Das Jahr 878.
Im Jahre 878 beging König Hlodowich zu Suessionis im Kloster des heiligen Medardus das Weihnachtsfest, zog dann nach dem Hofgut Audriaca und feierte das Osterfest in dem Kloster des heiligen Dionysius. Und auf Antrieb des Abts und Markgrafen Hugo zog er über die Sequana, sowohl um Hugo gegen die Nortmannen Hülfe zu leisten, als auch weil die Söhne Gozfrids das Castell und die Lehen des Sohnes vom verstorbenen Grafen Odo willkürlich in Besitz genommen, und weil Imino, der Bruder des Markgrafen Bernard, sich der Ebrocensischen Stadt bemächtigt hatte und ringsum in der Gegend viele Verwüstung anrichtete, ja sogar sich auch vermaß, nach der Weise der Nortmannen Eiricum zu plündern. Als aber Hlodowich nach Turonis gekommen war, erkrankte er so daß man an seinem Leben verzweifelte; indeß trat doch durch Gottes Erbarmen etwas Besserung ein und auf Betrieb mehrerer seiner Räthe und Freunde Gozfrids kam Gozfrid selbst mit seinen Söhnen zu ihm unter der Bedingung, daß sie das Castell und die Lehen, welche sie an sich gebracht, dem Könige Hlodowich zurückgeben sollten, um sie durch seine Gnade wieder zu erhalten. Darauf brachte Gozfrid einen Theil der Brittonen dazu, dem König Treue zu geloben, aber sie handelten auch ferner wie Brittonen.
Papst Johannes, voll Zorn gegen die Grafen
Landbert und Adalbert, weil sie mehrere seiner Dörfer
und eine Stadt geplündert hatten, belegte dieselben mit furchtbarem
Bannfluch. Darauf verließ er Rom und begab sich zu Schiffe nach Arelatum,
wo er am Tage der heiligen Pfingsten (11. Mai) landete; von hier schickte
er seine Gesandten an Graf Boso
und gelangte mit seiner Unterstützung bis Lugdunum, von wo aus er
Gesandte an den
König Hlodowich
nach Turonis schickte und ihn auffordern ließ, sich mit ihm an einem
Orte, der Hlodowich genehm wäre,
zu treffen. Hlodowich aber schickte
ihm sofort einige Bischöfe entgegen, bat ihn bis nach Trecä zu
kommen, und befahl den Bischöfen des Reichs, dort für seine Bedürfnisse
zu sorgen. Durch seine Krankheit verhindert, konnte aber
Hlodowich nicht früher als am ersten September zum Papst
nach Trecä kommen. Inzwischen hielt
Papst Johannes eine
allgemeine Synode mit den Bischöfen der Gallischen und Belgischen
Provinzen; und er ließ in der Synode das Excommunicationsurtheil
verlesen, welches er über Landbert und Adalbert, sowie über
Formosus und den Nomenclator Gregorius und ihre Mitschuldigen in Rom ausgesprochen
hatte, und forderte die Zustimmung der versammelten Bischöfe
zu diesem Spruch. Darauf baten die anwesenden Bischöfe, daß,
wie der Papst selbst die von ihm ausgesprochene Excommunication hatte schriftlich
aufsetzen und ihnen in der Synode vorlesen lassen, er so auch ihnen verstatten
möchte, daß sie ihm schriftlich ihre Zustimmung gäben,
und nachdem der Papst diese Bitte gewährt hatte, überreichten
die Bischöfe am folgenden Tage dem Papste in der Synode die nachstehende
Urkunde:
"Heiligster und ehrwürdigster Herr und Vater der
Väter, Johannes, der katholischen und apostolischen Kirche, nämlich
ihres höchsten Sitzes zu Rom, Papst. Wir, Deine Diener und die Schüler
Deiner Autorität, die Bischöfe aus Gallien und Belgien, leiden
mit Dir unter dem, was boshafte Menschen und Diener des Teufels, die Schmerzen
Eurer Wunden vermehrend, gegen unsere heilige Mutter und Herrin aller
Kirchen begangen haben, und nehmen an Eurem Schmerz Theil, unsere Thränen
mit den Euren vereinigend. Und wir werden das Urtheil Eurer Heiligkeit,
welches Ihrkraft des Privilegiums des heiligen Petrus und des apostolischen
Stuhles über dieselben und ihre Mitschuldigen gemäß den
heiligen, durch den Geist Gottes gegebenen und durch die Verehrung der
ganzen Welt geweihten Canones, sowie gemäß den Dekreten Eurer
Vorgänger, der Oberpriester des heiligen Römischen Stuhls, gefällt
habt, mit Herz und Mund und unserem einhelligen Willen und mit der Autorität
des heiligen Geistes, durch dessen Gnade wir die Weihe des bischöflichen
Standes erhalten haben, mit dem Schwerte des heiligen Geistes, welches
das Wort Gottes ist, ihnen zum Verderben zu vollstrecken bereit sein. Das
heißt, wir werden alle, welche Ihr, wie wir oben gesagt, excommunicirt
habt, für excommunicirt halten, die Ihr aus der Kirche verstoßen
habt, verstoßen, die Ihr verflucht habt, für verflucht
ansehen, und die, welche nach genügender Buße und Reue, Eure,
des heiligen Stuhls Autorität, wieder zu Gnaden aufnehmen wird, auch
unsrerseits aufnehmen; aber wie wir in der heiligen Geschichte über
die von Gott gerecht verhängte ägyptische Plage lesen, daß
kein Haus war, in dem nicht ein Todter lag, und keiner da war um den andern
zu trösten, weil jeder im eignen Hause den Jammer hatte, so haben
wir auch in unsern Kirchen Trauriges zu beklagen; und darum erbitten wir
in aller Demuth unseres Herzens, daß Ihr uns mit Eurer Autorität
zu Hülfe kommt, indem Ihr kraft Eurer Gewalt ein Gebot erlaßt,
nach dem wir gegen die Räuber unserer Kirchen verfahren mögen,
damit wir und unsere Nachfolger, mit der Strafgewalt des heiligen Stuhles
ausgerüstet, fortan um so kräftiger und schneller mit Gottes
Hülfe wider die nichtswürdigen Räuber und Verwüster
der kirchlichen Besitzungen und Güter, sowie gegen die Verächter
des heiligen bischöflichen Amtes einmüthigen Sinnes auftreten
können; sie aber sollen nach dem Wort des ausgezeichneten Predigers
und nach der Verkündigung Eures Willens dem Satan überliefert
sein, auf daß sie an ihrer Seele gerettet werden am Tage unseres
Herrn Jesu Christi."
Excommunikation wider Räber der Kirchengüter.
Excommunication des Papstes Johannes und der übrigen Bischöfe, welche zu Trecä versammelt waren, wider die Räuber der Kirchengüter.
Ueber die Räuber von Kirchengütern, welche die durch den Geist Gottes eingegebenen, durch die Verehrung der ganzen Welt geweihten Canones und die Dekrete der Oberpriester des apostolischen Stuhls mit dem Bann belegt sein heißen bis zur gehörigen Buße, sowie über die Plünderer, von denen der Apostel, aus welchem Christus redet, bezeugt, daß sie das Reich Gottes nicht haben, und gebietet, daß mit solchen Menschen der wahre Christ nicht einmal Speise gemeinsam nehmen soll, so lange sie in ihrer Sünde verharren, verordnen wir mit der Kraft Christi und nach dem Urtheil des heiligen Geistes, daß jene Räuber, wenn sie vor nächstem 1. November all' das Gut, welches sie ungerechter Weise sich angeeignet, ihren Kirchen nicht unter gehöriger Buße vollständig wiedererstattet haben werden, von der Gemeinschaft des Fleisches und Blutes Christi bis zur Rückgabe der geistlichen Besitzthümer und geleisteter Genugthuung ausgeschlossen sein sollen. Und die Verächter des heiligen bischöflichen Amtes und der kirchlichen Excommunication sollen nach dem evangelischen und apostolischen Gebot von den Bischöfen, die es angeht, ermahnt werden, und wenn sie dann nicht Buße thun und von ihrer Bosheit nicht ablassen, mit dem Bannfluch, bis sie Genugthuung leisten, belastet bleiben. Und wenn sie in ihres Herzens Härtigkeit dahin sterben, so soll niemand ihre Leiber mit Hymnen und Psalmen bestatten, noch ihr Andenken am heiligen Altare unter den verstorbenen Gläubigen bewahrt werden, darnach daß der Apostel und Evangelist Johannes sagt: "Es ist eine Sünde zum Tode: dafür sage ich nicht, daß jemand bitte." Die Sünde zum Tode ist aber das Beharren in der Sündebis zum Tode. Und die heiligen Canones der alten Väter bestimmen nach der Eingebung des heiligen Geistes in Betreff derer, welche sich selbst den Tod gegeben haben und die für ihre Verbrechen bestraft werden, daß ihre Leiber nicht unter Hymnen und Psalmen zur Erde bestattet werden sollen. Diesen Vorschriften folgend verordnen wir nach dem Urtheil des heiligen Geistes das, was wir eben über die Plünderer und Räuber der Kirchengüter gesagt haben, wenn sie nicht Buße thun, wie der heilige Gregorius verordnet hat, da er sagt: "Solche, weil sie nicht Christen sind, verfluche ich und alle katholischen Bischöfe, ja die gesammte Kirche."
Diese Urkunde ließ Papst Johannes seiner Excommunikation hinzufügen, unterschrieb sie eigenhändig und ließ sie auch von allen Bischöfen in der Synode unterzeichnen, darauf wurden auf seinen Befehl in der Synode die Canones des Sardicensischen Concils und das Dekret Papst Leos über die Bischöfe, welche ihre Sitze verändern, sowie auch die Afrikanischen Canones verlesen, worin es heißt, daß keine Versetzungen von Bischöfen stattfinden sollen, wie auch keine zweite Taufe und keine zweite Ordination, alles mit Bezug auf Frotarius, den Bischof von Burdegale, welcher, wie man sagte, von Burdegale nach Pictavis und von da nach der Stadt Biturica sich gewandt hatte.
Und nachdem Hlodowich vom Papst Johannes am 7. September gekrönt worden war, lud er diesen in seinen Palast ein, wo der Papst köstlich bewirthet und vom König und der Königin mit vielen Geschenken beehrt wurde; dann entließ ihn der König wieder nach der Stadt Trecä. Später ließ der König noch durch seine Gesandten den Papst bitten, daß er auch seine Gemahlin zur Königin krönen möchte, konnte dies aber nicht vom Papst erlangen.
Die Bischöfe Frotarius und Adalgarius aber übergaben dem Papst Johannes in der Versammlung der Bischöfe die Verordnung, durch welche Hlodowich von seinem Vater das Reich übergeben worden war, und ersuchten in dessen Auftrag den Papst, diese Verordnung kraft seines Privilegs zu bestätigen. Darauf brachte der Papst Johannes die Abschrift einer Verordnung vor, vorgeblich von Kaiser Karl wegen Schenkung der Abtei des heiligen Dionysius an die römische Kirche erlassen, von der aber die meisten glaubten, daß sie auf den Rath der beiden genannten Bischöfe und anderer Rathgeber König Hlodowichs verfertigt worden, um gleichsam mit gutem Grunde dem Gozlen jene Abtei entreißen und sie selbst in Besitz nehmen zu können. Und Papst Johannes erklärte, wenn König Hlodowich wolle, er solle kraft seines Privilegs jene Verordnung bestätigen, so müsse Hlodowich auch durch einen Befehl seinerseits diese Verordnung des Vaters bestätigen. Diese Sache aber der List und nicht der Gerechtigkeit blieb unerledigt.
Darnach am 10. des genannten Monats begab sich König Hlodowich, auf das dringende Verlangen einiger seinerGroßen, in die Wohnung des Papstes, hatte mit ihm eine vertrauliche Unterredung und kehrte dann mit ihm zusammen in die Versammlung der Bischöfe nach dem Saal, der an die Wohnung des Papstes stieß, zurück. Und nach der Excommunication Hugo's, des Sohnes von Hlothar, sowie Imino's und ihrer Genossen, erklärte der Papst, mit Gewalt von einigen Bischöfen dazu gezwungen und unter Zustimmung des Königs, daß Hedenulf, der kraft seiner Autorität zum Bischof ordinirt worden, seinen Sitz behalten und das bischöfliche Amt verwalten solle, der geblendete Hinkmar aber dürfe, wenn er wolle, Messe lesen und solle einen Theil der Besitzthümer des Laudunensischen Bisthums erhalten. Da aber Hedenulf den Papst bat, daß er ihn dieses Sitzes entheben möchte, indem er sich schwach fühle und ins Kloster gehen wolle, konnte er dies nicht erlangen, sondern es wurde ihm vom Papst mit Zustimmung des Königs und der Hinkmar günstigen Bischöfe befohlen, daß er seinen Sitz behalten und das bischöfliche Amt fortführen solle. Als nun diese Gönner Hinkmars hörten, daß der Papst gesagt hatte, der geblendete Hinkmar könne, wenn er wolle, wieder Messe lesen, und der König zugestimmt habe, daß er einen Theil der Güter des Bisthums besitzen solle, führten sie, die Bischöfe anderer Provinzen und Metropoliten anderer Länder, ganz unerwartet und ohne allen Befehl des Papstes den Hinkmar mit den Priestergewändern bekleidet vor den Papst; und von hier geleiteten sie ihn unter Gesang in die Kirche und ließen ihn das Zeichen des Segens über das Volk machen. So wurde dann die Synode geschlossen.
Am nächsten Tage begab sich König Hlodowich, auf Einladung Boso's, mit mehreren seiner ersten Räthe zu diesem ins Haus; hier reich bewirthet und von Boso sowie dessen Gemahlin mit Ehrenbezeugungen überhäuft, verlobte er die Tochter Boso's mit seinem Sohne Karlmann und vertheilte nach dem Rathe eben dieser Räthe die Lehen Bernards, des Markgrafen von Gothien, an den Kämmerer Theoderich, an Graf Bernard von Arverni und andere, die er im Geheim bestimmte.
Papst Johannes ging von Trecas nach Cavillo, und von da seine Reise über Morienna fortsetzend, kam er durch die Klausen des Mons Cinisius, von Boso und seiner Gemahlin geleitet, wieder nach Italien.
König Hludowich
kehrte von Trecas nach Compendium zurück und nachdem er hier den Bericht
der Gesandten vernommen hatte, welche er an seinen Vetter
Hlodowich zur Herstellung des Friedens geschickt hatte, ging
er mit mehreren seiner Räthe bis nach Heristallium. Und am 1. November
kamen sie beide zu Marsna zusammen und schlossen untereinander ein Friedensbündniß.
Zum Fest der Reinigung Mariä aber sagten sie eine Reichsversammlung
an, um bei dieser Gelegenheit wieder zusammen zu kommen, und zwar
Hludowich, Karls
Sohn, nach Gundulfivilla und Hludowich,
Hludowichs Sohn, nach einem Ort in
der Nähe daselbst, der ihm bequem wäre. Auf dieser Versammlung
kamen sie mit Zustimmung ihrer Getreuen überein, folgende Beschlüsse
fest und
unverbrüchlich zu halten. Vertrag, welcher
zwischen den glorreichen Königen, Hludowich,
dem Sohne Kaiser Karls, und Hludowich,
dem Sohne König Hludowichs, an
dem Ort, der Furonis heißt, am 1. November unter ihrer und der beiderseitigen
Getreuen Förderung und Zustimmung geschlossen worden ist, im Jahr
der Menschwerdung Christi 878, in der 11. Indiction, wobei Hludowich,
Karls Sohn, also sprach: "Wie zwischen
meinem Vater Karl und Eurem Vater Hludowich
das Reich Hlothars getheilt worden
ist, so ist unser Wille, daß es auch bleiben soll. Und wenn
einer unserer Getreuen im Reich des anderen irgend etwas an sich
gerissen hat, so soll er es auf unseren Befehl wieder aufgeben. Was
aber das Reich betrifft, welches Hludowich,
der Kaiser von Italien, besaß, so soll, da bisher noch
keine Theilung desselben stattgefunden hat, ein jeder das, was er
jetzt inne hat, behalten, bis mit Gottes Willen wir wiederum zusammenkommen
und mit unseren beiderseitigen Getreuen befinden und festsetzen,
was uns darüber als das beste und gerechteste erscheinen wird. Was
aber das Reich Italien betrifft, so sollen, wenn auch jetzt nicht Recht
werden kann, doch alle wissen, daß wir unsern Theil von jenem Reich
gefordert haben, fordern und mit Gottes Hülfe fordern werden."