass die Suche nach den Widukind-Belegen von einer entscheidend anderen Ausgangsbasis ausgehen kann, als dies bei der Beurteilung des namens Abbio der Fall ist. Der Name Widukind ist nämlich im 9. und auch noch im 10. Jahrhundert höchst exklusiv. Die wenigen Widukind-Belege des 9. und 10. Jahrhunderts gewinnen noch dadurch an Bedeutung, dass nachgewiesen werden kann, dass in den meisten Fällen eine Beziehung der Namensträger zur Sippe Widukinds gegeben ist. Diese Beziehung ist daher auch bei den Belegen wahrscheinlich, bei denen sie nicht konkret nachgewiesen werden kann. Die Exklusivität des Namens führt vor allem folgender Negativbefund eindrucksvoll vor Augen: Für das 9. Jahrhundert fehlt der Name gänzlich in der Schenker- und Zeugenkreisen der urkundlichen Überlieferung von Corvey, Fulda, Lorsch, Weißenburg, St. Gallen und Freising. Lediglich in der Werdener Tradition findet sich um 900 ein Zeuge namens Widukind. Es ist überflüssig zu betonen, dass mit diesen Überlieferungskomplexen fast die ganze Überlieferung der karolinger-zeitlichen Privaturkunden genannt ist. Auch in den erzählenden Quellen der KAROLINGER-Zeit begegnet nach der bisherigen Kenntnis kein anderer Träger dieses Namens außer dem sächsischen dux.
Erweitert wird die Reihe der Widukind-Belege erst durch die Heranziehung der Memorialüberlieferung. In der Forschung sind bisher als Träger des Namens bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts nur der Oheim der Königin Mathilde und Widukind von Corvey, der berühmte Geschichtsschreiber, bekannt. Der Oheim der Königin Mathilde begegnet sehr wahrscheinlich auch in mehreren Einträgen in Verbrüderungsbüchern, die im Zusammenhang mit der ottonischen Familie stehen. Widukind von Corvey ist außer in der Corveyer Profeßliste vielleicht auch im Lüneburger Necrolog verzeichnet. Außer diesen bekannten Personen verstarb 877 nach dem Zeugnis der Fuldaer Totenannalen ein Diakon dieses Namens und 959 ein scolasticus, die beide vermutlich der Fuldaer Klostergemeinschaft angehört hatten. Der Diakon im fuldischen Konvent könnte auch erklären, wieso die Nachfahren Widukinds über so gute Beziehungen zu den Fuldaer Mönchen Rudolf und Meginhart verfügten, die auf Wunsch des Widukind-Enkels die Translatio Sancti Alexandri verfaßten. Der Beleg in den Fuldaer Totenannalen deutet wohl nachhaltig darauf hin, dass zur Zeit der Abfassung der Translatio ein Mitglied der Sippe Angehöriger der fuldischen Mönchsgemeinschaft war.
Neben den zwei fuldischen Mönchen ist auch ein Konventsmitglied namens Widukind in St. Gallen bezeugt. Dieser Mönch verstarb nach dem Zeugnis des St. Galler Necrologs am 21. November und könnte identisch mit einem Widukind sein, der in der Abschrift eines ottonischen Familiennecrologs begegnet, die sich im St. Galler Verbrüderungsbuch erhalten hat. Auch er gehörte mit anderen Worten wohl zu den Nachfahren des Sachsen-Herzogs, wie sein Gedenken in der Familie der Königin Mathilde zeigt. Damit sind aber schon alle Belege angeführt, die sich sicher auf Personen beziehen, die vor der Mitte des 10. Jahrhunderts lebten. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts trugen also wahrscheinlich nur sechs bezeugte Personen diesen Namen, die wohl alle zum Kreis der Nachfahren Widukinds gehörten. Selbst wenn die Zuordnung der Belege in dem einen oder anderen Fall irrig wäre und eine oder zwei weitere Personen dieses Namens existiert haben sollten, bliebe der Gesamtbefund signifikant genug. Signifikant auch deshalb, weil die meisten der Belege sich sicher auf Mönche beziehen. Da man über den Status des Oheims der Königin Mathilde nichts weiß, ist nicht einmal auszuschließen, dass auch er Mönch oder Kleriker war. Durch diese Beobachtungen wird aber eine bemerkenswerte Tendenz deutlich: Man gab in der Sippe Widukinds den Namen des Sachsenführers durchaus weiter, aber offensichtlich bevorzugt oder gar ausschließlich solchen Personen, die Mönche wurden. Da die Bestimmungen zur geistlichen Laufbahn sehr früh vorgenommen wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, dass man die Nachkommen der Sippe, die man dem monastischen Leben übergeben wollte, bewußt Widukind nannte. Diese Beobachtung paßt gut zu derjenigen, dass die Beharrung im heidnischen Glauben das Urteil der Quellen des 9. Jahrhunderts über Widukind nachhaltig negativ beeinflußte. Man hat sogar die Stiftertätigkeit des Widukind-Enkels Waltbert in Wildeshausen und die vielen geistlichen Würdenträger unter den Nachfahren Widukinds zu Recht dahin interpretiert, dass sie Zeugen der Verpflichtung zur Sühne seien, die die Nachfahren angesichts der heidnischen Vergangenheit ihres Ahnen fühlten und zu leisten bereit waren. Zu diesem Bewußtsein stimmt hervorragend die Gewohnheit, den mit dem Ruch des Heidentums belasteten Namen in der Folgezeit denen zu geben, die zum monastischen Leben vorgesehen waren. Wenn also die erhaltene Überlieferung nicht sehr trügt, wurde der Name Widukind im Gebiet des ostfränkischen Reiches im 9. und beginnenden 10. Jahrhundert nur in der Sippe Widukinds selbst benutzt. In dieser wiederum in der Weise, dass er auffällig späteren Mönchen gegeben wurde. Dieses Untersuchungsergebnis schafft die Voraussetzung, die Bedeutung jedes Widukind-Belegs in diesem Zeitraum würdigen zu können, und ist daher unerläßliche Stütze für die Diskussion der bisher unberücksichtigten, ältesten Belege dieses Namens, die nun zu führen ist.
Gemeint sind vier Belege, die sich sicher auf ein und dieselbe Person beziehen, und zwar auf einen Mönch, der im Kloster Reichenau lebte. Es seien zunächst die einzelnen Bezeugungen kurz vorgestellt:
1. Auf pagina 4 (B 2) des Reichenauer Verbrüderungsbuches erscheint in einer Reichenauer
    Konventsliste, die von Abt Erlebald angeführt wird und 825 angelegt wurde, an 48. Stelle ein
    Uuituchind, dem der Titel mon(achus) zugeordnet ist.
2. Der gleiche Mönch wurde nach seinem Tod auf pag. 7 (B 2) unter den Nomina fratrum
    gefunctorum insolanensium aufgeführt.
3. Man schrieb ihn ferner zum 12. Dezember in das sogenannte 'ältere' Reichenauer Nekrolog.
4. Schließlich begegnet er auch in der Reichenauer Profeßliste, die nur in kopialer Überlieferung
    vorliegt und von einer Hand der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts zusammen mit einer längeren
    Profeßformel auf pag. 136ff. in das Reichenauer Verbrüderungsbuch eingetragen wurde.
Angesichts der sehr genauen Buchführung der Reichenauer Mönche in den fraglichen Jahren, die durch zahlreiche ähnliche Mehrfachbezeugungen anderer Mönche gesichert wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass hier vier Belege für den gleichen Mönch vorliegen. Es kommt nun darauf an, durch den Vergleich der Zeugnisse untereinander und aus der Stellung des Mönches Widukind in den einzelnen Zeugnissen Angaben über den Zeitpunkt der Profeß und des Todes dieses Reichenauer Konventsmitglieds sowie über mögliche Stationen seiner Laufbahn zu erarbeiten. Wenig ergibt für dieses Vorhaben der Necrologbeleg, da er lediglich zum 12. Dezember erscheint, ohne dass sich aus der Eintragssituation Aussagekriterien für sein Todesjahr ergäben. Nicht viel besser sieht es aus bei dem zweiten Beleg zu dem verstorbenen Mönch, der Eintragung auf pag. 7 des Verbrüderungsbuches unter die verstorbenen Reichenauer Mönche. Hier gelingt nur die Angabe: Uuituchind wurde bald nach 825 eingetragen. Eine genauere Einordnung ist nicht möglich, da die Reichenauer Mönche nach dem datierbaren Eintrag Wettis, der am 4. November 824 verstarb, die vollständige Verzeichnung der Verstorbenen zunächst unterbrachen und überdies die strenge Ordnung nach der Chronologie des Todes aufgaben und auch die Anordnung in den vorgegebenen Kolumnen nicht einhielten.
Um so ergiebiger ist der Vergleich zwischen der Erlebald-Liste und der Reichenauer Profeßliste. Angesichts der Wichtigkeit dieses Vergleichs für die weitere Untersuchung sei zunächst die Überlieferungssituation der beiden Listen, soweit sie im folgenden von Belang ist, angesprochen. Bei der Reichenauer Mönchsliste mit Abt Erlebald (822-838) an der Spitze und dem resignierten Abtbischof Heito an der zweiten Stelle handelt es sich nach den Forschungen Konrad Beyerles um ein 825 angelegtes Verzeichnis aller lebenden Reichenauer Mönche, das nach deren Profeßalter geordnet ist. Es wurde im Zuge der Anlage des Reichenauer Verbrüderungsbuches angefertigt und aufgezeichnet, stellt also originale Überlieferung dar. Dagegen ist die Profeßliste der Reichenau nur kopial überliefert. Erst in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts wurde sie zusammen mit einer Profgeßformel in den jüngeren Teil des Verbrüderungsbuches eingetragen. Sie enthält aber nach den zweifellos zutreffenden Beobachtungen Konrad Beyerles auch die karolinger-zeitlichen Professen der Abtei Reichenau so gut wie vollständig. Es ist ferner kaum zweifelhaft, dass die Vorlage der Zusammenstellung ziemlich genau bis in die Zeit der Profeß des Reichenauer Abtbischofs Heito zurückreicht, der auf pag. 136 die rechte Kolumne der Seite anführt und als einziger der Mönche mit einem Titel (episcopus et abbas) versehen wurde, was den kopialen Charakter der Überlieferung noch einmal deutlich macht. Beyerle stellte fest, dass die Reihenfolge der Namen in der Profeßliste zumindest auf den beiden ersten Seiten (pag. 136 und 139) verworfen ist. Dies erweist sich durch den Vergleich mit der Erlebald-Liste, die nach Beyerle die Profeßreihenfolge der Reichenauer Mönche exakt wiedergibt. Die Reihenfolge in Profeß- und Erlebald-Liste stimmt in der Tat erst ab einem bestimmten Zeitpunkt genau überein. Mit dem ersten Namen (Lantpreht) auf der dritten Seite der Profeßliste (pag. 140) beginnt die exakte Übereinstimmung mit der Erlebald-Liste. Sie erstreckt sich nur noch auf den Schlußteil dieser Konventsliste. Dagegen lassen sich auf den beiden ersten Seiten der Profeßliste, mit einer Ausnahme, die Mönche der Erlebald-Liste wiederfinden, doch ist die Reihenfolge in der Profeßliste ganz offensichtlich verderbt. Deshalb legte Konrad Beyerle auch seiner Rekonstruktion der Reichenauer Profeßfolge in diesem Bereich die Reihenfolge der Erlebald-Liste zugrunde, die er zuverlässiger hielt. Legt man die Reihenfolge der Erlebald-Liste als Maßstab an, dann verteilen sich in der Tat die korrespondierenden Belege in der Profeßliste scheinbar unregelmäßig über die drei Kolumnen der pagina 136 und die 4 Kolumnen der pag. 139, wie die beiden Anlagen am Schluß dieses Beitrags verdeutlichen. Nicht zu übersehen ist jedoch auch, dass die Reihenfolge in der Profeßliste nicht gänzlich unregelmäßig und willkürlich ist, denn die vorgeblich ältesten, das heißt die ersten Mönche der Erlebald-Liste begegnen im oberen Teil von pag. 136, also auch am Beginn der Profeßliste. Um dieses zu erkennen, ist allerdings nötig, von der Ordnung der einzelnen Kolumnen abzusehen, denn die heutige Kolumnierung ist ganz offensichtlich durch Mißverständnisse des Abschreibers begründet. Zur Verdeutlichung ein konkretes Beispiel: Nr. 2, 3, 4, 5 und 6 der Erlebald-Liste stehen in gleicher Reihenfolge oben in der rechten Kolumne der Profeßliste auf pag. 136 des Reichenauer Verbrüderungsbuches, dann ist ein Sprung in die linke Kolumne zu konstatieren, wo Nr. 7, 8 und 10 hintereinander begegnen. Nr. 9 ist in der gleichen Kolumne ein Stück tiefer vertreten, Nr. 11 erscheint dann in der mittleren Kolumne. Auf diese oder ähnliche Weise wird man beim Vergleich in unregelmäßigen Sprüngen langsam die Seite 136 hinuntergeführt - die Übereinstimmungen sind wie gesagt vollständig - und findet den gleichen Sachverhalt auf der nächsten Seiite fortgesetzt. Es scheint also so, als spiegele, trotz aller Brechungen und Verwerfungen, auch die Abschrift der Profeßliste in gewisser Weise noch die Profeßreihenfolge der Reichenauer Mönche. Das geschilderte Vorgehen, und das hat Beyerle offensichtlich nicht erkannt oder nicht berücksichtigt, ist jedoch nur bis zum 47. Mönch der Erlebald-Liste stimmig anzuwenden. Bei dem 48., Adalman, dem Namen vor dem und interessierenden Mönch Widukind, springen nämlich die korrespondierenden Namen in der Profeßliste wieder zurück auf pag. 136. in der rechten Kolumne, Wituchi eine Zeile darunter in der linken. Von diesen Fixpunkten aus beginnt der eben beschriebene Vorgang von neuem : Die Übereinstimmungen mit der Erlebald-Liste wandern wieder unregelmäßig durch die drei Kolumnen zum unteren Rand der Seite 136, gehen dann auf pag. 139 weiter, ehe sich mit dem Beginn der pag. 140 die Reihenfolge in Erleband-Liste und der linken Kolumne der Profeßliste deckt. Zum Zwecke der Verdeutlichung wurde der gleiche Vorgang in Anlage B am Schluß dieses Beitrags an der Erlebald-Liste dargestellt. Die verglichenen Namen der Profeßliste wurden zu diesem Zwecke nicht kolumnenweise numeriert, sondern von links nach rechts zeilenweise durchgezählt. Zwar lassen sich mit diesem Verfahren der Numerierung nur Annäherungswerte für die ursprüngliche Profeßreihenfolge geben, doch schon hierdurch läßt sich der auffällige Bruch und Neuansatz nach Nr. 47 der Erlebald-Liste deutlich sichtbar machen.
Die naheliegende Vermutung, dass der auffällige Unterbruch der Korrespondenzen nicht zufällig auftritt, sondern auf einen bisher unbeachteten Neuansatz in der Erlebald-Liste weist, wird dadurch zur Gewißheit, dass an der gleichen Stelle sich auch die Bezeichnungen für die Mönche auffällig ändern. Nachdem im 1. Teil der Liste die Priestermönche überwältigend dominierten, beginnt mit Nr. 48 Adalman eine Gruppe von 14 Mönchen, die 825 keinen kirchlichen Weihegrad besaßen, sondern einfache Mönche waren. Der Grund liegt zweifellos nicht in ihrem fehlenden Alter für kirchliche Weihen, denn nach den 14 Mönchen wechselt die Angabe der Weihegrade wieder in unregelmäßiger Folge: Das Alter für die kirchlichen Weihen hatten die 14 Mönche demnach fraglos erreicht.
Da die Profeßreihenfolge in Dormitorium, Refektorium und beim Einzug zur Meßfeier und zum Gebet als Ordnungskriterium genutzt wurde, muß die festzustellende Zweiteilung des Reichenauer Konvents sehr ernst genommen werden. Der Unterbruch verlangt mit anderen Worten nach einer Erklärung. Sie könnte dahingehend gegeben werden, dass bis zu einem gewissen Zeitraum die Reichenauer Mönche ihre Ordnung im Konvent in erster Linie nach dem kirchlichen Weihegrad, und dann erst nach dem Profeßalter ausrichten. Durch dieses Ordnungsprinzip wurden Mönche ohne kirchliche Weihegrade immer am Schluß der Mönchsgemeinschaft eingeordnet, auch wenn sie nach ihrem Profeßalter hätten erheblich höher eingestuft werden müssen. Zu einem bestimmten Zeitraum könnte der Reichenauer Konvent aber diese Gewohnheit aufgegeben und seine Mitglieder allein nach dem Profeßalter angeordnet haben. Ein Relikt der alten Ordnung stellte dann die Gruppe der 14 Mönche in der Mitte der Erlebald-Liste dar.
Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre die Annahme, dass in der ersten Gruppe der Liste Mönche zusammengefaßt sind, die auf Grund bestimmter Funktionen oder Eigenschaften herausgehoben waren. Diese Funktionen hätten nach dem Befund in aller Regel ältere Priestermönche, sehr selten dagegen Mönche ohne kirchliche Weihegrade gehabt. Auf diese Weise würde es sich erklären, dass in einer zweiten, ausschließlich nach dem Profeßalter angeordneten Gruppe alte Mönche ohne Weihegrad und jüngerer Mönche aller Weihegrade zusammengefaßt sind, während in der ersten Gruppe für den Konvent in bestimmter Hinsicht besonders wichtige Personen aufgeführt wurden.
Wir hätten den komplizierten Sachverhalt nicht so ausführlich diskutiert, wenn dieser nicht wichtige Informationen zu den Lebensdaten des Mönches Widukind brächte. Das für unsere Überlegungen wichtigste Ergebnis der Diskussion läßt sich so zusammenfassen: Die Erlebald-Liste ist nicht, wie Konrad Beyerle annahm, ausschließlich nach dem Profeßalter der Mönche aufgebaut, sondern zeigt zwei Ordnungen: Den Anfang (Nr. 2-47) bildet eine Gruppe von Mönchen, die fast alle die Priesterweihe erhalten hatten. Ihre Ordnung richtete sich nach dem Profeßalter. Nr. 48 markiert jedoch den Beginn einer zweiten Gruppe des Reichenauer Konvents, die von 14 Mönchen angeführt wird, die keine kirchlichen Weihen erhalten hatten. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass der Mönch Widukind 825 zu den ältesten Mitgliedern des Reichenauer Konvents zählte, denn er steht an zweiter Stelle der 14 Mönche.
Es zeigt sich damit aber zugleich, dass der von Beyerle bei der Rekonstruktion der Reichenauer Profeßliste unberücksichtigte Anfang der Profeßliste im Reichenauer Verbrüderungsbuch (pag. 136 und 139), die wirkliche Profeßreihenfolge der Mönche besser spiegelt, als es die Erlebald-Liste tut. Zwar ist durch Fehlinterpretationen des Abschreibers, was die Ordnung seiner Vorlage angeht, die Reihenfolge in den einzelnen Kolumnen nicht die richtige. Doch kann man davon ausgehen, dass die reale Profeßreihenfolge ungefähr der Eintragung der Mönche auf pag. 136 und 139 entsprochen hat, wenn man die durch die Kolumnen suggerierte Reihenfolge außer Acht läßt. Aus diesem Grund sind in den Anlagen zu diesem Beitrag die Namen der Profeßliste jeweils von links nach rechts numeriert worden. Da die zu rekonstruierende Reihenfolge jedoch ohne festes System zwischen den einzelnen Kolumnen hin und her springt und auch Verwerfungen ein Stück nach oben oder unten vorkommen, ist zu betonen, dass die gewählte Nummerierung nur Richtwerte liefern kann, und sie daher nicht als konkrete Profeßreihenfolge mißverstanden werden darf.
Mit der Feststellung, und das macht den eigentlichen Wert der Ergebnisse aus, Widukind habe zu den ältesten Professen des Erlebald-Konvents gehört, sind aber die durch die Neuinterpretation der Listen gewonnenen Aussagemöglichkeit noch nicht erschöpft. Da durch den Listenvergleich nun gesichert ist, dass die Profeß-Liste auf pag. 136 ungefähr die Profeßreihenfolge der Reichenauer Mönche vor 800 wiedergibt, gewinnen die zwei Personen auf pag. 136 erhöhte Bedeutung, deren Profeßdatum bekannt ist. Es handelt sich erstens um den Altbischof Heito, der nach dem Zeugnis Walahfrid Strabos 762 geboren wurde, als Fünfjähriger 767 auf die Reichenau kam und daher wohl die Profeß abgelegt haben wird. Er erscheint in der ersten Zeile der pagina 136, er ist mit anderen Worten der erste oder einer der ersten, deren Profeß in der Vorlage der heutigen Profeßliste schriftlich festgehalten wurde. Es handelt sich ferner um den in der drittletzten Zeile auf der Seite genannten Peranolt. Er ist zweifelsohne mit dem späteren Bischof Bernolt von Straßburg identisch, der nachweislich aus Sachsen stammte. Damit ist er aber, was in der bisherigen Forschung noch nicht bemerkt wurde, mit einiger Sicherheit auch personengleich mit der sächsischen Geisel namens Hernaldus, die nach Auskunft des sächsischen Geiselverzeichnisses von KARL DEM GROSSEN Abt Waldo von der Reichenau  in Mainz übergeben wurde. Die Datierung des Geiselverzeichnisses ist nicht gesichert, doch gehört es aller Wahrschinlichkeit nach in die Zeit um 802. Damit ist als Profeßdatum für Bernild ungefähr das Jahr 802 anzunehmen.
Die Profeßdaten der beiden Personen stimmen, wie leicht zu erklären ist, genau zu dem Eintragsbefund der pag. 136 des Reichenauer Verbrüderungsbuches. In dem vollen Bewußtsein, dass die angegebenen Zahlen nur Orientierungswerte sein können, darf man also sagen, dass Nr. 1 auf pag. 136 ungefähr 777 und Nr. 69 ungefähr 802 die Profeß abgelegt hat. Versucht man unter diesen Voraussetzungen rein mathematisch eine Jahreszahl für die Profeß des Reichenauer Mönches Widukind zu errechnen, ergibt sich das Jahr 786. Diese Zahl hat zweifellos in noch stärkerem Maße den Charakter eines Annäherungswertes, da die Ausgangsdaten nicht genau genug festliegen und überdies weder zu sichern ist, dass im fraglichen Zeitraum jährlich die gleiche Anzahl Mönche in die Reichenauer Klostergemeinschaft aufgenommen wurde, was bei der Berechnung der Annahme zugrunde gelegt werden muß. Noch ist schließlich zu sichern, dass Widukind durch die Numerierung exakt an der richtigen Stelle der Profeßreihenfolge eingeordnet wurde. Alle diese Unsicherheiten beeinträchtigen jedoch den Wert der errechneten Jahreszahl als Richtwert keineswegs. Dass die Berechnung auch von anderen Aspekten her als realistisch einzuschätzen ist, zeigt die ziemlich genau zu ermittelnde Lebensdauer der Mönche auf pag. 136. Mit Hilfe der Erlebald-Liste und der Toteneinträge im Reichenauer Verbrüderungsbuch läßt sich nämlich zeigen, dass in dem von uns angenommenen ältesten Teil der Profeßliste bereits verstorben waren. Die Zahl der Verstorbenen ist dagegen bei den nach unserer Ansicht jüngeren Professen in der unteren Hälfte der pag. 136 - wie zu erwarten - erheblich geringer. Von anderen Mönchen aus der Umgebung Widukinds auf pag. 136 ist ferner bekannt, dass sie 825 ein sehr hohes Alter erreicht hatten. Alle Indizien stimmen also überein und sichern die Schlußfolgerung, dass es sich bei dem Mönch Widukind um ein Mitglied des Reichenauer Konvents handelte, das um 786 die Profeß ablegte und danach noch mindestens bis zum Jahre 825 im Reichenauer Konvent lebte, ohne eine geistliche Weihe zu erhalten.
Der genaue Vergleich zwischen dem ältesten Teil der Profeßliste und der Erlebald-Liste erbrachte auch noch ein anderes Ergebnis, das für die folgende Überlegungen von einiger Bedeutung ist. Es zeigte sich, dass die Buchführung der Reichenauer Mönche zwischen 777 und 825 so gut wie perfekt war. Bis auf eine Ausnahme finden sich alle Mönche der Erlebald-Liste auch in der Profeßliste; fast alle sind zusätzlich in Toteneinträgen des Verbrüderungsbuches und im älteren Reichenauer Necrolog bewahrt worden. Angesichts dieser Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen ist es besonders auffällig, dass von allen Mönchen der ersten Seite der Profeßliste ausgerechnet der Mönch, der direkt über Widukind verzeichnet ist, sich in keiner sonstigen Quelle zur Reichenauer Mönchsgemeinschaft wiederfinden läßt. Die Beobachtung wird dadurch noch auffälliger, dass der eingetragene Name sonst nördlich der Alpen gar nicht begegnet und als Mönchsname in der KAROLINGER-Zeit wohl nur in Nonantola bezeugt ist. Es handelt sich in der Tat um einen für einen Mönch höchst ungewöhnlichen Namen, um den Namen Dominator nämlich. Der Träger dieses Namens, so ist aus unseren bisherigen Beobachtungen zu folgern, muß ein Mönch gewesen sein, der zwar auf der Reichenau die Profeß ablegte, jedoch wieder aus dem Konvent ausschied. Dieses Ausscheiden muß in einer solchen Art vor sich gegangen sein, dass die Reichenauer ihren ehemaligen Mitbruder aus ihrem Gedenken ausgeschlossen haben. Das ist, zumal als Einzelfall, natürlich nicht undenkbar.
Angesichts des ungewöhnlichen Sachverhalts ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Wort dominator im Mittelalter auch noch in einer anderen Bedeutung bekannt war. Es bezeichnet den Herrscher und zwar in unterschiedlicher Hinsicht. Einmal ist es schon biblisch und kann für Christus oder auch für weltliche Herrscher benutzt werden. Im Femininum begegnet es im Mittelalter auch zur Benennung Marias und irdischer Herrscherinnen. In unserem Zusammenhang wäre jedoch die Annahme naheliegend, dass der vermeintliche Doninator eine abwertende Bezeichnung für Widukind darstellt.
Das Wort hat nämlich eine seit der Antike benutzte peiorative Bedeutung: Es kann den Gewaltherrscher bezeichnen, der seine Herrschaft nicht nach der gottgesetzten Ordnung ausübt. So wird das Wort dominatio sowohl bei Augustin als auch bei Isidor von Sevilla an den Stellen gebracht, an denen es um die bekannte Etymologie des rex a regendo geht. Dort wird als dominatio der Gegensatz zur gottgewollten Herrschaft des rex beschrieben, die durch fastus und superbia gekennzeichnet sei. In der KAROLINGER-Zeit wird in diesem Sinne etwa der Christenverfolger Diokletian als Dominator bezeichnet. Diese Bedeutung klingt auch an, wenn etwa Regino von Prüm die Herrschaft des aufständischen KAROLINGERSHugo als dominatio bezeichnet. Man kann also vor allem auf Grund der Belege bei Augustinus und Isidor nicht ausschließen, dass die peiorative Bedeutung des Wortes im 9. Jahrhundert auf der Reichenau bekannt war und zur Bezeichnung des Sachsen-Herzogs Widukind hätte benutzt werden können.
Die Beobachtungen zum Namen und zur Bezeichnung dominator beweisen für sich allein genommen natürlich nichts. Doch scheint es zumindest bemerkenswert, dass auf der einen Seite das Wort dominator durchaus geeignet wäre, die Sicht der Reichenauer Mönche von der Person und Herrschaft Widukinds wiederzugeben, und dass auf der anderen Seite ein Mönch namens Dominator auf der Reichenau sozusagen unbekannt ist und überdies auch sonst nördlich der Alpen nicht belegt ist.
Die Aussagekraft der Bezeichnung dominator würde im übrigen unter Umständen dann noch erhöht, wenn man sicher sagen könnte, wann und wie die Vorlage der Reichenauer Profeßliste entstanden ist. Dazu ist jetzt nur zu bemerken, dass sie nicht unbedingt auf ad-hoc geschriebene Vorlagen und eigenhändige Einträge zurückgehen muß. Es sprechen auch einige Indizien dafür, dass sie erst später angelegt wurde. In diesem Falle wäre eine Kennzeichnung des Sachsen Widukind, falls es sich tatsächlich um diesen handeln sollte, durchaus nicht unverständlich, zumal ja auch Heito mit dem Zusatz episcopus et abbas versehen wurde, was sicher nicht bei dessen Profeß geschah. Versucht man, sich die Situation bei einem Klostereintritt des Sachsenherzogs konkret vorzustellen, dann könnte die Bezeichnung dominator im Jahre 786 nur peiorativ gemeint gewesen sein. Wurde sie dem Namen aber erst hinzugefügt, als Widukind im Kloster alt geworden war, wäre sie eher als klosterinterner Beiname ohne konkreten politischen Hintergrund zu verstehen.
Da unser Vorgehen in der Sammlung von Indizien besteht, ist es nicht nötig, die Aussagekraft des Namens oder der Bezeichnung dominator stärker zu strapazieren. Eine gesicherte Entscheidung für die eine oder andere Lösung wird ohnehin nicht gelingen. Da wir jedoch als Zwischenergebnis unserer bisherigen Bemühungen immerhin festhalten können, dass es sich bei dem Reichenauer Widukind um eine Person handelt, die um 786 auf der Reichenau die Profeß ablegte, trotz eines langen Mönchslebens keine kirchliche Weihe erhielt, und schließlich durch das Wort dominator näher bezeichnet worden sein könnte, scheint zumindest die Frage berechtigt, ob nicht noch weitere Indizien dafür sprechen, dass der Sachsen-Herzog Widukind nach 785 auf der Reichenau in Klosterhaft gehalten wurde.
Anhaltspunkte hierfür sind am ehesten aus den konkreten Ereignissen der Jahre 785/86 zu gewinnen. Skizzieren wir daher die wichtigsten Ereignisse nach der Taufe Widukinds. Der Zeitpunkt der Taufe des Sachsen-Herzogs und seines Kampfgefährten Abbio ist ziemlich genau bekannt: Sie wurde wohl Weihnachten 785 in Attigny vollzogen. Nach dem Zeugnis der fränkischen Quellen fungierte KARL DER GROSSE selbst als Taufpate Widukinds und ehrte ihn durch reiche Geschenke. Im März 786 ist KARL DER GROSSE dann in Aachen, zum Osterfest wieder in Attigny bezeugt. Im August fand eine Reichsversammlung in Worms statt und auch im November urkundete der König in Worms, ehe er nach Italien aufbrach. Das Weihnachtsfest des Jahres 786 feierte er dann bereits in Florenz. Genauso wichtig für uns ist die Tatsache, dass im Februar 786 auf der Reichenau der greise Abt Petrus verstarb. Sein Nachfolger wurde Waldo, der später als Bischof von Pavia und Basel, sowie als Abt von St. Denis und Beichtvater KARLS DES GROSSEN zu den engsten Vertrauten des Herrschers gehörte. Er war mit KARL DEM GROSSEN schon 784 als Abt von St. Gallen in engeren Kontakt  gekommen, als KARL einen Streit zwischen dem Konstanzer Bischof und St. Gallen zugunsten des Bischofs entschied. Die hohe Wertschätzung für Waldo drückt sich nach Meinung der Forschung jedoch darin aus, dass er Waldo erlaubte, seine Stellung in St. Gallen, die durch den Streit wohl unhaltbar geworden war, aufzugeben und zur Reichenau überzuwechseln. Auch die spätere Karriere Waldos zeigt, dass er in der Auseinandersetzung mit dem Konstanzer Bischof trotz seiner Niederlage das Vertrauen KARLS gewonnen hatte. Für unseren Zusammenhang ist aber besonders wichtig, dass KARL DER GROSSE sich im Februar 786 sicher mit der Regelung der Nachfolge auf der Reichenau beschäftigt haben wird, er also Kontakte zur Reichenauer Mönchsgemeinschaft und zu Waldo geknüpft haben muß. Dies setzt einen Besuch auf der Reichenau zwar nicht zwingend voraus, ein Einfluß auf die Reiseroute des geplanten Italienzuges ist aber auch nicht unwahrscheinlich.
Für seinen Italienzug im Spätjahr 786 standen KARL theoretisch zwei Routen zur Verfügung. Er konnte über Chur und die Graubündener Pässe oder aber über die W-Schweiz und den großen St. Bernhard ziehen. Sein Reiseweg im Jahre 786 ist nicht konkret bezeugt. Doch bringt vielleicht eine Urkunde LUDWIGS DES FROMMEN vom Jahre 829 zusätzliche Indizien dafür, dass KARL über die Graubündner Pässe und damit entlang des Bodensees gezogen sein könnte. In dieser Urkunde wird nämlich ausgeführt, dass die Reichenau 'nach alter Gewohnheit' den Herrscher bei dessen Italienzügen bis Chur zu versorgen hätte. Angesichts dieser Gewohnheit und der Tatsache, dass auch die Nachfolge auf dem Reichenauer Abtstuhl im Jahre 786 durch KARL geregelt werden mußte, ist es wohl wahrscheinlich, dass der König auf seinem Italienzug 786 die Reichenau aufsuchte. Wenn KARL also den getauften Sachsen-Herzog Widukind in diesem Jahr nicht in seine Heimat entließ, wofür auf Grund analoger Fälle einiges spricht, dann bot das Kloster Reichenau, dessen Insellage in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden sollte, eine gute Möglichkeit, den Gefangenen vor dem Italienzug sicher unterzubringen.
In diesem Zusammenhang ist auch noch ein Wort zu sagen über die Patenschaft, die KARL bei der Taufe Widukinds übernahm. Wir wissen seit kurzem genauer, welch hervorragende Bedeutung einer Patenschaft als Begründung einer 'geistlichen Verwandtschaft' zukam. Aus dieser Übernahme resultieren gewisse Verpflichtungen, von denen in unserem Falle der religiosus amor und die admonitio besonders wichtig zu sein scheinen. Es fragt sich daher, inwieweit die mit der Übernahme der Patenschaft bei der Taufe eingegangenen Verpflichtungen vereinbar sind mit der Vorstellung, dass der Täufling anschließend vom Taufpaten unter Zwang ins Kloster eingewiesen wurde. Hier ist nun entschieden darauf hinzuweisen, dass die Einweisung ins Kloster im Bewußtsein der Zeit nicht in erster Linie Straf- sondern Gnadencharakter hatte, da sie dem Betroffenen die Möglichkeit bot, für seine Sünden in bestmöglicher Weise zu büßen. Man wird also im Falle Widukinds uneingeschränkt davon ausgehen können, dass eine Einweisung ins Kloster keineswegs einen Bruch der Patenschaftsverpflichtungen darstellte, sondern vielmehr dem Täufling die beste Möglichkeit bot, von Gott Verzeihung für seine früheren Vergehen zu erlangen. Es sei denn auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Widukind nach den Aussagen der Quellen in den Vorverhandlungen nicht die Freiheit, sondern für den Fall der Unterwerfung und Taufe nur seine Unverletztlichkeit garantiert worden war. Diese Garantie wurde durch die Einweisung ins Kloster aber keinesfalls verletzt.
Bevor wir die gesammelten Indizien zusammenfassend werten, ist noch zu fragen, ob die Lebensdaten des Reichenauer Mönchs Widukind mit dem in Einklang zu bringen sind, was man über Alter und Familie des Sachsen-Herzogs weiß. Nun weiß man über letzteren wenig wirklich Gesichertes. Er taucht 777 zum ersten Mal in den Quellen auf und hatte zumindest einen Sohn, der, wenn unsere These stimmen sollte, vor 785 geboren sein müßte. Sein Kämpfgefährte Abbio wird als sein gener bezeichnet, ohne dass gesagt werden könnte, ob mit der Bezeichnung ein Schwager oder ein Schwiegersohn gemeint ist. Widukinds Enkel Waltbert schließlich wurde am Hofe LOTHARS I. erzogen. Wiederum weiß man jedoch nicht, in welche Zeit diese Erziehung fällt [Schmid vermutet, dass hiermit der Hof LOTHARS I. nach 843 gemeint sei. Man muß jedoch berücksichtigen, dass Waldbert einen Sohn(Wigbert) hatte, der bereits 873/74 Bischof von Verden wurde, so dass die adolescentia des Vaters wohl nicht in die Zeit nach 843 fallen kann. Man wird daher eher an einen Aufenthalt Waldberts am Hofe LOTHARS I. vor 843 denken; ein solcher war frühestens seit 817 möglich.]. Widukinds Urenkel endlich, Wigbert, wurde 873/74 bereits Bischof von Verden, nachdem er vorher in der Hofkapelle Ludwigs des Deutschen gedient hatte.
Vom Reichenauer Mönch Widukind ist dagegen bekannt, dass er erst nach 825 verstarb. Er lebte also noch rund 40 Jahre nach seiner Profeß im Reichenauer Konvent. Die vorhandenen Daten und Informationen zum Sachsen-Herzog kollidieren damit in keiner Weise mit den Daten des Reichenauer Mönches. Es muß lediglich die Bedeutung gener = Schwiegersohn für Abbio ausgeschieden werden, da sonst ein zu hohes Alter für den Sachsen-Herzog postuliert werden müßte, wollte man ihn mit dem Reichenauer Mönch identifizieren. Geht man hingegen von der Annahme aus, dass Widukind sich etwa 30-jährig taufen ließ und somit als 70-jähriger verstorben wäre, dann widerspricht kein Faktum einer Identifizierung des Reichenauer Mönches Widukind mit dem Sachsen-Herzog. Auch die bezeugte Generationsfolge der Nachfahren Widukinds würde durchaus zu diesen Daten passen, da sie ohnehin ausschließt, dass der Sachsenführer 785 bereits alt war [Wenn der Widukind-Sohn Wigbert erhebliche Zeit vor 785 geboren worden wäre, würde sein Sohn Waldbertseine adolescentia wohl kaum zu Zeiten LOTHARS I. verlebt und auch kaum noch 871 gelebt haben können. Insgesamt sind jedoch nur so wenige Daten bekannt, dass genauere Angaben nicht gelingen können. Die vorhandenen Daten sprechen allerdings eher für die Annahme, dass Widukind bei der Taufe noch relativ jung war.].
Die Musterung der Widukind-Belege des 9. und 10. Jahrhunderts hat daher wohl einen durchaus diskussionswürdigen Befund erbracht. Sicher konnten wir feststellen, dass der Name bis ins 10. Jahrhundert höchst selten belegt ist. Vermutlich oder besser wahrscheinlich gehörten alle Träger dieses Namens in dem angegebenen Zeitraum zu den Nachfahren des Sachsen-Herzogs. Im ganzen 9. Jahrhundert ließen sich überhaupt nur zwei Träger des Namens Widukind nachweisen: ein Fuldaer und ein Reichenauer Mönch. Der Reichenauer Mönch nun legte sicher um 786 die Profeß ab, lebte lange in der Reichenauer Klostergemeinschaft ohne eine kirchliche Weihe zu erhalten, und überdies steht vor seinem Namen in der Profeßaufzeichnung das Wort dominator, das als Mönchsname sonst auf der Reichenau nicht nachgewiesen werden kann, dessen Deutung aber keine Schwierigkeiten bereitet, wenn man es als Zusatz zu dem Sachsen-Herzog Widukind interpretiert.
Wir sind uns darüber klar: Alle diese Indizien können nicht den Charakter eines Beweises beanspruchen. Es ist letztlich nicht ausgeschlossen, dass ein anderer Widukind um 786 die Profeß auf der Reichenau ablegte, der gleichfalls aus unbekannten Gründen nicht geeignet war, die kirchlichen Weihen zu erhalten. Man müßte angesichts des Gesamtbefundes der Widukind-Belege dann wohl davon ausgehen, dass es sich um einen gleichnamigen Verwandten des Sachsen-Herzogs gehandelt hat, der in die Klosterhaft gegeben worden wäre. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass gleichzeitig auf der Reichenau ein italienischer Mönch Dominator die Profeß ablegte, der sich später in Unfrieden vom Konvent trennte und deshalb von den früheren confratres mit einer damnatio memoriae belegt wurde. Es wäre aber der einzige Mönch auf der Reichenau zu dieser Zeit, dessen Name auf eine Herkunft aus Italien deutet.
Bedenkt man weiter, dass im fraglichen Jahr KARL DER GROSSE seinen Vertrauten Waldo zum Reichenauer Abt einsetzte und deshalb die Reichenau wahrscheinlich sogar selbst besuchte, dann wird es immer schwieriger, all diese Hinweise in den zeitgenössischen Quellen als Zufälle zu interpretieren. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Vorstellung, Widukind sei nach seiner Unterwerfung in Klosterhaft gehalten worden wie die anderen Widersacher KARLS DES GROSSEN auch, erheblich besser in die politische Landschaft von 785 paßt als die Annahme, er habe frei in Sachsen gelebt und sich um die Verbreitung des christlichen Glaubens in seinem Stamm verdient gemacht, während sozusagen um ihn herum die Erhebungen gegen die fränkische Herrschaft weitergingen.
Dass die Reichenau sich, nicht nur durch die Person Abt Waldos, sondern auch auf Grund ihrer Insellage, in der KAROLINGER-Zeit hervorragend als politisches Gefängnis eignete und als solches genutzt wurde, zeigt eine Entdeckung, die Alfons Zettler über das Schicksal des Slawenapostels Methodius und seiner Gefährten gemacht hat. Diese wurden bekanntlich von Ludwig dem Deutschen und von bayerischen Bischöfen, namentlich von Ermanrich von Passau, unter Zwang aus ihren mährischen Missionsgebieten abgezogen, ohne dass man bisher Sicheres über ihr Schicksal wußte. Jetzt erst gelang der Nachweis, dass sie in den Reichenauer Konvent integriert, also wohl auf der Reichenau in Klosterhaft gehalten wurden.
Die zeitgenössische Überlieferung bietet somit ein schlüssiges Angebot zur Erklärung von Widukinds Schicksal, das sich demnach nicht vom Schicksal anderer politischer Gegner KARLS nach der Unterwerfung unterschieden hätte. Demgegenüber wird in den Mathilden-Viten, auf denen das bisherige Widukind-Bild ja basiert, eine Darstellung vom Schicksal Widukinds nach der Taufe gegeben, die eine ganze Reihe von Problemen aufwirft. Wenn es denn stimmen sollte, dass Widukind von KARL nach der Taufe die Freiheit belassen wurde und er in Sachsen sozusagen als Missionar wirkte, - eine Vorstellung, die angesichts der fortgesetzten Erhebungen der Sachsen gegen die fränkische Herrschaft schon schwer genug zu realisieren ist - dann muß man wohl auch erklären, warum dieses ungewöhnliche und für die fränkische Mission sicherlich höchst wichtige Wirken sich in keiner karolinger-zeitlichen Quellen niedergeschlagen hat. Vor allem in der Translatio S. Alexandri wäre noch ein Eingehen auf diese Phase im Leben Widukinds fast zwingend zu erwarten. Doch die Ausführungen Rudolfs von Fulda in der Translatio enthalten keinen Hinweis auf ein christliches Wirken Widukinds, und seine Bewertung des Sachsen-Herzogs läßt kaum die Annahme zu, dass er von einem solchen Wirken Kenntnis hatte: Witukind quoque, qui inter eos (sc. Saxones) et claritate generis et opum amplitudine eminebat et qui perfidiae atque multimodae defectionis eorum auctor et indefessus erat incentor, ad fidem Karoli sua sponte veniens Attiniaci baptizatus et a rege de fonte sacro susceptus est, et Saxonia tota subacta.
Auch in anderen einschlägigen Quellen der KAROLINGER-Zeit findet sich nicht nur kein Hinweis auf eine Tätigkeit Widukinds nach der Taufe, sondern die Forschung hat darüber hinausgehend betont, dass das Widukind-Bild dieser Zeit zumeist negativ ausfällt, was deutlich gegen eine Tätigkeit Widukinds im Dienste der christlichen Mission spricht.
Diese Beobachtungen treffen sich mit der Skepsis, die die Forschung generell gegenüber Nachrichten aus den Mathilden-Viten hegt. Zu Recht hat man auf eine Fülle sachlicher Fehler in den beiden Viten der ottonischen Königin hingewiesen und demzufolge den Quellenwert nicht sehr hoch eingeschätzt. Von den Widukind betreffenden Aussagen ist ja sicher die Behauptung falsch, Bonifatius habe Widukind getauft. Ebenso hat die Erzählung vom Zweikampf zwischen Widukind und KARL DEM GROSSEN keine historische Grundlage. Folgerichtig darf wohl auch der dritte Akzent, den die Mathilden-Viten in ihren Erzählungen über Widukind setzen, die mentis mutatio des Sachsen-Herzogs, der sich vom Saulus zum Paulus wandelte und vom perdecutor destructorque pertinax zum christianissimus ecclesiarum et Dei ... cultor wurde, kaum mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit erhalten. Dies vor allem deshalb nicht, weil erwiesen ist, dass die Vertreter der ottonischen Historiographie an sehr vielen Stellen die liudolfingisch-sächsische Vergangenheit panegyrisch umdeuteten. Von den Umdeutungen betroffen wurden natürgemäß vor allem Ereignisse, durch die ein Schatten auf das Königsheil der LIUDOLFINGER hätte fallen können. Für diese vielfach zu belegende Tatsache nur zwei Beispiele aus dem Geschichtswerk Widukinds von Corvey, des anerkannten Vertreters dieser ottonischen Historiographie: Widukind stellt die vernichtende Niederlage der Sachsen unter der Führung des LIUDOLFINGERSBrun gegen die Normannen, bei der im Jahre 880 Brun selbst, zwei Bischöfe, viele Grafen und das ganze Heer den Tod fanden, dar, als ob sie durch eine Naturkatastrophe bedingt gewesen sei. Das Heer sei durch eine plötzliche Überschwemmung umgekommen, ohne überhaupt die Gelegenheit zum Kampfe gehabt zu haben. Auf diese Weise nahm er dem liudolfingischen Renomme den Makel, dass unter ihrer Führung den Sachsen eine vernichtende Niederlage beigebracht worden war.
Im gleichen Kapitel und Zusammenhang führt Widukind aus, der letzte der ostfränkischen KAROLINGER, Ludwig das Kind, sei mit der LIUDOLFINGERIN Liudgard verheiratet gewesen, der Schwester des Herzogs Otto des Erlauchten. Was man zunächst für einen genealogischen Irrtum halten möchte, entpuppt sich aber als entscheidende Voraussetzung für die weitere Argumentation des sächsischen Historiographen: Regi autem Hluthowico non erat filius, omnisque populus Francorum atque Saxonum quaerebat Oddonis diadema imponere regni. Durch den genealogischen 'Irrtum' Widukinds ließen sich die LIUDOLFINGER als die nächsten Verwandten der Königssippe bei deren Aussterben darstellen und so als die dynastischen Erben der KAROLINGER vorführen.
Beobachtet man also diese Tendenz der Umdeutung und Stilisierung der Ereignisse und Fakten, die für die ottonische Herrschaftslegitimierung wichtig waren oder für diese ein Problem darstellten, dann leuchtet wohl unmittelbar ein, dass diese Umdeutung gerade hinsichtlich der heidnischen Vergangenheit Widukinds und hinsichtlich der sächsischen Niederlage gegen KARL DEN GROSSEN besonders nötig war. In der ottonischen Historiographie lassen sich denn auch deutlich mehrere Ansätze erkennen, dieses ernste Problem der sächsischen und liudolfingischen Vergangenheit zu bewältigen. Viel spricht also dafür, dass die Widukind-Kapitel der Mathilden-Viten das oder ein Ergebnis dieses Prozesses sind. In ihnen wurde das Wissen um die Sühneleistungen der Nachfahren Widukinds, wie sie sich in den Bestimmungen hinsichtlich der Leitung und Zweckbestimmung Wildeshausen dokumentieren, und das Wissen um die Abkunft der Königin Mathilde vom Sachsen-Herzog Widukind sozusagen verdichtet und personalisiert in einer Erzählung, die diese Sühneleistung bereits dem Sachsenherzog selbst zuschrieb und sie mit einem Ort verband, Enger nämlich, an dem die Königin ein Stift gegründet hatte. Es scheint in diesem Zusammenhang nicht einmal undenkbar, dass ein ursprüngliches Wissen um die Sühneleistungen Widukinds während seines Klosteraufenthalts zu einer christlichen Phase seines Lebens in Sachsen umgestaltet worden sein könnte. Wie dem auch im einzelnen gewesen sein mag, wichtig ist festzustellen, dass die Widukind-Kapitel der Mathilden-Viten sich sehr wohl in den Kontext der sonstigen Bemühungen seitens ottonischer Historiographen einordnen lassen: Sie können als panegrysche Umdeutungen bestimmter problematischer Phasen und Ereignisse der liudolfingisch-sächsischen Geschichte verstanden werden. Der Nachweis, dass die Tradition, die zuerst Widukind mit Enger in Verbindung bringt, in einem Kontext gleichartiger Bemühungen um die Deutung der sächsischen Vergangenheit gestellt werden kann, scheint insgesamt für unseren Indizienbeweis nicht unwichtig. Angesichts dieser Tendenzen der 'liudolfingischen Hausüberlieferung' sind somit Anhaltspunkte gefunden, die auch den Entstehungsprozeß der Widukind-Tradition im 10. Jahrhundert verständlich machen. Eine positive Umdeutung der heidnischen Vergangenheit des Ahnen der Königin Mathilde war bei dem Prozeß fast zwingend zu erwarten und schließt daher ein Schicksal Widukinds, wie wir es aus den zeitgenössischen Quellen erarbeitet haben, nicht aus. Wichtig scheint, dass die neuen Beobachtungen nicht zur Konsequenz haben, den Autoren der Mathilden-Viten nun bewußte Fälschungen unterstellen zu müssen, sondern dass ihre Ausführungen genau in einen auch sonst zu beobachtenden Kontext der panegryschen Deutung sächsisch-liudolfingischer Vergangenheit passen.
Damit stehen sich die neuen Beobachtungen an Hand der zeitgenössischen Quellen und die Widukind-Tradition des 10. Jahrhunderts gar nicht so schroff gegenüber, wie dies auf den ersten Blick scheinen mag. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass die Widukind-Kapitel in den Viten der Königin Mathilde nur eine Verdichtung und Konkretion der Familientradition darstellen, die ein Wissen um die Sühneleistungen Widukinds nach seiner Taufe bewahrt hatte. Nur hatte diese Sühne wohl nicht in Sachsen, sondern auf der Reichenau stattgefunden.
Mit ihrer spekulativen Deutung der liudolfingischen Vergangenheit stehen die Vertreter der ottonischen Historiographie im Mittelalter im übrigen nicht allein, sondern wiederum in einem Kontext vergleichbarer Bemühungen um die Deutung und Glorifizierung der Vergangenheit anderer Königs- und Adelsgeschlechter. Als Beispiele seien angeführt die Propagierung des WAIBLINGER-Namens durch die staufische Historiographie, die verschiedenen Ausformungen der welfischen Hausüberlieferung, die vielen 'Stifterchroniken', in denen die Mönche adeliger Hausklöster Versionen der Geschichte der Gründerfamilie verbreiteten, und auch die gelehrten Spekulationen, mit denen in der Zeit MAXIMILIANS I. die HABSBURGER an die MEROWINGER angesippt wurden. Unter den in solchen Zusammenhängen erzählten Geschichten finden sich nur wenige, die Anspruch auf historischen Glaubwürdigkeit der geschilderten Fakten erheben könnten.
Angesichts dieser allgemeinen und der vorgeführten speziellen Sachlage wird zukünftig wohl die Beweislast zu tragen haben, der trotz der zeitgenössischen Belege  in der Reichenauer Memorialüberlieferung an der Authenzität der Nachrichten über Widukind in den Mathilden-Viten festhalten will.