Josef Heinzelmann

Genealogische Randnotizen
zu Erzbischof Aribo von Mainz und den „Aribonen“

Dies ist das Manuskript. Die zugehörigen Tafeln kann ich leider nicht wiedergeben, ich bitte, Sie im Heft (Archiv für Familiengeschichtsforschung 2002/1) nachzuschlagen. Nicht nur an den kruden Silbentrennungen erkennt man die Eile, mit der die letzten Korrekturen ausgeführt wurden oder nicht. Ich zähle hier nur die sinnstörenden auf:
S. 13 (Arbores): Der linke Ast des Schema consanguinitatis muss natürlich in Heinrich III. enden, nicht „Mathilde“.
S. 37(Aribo):  Auf der Tafel (sie wäre Nr. 1) rechte Spalte oben: Konrad war burgund. König, nicht "dt".
S. 38: Tafel (2), Generation der Kinder von ARIBO IV: Bei Hildburg müsste vor der zweiten Heiratsalternative Arnold ein oo stehen. Hartwig ist vor 1018 gestorben, nicht „>“
S. 42, drittletzte Zeile: Friedrichs Onkel, nicht „Bruder“.
S. 45: Dies ist die im Text erwähnte „Tafel 4“
Josef Heinzelmann
Mittwoch, 2002 Juni 5

Über die nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen dieses bedeutenden Mannes auf dem Stuhl des heiligen Bonifaz gibt es meines Wissens seit Böhmer nichts wesentlich Neues. [1 Johann Friedrich Böhmer/Cornelius Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe… 1, (1877, Neudr. 1966), S. XLVIss. Richard Müller, Erzbischof Aribo von Mainz 1021–1031 (Historische Studien 3), Leipzig 1881, Ludwig Sträter, Aribo, Erzbischof von Mainz 1021–1031 (Erzkanzler des Reiches 19), 1953. Josef Egger, Das Aribonenhaus, in: AÖG 83 (1897), S. 385–525. Heinz Dopsch, Die Aribonen. Ein führendes Adelsgeschlecht in Bayern und Kärnten während des Hochmittelalters, Staatsprüfungsarbeit Wien, 1968. Heinz Dopsch, Die Aribonen - Stifter des Klosters Seeon, in: Kloster Seeon. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur der ehemaligen Benediktinerabtei, hg. v. Hans von Malottki, Weißenhorn 1993, S. 5–92. Alois Schütz, Die frühen Aribonen und die Gründung des Klosters Seeon, in: Schreibkunst. Mittelalterliche Buchmalerei aus dem Kloster Seeon. Katalog zur Ausstellung im Kloster Seeon… 1994, hg. v. Josef Kirmeier, A. Schütz und Evamaria Brockhoff, Augsburg 1994, S. 44–62.]  „Aribo war zweifelsohne eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit und überragte die meisten seiner Mitbrüder an Geistigkeit und Geistlichkeit.“ [2 Das so beginnende, Aribo gewidmete Kapitel bei Herwig Wolfram, Konrad II. 990–1039. Kaiser dreier Reiche, 2000, S. 273–276, ist wohl die beste Darstellung, S. 280–282 gelten Erzbischof Pilgrim.] Die Zeitgenossen bezeichneten ihn als von vornehmster Abstammung und Noricus. [3 Genere et dignitate … venerabilis nennt ihn der gegnerische Wolfher (Vita Godehardi posterior, MG SS 11, S. 206). Natione Noricus, nobilis et sapiens Wipo (ebd. S. 256). Noricus dürfte auch damals als nicht identisch mit bavaricus aufgefasst worden sein, vielleicht meint es einfach „kärntnisch“.] Aribo muss vor 993 geboren sein, da Kaiser HEINRICH II., der ihn 1021 zum Mainzer Erzbischof erhob, bei seiner strengen Auffassung der Kirchengesetze gewiss auf die Einhaltung des kanonischen Alters (vollendete 30 Jahre, natürlich nur, wenn man die kannte) achtete. [4 Erst auf dem 3. Lateranischen Konzil sollte für die Bischofsweihe das begonnene 30. Lebensjahr festgesetzt werden. In der Antike galten z. T. 50 und 45 Jahre. Für das Diakonat galt bis ins 13. Jahrhundert ein Mindestalter von 25, für die Priesterweihe 30 oder auch nur 25 Jahre (J. Delmaille, Artikel Age, in: Dictionnaire de Droit canonique 1 (Paris-VI 1935), Sp. 315–348.)] 1021 August 17 war sein Vorgänger Erkenbold gestorben; schon im September empfing Aribo, der bisher als Diakon der Hofkapelle des Kaisers angehört hatte, noch die Priesterweihe durch Bischof Bernward von Hildesheim und wohl etwas später in Mainz die Bischofsweihe durch Bischof Ekkehard von Schleswig. Aribo sollte nicht ganz 10 Jahre regieren, er starb 1031 April 6. In seiner Amtszeit gibt es drei Ereignisse, die seinen Namen gerade den Mittelalter-Genealogen einprägen: den Gandersheimer Streit, die von ihm durchgesetzte Thronerhebung KONRADS II. mit der noch immer rätselhaften Weigerung, dann auch dessen Gattin Gisela zu krönen, und schließlich seine unnachgiebige Haltung im letzten Kapitel des Hammersteiner Eheprozesses. Um diese trotz immer neuer Beiträge noch nicht ausdiskutierten Fragen mache ich einen großen Bogen, mir geht es nur um Aribos verwandtschaftliches Umfeld, auf das unscheinbare, neu gewertete Quellenbelege bisher unbekannte Perspektiven eröffnen und offene Probleme plausiblen Lösungen näherbringen.
Man kann nicht von Aribo sprechen, ohne von den ARIBONEN zu handeln. Ihre Stammtafel wird äußerst divergierend konstruiert, weil es wenige Belege über Filiationen und daher viele Kombinationsmöglichkeiten gibt. Hier gehe ich vor allem auf jene fünf Generationen ein, die Aribos Lebenszeit erlebten. Kombinationen führen zu wieder neuen Kombinationen, die mit den Quellen überraschend vereinbar scheinen. Entscheidend sind - und insofern handelt es sich um eine für die prosopographisch-genealogische Methode lehrreiche Materie – die Auslegungen der in reichem Maße vorliegenden Memorialeinträge. Einige bisher erstaunlicherweise nicht in die Debatte einbezogene erweisen sich dabei als besonders hilfreich, weil sie sich halbwegs datieren lassen. Ungewöhnlich ist auch, dass Frauennamen zu Leitnamen-Argumenten führen.

1. Aribos Schwester Kunigunde

Als Diakon hatte Aribo (quidam Ivavensis aecclesiae diaconus consanguineus noster atque capellanus nomine Aribo) das von seiner Mutter Adala unter anscheinender Zustimmung des paralytischen Vaters Aribo gegründete Frauenkloster Göß de predio suo so reich ausgestattet, dass er später als dessen Fundator verehrt wurde. Das nähere wissen wir aus einer kaiserlichen Bestätigung 1020 Mai 1. [5 MG D HII 428.] Ich fasse diesen Akt als einen Verzicht auf Erbe auf, zugunsten einer Schwester, die (soror Cunigundis) dort erste Äbtissin wurde. Natürlich ist es auch ein Verzicht zugunsten des Kaisers (…et … in nostram potestatem libertandi gratia tradidit). „…die Vermutung, dass die Übertragung des Klosters Göß in das Eigentum der Krone… vielleicht … eine Voraussetzung für Aribos Aufstieg…“ war, „ist nicht von der Hand zu weisen“. [6 Schütz, Die frühen Aribonen …, S 58.]
Seine Eltern Aribo und Adala waren wohl nicht mehr am Leben, obwohl aus dem Wortlaut der Urkunde immer das Gegenteil entnommen wurde (monasterium puellarum… quod mater Adala nomine, patre vero suo Aribone quamvis a paralisi exlege tamen quantum potuit annuente et consentiente, incepit…) Dieses incepit ist so oder so plusquamperfektisch zu verstehen.

2. Aribos und Kunigundes Eltern

Der Vater ist der bayerische Pfalzgraf Aribo IV., der von ca. 979 bis 999 als handelnd belegt ist. [7 Belege bei Franz Tyroller, Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter. In: Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, hrsgg. v. Wilhelm Wegener, 1962, S. 56ff. Ich übernehme der Einfachheit halber die Zählweise der Personen gleichen Namens von Tyroller, ohne sie deshalb als richtig anzuerkennen. Tyrollers Arbeit ist wertvoll durch ihre auf Quellenbelegen beruhenden Prosopographien. Filiationen unterstellt er freilich oft entweder willkürlich oder nach missverstandenen Leitnamenregeln.] Er (oder seine allerdings nicht erwähnte Frau) wird 999 als blutsverwandt mit Herzog Heinrich IV. (dem späteren Kaiser) genannt.[8 MG D OIII nr. 319. Herzog Heinrich ist Petent für Aribo quod sibi coagulatione consanguinitatis proximus esset. Der Text ist nicht unbedingt zuverlässig (nur in der Briefsammlung des Froumund von Tegernsee überliefert) und nicht gerade konkret.] Aribo IV. war Bruder oder Schwager und Burggraf des später als heilig verehrten Erzbischofs Hartwig III. von Salzburg († 1023 Dezember 5) und wohl Großvater von Pilgrim, der 1021 Erzbischof von Köln wurde († 1036 August 25).
Wer war nun aber des Erzbischofs Mutter Adala, die einzig bei der Gösser Schenkung des Sohnes erwähnt wurde, also auch zweite oder dritte Frau des Vaters gewesen sein könnte? Adala comitissa uxor Aribonis steht September 7 im Nekrolog des Klosters Seeon, das sie mit ihrem Mann wohl 996, spätestens 999 gegründet hatte, sowie (Adala com.) in dem von Niedermünster. [9 MG Necr 2, S. 230 und Necr. 3, S. 292. Das uxor kann in Nekrologen immer auch für vidua stehen.] Unter September 8 erscheint sie aber auch im Merseburger Nekrolog, und zwar in dessen Ergänzungsschicht, die spätestens 1018 eingetragen wurde. [10 Gerd Althoff, Joachim Wollasch, Die Necrologien von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg (MGH Libri Memoriales et Necrologia Nova Series 2), 1983. Gerd Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen (Münstersche MASchrr 47), 1984, S. 412.] Mithin ist sie vor 1018 gestorben. Die Urkunde für Göß besagt keineswegs, dass Adala noch am Leben war.
Wegen Namens- und Besitzvererbung und aus chronologischen Gründen galt sie als Mutter einer gleichnamigen Tochter, die als Frau des SIEGHARDINGERS Engelbert III. Mutter des Brixener Bischofs Hartwig (1023–1029) geworden sein dürfte. [11 Zuletzt Tyroller, Genealogie…, S. 59.] Seit Mitscha-Märheim [12 Herbert Mitscha-Märheim, Awarische Wohnsitze und Regensburger Besitz zwischen Hainburg und Kittsee, in: Burgenländische Heimatblätter 14 (1952), S. 150–156.] und Gewin hält man diese beiden Adala jedoch für identisch und meint, dass Engelbert die Witwe Aribos geheiratet habe. [13 J. P. J. Gewin, Herkunft und Geschichte führender bayerisch-schwäbischer Geschlechter im Hochmittelalter, 's-Gravenhage, 1957, S. 54. Dopsch, Aribonen - Stifter … folgt dem im Text und der Tafel auf S. 62f., in der Tafel S. 70f. spricht er allerdings von vier Töchtern.] Danach wäre in der September 7 bzw. 8 memorierten Dame die „edle Frau Adala“ zu sehen, die mit der Hand ihres Sohnes Sigehard Seelgerät für ihren verstorbenen [14 Auf Dopschs (Die Aribonen - Stifter…, S. 63) Tafel erscheint er als 1020 noch lebend!] Gatten Engelbert an die Abtei St. Peter in Salzburg übergibt. [15 Salzburger Urkundenbuch, hrsg. v. d. Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 1 Traditionscodices, gesammelt und bearbeitet v. Abt Willibald Hauthaler O. S. B., Salzburg 1910, S. 274, Nr. 43, hier datiert auf „vor 1025 Februar 18“. Mal datiert man die Urkunde auf 1010, mal auf „vor 1025“. Falls es sich um die Witwe Aribos handelt, muss es auf alle Fälle heißen „vor 1018“.] Diese Annahme verträgt sich chronologisch auf keinen Fall mit derjenigen, sie sei aus zweiter Ehe Mutter Bischof Hartwigs, der den Namen ihres angeblichen Vaters von ihr bekam und noch im 10. Jahrhundert geboren sein muss. Adala war mindestens bis 1000 mit Aribo verheiratet, ein früheres Todesdatum ist für ihn nicht möglich.
Eine zweite Ehe der älteren Adala erscheint auch aus weiteren Gründen fragwürdig. Schließlich wird sie im Seeoner Eintrag ausdrücklich als uxor Aribonisbezeichnet, ohne Andeutung einer zweiten Ehe. Es ist zwar nicht sicher, wie viele Kinder Engelbert mit seiner Adala hatte, es scheinen aber mindestens drei gewesen zu sein, bei deren erstem sie fast 50 Jahre alt gewesen wäre. Auch führt das Argument, dass Sieghard und Pfalzgraf Hartwig IV. bei Ekkehard von Aura als Brüder bezeichnet würden zu ganz anderen Lösungen (Vgl. 8), da Pfalzgraf Hartwig IV. nicht Sohn sondern Enkel Aribos war und es sich um germani, nicht fratres uterini handelt.
Auch das bisher gewichtigste Gegenargument – dass im Seeoner Necrolog keine Adala als Tochter Aribos genannt ist – wird sich gleich entkräften, wenn nicht widerlegen lassen.
Mit anderen Worten: Diese wohl schon um 990 den SIEGHARDINGER Engelbert heiratende Adala war eine jüngere Verwandte, und wegen der Namensvererbung mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit die Tochter der anderen, die nach dem Tode Aribos wohl keine weitere Ehe geschlossen hat und für die die Einträge in Seeon und Merseburg gelten. Die Mutter dürfte Aribo Anfang der 970-er Jahre geheiratet haben, wie gleich nachzuweisen ist, also kaum später als 955 geboren sein. War sie wegen der Namenvererbung die leibliche Mutter der jüngeren Adala, dann wohl auch der Kunigunde und der übrigen Kinder Aribos IV. Erzbischof Aribo war gewiss einer ihrer jüngeren Söhne, sonst hätte er kaum die geistliche Laufbahn einschlagen dürfen oder müssen.

3. Erzbischof Aribos weitere Geschwister

Das Kloster Seeon war das Hauskloster der ARIBONEN. Im Seeoner Necrolog finden sich viele Eintragungen zu des Gründers Aribo Familie: S. Liste 1.
Während bei der älteren Generation und bei den wohl zur Verwandtschaft zählenden anderen Nennungen weltliche Titel erscheinen, findet man bei den als Kinder des Gründers bezeichneten nur geistliche Titel. Dopsch nennt die Liste im Seeoner Necrolog „eine vollständige (unterstrichen) Überlieferung der Generation Aribos und und seiner Kinder“. Ich halte diese Behauptung für genau so unbewiesen, wie meine eigene, die Liste sei nicht unbedingt lückenlos.
Auch in der Merseburger Ergänzungsschicht erscheinen zwei von Adalas und Aribos Kindern.
Wichburg (Dezember 5, ebenso in Seeon: Wicpurch filia Aribonis) kann wegen der Zeitstellung (gestorben vor 1018, aber wohl doch nach ca. 1010) nicht Äbtissin in Mainz gewesen sein. Eine Schwester von Erzbischof Aribo namens Wichburg als Äbtissin von Altmünster in Mainz ist sowieso eine nicht haltbare Vermutung Persts u. a. [16 Otto Perst, Gandersheim und Göß, in: Braunschweigisches Jahrbuch 39 (1958), vor allem S. 49.] Keiner der beiden im Seeoner Necrolog filia Aribonis genannten Namensträgerinnen ist eine Amtsbezeichnung beigegeben. Die zum August 12 könnte theoretisch noch im Gandersheimer Stiftsstreit neben Erzbischof Aribo aktiv geworden sein, dann hätten aber gleichzeitig zwei Vollgeschwister gleichen Namens gelebt. Die mit dem Gedächtnistag Dezember 5 vor 1018 müsste daher nach der anderen gestorben sein, die über das frühe Kindesalter nicht hinauskam. Aber es gibt auch andere Erklärungen für die doppelte Wichburg: War es wirklich immer derselbe Aribo? Verwechselte der Schreiber (bzw. der Kopist) filia mit neptis oder soror? Die einfachste Erklärung wäre, dass Seeon August 12 nicht eine Wichburg, sondern Adala meint, die Gattin Engelberts III., und man einfach aus Versehen den falschen Namen eintrug. Jedenfalls findet sich in Niedermünster zum selben Tag eine Adalheid com., die man angesichts der vielen Übereinstimmungen bei den anderen Familienmitgliedern zwischen den beiden Necrologen für unsere Adala halten kann und die mit der zweiten Seeoner Wicpurch gemeint war. Sie könnte auch zu August 10 im Necrolog von Admont eingetragen sein (Adala com. [17 MG Necr. 2] ), wäre dieser Eintrag nicht viel später zu datieren.
Die Identifikation des Hartwig (in Merseburg Hartwich laicus Dezember 25, in Seeon Dezember 24 Hartwicus filius Aribonis) mit Pfalzgraf Hartwig IV. widerspräche Althoffs unbezweifelbarem Ergebnis, dass die Ergänzungsschicht auf Bischof Thietmar zurückgeht und daher 1018 abgeschlossen war, was bereits Althoff zu der Bemerkung veranlasste, dass es sich nicht um den gleichnamigen Pfalzgrafen handeln dürfte. [18 Althoff, Adels- und Königsfamilien… , S. 412.] Denn Hartwig IV. tritt erst ab 1025 auf und hinterlässt 1027/28 ein Kleinkind (seinen Nachfolger Aribo) und eine schwangere Witwe; er gehört in die nächste Generation als ein Enkel Aribos IV. Die Nekrologeinträge zu den Weihnachtstagen beziehen sich mithin auf einen gewiss früh verstorbenen Sohn Aribos IV., vielleicht den Vater von Hartwig IV. Beide Einträge gelten einem laicus, bzw. einem filius Aribonis und nennen keine Ämter. Die beiden Necrologeinträge für einen Pfalzgrafen Hartwig zum Juni 16 in Michaelbeuern u. Mondsee gelten mit Sicherheit nicht dem ersten, sondern dem zweiten Pfalzgrafen dieses Namens, der ja Michaelbeuern mitgründete (Vgl. 8).
Dazu kommen in der Merseburger Ergänzungsschicht zwei vermutliche Enkel Adalas. Ich halte jedenfalls den jeweils unter April 19 als diaconus in Merseburg und in Niedermünster als archidiaconus eingetragenen Pilgrim, sowie den Nordbertus com (hier wie dort Juni 4, in Michaelbeuern Juni 5) dafür, obwohl sie nicht in Seeon erscheinen. Beide Namen kommen bei den SIEGHARDINGERN in der Generation vor, die Ehen mit ARIBONEN eingingen. Warum nicht auch in der nächsten Generation? Bei Nordbert hieße dies, dass Tyrollers [19 Tyroller, Genealogie…, S. 91f.] sieghardingischer Graf Nordbert II. (c.963–c.1010) in Onkel und (früh verstorbenen) Sohn oder Neffen zu teilen wäre. Wegen der Michaelbeuerner Memorie stand er wohl den Gründern nahe. Pilgrim kann kein Sohn Chadalhohs sein, denn den gibt es bereits: den späteren Kölner Erzbischof. Da mithin der Name nicht nur bei den SIEGHARDINGERN, sondern auch bei den ARIBONEN vorkommt, kann man diesen Kleriker überall unterbringen, vorzugsweise in der Enkelgeneration von Aribo IV.

4. Pfalzgraf Hartwig I.: Großvater väter- oder mütterlicherseits?

Gewin und in seiner Nachfolge Dopsch und Schütz u. a. [20 Vgl. Anm. 1. Der gründliche Dopsch wird sich natürlich über die Formulierung, er stehe hier „in der Nachfolge“ des genealogischen Scharlatans Gewin ärgern. Sie ist rein chronologisch gemeint.] bezeichnen Adala, die Frau Aribos IV., als eine Tochter des bayerischen Pfalzgrafen Hartwig. Tyroller und die ältere Forschung halten Hartwig dagegen für den Vater von Pfalzgraf Aribo. Eines dürfte von vornherein feststehen: Eine dieser beiden Ansichten ist richtig. Pfalzgraf Hartwig ist Großvater von Erzbischof Aribo und seinen Geschwistern, entweder väterlicher oder mütterlicher.

1. Hartwig, ein Aribone oder nicht?

Dopschs Begründung, Hartwig habe seinen „im ARIBONEN-Haus bis dahin nicht üblichen Namen Hartwig“ in die Familie gebracht und einem Bruder von Erzbischof Aribo vererbt, verfängt nicht. Wenig später widerspricht zumindest Schütz dieser Ansicht, wenn er offensichtlich zurecht behauptet, dass schon 976 die Namen Hartwig und Chadalhoh zu denen gehörten, „die in der aribonischen Sippe gebräuchlich waren“. [21 Schütz, Die frühen Aribonen…, S. 54.]
Als Gegenbeweis genügt bereits die Namenreihe der Kinder einer Hiltigart, Frau des Albwin: Sie hat als ältere Söhne Aribo (später Markgraf), Hartwig und wohl erst dann Albwin (Bischof von Brixen 975–1006). Diese von Tyroller als Schwester Chadalhohs II. und eines Hartwig eingereihte Hildegard stellt Dopsch als Schwester zu Hartwig, dem Pfalzgrafen, um den es hier geht, was chronologisch sehr viel besser passt (Alter von Bischof Albwin):
 
 

                                        ------------------------------
      EB Odalbert oo II. Rihni                           Hartwig
                                I. oo ? ¢ (903†)               924–930

                                                                          ---
                                                                     Engelbert
                                                                          ?

                                  ----------------------------------------------------
     Albwin oo  Hildegard                                                     Hartwig Pfzgf. (953)
 

         ---------------------------------------------------------
     Aribo       Hartwig              Albwin         Gepa   Wezala
   Mkgf.      Bes. in Aschau   Bf. Brixen
                                              975–1006

An dieser Tafel nach Dopsch sind die beiden jüngsten Generationen nicht anzufechten. Da Hildegard nach den Namen ihrer Kinder eine ARIBONIN war, denn Albwin war keiner, muss auch ihr Bruder Hartwig ein ARIBONE gewesen sein, und zwar im Mannesstamm und als Vater Aribos IV.
Die Möglichkeit, dass die unbekannte Mutter (oder eine Großmutter) der Geschwister eine ARIBONIN, also eine Schwester von Chadalhoh II. gewesen wäre, scheidet aus, weil dann die Ehe von Aribo IV. und der Tochter Hartwigs eine zwischen Cousins 1. (oder 2.) Grades gewesen wäre, was den späteren Erzbischof Aribo, der ihr entsprang, in den Augen der Kirche zum Bastard und Kind des Inzests gemacht hätte.
Mit anderen Worten Pfalzgraf Hartwig muss ein agnatischer ARIBONE und Vater von Aribo IV. sein. Doch untersuchen wir auch den älteren Hartwig.

2.  Der ältere Hartwig, proximus des Erzbischofs Odalbert

Dopsch selber setzt diesen älteren Hartwig, den Erzbischof Odalbert 930 seinen proximus fidelis nennt, als dessen Schwager (und Bruder von Odalberts Frau Rihni) ein. [22 Dopsch, 1968…, S. 65ff, Tafel S. 77.] Überzeugend widerlegt er die Annahme, Hartwig sei ein Bruder Odalberts. [23 So u. a. M. Mitterauer, Karolingische Markgrafen im Südosten, in: Archiv für Österreichische Geschichte 123 (1963), S. 196.]
Dieser proximus Hartwig und der (noch) nicht Graf genannte Chadalhoh II. bei seinem ersten urkundlichen Auftreten machen 924 November quasi einen Doppeltausch mit Erzbischof Odalbert. [24 SalzbUB 1, S. 83ff.] Da Chadalhoh II. bei seiner ersten Nennung als Graf Spitzenzeuge für einen Tausch von Besitz im Isengau eines Edlen Hartwig (wohl der proximus) ist, darf man annehmen, dass dieser verwandt mit ihm war (Tyroller setzt ihn als Bruder an). Hier könnte er freilich auch als zuständiger Graf testieren.
Dass Dopsch aus chronologischen Gründen Tyrollers Ansicht verwirft, Hartwig sei mit Chadalhoh über dessen vermutlichen Vater Aribo (dem 904 Göß geschenkt wird) ein Stiefneffe Odalberts, halte ich nicht für zwingend. Gewiss dürfte er bald nach 930 gestorben sein. Das wäre doch ohne weiteres bei einer Geburt vor 903 (Richni Witwe erster Ehe) möglich. Aber sei dem, wie dem wolle, dass der proximus Hartwig von Herzog Berthold (aber auch anderen, nicht zuletzt Pfalzgraf Hartwig!) beerbt worden sein soll, bedeutet doch wohl, dass er ohne mänliche Erben starb. Von diesem proximus Hartwig ist aber ein Sohn Engelbert bekannt. Er erscheint (als filius Hartuuicioder nur als Engilperht) als Zeuge für einen Priester Engelbert und dessen Sohn Liutfred. [25 Dopsch, 1968…, S. 67 und Anm. 19. nach SzUB I S. 122 Nr. 60 und 136 Nr. 75, wohl auch 124 Nr. 61, 171 Nr. 3 und 178 Nr. 12.] Dieser Sohn Engelbert müsste demnach früh gestorben sein. Dopsch schlägt ihn gleichwohl als Vater des Pfalzgrafen Hartwig vor, was schon deshalb überrascht, weil Engelbert in der von Dopsch so akribisch untersuchten Besitzgeschichte ein Nobody ist, und offensichtlich auch seinen im Salzburgischen angesehenen Namen nicht vererbt hat. [26 In die Nachkommenschaft des Pfalzgrafen kommt der Name nur durch den Mann der Adala, Engelbert III.] Ich glaube nicht, dass er zu Bedeutung und Nachkommen kam.
Ich will den Mutmaßungen über die erste Ehe Richnis (die höchstwahrscheinlich eine LUITPOLDINGERIN war) keine weitere anschließen und halte mich an die vorsichtige Lösung von Dopsch. Ohne Tyrollers weitere Konstrukte zu übernehmen, erscheint mir aber der ältere Hartwig ein Onkel oder Großonkel des jüngeren (des Pfalzgrafen) und der Hildegard, also als Sohn oder Bruder des 904 beschenkten Aribo.
Ich sehe allerdings eine zweite, recht elegante und wahrscheinlicherw Möglichkeit, den proximus Hartwig mit Chadalhoh II. in eine stichhaltige genealogische Beziehung zu setzen: Als Schwiegervater und Schwiegersohn. Hartwig als Bruder Rihnis kann ohne weiteres 923 eine mit Chadalhoh verheiratete Tochter und 930 einen mündigen Sohn haben. Das lässt gleich weiter vermuten, dass er seinen Sohn Engelbert nach seinem Schwiegervater nannte.
Dopschs Leitnamenargument ist also nicht nur, weil ex negativo, von vornherein schwach, es gibt im Gegenteil sogar ein positives, ja geradezu zwingendes Indiz dafür ab, dass Pfalzgraf Hartwig der Vater Aribos IV. war.

3. Arbo comitis Chadalhohi filius

Ein zweites Argument, mit dem Dopsch den Pfalzgrafen Hartwig als Vater des Pfalzgrafen Aribo ausscheidet, ist gewichtiger: eine undatierte Tauschurkunde, in der Erzbischof Friedrich (958–991) cum cuidam nobili homine eiusdem archiepiscopi uasallo nomine Aribo [27 Salzb. UB 1, S. 180f., Nr. 15.] die gerade geweihte Pfarrei Neubeuern gegen Güter in Tirol eintauscht. Dieser Arbo comitisChadalhohi filius gilt für Mitterauer, Klebel, Egger, Dopsch u. a. als der spätere Gründer von Seeon, Aribo IV. Es wäre töricht, dies nicht als möglich anzusehen. Ich halte die Möglichkeit aber für gering. Was konnte Aribo IV. der sonst seinen im Isengau ererbten Besitz zusammenhielt, dazu bringen, einen Teil davon gegen Güter in Tirol einzutauschen? Auch muss offenbleiben, ob man die Urkunde wie im Salzburger Urkundenbuch auf ca. 976 datiert. Ich rücke sie näher an die Lebenszeit des Vorbesitzers, des Grafen Chadalhoh, der als Vater dieses Aribo genannt ist.
Tyroller hält diesen Aribo III. für einen Bruder des Pfalzgrafen Hartwig. Er träte auch 955–960 im Freisingischen auf. [28 Theodor Bitterauf, Die Traditionen des Hochstifts Freising 926–1203. 2 (QErörtbyG 5), 1909, S. 71f. Nr.1141f.; S. 87f. Nr. 1164; S. 101 Nr. 1182; S. 105 Nr. 1187)] Ich kann letzteres nicht beurteilen, übernehme die Filiation und zähle diesen titellosen und als ein Quidam wohl nicht besonders wichtigen erzbischöflichen Vasallen zu den zahlreichen Aribos, die Dopsch für jene Zeit konstatiert, ohne sie genauer einreihen zu können. [29 Eine wenig später im Codex Friderici erscheinende Urkunde für einen Erchanger mit Besitz im Isengau (der Grafschaft Hartwigs) wird z. B. von zwei Aribos bezeugt. Salzb. UB 1, S. 184f., Nr. 21.] Ein nachgeborener oder gar illegitimer Sohn Chadalhohs war er natürlich. Er dürfte aber bald gestorben oder (aus Mangel an den notwendigen Eigenschaften?) in der Anonymität versunken sein oder den Schwerpunkt seines Wirkens außerhalb unseres Gesichtskreises (z. B. schon nach Tirol) verlegt haben. Dass unter seinen Zeugen kein einziger einen „aribonischen“ Namen trägt, lege ich dahin aus, dass er „abgeschichtet“ war, also doch wohl illegitim.
Die Urkundenlage ist also zumindest nicht eindeutig, die Auslegung entbehrt der Beweiskraft.

4. Weitere Indizien.

Eindeutig ist nur, dass Aribo IV. in der Rechts- und Leitnamensvererbung Nachfolger des Pfalzgrafen Hartwig war, den alle die als seinen Schwiegervater ansehen, die den Grafen Chadalhoh für seinen Vater halten; die anderen (ich nenne nur Tyroller) nehmen Hartwig als Vater an, und Chadalhoh für den Großvater. Dafür sprechen meiner Meinung nach mehr und gewichtigere Argumente. Auf alle Fälle steht fest, dass der 904 mit Göß beschenkte Aribo und dessen mutmaßlicher Sohn Chadalhoh als Besitzvorgänger des Klosters Vorfahren der Klostergründer waren. [30 Dopsch, 1968…, S. 12ff., nach Vorarbeiten von Herwig Ebner, Die Besitzgeschichte des Nonnenstiftes Göß in der Steiermark vom Jahre 1020 bis 1460…, phil. Diss. Graz 1949, Karl Bracher, Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte des Stiftes Göß (ZHVSt Sonderband 1) Graz 1954.] Dopsch begeht dann den genealogischen Kurzschluss, dass der belegte Sohn Aribo (III.) Chadalhohs der nächste Erbe und Klostergründer gewesen sein müsse.
Zwischen Chadalhoh und dem Klostergründer Aribo noch Hartwig einzuschalten und Aribo (III.) aus der Besitzfolge auszugliedern, legt auch eine Amtsnachfolge nahe. Im „unteren Salzachgau“ passt alles: ChadalhohHartwigAribo IV., wenn Hartwig ein Sohn Chadalhohs war. Die zweite Grafschaft im Isengau (Chadalhoh II. [31Bis 930 erscheint hier (auch?) ein Orendil. Chadalhoh als Graf auch im Isengau ist eine begründete Vermutung Tyrollers.]  – HartwigEberhard, der „Bruder Aribos“ [32 Dopsch, 1968…, S. 37 erwähnt ihn nur kurz.] – Chadalhoh IV.) wäre bei Dopschs Konstellation nicht drei (vielleicht vier [33 Zu Chadalhoh III. unten S. #] ) Generationen lang von Vater auf Sohn vererbt worden, sondern in der fast unvorstellbare Folge: Erblasser – ein Fremder – der Bruder von dessen Schwiegersohn – der Sohn von dessen Bruder. Falls Eberhard kinderlos starb, ist die letzte vorstellbar; die vorherigen sind es nicht, angesichts des Vorhandenseins natürlicher Erben: zunächst eines Sohnes des Erblassers Chadalhoh II. und dann eben des (lt. Dopsch) Schwiegersohns von Hartwig.
Hartwigs Frau hieß Wichburg und war nach überwiegender (auch Dopschs) Vermutung eine Tochter des Liutpoldinger Ex-Herzogs Eberhard. Wie aber soll der als Bruder von Aribo IV. urkundlich und im Necrolog von Seeon belegte Eberhard nicht nur seine Grafschaft im Isengau, sondern schon seinen Namen von Hartwig und Wichburg bekommen haben, wenn er nur Bruder von deren Schwiegersohn war, noch dazu zu dessen Lebzeiten! Wenn wir diesen Eberhard aber als Sohn des Pfalzgrafen Hartwig anerkennen, löst sich auch die Merkwürdigkeit auf, dass Pfalzgraf Hartwigs einziger Sohn (Erzbischof Hartwig) geistlich wurde und nur Töchter Erben waren. Es ergibt sich dann aber eine zweite Merkwürdigkeit, dass offensichtlich die Töchter und nicht der weltliche Sohn die Hauptmasse erbten. Nehmen wir aber an, Pfalzgraf Hartwig hatte auch Aribo IV. als Sohn, und zwar als ältesten, behebt sich auch diese letzte Fragwürdigkeit. Der älteste Sohn Aribo erbte den Löwenanteil (und das wichtigste Amt), Eberhard noch eine Grafschaft, die Tochter Wichburg auch einen schönen Batzen, und Sohn Hartwig machte eine geistliche Karriere. (Ich bezweifle, dass das alle Kinder waren. Aber mehr geben die Quellen nicht her.)
Mich überzeugt mithin Tyrollers noch unbegründete Einordnung des Pfalzgrafen Hartwig als väterlicher und nicht mütterlicher Großvater von Erzbischof Aribo schon in diesem Stadium der Erörterung. Dabei schöpfte ich die entscheidenden Argumente aus der viel fundierteren Arbeit Dopschs, die sogar noch weitere Indizien liefert: „Der Zeitraum zwischen der Geburt Chadalhohs“ (die er begründet auf 900/905 datiert) „und dem Tode seines Sohnes Aribo beträgt fast 100 Jahre. Das liegt stark über dem Durchschnittsalter dieser Zeit.“ [34 Dopsch, 1968…, S. 15.]
In einer plausiblen Generationsfolge ist Chadalhoh II. [35 Dopsch, 1968…, S. 21 macht ihn (wie auch Tyroller) zum Sohn des 904 mit Göß beschenkten Arpo und einer ALAHOLFINGERIN. Er könnte aber auch selber agnatischer ALAHOLFINGER sein und eingeheiratet haben (seine Frau war Tochter Arpos). Dies nur als theoretische Möglichkeit, sie schließt aus, dass er Schwiegersohn des proximus Hartwig war.] ,, der 923 als Graf im Isengau genannt und verheiratet gewesen sein dürfte, Vater von Aribo III. und Pfalzgraf Hartwig, für die man als Geburtsdatum doch wohl „vor 930“ annehmen muss. [36 Salzb. UB 1, S. 104f., Nr. 43.] .. Aribo III. kann schwerlich mit Aribo IV. identisch sein, denn entweder wäre Aribo III.+IV. ein sehr spätes Kind seines Vaters, oder er hätte erst mit 40 oder gar mehr Jahren geheiratet (und nicht einmal gleich nach dem Tod des Vaters). Da aber Hartwigs Frau ihren signifikanten Leitnamen (Wichburg) an die Kinder Aribos IV. vererbte, war sie so gut wie sicher deren Großmutter, nicht die gänzlich unbekannte Frau des kaum bekannten Aribo III. Hartwig erscheint urkundlich ab 953. Da er dabei als Inhaber eines Ministerium genannt wird, ist er ziemlich sicher auch verheiratet. Aribo IV. muss (s. o.) spätestens 975 geheiratet haben, ist also altersmäßig unschwer als sein Sohn einzureihen.
Diese Lösung hat aber eine Konsequenz. Adala, die Frau von Aribo IV., war keine Tochter Hartwigs, war überhaupt keine ARIBONIN. Woher stammte sie? Die beiden Frauennamen Adala und Kunigunde weisen nach dem „Westen“, obwohl sie in der Salzburger nekrologischen Überlieferung schon im 9. Jahrhundert erscheinen.

5. Weibliche Leitnamen?

1. Kunigunde

Weinfurter meint, dass die Schwester des Erzbischofs Aribo nach der Königin Kunigunde benannt wurde, obwohl diese zur Zeit der Geburt bestimmt noch nicht Königin und wahrscheinlich auch noch nicht Frau HEINRICHS II. war. [37 Stefan Weinfurter, Heinrich II. (1002–1924). Herrscher am Ende der Zeiten, 1999, S. 117. Weinfurter meint andererseits S. 40, dass Adala Enkelin einer LUITPOLDINGERIN war.]
Der Name Kunigunde kann eher von der Frau Herzog Liutpold I. (und später König KONRADS I.) herzuleiten sein, einer Tochter des schwäbischen Pfalzgrafen Berthold, obwohl er bei deren Nachkommen nur einmal nachgewiesen wurde, nämlich bei einer Enkelin, Tochter von Herzog Berthold, Frau Graf Ulrichs „vom Schweinachgau“ (FORMBACHER). [38 Tyroller, Genealogie…, S. 78. – Aller Wahrscheinlichkeit nach war LUITPOLDINGERIN auch die Chunigund, Besitzerin von Reifnitz (MG DO II 163, 977 09 08, Brixner Urkunden hrsg. von Leo Santifaller, o. J., Nr.  8) in regimine Hartvvici waltpotonis et tegneia Perahtoldi, quam quondam pater perdicti infidelis Ascuini dum viveret tenuit et nunc mater sua quae vocatur Chunigund. Der ungetreue Askuin hatte an dem Aufstand der Herzöge Heinrich II. von Bayern und Heinrich von Kärnten teilgenommen und wurde deshalb enthauptet. Sein Vater und Mann der Chunigund dürfte ein Graf Askuin sein, der 956 im Scharmützel bei Mühldorf fiel, auf der Seite aufständischer LUITPOLDINGER. (Wilhelm Fink, Kärntnerische Vorfahren der Grafen von Bogen, in: JahresberichtehistVStraubing u. Umgebung 62 (1960), S.26–31.)] Der Name kommt im Zusammenhang mit Rihni, der Frau von Erzbischof Odalbert, vor, [39 Belege bei Dopsch, 1968…, S. 57f.] könnte also von hier an deren Nachkommen und an Richnis und Kunigundes gemeinsame Blutsverwandte vererbt worden sein, zu denen die pfalzgräflichen ARIBONEN wohl irgendwie gehören, wohl über Hartwig. Mir fällt dabei auf, dass in undefinierbarem, aber wohl nahem verwandtschaftlichen Zusammenhang noch lange immer wieder ein Erchanger auftaucht. [40 Vgl. Anmerkung 29.] Erchanger hieß schon der Bruder jener Herzogin Kunigunde. Es wäre aber sehr weit hergeholt, wenn man den Namen der Gösser Kunigunde über fünf oder sechs Generationen herleitet, in denen er unseres Wissens nicht gebraucht wurde, und die auch sonst keinen Namen weitergaben (ausgenommen Eberhard für einen Bruder Aribos IV.).
Doch der Name könnte auch über die LUXEMBURGER und verschwägerte Sippen von Kunigunde, der Enkelin König Ludwigs des Stammlers, herzuleiten sein, wie es bei der gleichnamigen, heiliggesprochenen Frau Herzog Heinrichs IV., des späteren Kaisers, der Fall war. [41 Über diese Zusammenhänge bereitet Christian Settipani eine, wie ich meine, definitive Veröffentlichung vor, für eine Kopie des Manuskripts habe ich herzlich zu danken.] Kunigunde, die Mutter des Grafen Siegfried von Luxemburg, hatte aus erster Ehe mit dem Grafen Wigerich u. a. eine Tochter Liutgard, die 960 eine Stiftung für das Seelenheil ihrer Eltern und ihrer beiden verstorbenen Ehemänner macht. [42 Camille Wampach, Lux. UB 1, 1935, Nr. 168, S. 216–219: Ego Liugardis … ex parentibus meis Wigerico et Cunegunda… seniorum quoque meorum Alberti et Everhardi…] Tyroller hält (auf eine Anregung Vanderkinderes hin) diese Liutgard für die Frau des von OTTO DEM GROSSEN 938 abgesetzten und wohl bald darauf jung verstorbenen Bayern-Herzogs Eberhard; er und Dopsch halten Wigburg, namentlich belegte Mutter des Salzburger Erzbischofs Hartwig, also Frau des Gewaltboten und Pfalzgrafen Hartwig, und Mutter auch eines Eberhard, für eine Tochter von Eberhard und Liutgard. Ich empfinde dies als letztlich unbeweisbar, ohne dass ich den Schwiegersohn jener Kunigunde namens Eberhard in dem elsässischen Nordgaugrafen erkenne, wie es am ausführlichsten und nicht ohne Argumente Hlawitschka getan hat, [43 Eduard Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert (VeröffKommSaarlLdesG-VolksF 4), 1969, pass.] und halte es mit Settipani, der um dieses Problem einen Bogen gemacht hat.
Hierzu eine Anmerkung: Wenn wir Rihni als eine Schwester der Herzöge Arnulf und Berthold einsetzen (wie es nicht anders zu gehen scheint, wenn sie eine Tochter der Kunigunde war), und den proximus Hartwig als ihren Bruder, wäre die Ehe zwischen Hartwig und Wigburg höchstwahrscheinlich schon eine der verbotenen Verwandtschaft 3:3.

                         ì  ¿—? Hartwig ¿—? ™ (?Chadalhoh) — Hartwig  ì
     Kunigunde  í                                                                      oo       í  EB Hartwig
                        î  —   Arnulf  —        Eberhard         ¿—?Wichburg î

Man kann daraus den Schluss ziehen, dass eine der Filiationen nicht zutrifft. Doch als vielleicht überflüssige, immerhin chronologisch bessere Lösungsmöglichkeit sehe ich, dass Richni eher eine Schwester als eine Tochter der Kunigunde war, und Hartwig dementsprechend deren Bruder. Immerhin tauchen im Umkreis Rihnis keine direkten LUITPOLDINGER-Namen auf.

Adalas Namen

Wie Kunigunde ist der Name Adela/Adala in Bayern nicht selten. Er muss eher als eigenständig denn als hypokoristische Form von Adelheid, -birg, -gund u. ä. gelten. In den Salzburger Necrologen (St. Peter, Dom und Nonnberg, aber auch Regensburg Niedermünster) begegnet er öfters, leider nie konkret datier- oder identifizierbar. In der im 9. oder 10. Jahrhundert geschriebenen Spalte 90 des Liber confraternitatum vetustior von St. Peter stehen Azala Chunigunda direkt nebeneinander.[44 Catalogi fratrum S. Petri (Nomina virorum et feminarum) MG Necr 2, S. 57.] Mehrmals begegnet das Paar Adala· Willa, einmal sogar Adala· Gisila. Auch Chunigund ist mehrmals vertreten, einmal sogar zwei direkt nebeneinander. [45 wie Anm. 44, S. 56, in der Liste feminarum eadem communitate utentium, Sp. 40, Z. 5]
Die Eintragung in Merseburg für Adala und je zwei ihrer Kinder und Enkel gehört nach der akribischen Untersuchung Althoffs zu einer noch nicht lokalisierten Tradition, die HEINRICH II. und seine Frau Kunigunde nach Merseburg vermittelten. Bisher ist es noch nicht gelungen, diese Gedächtnis-Tradition als nur für Verwandte des Kaiserpaares bestimmt zu definieren, was mir aber für die hier behandelten Personen nahezuliegen scheint, und zwar nicht nur über HEINRICHS II. luitpoldingische Großmutter Judith, was mir denn doch als etwas entfernt vorkommt.
Es gibt nämlich eine zweite Möglichkeit für Erzbischof Aribos Verwandtschaft mit HEINRICH II. und zwar über seine Mutter Adala, wenn diese nicht Tochter, sondern Schwiegertochter der Wigburg war: [46 s. Anm. 9.] HEINRICHS II. Mutter Gisela war eine Tochter von König Konrad II. von Burgund aus dessen erster bekannter Ehe mit einer selbst dem Namen nach noch nicht näher bestimmten Adala. Bei der einzigen urkundlichen Erwähnung, 963 März 23, lautet er Adelane (Genetiv), wobei der Herausgeber im Vorwort von einer Adela, in den Anmerkungen von einer „Adelania (Adela)“ spricht. Wichtig ist sein Hinweis, dass Adela(n(i)a) in dieser Urkunde als lebend erscheint und von gemeinsamen Kindern in der Mehrzahl gesprochen wird. [47 MG, Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Theodor Schieffer unter Mitwirkung von Hans Eberhard Mayer, 1977, Nr. 38, ebd. S. 15 und 153. Stefan Weinfurter, Heinrich II. (1002–1024), Herrscher am Ende der Zeiten, 1999, S. 23 und 220, nennt sie ohne Erläuterung Adelania.] In der nächsten Urkunde, 966 August 10, erscheint dann Konrads zweite Gemahlin Mathilde, und ein schon zeugnismündiger Königs-Sohn (erster Ehe) Konrad. Da König Konrad 937, wenn auch noch unmündig, die Regierung antrat, ist seine Heirat mit Adela (ich betrachte Adelana als romanisch beeinflusste Nebenform dieses Namens) nicht zu datieren, außer dass sie wohl vor 954 liegt. Es könnte sogar sein, dass Adela bereits die zweite Frau war.

Wieder mal ein Konradiner-Exkurs

Wenn Jackman sie zu einer Tochter des KONRADINERS Gebhard, Grafen im Ufgau macht, dem er eine Gattin Adela (eine Vermandois) gibt, beruht dies auf zwei Einträgen des Reichenauer Verbrüderungsbuchs. [48 Donald C. Jackman, The Konradiner. A Study in Genealogical Methodology (Ius commune, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 47), Frankfurt 1990, S. 63ff.] Da Althoff deren ersten überzeugend auf 912/13 datiert [49 Althoff, Adels- und Königsfamilien…, S. 254ff.], entfällt Jackmans Vorschlag. Aber selbst wenn er recht hätte, sagt dies nichts gegen die belegte zweite Ehe einer VERMANDOIS namens Kunigunde mit einem KONRADINER, nämlich Gebhards Cousin Udo („Graf im Rheingau“). [50 Sie war eine Schwester Heriberts II. (Karl Ferdinand Werner, Untersuchungen zur Frühzeit des französischen Fürstentums V. Zur Geschichte des Hauses Vermandois“, in: Die Welt als Geschichte 20 (1960), S. 87–119, M. Bur, La Formation du comté de Champagne. Vers 950–vers 1150 (Mémoires des Annales de l’Est 54), S. 507–513, Christian Settipani, La Préhistoire des Capétiens (Nouvelle histoire généalogi-que de l’auguste maison de France, sous la direction de Patrick van Kerrebrouck, 1,1) Villeneuve d’Ascq 1993, S. 91). – Jackman (Konradiner…, S. 143–145 und Criticism and Critique, Sidelights on the Konradiner (Prosopographica et Genealogica 1), Oxford 1997 S. 46 u. a.)] Deren Datum kann man guten Gewissens bereits für 913 annehmen. Wenn Udo, wie auch Settipani annimmt, in den letzten Jahren des 9. Jahrhunderts geboren ist, und 910 als puer den Vater verlor, wird er als dessen Nachfolger möglichst früh (evtl. schon mit 14, 15 Jahren) geheiratet haben. [51Diese Argumentation gilt nicht für seinen sowieso jüngeren Bruder Hermann, der in den 920-er Jahren noch ledig war, sodass er mit Reginlindis, der Witwe Burkhards, das schwäbische Herzogtum erheiraten konnte. (Die Heirat war natürlich eine Konsequenz, nicht die Ursache für seine Ernennung.)] Betrachten wir diesen Eintrag (pag. A3–A5; B1–B2) des Reichenauer Verbrüderungsbuchs: (1) Uto, (2) Uoto, (3) Heriman, (4) Uto, (5) Chonrat, (6) Heribreht, (7) Chuningund, (8) Adala, (9) Chunigund, (10) Adelheid, (11) Hatto etc. Althoff datiert diesen leider völlig amtstitellosen Eintrag, indem er Hatto mit dem 913 Mai 15 verstorbenen Mainzer Erzbischof identifiziert. Seine Identifikation von (5) und (7) mit König KONRAD I. und seiner Frau Kunigunde überzeugt mich weniger, nicht nur, weil diese erst in jenem Jahr heirateten, sondern weil KONRAD, wenn schon nicht als rex bezeichnet, an wenig prominenter Stelle eingereiht ist, und Kunigunde von keinem Verwandten oder einem Kind erster Ehe begleitet ist. Umso schlagender ist Althoffs Annahme, dass mit (6) Heribert II. von Vermandois gemeint sei, und dass der Eintrag mit der Verlobung oder Vermählung von dessen Schwester zusammenhängt. Dann ginge alles fast zu glatt auf, mit Ausnahme eines „überzähligen“ Udo. (1) wäre der Bräutigam, (2) vermutlich sein Vormund und Kousin Otto, Graf im Lahngau, Herzog von Franken, († 938), (3) sein Bruder, der spätere Schwaben-Herzog, (4) ein weiterer Udo in der konradinischen Verwandtschaft, der nicht quellennotorisch wurde, (5) der König oder eher sein und Udos Kousin Konrad „Kurzpold“. Der Seite des Bräutigams folgt nun die der Braut: Mit (6) ihr Bruder (der Vater ist tot), (7) die Braut selber, (8) ihre Schwägerin, die Frau von Heribert II., (9) ihre mutmaßliche Tante. [52 Settipani, Préhistoire… S. 217] Ob (10) hierzu gehört, kann offen bleiben, der Name Adelheid hilft nicht weiter. Mit (11) kommt dann der Zelebrant oder Heiratsstifter mit zwei seiner auch sonst belegten Helfer; ab (14) hätten wir Hochzeitsgäste, evtl. entfernte Verwandte. Wenn wir im Eintrag quasi das Foto einer Familienfeier sehen, erinnern wir uns, dass ein Ehe„bündnis“ immer auch eine politische Verbrüderung darstellte.
Sehr wahrscheinlich gehört auch die burgundische Adela(na) zu den VERMANDOIS, freilich nicht als die Witwe von Heribert II., der 943 Februar 23 starb. Dann wäre sie eine Tochter des späteren Königs Robert I. von Frankreich aus dessen erster Ehe (mit einer Adela?) Die Heirat Adelas mit Heribert II. datiert auf spätestens 907. Dies legen die Daten der beiden Väter nahe, ebenso die Kreuzheirat von Robert (I.) als Witwer mit Beatrix, der Tochter Heriberts I., die Settipani auf ca. 897 datiert und also das späteste Geburtsdatum für ein Kind der ersten Ehe Roberts darstellt. Dass Adela nach mindestens 35 Jahren erster Ehe und mit mindestens 48 Jahren dem Burgunder-König noch Kinder geboren hätte, ist beinahe ausgeschlossen.
Tochter von Heribert II. und seiner robertinischen Gemahlin Adela kann die Burgunder-Königin aber auch nicht sein, da es eine solche des Namens Adela bereits gibt (gestorben 960 als Frau des Grafen Arnulf I. von Flandern). Als Enkelin von Heribert II und Adela bieten sich bisher nur die Wege über die belegten Söhne Odo und Heribert (beide ohne Nachkommen), Rodbert, Graf von Troyes und Meaux (dessen Tochter Adela heiratete ca. 965 Gottfried Grisegonelle) und Adalbert (keine Tochter bekannt) und die Töchter Adela (oo Arnulf von Flandern) und Liutgard (oo I. Wilhelm Longue-Epée, Gf. v. Rouen; oo II. Thetbald, Gf. v. Blois) an. [53 Settipani, Préhistoire… S. 224–236.] Bei Arnulf von Flandern finde ich keinen Anhaltspunkt, in dieser Linie besetzt die berüchtigte Adela von Elten den Namen. [54 Zu den Nachkommen gehört Adela (auch Adelheid, † 1083), die Frau des Markgrafen Otto von Thüringen, Mutter der Kunigunde von Beichlingen.] Alle anderen „Leerstellen“ liegen zeitlich zu spät. Unter Udos Nachkommen kommt der Name Adala nicht vor, was leicht erklärlich ist, wenn seine Frau Schwester und nicht Tochter Heriberts II. war. Die Überprüfung endete negativ. Mir fällt aber auf, ja erweckt Argwohn, wie weit gespannt die Geburtsabstände der Kinder Heriberts II. sind. Die Heirat vor 907, erster Sohn 915, letzter ca. 935.
So oder so dürften die Burgunder-Königin und eine Generation später die Frau Aribos verwandt und vielleicht doch über unbekannte oder unerkannte Zwischenglieder als Enkelin und Urenkelin Heriberts II. einzureihen sein, obwohl bisher nirgendwo unter dessen Nachkommen die Namen Adala und Kunigunde in einer Geschwisterreihe aufzutauchen scheinen. Adala und Kunigunde zusammen deuten jedenfalls auf eine Herkunft von den VERMANDOIS. Kamen sie aber nicht paarweise zu Aribo IV., bzw. seiner Frau, kann Adala als Einzelnamen noch immer mit der Burgunderin zusammenhängen und Kunigunde von den LUITPOLDINGERN kommen.
Der Eintrag in Merseburg bedeutet übrigens nicht von vornherein, dass Adala Bischof Thietmar selber nahestand. Aus dessen Chronik geht aber hervor, dass er von einer VERMANDOIS-Ahnfrau (der Gattin Udos) abstammte, die den Namen Kunigunde in die Familie brachte.

Tafel
 
 

                                                           Herbert I.                                                 Robert
                                                     |                            |                                                              |
                                    :                     Heribert II.                               oo          Adala
                                    |                 Gf Vermandois                                               |
                                    :                         |                                                              |
                                    |                         :                                                              :
        Udo oo           Kunigunde                                                                            ¢
   Gf. Rheingau,† 949  |                                                                                        |
            |                       |                                                                                         :
                     |                                                                                                  ?    |
                [¿ oo ?]                                                                                                 :                 :
                    |                                                                                         ?             :                  :
       |                                  |                           |               |                                       |                 :
   Jutta oo Heinrich      Konrad                 Udo          Heribert                             O          Adela
      |        „d. Kahle“    Hz. Schwaben      † 982        Gf. Wetterau                      |                oo
      |           |                       |                                          |                                        |            Kg. Konrad
          |                               |                                          |                     |                  |                  |
  Kunigunde         Hermann II. Kunigunde Friedr. oo ™         Otto „v.          Adala          Gisela
  oo Siegfried    Hz. Schwaben     Ksin.      v. Lux                Hammerstein“      oo               oo
         |                               |                                                                             Aribo IV.      Hz. Heinr.
         |                               |                                                                                   |                   |
         |                |                 |                              ¿|?      |               |                       |                   |
  Thietmar    Mathilde    Gisela                   Chadalhoh Adala  Kunigunde      Aribo             Hnr. II.
 Bf. Merseburg  (3 x ?)  oo III. Konrad II.          |                                        Erzbischof          Ks.
                        |                          Ks.                    |                                           Mainz
        Konrad „d. Jüngere“                             Pilgrim
          Hz. v. Kärnten                                  EB v. Köln
 

Dieses Schema enthält nur die für die Behauptung und ihre Folgerungen wichtigsten Daten und Angehörigen. Alle hierfür wichtigen Filiationen sind selbst in der zerstrittenen KONRADINER-Forschung unangefochten. [55 Die in meinem Verwandtschaftsschema (Tafel) als Enkel (oder Kinder) Udos und Kunigundes figurierenden Geschwister würden, folgt man Jackman, von Heribert I. von Vermandois und seiner fiktiven Tochter Adela und deren Gatten Gebhard abstammen. Gegen diese Hypothese, die für die Leitnamenvererbung nichts ändert: Settipani, Préhistoire… S. 223, Anm. 227, und Josef Heinzelmann, Spanheimer-Späne. Schachwappen und Konradinererbe, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25 (1999), S. 7–68, hier S. 49.]
In diesem Tableau bleiben die zeitlichen Verschiebungen zwischen den Mitgliedern der einzelnen Generationen im üblichen Rahmen. Ungewöhnlich ist nur, dass die ARIBONEN und ihre Nachkommen anscheinend nur weibliche Leitnamen übernahmen. Nirgendwo taucht ein Konrad, Herbert, Udo o. ä. auf, der uns Hinweise auf den Vater der Adala gäbe.
Erzbischof Aribo wäre bei dieser Hypothese mit Kaiser HEINRICH II. sehr viel näher verwandt (consanguineus, 1020) als nach bisheriger Annahme über seine väterliche oder mütterliche Großmutter Wichburg und die frühen LUITPOLDINGER.
Das alles würde bedeuten, dass der Kaiser nicht nur mit Erzbischof Aribo und seinem Konkurrenten Hermann II., sondern auch mit Otto von Hammerstein mehr oder weniger nah verwandt war (nach Jackman auch mit dessen Frau Irmintrud), freilich wahrscheinlich so entfernt, wie man es von jedem Höchstadligen jener Zeit annehmen darf. Auch Erzbischof Aribos Haltung in der „Hammerstein“-Affäre scheint nicht davon bestimmt, dass Otto sein Verwandter war, obwohl man natürlich folgern könnte, dass Kaiser HEINRICH und er und ihre engere Familie bei der angestrebten Enterbung von Ottos Kindern vielleicht Ansprüche gehabt hätten.
Verwandter derzeit noch unbestimmten Grades war Erzbischof Aribo wohl auch von Kaiserin Gisela; menschlich näher stand ihm wohl ihre Schwester Mathilde. Ich habe darüber geschrieben, ohne mir dieser Verwandtschaft bewusst zu sein. [56 Josef Heinzelmann, Der Name Sophia als genealogisches Indiz und Problem, in: Archiv für Familiengeschichtsforschung 4 (2000), S. 96–110. Man sollte auch untersuchen, ob die leider nur als Abbildung erhaltene Dedikations-Illustration des König Mieszko geschenkten Codex im Seeoner Skriptorium entstanden sein könnte. Nach den Abbildungen in: Schreibkunst. Mittelalterliche Buchmalerei aus dem Kloster Seeon… (s. Anm. 1) besteht Ähnlichkeit.] Ihre Bedeutung wird auch dadurch relativiert, dass er mit Gisela, der er die Krönung verweigerte, natürlich ebenso nah verwandt war. Ob die gewichtige Denunziation Giselas von ihrer Schwester kam? Dass Genealogie allein „politisches“ Handeln nicht bestimmt, ersieht man auch daraus, dass er sich bei der Königswahl in Kamba letztenendes gegen seinen Blutsverwandten Konrad den Jüngeren einsetzte.

6. Erzbischof Pilgrim und der zweite Graf Chadalhoh

Auch Aribos wahrhaftig nicht gutes Verhältnis zu seinem Verwandten auf dem Kölner Stuhl nimmt wunder. Er nennt Pilgrim in einem Brief an Kaiserin Gisela 1024 seinen nepos. [57 Friedrich Wilhelm Oediger, Regesten der Erzbischöfe von Köln 1, Nr. 711.] Das muss nicht genau als Neffe ausgelegt werden. [58 So zuerst Harry Bresslau, Jbb d dt Reichs unter Heinrich II., 3, (Leipzig 1864) Exkurs VI.] Unter nepos verstand man sehr häufig auch entferntere, vorzugsweise jüngere Verwandte. Pilgrim kann freilich nicht viel jünger als Aribo gewesen sein; gewiss hatte auch er 1021 bei seiner Ernennung, das kanonische Alter erreicht. Dass er einige Wochen vor Aribo Bischof wurde, muss man nicht als Bevorzugung auslegen, wenn Aribo für die damals angesehenere „sancta sedes“ Moguntina vorgesehen war, deren Freiwerden zu erwarten war.
Zu Pilgrims „geistlicher Verwandtschaft“ (die nicht unbedingt eine genealogische war) gehört gewiss sein Lehrer Bernward von Hildesheim (der ja auch Aribo zum Priester weihte) [59 Oediger, Reg. Erzbischöfe Köln 1, Nr. 684 und 699.] und der bei Bernward im Exil lebende Bischof Ekkehard von Schleswig, † 1026, der Aribo zum Bischof weihte! Bernwards erster Förderer war Bischof Otwin von Hildesheim (954–983), dessen seltener Name an Aribos angeheirateten Onkel erinnert. [60 Hans Goetting, Das Bistum Hildesheim 3: Die Hildesheimer Bischöfe von 815 bis 1221 (1227), Germania Sacra NF 20, S. 147 (Othwin) und 166 (Bernward).] Bernwards Verwandter, dem er die Bischofsweihe spendete, war Erkanbald, der Vorgänger Aribos in Mainz. Die anderen Beziehungen sind nicht unbedingt genealogische, deuten aber auf solche hin. Bernward war ein Neffe von Bischof Vol(k)mar von Utrecht (976–990), die lothringischen Volmare (zu denen er nicht belegbar gehört) aber waren mit mehr als einem Otwin verwandt. [61Vgl. Régine Le Jan, Famille et pouvoir dans le monde franc (VIIe–Xe siècle). Essai d’anthropologie sociale, Paris (Publications de la Sorbonne) 1995, S. 454, Tafel Nr. 71 sowie , S. 360 u. ö.]  Bischof Volmar, auch „Poppo“, war Anhänger Heinrichs des Zänkers, Bernward und Erkanbald solche HEINRICHS II. Der bayrische Zweig der LIUDOLFINGER hatte überhaupt durchaus Beziehungen zu Sachsen, vor allem Merseburg war sein Schwerpunkt. [62 Joachim Ehlers, Heinrich I. in Quedlinburg, in: Herrschaftsrepräsentation im Ottonischen Sachsen, hrsg. v. Gerd Althoff und Ernst Schubert (VortrrF 46), 1998, hier S. 261ff.]
Laut allen mir bekannten Genealogien ist Pilgrim ein Sohn von Chadalhoh IV., und dieser ein Sohn von Aribo IV. Jedenfalls war Pilgrim Bruder eines Grafen Chadalhoh. Es wäre ungewöhnlich, wenn Pilgrim die geistliche Laufbahn als ältester Sohn betreten hätte, noch dazu erfolgreich, also relativ jung. Wir müssen also die Heirat seiner Eltern auf spätestens 990 datieren, die Geburt seines Vaters mithin auf allerspätestens 975. Das aber ist kaum zu erklären angesichts der Tatsache, dass Aribo IV. bis mindestens 1000, lange nach der Heirat dieses seines vermutlichen Sohnes lebte und seine übrige Herrschaft ausübte.
Bruder des Kölner Erzbischofs ist jedenfalls ein Chadalhoh: Archiep. Pilegrimus, comes Kathelho frater eius (1031/36). [63 Oediger, Reg. Erzbischöfe Köln 1, Nrr. 761, 765.] Dessen Todestag (Oktober 29 oder 30) wurde in Seeon, Niedermünster, Xanten (St. Viktor), Aachen (Marienstift) und Köln (Aposteln) begangen. Seine Witwe Irmingart comitissa machte in den Alpenländern und am Niederrhein nach 1050 bis 1074 so reiche Schenkungen, dass man um sie als Heilige Legenden wob. Doch, „die Legenden der modernen Historie sind zahlreicher,“ befindet zurecht Oediger in einem Aufsatz, der eine weitere darstellen dürfte. [64 Friedrich Wilhelm Oediger, Die ältesten Urkunden des Stiftes Rees und die Gräfin Irmgardis, Ann-HistVNdRh 148 (1949), 5-31. Zu seinem großzügigen Umgang mit Necrolog-Eintragungen noch eine Übereinstimmung: Die VIII kal. Marc. gestorbene Irmingart des Hülmer Grabsteines entspricht ein Eintrag im Seeoner Necrolog zum selben Tag (11. Jahrhundert) Irmgart l. Oediger erwähnt nur den gleichtagigen in Xanten. Mir scheint dies der Witwe Chadelhohs am ehesten zu entsprechen.] Diese fiktive Heilige wird, um nur einige der Konstrukte anzudeuten, in eine historische Irmgard und ihre Schwester Irmtrudis geteilt, und die Irmgard noch einmal in Mutter und Tochter, oder alle als eine Person angesehen. [65 Hierzu zuletzt Klaus-Gunther Wesseling, Irmgard von Köln, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 2 (1990), Sp. 1334f., Arie Nabrings, Die hl. Irmgardis von Süchteln (Ortstermine 7), 1995. – Lustig die genealogische Namensalchimie Kadalhoh = Gothelo (zeitgenössisch?) = Gozelo = Goswin. (Otto Merckens, Die Ahnenstämme „von Cleve“ und „von Heinsberg“ … (Beihefte zu den Jülich-Bergischen Geschichtsblättern 3), 1943, vor allem S. 133.] Das alles hilft nicht weiter. Alle Nennungen von Chadalhoh IV. und V. jedenfalls bezieht man besser auf eine Person, den (wohl älteren) Bruder von Erzbischof Pilgrim, der bereits ein Jahrzehnt vor dessen Weihe geheiratet haben kann. Aber nicht muss.
Tyroller (und Dopsch) setzen Chadalhoh IV. gleich mit dem Chadelhohus filius Aribonis (September 11) im Seeoner Necrolog. Die Formulierung dürfte aber auch hier eher für einen jung verstorbenen Adligen zutreffen, als für einen, der Jahrzehnte lang selbständig Graf war. Dieser Chadalhoh° (oder sein Bruder Hartwig oder eines der anderen Geschwister) könnte der Vater von Chadalhoh IV.+V. sein. Chadalhoh IV.+V. ist als Graf im Isengau belegt (erstmals 1011 11 01, höchstens das könnte sich auch auf Chadalhoh° beziehen). Damit ist er Amtsnachfolger des Eparhardus comes (c. 995), für den wohl der Seeoner Gedenkeintrag zum April 4 gilt: Eberhardus comes, frater Aribonis, hic iacet. Warum sollte er nicht dessen Sohn sein?
Oben haben wir schon ein Gegenargument gestreift: Chadalhoh IV.+V. ist ein möglichst naher Verwandter der Adala, weil sich über sie der spätere Anspruch der SIEGHARDINGER auf sein Grafenamt im Isengau ableiten dürfte. Adalas Sohn Sieghard VIII./Sizo ist lt. Tyroller Graf im Isengau und/oder 1060 Spitzenzeuge für eine Schenkung von Chadalhohs Witwe Irmgard. Und Adala kann nur eine Tochter von Aribos IV. gleichnamiger Frau sein. Dazu gehört auch noch die Bemerkung, Erzbischof Pilgrim stamme von den Gründern Seeons ab. [66 Pilgrim stammte von den Stiftern Seeons ab: Anselm, Gesta epp. Leod. cap. 9 (MG SS 7, S. 195.)] Entsprechend dem Seeoner Eintrag könnte im fernen Lüttich auch Graf Eberhard als Mitgründer des Klosters angesehen worden sein. Es bleibt eine Ermessensfrage, diese Argumente auszulegen. Und Nachfolge in der Grafschaft ist letztlich auch bei entfernterer Verwandtschaft noch möglich. Es gibt also mehrere Lösungen:
1. (Die Tyrollers): Chadalhoh°, der „Sohn Aribos“, ist sehr jung Erbe seines kinderlosen Onkels Eberhard geworden, und als Graf im Isengau konnte, ja mussste er auch heiraten. Ob die urkundliche Erwähnung 1011 ihm oder schon seinem gleichnamigen Sohn gilt, bleibt offen. Von seinen Söhnen wurde Chadalhoh IV.+V. sein Nachfolger, Pilgrim geistlich.
2. Varianten davon wären, dass sie Söhne von irgend einem anderen Kind von Aribo IV. sind; für die Nachfolge und Namensvererbung am glattesten, wenn man sie zu Adala selber stellt, die dann allerdings ungewöhnlich viele Kinder zugeschrieben bekäme.
3. Chronologisch vorzuziehen ist auf jeden Fall die Einreihung von Chadalhoh IV.+V. und Erzbischof Pilgrim als Söhne Eberhards. Die Nachfolge ginge dann zum Sohn des Cousins, was durchaus nicht unmöglich ist.
Dass Adalas wahrscheinlicher Sohn [67 Einige Autoren setzen ihn auch zu Wigburg und Otwin], der spätere Säben/Brixener Bischof Hartwig 1020 als Primicerius im Salzburger Domkapitel aufzutreten scheint und als Bischof 1023 angenommen wird, aber erst 1027 urkundlich belegt ist, kann die Lösungen 1 und 2 chronologisch nicht völlig widerlegen. Hartwig wäre spätestens 993 (997) geboren, kaum als erster Sohn seiner Eltern, seine Mutter also allerspätestens 978 (983), d. h. sie wäre mit Chadalhoh° ungefähr gleichaltrig, wie auch die beiderseitigen geistlichen Söhne ungefähr gleichaltrig waren.
Da der alte ARIBONEN-Name Chadalhoh u. ä. anscheinend nur in diesem Zweig fortlebt, möchte man auch Kadeloh, den späteren Kanzler und Naumburger Bischof (1030–45), hierher setzen, was sich aber mit der Annahme des kanonischen Alters beißt. Einen Hinweis außer dem Namen auf aribonische Verwandtschaft gibt es: 1030 11 16 verwendet Erzbischof Aribo sich für ihn beim Kaiser. [68 J. Fr. Böhmer/Cornelius Will, Reg. EB Mzesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe  1, Nr. XIX 75. Zu Kadeloh: Heinz Wiessner, Das Bistum Naumburg 1,2 Die Diözese (Germania sacra NF 35,2), 1998, S. 742.] Von Pilgrim ist nichts dergleichen bekannt. Bischof Kadeloh war wohl ein Enkel Aribos IV.

7. Nepotismus?

1021/23 waren jedenfalls gleichzeitig neben dem alten Hartwig von Salzburg sein Neffe und sein vermutlicher Großneffe Erzbischöfe, und das wohl ohne klerikalen Nepotismus, den man aber zwischen Erzbischof Hartwig und seinem in seinem Sterbejahr Bischof von Säben/Brixen (also nicht Salzburg!) gewordenen Großneffen Hartwig annehmen darf. Allerdings gingen auch Aribo und Pilgrim aus dem Salzburger Kapitel hervor. Möglicherweise gehört etwas später auch der Naumburger Bischof und Kanzler Kadelo (die üblichen orthographischen Varianten, Kurzform Caso/Kazzo) und der Würzburger Bischof und Gründer von Lambach Adalbero in diese Verwandtschaft. Über den Bischof Kadeloh von Parma, den späteren Gegenpapst Honorius II. (1061–64) weiß ich nichts.
Pilgrim war jedenfalls verwandt mit Erzbischof Aribo. Das lässt die wahrhaftig allem Nepotismus ferne Konkurrenz der beiden Kirchenfürsten ungewöhnlich erscheinen. Pilgrim schaffte es, das Krönungsrecht von Mainz wieder nach Köln zu holen, als er Gisela krönte. Immerhin intervenieren sie mehrmals gemeinsam beim Herrscher, 1023 Mai 16 zusammen mit Kaiserin Kunigunde für das Kloster Göß.
Diese offenen Fragen übergebe ich den Untersuchungen kompetenter Historiker. Man darf annehmen, dass HEINRICH II. bei der Ernennungs Aribos nicht nur eigene persönlichen Beziehungen zu ihm berücksichtigte, sondern auch die Akzeptanz seines fidelis … capellani et consanguinei im Mainzer Erzstift, wo dieser hochmögende Verwandte (auch im Domkapitel) gehabt haben dürfte.

8. Die Aribonen und ihre sieghardingischen Schwäger

Ich führte zwei früh verstorbene Söhne von Aribo IV. als neue Personen (nicht Namen) in die Stammtafel ein. Es hat zwar gewiss beide gegeben, aber ob sie Ämter und Nachkommen hatten, ist nicht gesagt; als Zwischenglied zu Chadalhoh IV. und dem Pfalzgrafen Hartwig genügt auch einer von ihnen oder eine der Schwestern. Aus dem Seeoner Necrolog erfahren wir nur die von Kindern und Geschwistern Aribos IV., aber nichts über ihre Deszendenz, ja nicht einmal, ob sie welche hatten. Selbst die Äbtissin Kunigunde kann verheiratet gewesen sein, bevor für sie Göß gegründet wurde. Jedenfalls gibt es außer dem Auftreten der Adala, Witwe des Grafen Engelbert und Mutter eines als ihr Vogt auftretenden Sieghard auch in den Urkunden und Chroniken keine Angabe, die eine Filiation bezeugt.
Ich sehe überhaupt in dieser Generation eine gewisse Sollbruchstelle meiner Konstruktion: Dopsch setzt Hartwig II. als Pfalzgrafen von 1001 bis 1027 in seiner Tafel ein. [69 Dopsch, Aribonen - Stifter …, S. 62f.] Das ist zweifelsohne falsch, wie uns der Merseburger Necrologeintrag, aber auch der gesunde Menschenverstand belehrt. Dieser Hartwig (Tyrollers Hartwig IV.) erscheint erst 1025 urkundlich und hinterlässt um 1027 nur ein Kleinkind und eine schwangere Frau. Auf 1001 (oder etwas später) ist eher seine Geburt als der Amtsantritt zu setzen. Wenn aber Aribo IV., wie Dopsch meint, schon ca. 1000 gestorben ist, wer war dann bis 1025 Familien-Oberhaupt und Inhaber der wichtigen Ämter? Vielleicht doch ein zweiter Gatte seiner Witwe?
Dopsch schließt auf die Wiederverheiratung Adalas aus der Bemerkung Ekkehards von Aura in Frutolfs Chronik, die 1102 und 1104 verstorbenen Aerbo und Boto „waren Söhne des Pfalzgrafen Hartwig, des Bruders jenes Sigehard, dessen Sohn Sigehard in Regensburg getötet wurde“ (Hartwini palatini comitis filii, qui germanus fuit illius Sigehardi qui Sigihardum genuerat Ratispone peremptum). [70 Franz-Josef Schmale und Irene Schmale-Ott, Frutolfs und Ekehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik. (Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters 15), 1979, S. 186f. Hierzu Dopsch, Aribonen - Stifter …, S. 24 und 65f.] Der 1104 in Regensburg gelynchte Sieghard, auch Sizo, (Tyroller: Sieghard X.) war aber, wie deutlich belegt ist, entgegen Ekkehards Aussage Sohn nicht eines Sieghard, sondern des Grafen Friedrich „v. Tengling“, der (1070) auch im ehemals aribonischen unteren Salzachgau als Graf auftritt. Schon Strnadt hat hier emendiert: qui per Fridericum Sigihardum genuerat. [71 Julius Strnadt, Innviertel und Mondseeland (Abhandlungen zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer), AÖG 99, S. 427ff, hier S. 549.] Dieser Friedrich wiederum war Sohn des Sieghard/Sizo (Tyroller: Sieghard VI.), Gf. im Pongau, und dieser endlich war laut Dopsch ein Sohn des Engelbert III. und der Witwe Aribos IV., Adala, [72 Laut Tyroller war er der Neffe Engelberts und dessen Frau Adala war die Tochter Aribos IV.] ein Namensträger, der in der Filiation, aber nicht im Lebenslauf bei Tyroller als Sieghard VII. geführt wird. Oder umgekehrt: Sieghards VII. gleichnamiger Sohn wurde Patriarch von Aquileja. Erst der Sohn von dessen Bruder Friedrich ist der in Regensburg umgebrachte Sieghard.
Wortwörtlich trifft Ekkehards Genealogie also nicht zu. Mitscha-Märheim [73 Wie Anm 12.] aber verbessert nicht nur Vater in Großvater, von ihm stammt auch die ungenaue Übersetzung, die vom „Bruder jenes Sigehard“ spricht und Halbbruder von Mutterseite meint, obwohl im Original germanus steht. [74 Dopsch übernimmt sie stillschweigend.] Das heißt Bruder, zumindest von Vatersseite (die Bedeutung „Sohn“ kann nicht zutreffen). Dies wird vom Annalista Saxo bestätigt: 1104 sei ermordet worden Sigehardus comes, filius Friderici, patruelis (Nominativ oder Genetiv?, Sohn oder Enkel des Vatersbruders) autem supradicti Erbonis principis de Carinthia…. [75 MG SS VI S. 738.] Eine wörtliche Darstellung ist demnach, wobei man bei Ekkehard den Friedrich noch ergänzt und im Auge behält, dass die chronologische Folge der hier einmal unterstellten beiden Ehen des gemeinsamen Ahnherren nicht festliegt:

             ™               oo I. ¢                  oo II.        ™
   ------------------------------
                                        -------------------------------
--------------------------     --------------------------------
 Sieghard                                            Pfzgf. Hartwig

 ---------------------                           -------------------------
Friedrich       Sieghard/Syrus       Aribo                    Boto
v. Tengling    Patriarch

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 Sieghard, † 1104

Die gemeinsame Ahnenschaft zu einer über die zweimal verheiratete Adala zu machen ist unmöglich, weil durch den Merseburger Eintrag Pfalzgraf Hartwig nicht der Sohn Hartwig dieser Adala und Aribos gewesen sein kann, und weil er mit Sieghard einen gemeinsamen Vater haben muss. Die Verwandtschaft ist zeitlich näher, nicht ungewöhnlich angesichts der Tatsache, dass sie noch beim Annalista Saxo erinnert wird, der sich für den Pfalzgrafen Hartwig und den ermordeten Sieghard vor allem wegen ihrer sächsischen Frauen interessiert haben dürfte.
Sicher ist wohl, dass die ANDECHSERIN Pilihilt die Frau von Hartwigs Bruder Sieghard war. Nur so erklärt sich, dass sie 1048 nur für ihre Söhne Friedrich und Sieghard, nicht aber für Hartwigs Söhne eine Einwilligung gibt [76 MG DH III Nr. 213.] und dass der längst verstorbene Pfalzgraf Hartwig in einer päpstlichen Bestätigungsbulle von 1137 06 07 als Mitgründer von Michaelbeuren genannt wird, womit möglicherweise nicht Friedrichs Bruder Onkel gemeint ist. [77 Salzb. UB 2 S. 262 ff. (Nr. 178) Hier sind auch Sieghard, der Mann der Pilhild, und ein weiterer Sizo genannt, in einem grammatisch nicht ganz durchsichtigen Passus: a Sigehardo bone memoriæ Aquileiensi patriarcha nec non Bilihilt matre eius a comite etiam Sigehardo ac Friderico fratre eius Hartwigo quoque comite palatino et Sizone comite in sua possessione fundatum…] 1072 war die Kirche dieses vom ersten Pfalzgrafen Hartwig begonnenen Klosters geweiht worden. Für die nötige Bestiftung und die Einrichtung auch eines Frauenkonvents hatten nach den beiden Weiheurkunden [78 Salzb. UB 1, S. 771ff.] gesorgt: Sieghard/Syrus, Patriarch von Aquileja, seine Mutter Gräfin Pilhilde, Mathilde, die Frau seines Bruders Friedrich. Unter den Zeugen erscheinen Sizo/Syrus/Sigihard iunior (das Opfer von 1104, er wird erster Vogt) und noch ein Graf Sizo. Pfalzgraf Hartwigs Söhne erscheinen hier nicht, allerdings Meinharde, Markwarte und ein Chazil, die noch zu identifizieren sind. Wir haben also eine in sich geschlossene Familie, deren als gewiss anzunehmender Anschluss an Aribo offen bleibt. Damit erhebt sich die Frage, ob Sieghard, der Gemahl der Pilihilt, und sein Bruder, der zweite Pfalzgraf Hartwig, aribonische SIEGHARDINGER oder sieghardingische ARIBONEN sind.
Nun scheint es in der selben Generation ein gleichnamiges Brüderpaar zu geben: Sieghard, den 1048 verstorbenen Mann einer Judita, der als Bruder des Brixener Bischofs Hartwig (und dessen Bruders Engelbert) zwar nicht urkundlich belegt, aber doch angenommen wird. Peinlich ist, dass wir auch von diesem Paar die Eltern nicht wissen. Solche Namenpaare ergeben sich oft in aufeinanderfolgenden Generationen. Pfalzgraf Hartwich II. dürfte etwa 1000…1006 geboren sein, der Mann der Pilihilt ist eher ein jüngerer Bruder. Dazu kommt, wie die Besitznachfolge im Gasteiner Tal beweist, ein etwa 1023 als Diakon verstorbener Bruder Friedrich. [79 Dopsch, 1968…, S. 32f.] Das Namengut der drei Brüder ist sowohl aribonisch (Hartwig, sein Sohn Aribo) wie auch sieghardingisch. Vater der drei wäre zunächst hypothetisch jener nach 1010 [80 Vgl. Anm. 15.] mit seiner Mutter Adala auftretende Sieghard, der nach dem spätestens 1017 erfolgten Tode seines Onkels Hartwig laicus/filius Aribonisdessen Erbe umgehend seinem ältesten Sohn (evtl. aus erster Ehe) weitergab. Da er, wie das kanonische Alter seines anzunehmenden bischöflichen Bruders Hartwig erfordert, etwa 990 geboren sein dürfte (dann freilich nicht als Sohn der Witwe Aribos IV.), konnte er 1010 schon verheiratet sein. Sein so plötzlich zu einem reichen Erbe gekommener Sohn müsste dann so früh wie kanonisch möglich (also mit 14 bis 16 Jahren) geheiratet und sich selbständig gemacht haben. Alles das ist sehr eng, nur mit Gewalt gerade noch möglich.
Welcher Sieghard 1044 und welcher 1046 gefallen ist, mag noch offenbleiben. Das könnten durchaus noch ein Vater und sein Sohn sein. Aber wie zum Teufel soll Sieghard Vater, der spätestens 1008 in dem Pfalzgrafen Hartwig einen ersten Sohn gehabt haben müsste, 1048 noch eine Witwe mit einem Sohn namens Sieghard hinterlassen haben? Es gibt doch in der selben Urkunde schon einen, freilich verstorbenen, den Gatten der Pilihilt! Mithin sind die beiden Siegharde von 1044/48 eher in etwa gleichaltrige Cousins. Oder sollte der verstorbene Judita-Gatte ein Neffe des Pilihilt-Gatten sein, ein Sohn von Engelbert IV., dem die Genealogen bisher keinen Sohn zugeteilt haben (wohl aber eine Tochter Richgard, Ahnherrin der SPANHEIMER)?
Eine solche Lösung kommt mir höchst unwahrscheinlich vor. Glatter geht es, wenn wir die beiden Siegharde als Cousins ansehen. Offensichtlich waren beide Enkel Aribos IV., wenn auch nicht über die selbe Tochter, oder gar einer über einen Sohn? Kreuzheiraten waren beliebt. Ich habe allerdings das Gefühl, dass man Adalas Sohn und den Mann der Judita nicht gleichsetzen sollte. Handelt es sich chronologisch nicht eher um Vater und Sohn oder Onkel und Neffe?
Der älteste dieser dann drei Siegharde war der Sohn Adalas und Engelberts III. Auf den ersten Blick wird das wohl der gewesen sein, der einen Bruder Engelbert und einen Sohn Engelbert hatte. Beim anderen ziehe ich es vor, ihm einen aribonischen Vater zu geben, vorzugsweise den Hartwicus laicus/ filius Aribonis, und eine sieghardingische Mutter.
Allerdings macht Dopsch zurecht darauf aufmerksam, dass Adalas Sohn Sieghard Vogt von St. Peter in Salzburg war, ein Amt, das später (1147) TENGLINGER-Nachkommen innehatten, die man deshalb auch für seine Nachkommen halten sollte. Also soll man die beiden Verwandtschaftsblöcke tauschen? Nicht einmal die Trennung in Seeoner und Michaelbeuerner Klosterfreunde funktioniert ja lücken- und widerspruchslos.
Man muss wohl alle Sieghard-Nennungen und deren Zuweisung zu bestimmten Personen revidieren. Die Sieghardinger sind noch verworrener und verwirrender als die Aribonen. Ich bin vom Kombinieren so müde, wie Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, vom Verfolgen dieser Kombinationen und überlasse Sie den folgenden Tafeln. Und enthalte mich jeder Spekulation, wie die Vertreter der ersten Generation in Tafel 4 jeweils zu Aribo IV. verwandt waren, so verlockend es für Mittelaltergenealogen auch sein mag, scheinbar vollständige Tafeln zu zeichnen.
Wie unvollständig unsere Tafeln und Erkenntnisse sind und wie trügerisch alle negativen Leitnamenargumente, kann man an den langen Reihen von Nonnen, Klerikern und Laien ersehen, deren Namen in den Necrologen erscheinen und in unsere Familienzusammenhänge weisen.
Jedenfalls gibt es um die Jahrtausendwende einen intensiven Austausch von Töchtern und Witwen zwischen ARIBONEN und SIEGHARDINGERN. Insgesamt ergibt sich ein genealogisches Labyrinth, in dem sich Tyroller, Dopsch und andere verirrten. Ich will nicht behaupten, dass ich, der ich schon einmal in Sackgassen geriet, den endgültigen Ariadnefaden gefunden hätte. [81 Josef Heinzelmann, Hildegard von Bingen und ihre Verwandten. Genealogische Anmerkungen, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 23 (1997), S. 7–88. Die dort gegebene Tafel der Spanheimerverwandtschaft ist nun freilich zu revidieren.]

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