EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE
BAND L1 Tafel
86 B
Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 593
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Andechs
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Das westbayrische Adels-Geschlecht aus dem
Huosigau benannte
sich zuerst nach seinen Burgen Amras, Dießen und
Wolfratshausen,
seit 1132 nach der Stammburg Andechs.
Seine Herkunft ist ungeklärt, Abstammung von den RAPOTONEN (Plank)
aber wahrscheinlicher als von den LUITPOLDINGERN
(Tyroller).
Älteste
fassbare Angehörige des Geschlechts sind ein Graf Berthold (†
990)
und
dessen Sohn Friedrich (†
ca. 1030). Mit Berthold
III. von Andechs
(† 1151) beginnt die
ununterbrochene Stammreihe.
Herrschaftszentrum
war ursprünglich das Gebiet zwischen oberem Lech und oberer Isar
mit
den Burgen Dießen (seit 1132 Chorherrenstift) und Andechs
am Ammersee (in der Burgkapelle seit ca. 1182 die heiligen drei
Hostien, die
eine Wallfahrt begründeten).
Durch eine geschickte Heiratspolitik
erwarben die ANDECHSER
nach dem
Aussterben
der SCHWEINFURTER noch
im 11.
Jahrhundert Besitz im Obermain-Gebiet, wo
sie 1130 die Plassenburg
(über Kulmbach) erbauten. In Tirol besaßen
sie seit ca. 1130 von den Bischöfen von Brixen die Grafschaften im
Puster- und Unterinntal sowie die Hochstiftsvogtei. Sie kontrollierten
also im Norden die Übergänge über den Frankenwald und im
Süden den Brenner und die in Brixen auftreffende Straße aus
dem Drau- und Pustertal.
Als Gefolgsleute der STAUFER
stiegen die ANDECHSER
im 12.
Jahrhundert
zu europäischer Geltung auf.
Graf Berthold IV. (†
1188) erbte
von den FORMBACHERN 1158
die
Grafschaften Neuburg am Inn,
Schärding
und Windberg; 1173 wurde er von Kaiser
FRIEDRICH
I. mit der Markgrafschaft Istrien belehnt und 1180 - ein
gewisser
Ausgleich für die Erhebung der
WITTELSBACHER
zu Herzögen von
Bayern - für seine Besitzungen um Fiume zum Herzog von Meranien
erhoben.
Von den Söhnen Bertholds
V. (†
1204) waren Otto
I. Herzog
von Meranien und Pfalzgraf von
Burgund († 1234), Heinrich
Markgraf
von Istrien († 1228), Berthold
Patriarch von Aquileia (†
1251)
und
Ekbert
Bischof von Bamberg (†
1237); seine
Töchter Agnes
und
Gertrud
heirateten die Könige von Frankreich und Ungarn.
Infolge der
angeblichen
Beteiligung an der Ermordung PHILIPPS VON SCHWABEN
(1208) fielen die oberbayrischen Besitzungen an die WITTELSBACHER,
die
Markgrafschaft Istrien an Aquileia und die Vogtei über Brixen an
die
Grafen von Tirol. Die Grafschaft im Puster- und Unterinntal konnte
Herzog
Otto I. nach dem Tod
seines Bruders Heinrich
behaupten.
Mit
seinem Sohn Otto II.,
der 1239 Innsbruck das Stadtrecht
verlieh,
und seinem Bruder
Berthold
starben die ANDECHSER
1248 beziehungsweise
1251 im Mannesstamm aus; die Burg
Andechs wurde wenig später von den WITTELSBACHERN
zerstört.
Literatur:
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BWbDG I, 94-102 - Genealog Hb. zur
bair.-östr. Gesch.,
hg. O. v. Dungern, 1931, 6ff. - K. Bosl, Europ. Adel im 12./13. Jh. Die
internat. Verflechtungen des bayer. Hochadelsgeschlechtes der
A.-Meranier,
ZbayerLdG 30, 1967, 20-52 - F. Tyroller, Die Gf.en v. Andechs (Bayer.
Streifzüge
durch 12 Jh., hg. A. Fink 1971), 19-27.
Der Aufstieg des bedeutendsten bayerischen
Geschlechts,
das zunächst sicher von den WELFEN
überschattet war, das auch merkwürdig wenig Kontakt mit den WELFEN,
den WITTELSBACHERN
und den österreichischen
BABENBERGERN
im
11./12.
Jahrhundert hatte, war durch mehrere Faktoren grundgelegt und durch
ihre
Politik an der Seite der SALIER
und
FRÜHSTAUFER
begünstigt. Die Ausgangsposition der Familie lag an einer
verkehrsmäßig
wichtigen Stelle vor den bayerischen Pässen in das heute
tirolische
Inntal und zum Brenner in das Eisacktal; sie besaßen Grafschaften
und wichtige Vogteien über Kirchenbesitz im Inn- und Eisacktal,
hatten
einen starken Einfluss auf das Bistum Brixen und von da
Möglichkeiten
zum Ausgriff nach dem deutschen Südosten und dem slawischen
Südwesten,
sowie nach Friaul und Nordost-Ober-Italien. Sie entstammten dem von F.
Prinz
erkannten westbayerischen Adelsraum des 8. Jahrhunderts, in dem der
Einfluss
des Herzogs nicht sehr groß war, da seine ursprüngliche
Machtgrundlage
im Donautal von Kelheim bis Passau und östlich des Inn war, was
eine
nur von München aus orientierte bayerische Landesgeschichte viel
zu
wenig sieht und hervorhebt. Hier gründete der Adel, vorab die
HUOSI,
die Klöster als Zentren seiner Hausmacht und seiner
Kirchenherrschaft;
die Klöster dieses frankophilen oder fränkischen Adels
gingen,
wie wir an Benediktbeuren, aber auch an Tegernsee sehen, in den Besitz
des fränkisch-deutschen Königs über, aber die Vogtei kam
wieder in Adelshände, vorab der DIESSEN-ANDECHSER
seit dem 10. Jahrhundert. Die Klöster dieses Raumes, die an
Römerstraßen
oder in der Nähe zu ihnen lagen, hatten als Herbergsstationen und
Güterzentren vor den bayerischen Alpenpässen eine
hochpolitische
Funktion.
Die frühe Besitzgeschichte der ANDECHSER
ist nach meiner Überzeugung in engster Anlehnung an die
Schwerpunkte
des alten Klosterbesitzes von Benediktbeuren zu klären, ohne damit
im Gange befindlichen Untersuchungen vorgreifen zu wollen; denn allein
die Tatsache ist schon auffällig, dass Benediktbeuren im Dorfe
Erling
am Fuße des Andechser Burgberges
Güter hatte.
Die
Ballungsgebiete
dieses Reichsklosters lagen
1. zwischen Kloster, Kochel- und Staffelsee
mit
dem Forst der villa Antdorf vom Wallgau bis Seeshaupt, wozu früher
Schenkungen bis an die Isar
(Hohenschäftlarn) und im
Murnauer
Gebiet kamen
2. zwischen Ammer- und Würmsee mit
Ausstrahlungen
bis Gauting und Weilheim
3. um Landsberg am Lech
4. an der oberen Amper
5. um Erding
6. in Tirol (Salzort Hall und Bozen).
Interessant sind die Güterschenkungen der
fränkischen
Adeligen Gisela-Kaylswint,
die man neuerdings für eine Schwester
KARLS
DES GROSSEN hält, die als Äbtissin
von Chelles
bezeugt
ist. Da Lantfrid, Waldram und Elilant, die Stifter von
Benediktbeuren,
im 12. Jahrhundert als consobrini
regis = Karl
Martells bezeichnet wurden, liegt es nahe, auch an Swanahilt,
Karl Martells
zweite Gemahlin und
Mutter
Grifos aus höchstem
bayerischen
Adel oder der Herzogs-Familie, zu denken, die nach ihrer Niederlage
auch
das Kloster Chelles in Nord-Frankreich zugewiesen erhielt. Die
Güter
der vermutlichen Kaiser-Tochter Gisela,
die sie an Benediktbeuren schenkte, können aus dem Besitz der
Swanahilt
stammen. Es sind also enge Beziehungen des ganzen Raumes, in dem sich
Benediktbeuren
kräftig ausbreitete, schon zum fränkisch-karolingischen
Königtum
mehr als wahrscheinlich; aus den Entfremdungen des frühen 10.
Jahrhunderts,
die besonders auch für Tegernsee bekannt sind, erkennen wir auch
die
Besitzinteressen des deutschen Königtums, seines Vorläufers =
des jüngeren bayerischen Stammes-Herzogs (LUITPOLDINGER) und
seines
Nachfolgers. Das spätere Herrschaftsgebiet der Grafen von
Dießen-Andechs
ist zwar mit diesem Raum nicht ganz identisch,, deckt sich aber
vielfach;
darum ist es charakteristisch, dass sich hier starke Beziehungen zur
Königsherrschaft
vermuten oder nachweisen lassen. Man kann auf Königsdorf
verweisen,
wo Benediktbeuren, Schäftlarn, Kochel begütert waren. Im
8./9.
Jahrhundert muss Gauting, wo Benediktbeuren und Wessobrunn beschenkt
wurden,
ein bedeutendes Königsgutzentrum an der Kreuzung der
Römerstraßen
Augsburg-Salzburg und Kempten-Epfach-Regensburg gewesen sein. Der Raum
war deshalb so wichtig, weil die ihn durchziehenden
Römerstraßen
zwischen Lech und Isar noch im 8./9. Jahrhundert benützt worden
sein
müssen und darum auch für den mittelalterlichen Fernverkehr
eine
Rolle zu spielen begannen. Das Ganze Ausmaß der Verkehrs- und
Herrschaftsbeziehungen
des späteren älteren Raumes bis über den Brenner
hinunter
und in das Pustertal in Richtung Kärnten lässt sich daraus
ersehen,
dass der klostergründende ältere Adel dieses Raumes bei der
Gründung
des Klosters Innichen im Pustertal neben dem Herzog handeln auftrat und
beteiligt war.
Die Stiftersippen von Scharnitz-Schlehdorf,
Bendiktbeuren
und Schäftlarn, die man als HUOSI
anspricht, die auch zeitweise
den
Freisinger Bischofsstuhl beherrschten, kontrollierten als Vasallen und
Lehensträger des Königs [und Herzogs] und durch ihren
Eigenbesitz
das Land zwischen Lech und Isar, ja bis Mangfall und Inn und damit die
Straßen im Voralpenraum südlich von Augsburg und Freising
mitsamt
den Alpenpässen bis zum Oberinntal und bis Bozen. Arbeo, Abt von
Scharnitz
und Bischof in Freising, der
diesem Adel zugehörte, war in Mais
bei
Meran geboren. Die Vermutung W. Störmers, dass der in der
hochstiftisch-freisingischen
Grafschaft Werdenfels um 1180 im officium
Schlehdorf zusammengefasste
alte
Scharnitz-Schlehdorfer Klosterbesitz ein alter Königsgutbezirk
oder
ein Forstbanngebiet war, in dem der Scharnitzpaß mit
Scharnitzenge
und der steile Passweg zum Kochelsee lagen, unterstreicht noch die
politische
Bedeutung dieses Gebietes im Frühmittelalter, in dem seit dem
10./11.
Jahrhundert die DIESSEN-ANDECHSER
ihre
Herrschaft aufbauten. Beim Fehlen einer
besitzgeschichtlich-genealogischen
Untersuchung in die Frühzeit des Geschlechtes müssen diese
Andeutungen
für eine vermutbare Auffassung dessen genügen, auf welchen
Macht-
und Besitzgrundlagen, aber auch herrschaftlich-politischen Traditionen,
Rechte, Funktionen diese Adels-Familie aufbaute. Wir erkennen daraus
auch,
warum sie für die SALIER und
die
Italienplitik der STAUFER solches
Gewicht
besaßen und sich damit hocharbeiteten. Das war vor allem ihre
Stellung
nördlich und südlich des Brenner in Tirol. Wer Pässe
beherrscht,
ist Zünglein an der Waage; von seiner Mithilfe und Loyalität,
aber auch seiner Gegnerschaft hängt viel für politische
Aktionen
besonders in dieser Zeit ab.
Frühe Herrschafts- und Besitzgeschichte ist
der
eine Weg, die Ansätze für den Aufstieg des Geschlechts
sichtbar
zu machen, der andere aber ist die Genealogie, sind die
verwandtschaftlichen
Beziehungen. Da die genealogischen Sprünge F. Tyrollers nicht
überzeugen
und darum die ANDECHSER
nicht an
die
LUITPOLDINGER
anzuschließen
sind, da man aber noch viel weniger
sich
an Gewin anschließen kann, muss man vorerst bei dem in manchen
Punkten
unbefriedigenden Stammbaum von Kamillo Trotter bleiben, der wenigstens
die Fragezeichen im 10. Jahrhundert offen lässt. Man kann wohl die
Geschlechtertafel mit dem Grafen
Berthold (†
ca. 990) von der
oberen
Isar (um Wolfratshausen) beginnen, dessen Sohn Friedrich I.
(1003-
ca.1030) mit einer Enkelin
OTTOS DES
GROSSEN
vermählt
war (Hemma, Tochter des Grafen Kuno
von Öhningen). Die Reihe
der
Grafen
von Dießen beginnt mit einem
Berthold II. (1025/60),
die der
Grafen von Andechs mit einem Berthold
III. Eine Brücke zu
dem
mächtigen Stifter-Geschlechtern des 8./9. Jahrhunderts lässt
sich
nicht schlagen, aber alter Reichslehens- und Vogteicharakter eines
Teils
des Andechser Raumes
ist neben den Allodien höchst wahrscheinlich.
Prinz Friedrich:
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"Bayerns Adel im Hochmittelalter"
Stärkste Konkurrenten der WITTELSBACHER waren in West-Bayern die Grafen von Andechs, seit 1173 Markgrafen von Istrien, spätere Herzöge von Meranien, deren Ausgangspunkt ein relativ dichter Herrschaftsbereich zwischen oberem Lech und oberer Isar war, die aber dann auch in Franken, Tirol, Kärnten, Krain und in Istrien Rechte erhielten und 1208 Herzöge von Burgund wurden. Seit 1132 nannten sie sich nach ihrer Burg Andechs am Ammersee; der zweite große Stützpunkt ihrer bayerische Macht war Burg und Grafschaft Wolfratshausen. Burg Merching südöstlich Augsburgs bildete die nordwestliche Bastion der ANDECHSER gegen den welfisch-staufischen wie auch gegen den wittelsbachischen Hausbesitz, während sich das Zentrum andechsischen Besitzes um Ammer- und Würmsee befand. Dießen am Ammersee war das gräfliche Hauskloster. Vogteirechte übten sie aus über Benediktbeuern und Tegernsee, sowie über Brixen-Neustift. Ein weiteres Zentrum der ANDECHSER bildete sich in Oberfranken um Plassenburg, um Kloster Langheim und um Giech, und festigte sich durch Grafschafts- und Vogteirechte in der Diözese Bamberg. Im Süden erhielten die ANDECHSER gegen Ende des 11. Jahrhunderts den Grafenbann im Unterinntal und im Pustertal, ebenso erlangten sie dann die Brixener Hochstiftsvogtei und durch Heiratspolitik reichen Grundbesitz in Krain ud in der karantanischen Mark. Berthold III († 1207) hatte 7 Grafschaften inne. Der Aufbau einer eigenen andechsischen Ministerialität lässt die Bedeutung dieses neben den WITTELSBACHERN mächtigsten bayerischen Geschlechtes erkennen. Einen fühlbaren Machtzuwachs erhielten die ANDECHSER, als mit dem Tod des Formbacher Grafen Ekbert III. vor Mailand (1158) das Erbe dieses Geschlechtes über Ekberts Schwester an deren Stief-Sohn, Berthold IV. von Andechs, fiel.
Dungern Otto:
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"Genealogisches Handbuch" 1931
Bei den ANDECHSERN
unterscheidet man für gewöhnlich zwei Hauptlinien, die sich
schon
frühzeitig voneinander trennten: die Arnold-Meginhard-Linie
und die Friedrich-Otto-Linie.
Eine dritte Linie, die man bisher
nicht entwickelt hat, lässt der Graf Razo von Dießen
vermuten.