Der Name Sophia als genealogisches Indiz und Problem

veröffentlicht im Archiv für Familiengeschichtsforschung, 4 (2000), S. 96–110
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Josef Heinzelmann, Kirchweg 1, 55430 Oberwesel-Langscheid, eMail: JosefHeinzelmann@t-online.de

Beim Versuch, die Herkunft der ersten „rheinischen SPANHEIMER“, d. h. des Stephan von Spanheim und seiner Frau Sophia zu klären, bediente ich mich, wie es sich gehört, auch des Indizes der Namensvererbung.[1 J. H., Spanheimer-Späne, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25 (1999), S. 7–67.] Der Name Sophia scheint überhaupt als Prüfstein für die Leitnamensitte um die erste Jahrtausendwende geeignet. Neu erscheinende Namen sind als Fremdkörper besonders erklärungsbedürftig. Entstanden sie durch Änderung der Nachbenennungssitte als allgemeiner Brauch? [2 Michael Mitterauer, Ahnen und Heilige. Namengebung in der europäischen Geschichte, 1993, krankt an mangelnder sozialer und historischer Differenzierung. Die Namengebung bei den Unterschichten war gewiss anders als im (Hoch)adel. Auch das von mir zugrundegelegte Nachbenennungssystem gilt wohl nur im Adel und im 10./11. Jahrhundert. Mitterauers Darstellung des Problems (vor allem S. 379ff) sucht mehr nach dem Warum der Nachbenennung als nach dem Ob und Wie. Die nimmt er sehr schematisch an: “Töchter erhalten den Namen ihrer mütterlichen Großmütter. Die Namengebung ist eindeutig an einer spezifischen Verwandtschaftsbeziehung orientiert.” Das ist genealogischer Unsinn. Dann hätten etwaige Schwestern  alle denselben Namen. “Vatersnachbenennung erscheint … als etwas grundsätzlich anderes als Großvatersnachbenennung” (für die es das nette Fremdwort Papponymie gibt). Das mag sein, aber wenn von zwei Brüdern einer dem Vater (und gleichzeitig einem Großonkel) und einer dem Großvater (und gleichzeitig einem Onkel) nachbenannt ist, wofür es tausend Beispiele gibt, was sagt Mitterauer dann?]  Oder durch Umbenennung von ursprünglich anders benannten Personen? [3 Nicht nur beim Übertritt zum Christentum. Vgl. Gertrud Thoma, Namensänderungen in Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa (Münchener Historische Studien, Abt. Mittelalterliche Geschichte 3), 1985.] Oder durch Einheirat von außerhalb, etwa aus dem byzantinischen Christentum (von dort kam auch die später übliche Namengebung nach Heiligen)? Oder – entgegen allen eindeutigen Fällen, in denen wir Namen von Paten und Täufling kennen – doch hie und da einmal nach dem Taufpaten?
Es stellte sich heraus, dass der Name Sophia darüber hinaus als Beispiel geeignet ist, wie sehr man genealogisch oft im Dunkeln tappen muss. Ohne Ergebnis bemühte ich mich, die Herkunft der SPANHEIMER Stammutter zu finden. Aber die Namensherkunft einer wichtigen anderen Sophia, die auch zu den SPANHEIMER-Vorfahren gehört, konnte ich wohl eruieren.

Die Nachkommen Theophanus

Die frühest belegten Vorkommen des Namens Sophia in Deutschland fallen meines Wissens ins ausgehende 10. Jahrhundert.[4 “Quant à la tradition sur une autre femme de Zwentibold (des Königs von Lothringen) nommée Sophia, elle est parfaitement légendaire.” (Christian Settipani avec la collaboration de Patrick Van Kerrebrouck, La Préhistoire des Capétiens 481–987. 1 Mérovingiens, Carolingiens et Robertiens (Nouvelle histoire généalogique de l’auguste Maison de France 1), Villeneuve d’Asq 1993, S. 295 Anm. 702).]  Zuerst begegnet der Namen unter den Kindern und Enkeln von Kaiserin Theophanu, die offensichtlich den Namen nach Mitteleuropa gebracht hat. Es ist nämlich – nach wohl endgültiger Meinung der Historiker – der Name ihrer Mutter. [5 Die Filiation zu Sophia Phokaina hat erstmals der Schriftsteller Henry Benrath (d. i. A. H. Rausch) erschlossen. Otto Kresten, Byzantinistische Epilegomena zur Frage: Wer war Theophano?, in: Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des 1. Jahrtausends. Gedenkschrift … Hrsg. v. Anton von Euw und Peter Schreiner, 1991, 2, S. 403ff. Ekkehard Eickhoff, Theophanu und der König Otto und seine Welt, 1996, S. 31, mit Anm. 45.] Theophanus Tochter Sophia, Äbtissin von Gandersheim und Essen, spielte bis zu ihrem Tode 1039 eine wichtige Rolle in der Politik. Durch ihre Schwester Mathilde, die Gattin des Pfalzgrafen Ezzo, kam der Name in die nächste Generation, an eine Sophia, die bisher nur aus der Brauweiler Überlieferung und den Viten Godhards bekannt ist, sowie durch deren Schwester Richeza, Königin von Polen, an deren gesicherte und vermutete Nachkommen. Dagegen ist der Name Theophanu mit einer Tochter Ezzos, Äbtissin in Essen und Gerresheim, „ausgestorben“.

Sophia von Lothringen/Mousson

Eine Sophia, die ihrem Manne Ludwig von Mousson-Bar-Mömpelgard die Hälfte der Allode des Herzogs Friedrich II. von (Ober-)Lothringen zubrachte, ist nach der Tochter und der Enkelin Theophanus die zeitlich nächste Namensträgerin. Auch sie hat den damals besonders auffälligen Namen unter ihrer Nachkommenschaft verbreitet. Wenn es eine Leitnamensitte gab, muss sie auch hier – in der Crême de la crême des damaligen Reichsadels – gegolten haben. Hat sie aber gegolten, drängt sich eine überraschende Erklärung auf, die ich hier vorstellen will, wobei ich sie gegen den Vorwurf des Zirkelschlusses abzusichern suche.
Kein Forscher hat bisher erklärt oder auch nur zu erklären versucht, woher Sophia ihren Namen hat. Niemand hat vermutet, sie könne eine Theophanu-Nachkommin sein. Alle Forscher haben bisher angenommen, dass sie eine Schwester des als Kind verstorbenen Herzogs Friedrich III. und der Beatrix von Tuszien und eine Tochter Friedrichs II. und der Mathilde von Schwaben war. [6 Das älteste Herzogshaus von Ober-Lothringen und die Grafen, später Herzöge von Bar, also die väterlichen Vorfahren und die Nachkommen Sophies im Mannesstamm (aber auch die Kinder der weiblichen Nachkommen) sind in einer umfangreichen Arbeit dargestellt, die alle früheren Forschungen zusammenfasst: Georges Poull, La Maison souveraine et ducale de Bar, Nancy, 1994.] Suchen wir dort nach einer Herleitung des Namens.

Exkurs: Hermann II. und seine angebliche Ottonen-Verwandtschaft

Da wir bei Friedrichs II. durchaus bekannten Eltern und Großeltern keinen Anhaltspunkt und keine Sophie in der Verwandtschaft finden, müsste Sophie ihren Namen nicht von Vater-, sondern von Mutterseite haben. Als ihre Mutter gilt Mathilde, die in erster Ehe mit dem Herzog Konrad von Kärnten, dem SALIER, in dritter Ehe mit Graf Esiko von Ballenstedt (einem ASKANIER) verheiratet war.
Mathilde war als Tochter Herzog Hermanns II. von Schwaben und der Gerberga von Burgund (Witwe von Graf Hermann von Werl) [7 Paul Leidinger, Untersuchungen zur Geschichte der Grafen von Werl. Ein Beitrag zur Geschichte des Hochmittelalters (StQuwfG 5), 1965, S. 51ff.] etwa 988/990 geboren worden, war 1002 schon mit dem SALIER Konrad, Herzog von Kärnten, († 1011 Dezember 12) verheiratet, hatte mit ihm die Kinder Konrad (der jüngere Thronkandidat von 1024) und Bruno (1034 Bischof von Würzburg, † 1045 Mai 27). In zweiter Ehe heiratete sie (laut Poull erst etwa 1016) Herzog Friedrich II. von (Ober)-Lothringen, der 1026 Mai 18 (noch vor seinem Vater, der mit ihm die Regierung teilte), starb. [8 Poull, La Maison … de Bar, S. 21 ff. Im Lexikon des Mittelalters gibt Michel Parisse Friedrich keine Ordnungszahl, wohl weil er noch vor seinem Vater starb. Dort ist also zur Steigerung der Verwirrung sein Sohn Friedrich “II.”] Recht eindeutig ist jedenfalls die Meldung Wipos, Fridericus dux Liutharingorum, vitricus praedicti Chuononis, imperatori inimicando morte propria praeventus est. [9 (Der Lothringer-Herzog Friedrich, Stiefvater des eben genannten Kuno (Konrad), wurde vom Tod abgehalten, den Kaiser zu befehden…) Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, cap. 19 (Monumenta Germaniae historica, Scriptorum rerum Germanicarum in usum scholarum, (MG SS 61, 1915, Nachdruck 1956).] Dieser Ehe sollen Friedrich III., Sophie und Beatrix entsprossen sein.
Erwähnen wir kurz, dass Mathildes Vater, Herzog Hermann II. von Schwaben, ein in seiner Zeit sehr mächtiger Fürst war, der gegen HEINRICH II. um die Nachfolge OTTOS III. kandidiert haben soll. Er steht heute im Mittelpunkt eines erbitterten Historikerstreits, da einzelne Forscher eine fragwürdige Meldung der unzuverlässigen WELFEN-Chroniken zum Anlass genealogischer Spekulationen nahmen: Ein Graf Kuno von Öhningen habe Richlind, eine Tochter Kaiser OTTOS I., zur Frau gehabt. Mit Kuno dürfte Hermanns Vater Herzog Konrad gemeint sein, Richlind wird von den Parteigängern dieser Meinung meistens als Enkelin OTTOS I. uminterpretiert. Grundsätzlich ist diese Diskussion um Hermanns II. Thron-Erbrecht meiner Ansicht entschieden: „Wenn man schon um jeden Preis einen ,geblütsrechtlichen‘ Anspruch Hermanns“ (II., Herzog von Schwaben) „postulieren will, dann läge es wohl doch näher, die unbestreitbare, allgemein bekannte ottonisch-karolingische Deszendenz von dessen Gemahlin Gerberga ins Feld zu führen (Anm: Unter ihren Ahnen bis zur 4. Generation befinden sich neun (!) Könige, darunter drei KAROLINGER…).“ [10 Carlrichard Brühl, Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, 19952, S. 633.] Zu Herzog Konrad von Schwaben konnte ich aus dem Blickwinkel der SPANHEIMER-Forschung sehr viel deutlicher machen, dass er mit dem dux Kuno de Beckilnheim, der mit einer Jutta verheiratet war, identisch ist, was die behauptete Ehe mit einer OTTONIN Richlind so gut wie unmöglich macht.
Dass Hermanns II. und der Gerberga Tochter Mathilde einer Tochter den Namen Sophia aus der Nachkommenschaft Theophanus vermittelte, ist auch aus anderen Gründen auszuschließen. Mathildes erster Mann, der SALIER Konrad, war ein Urenkel Kaiser OTTOS DESGROSSEN. Sie kann also nicht eine Enkelin Theophanus und OTTOS II. gewesen sein. Konrads und ihre Ehe wäre auf der Synode in Diedenhofen/Thionville noch heftiger angegriffen worden, als sie es wegen des genau belegten 7. kanonischen (8. römischen) Grades 1003 wurde. „Herzog Otto, der Vater des unter uns sitzenden ehrenwerten Herzogs Konrad, war der Sohn einer Tochter des großen OTTO, welchletzteres Schwester Gerberga ihre Tochter dem König der Burgunder Konrad gab. Konrads Tochter gebar aber Mathilde, eben des hier unter uns weilenden Konrads Frau.“ [11 Constantini Vita Adalberonis II. (MG SS 4, 663f.): Domnus Otto dux, pater istius venerabilis Conradi ducis nobis considentis, natus ex filia est magni OTTONIS, cuius soror Girbergia dedit filiam suam Conrado Burgundionum regi. Ex Conradi autem filia nata est domina Mathildis, huius Conradi assidentis uxor.] Grafisch dargestellt und um die selbstverständlichen Namen ergänzt:
 
 
Kaiser OTTO I. Liutgard
oo
Konrad der Rote
Herzog Otto (von Kärnten) Herzog Konrad (von Kärnten)

                                                                                                                                    oo
 
Gerberga
oo
Ludwig IV. König von Frankreich
Mathilde
oo
Konrad II. König von Burgund
Gerberga
oo
Herzog Hermann II. von Schwaben
Mathilde von Schwaben

Die durch diesen gewiss zwischen Bischof Adalbero und König HEINRICH II. abgesprochenen Angriff ausgelöste Empörung richtete sich nicht gegen die unbestreitbare Darstellung gemeinsamer Abstammung von König HEINRICH I., sondern nur  gegen die Anwendung einer neuen kanonischen Zählung, die zwischen Geschwistern nur einen Schritt berechnete (quia frater sororque in supputatione non admittitur), nicht zwei (je einer zum gemeinsamen Elternteil) wie im römischen Recht und auch in unserem Verständnis. Diese Verschärfung der kanonischen Regeln konnte auf Dauer nicht durchgesetzt werden, bzw. wurde bald durch exzessive Dispensationen umgangen.
Hier wird auch deutlich, weshalb diese Vorschriften  so oft missverstanden wurden: HEINRICH II. spricht vom Frevel von Ehen tertii loci consanguinitatis, da doch nach den heiligen Bestimmungen des Kanons solche ad septimam usque generationem untersagt seien. Generatio ist hier im klassischen lateinischen Sinn als „Zeugung, Geburt“ zu verstehen, nicht als Abstand zum gemeinsamen Ahnherrn (das ist der locus consanguinitatis). [12 Insofern ist der Aufsatz von C Bouchard in: Épouser au plus proche, inceste, prohibitions et stratégies matrimoniales autour de la Méditerranée (Civilisations et sociétés 89),  hrsg. Pierre Bonte, Paris 1994. besonders grotesk.] Die Inzest-Verbote sind ja sowieso keine Glaubensinhalte. Im Neuen Testament findet sich nichts dergleichen, und im Alten (auch weiterhin im Judentum) waren Heiraten z. B. zwischen Onkel und Nichte erlaubt. Sie entstammen dem römischen Recht und sind mithin ein weiterer Beweis für die Rechtskontinuität zwischen dem spätrömischen Reich und dem Mittelalter, die Aufgabe der Bischöfe war. Sie dienten zur Friedenswahrung (wie jede Exogamie) und Verhinderung von Machtkonzentrationen, darum wurden die zumindest bei Theodosius zu findenden Verbote in exzessiver Weise immer mehr ausgedehnt. Darin hat man auch kirchliche „Erbschleicherei“ (je weniger legitime Erben, desto mehr fiel an die „tote Hand“) gesehen. [13 James Goody, The Development of the Family and Marriage in Europe, Cambridge 1983 (dt.: Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa. Aus d. Engl. v. E. Horn, Berlin 1986). Bis zum 1. Jahrhundert galten die Eheverbote nur zwischen agnatische Verwandte bis zum 7. Grad. Als sie auch auf die mütterliche Seite erweitert wurden, wurden sie gleichzeitig reduziert. (Yan Thomas, Rom: Väter als Bürger einer Stadt der Väter…, in: Geschichte der Familie, hrsg. v. André Burguière u. a., 1, S. 293ff., sowie Pierre Guichard und Jean-Pierre  Cuvillier, Europa in der Zeit der Völkerwanderungen, ebd. 2, S. 31f.).]
Als Enkelin OTTOS II. wäre Mathilde im 5. „kanonischen“ Verwandtschaftsgrad mit Konrad verwandt gewesen. [14 Aus dem gleichen Grund ist die von den WELFEN-Chronisten ins Spiel gebrachte Tochter OTTOS I. Richlint (von heutigen Forschern ebenso willkürlich zur Enkelin gemacht) als Gattin Herzog Konrads von Schwaben unmöglich.] Natürlich könnte Jackman [15 Donald C. Jackman, Das Eherecht und der frühdeutsche  Adel. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (ZRG GA) 112, 1 (1995).] auch hier behaupten, dass Bischof Adalbero diese nahe Verwandtschaft „geheimgehalten“ hätte. Ich bin mir sicher, eine solche Geheimhaltung einer nahen Verwandtschaft mit den OTTONEN, auf die sich der doch im ganzen Reich bekannte Thronfolgeanspruch Herzog Hermanns gegründet haben soll, konnte damals vor den Großen des Reichs nicht unentlarvt durchgehen, sondern nur bei verrannten Historikern unserer Tage.
So bleibt für Phantasten [16 Man fasse  das Wort nicht allzu negativ auf: Mittelaltergenealogie beruht immer auf kreativer Vorstellung aller Möglichkeiten, im zweiten Arbeits- und Gedankengang aber auf strenger Kritik ihrer Wahrscheinlichkeit.] die Möglichkeit offen, dass Mathilde „eins“ nach kurzer zweiter Ehe starb und Herzog Friedrich II. eine zweite Gattin genommen hat, die auch Mathilde hieß und auch eine Tochter Hermanns II. [17 Schließlich bezeichnet sie sich um 1027 (frühestens 1025) bei einer Widmung für König Mieszko von Polen (s. u.) als Tochter Herzog Hermanns.] war, aber aus einer anderen Ehe mit einer Theophanu-blütigen Frau stammte.
Leidingers gründliche Untersuchung über Mathildes Mutter und ihre Familie erster Ehe genügt, um Gerbergas Lebensdaten zu klären. Sie ist im Jahre 1000 zum letzten Mal erwähnt, erstaunlicher Weise als matrona, obwohl sie doch verheiratet war und die letzten Kinder noch unmündig waren. Hermann II. hätte vielleicht in den letzten Jahren seines Lebens (1000–1004) eine zweite Gattin nehmen können. Aber welche Theophanu-Tochter oder -Enkelin wäre infragegekommen? Keine belegbare, keine denkbare sogar. Und warum hätte kein Chronist eine so vornehme Verbindung erwähnt? Wo wäre die Witwe abgeblieben? Außerdem wird eine Meldung über Hermanns Tod ausdrücklich von der Bemerkung begleitet, dass er von Gerberga drei Töchter und einen Sohn seines Namens hinterließ. [18 Sie hatten außerdem einen früh verstorbenen Bertold/f. Letzteres entspricht der Nachricht der Historia monasterii Marchtalensis c. 2, MG SS XXIV S. 664: Hic Hermannus de egregia Francorum natus prosapia, regis Cuonradi filiam de Burgundia nomine Gerbirgam … legitimo suscepit coniugio; … ipsa vera ducissa eidem duci filium peperit … Berhtolphum… Is puer, cum esset tantum unius anni et quatuor dierum … defunctus… Ersteres meldet das Herimanni Augiensis Chronicon ad 997, MGH SS V S. 118: Cuonradus Alamannorum dux obiit et pro eo Herimannus ducatum accepit; qui et ipse filiam Cuonradis regis Burgundiae, Gerbirgam, in matrimonio habuit; ex qua filium aequivocum tresque filias reliquit.] Von einer zweiten Ehe und einer Tochter daraus ist keine Rede.
Entscheidend ist bereits ein einziges Argument: Herzog Friedrich hätte eine Halbschwester seiner ersten Gemahlin nicht heiraten dürfen. Das war nach kanonischem Recht damals ausgeschlossen. [19 Die Eheverbote bei Verschwägerung  sind noch schwerer zu rekonstruieren als die bei Inzest. Hier handelt es sich freilich um eine Affinitas primae gradus. Nur dritten Grades ist die Verschwägerung zwischen einer Braut und dem Sohn ihres Stiefvaters, wie es in unserem Familienzusammenhang z. B. die Ehe zwischen Mathilde von Canossa und Tuszien und Gottfried dem Buckligen von Lothringen eine war. Warum Hansmartin Schwarzmaier, Mathilde von Tuszien und Deidesheim, in: Palatia historica. FS f. L. A. Doll zum 75. Geburtstag, hrsg. v. Pirmin Spieß (QAbhmittelrheinKirchenG 75), 1994, hier S. 62) diese “für mittelalterliche Verhältnisse eine skandalöse Nahehe” nennt, verstehe ich nicht recht.] Vollends zunichte gemacht wird dieses hypothetische Hirngespinst durch den Reichenauer Gedenkbucheintrag von 1025, von dem gleich zu reden sein wird.
Hätten wir ein paar Quellen weniger, ließe sich trefflich kombinieren und die Diskussion über Erbrecht oder Wahlrecht für die Bestimmung des Thronnachfolgers um weitere Hypothesen bereichern. Insgesamt ist die Spekulation gescheitert, doch gibt es noch einen Spalt, durch den man einen Fuß in die Tür der Hypothese bekommen kann. Denn die Richtung, in der wir Theophanu von Sophie aus suchten, war falsch.

Sophia als Tochter Herzog Friedrichs III.

Adolf Hofmeister hat erstmals die Abfolge der letzten Herzöge aus dem ersten oberlothringischen Hause klargestellt. [20 Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung” (MIÖG) 38 (1920), Seite 503ff. (Besprechung von Robert Parisots “Les Origines de la Haute-Lorraine et sa première maison ducale (959–1033)”).] Ich diskutiere die Ergebnisse nicht lang, sie sind unabweisbar, sind von Parisse, Poull und anderen selbstverständlich übernommen worden; doch sind die dort angeführten Nachrichten der Chronisten noch konkreter.
Wenn die Chronik von Saint-Mihiel [21 André Lesort (Hsg.), Chroniques et chartes de l’Abbaye de Saint-Mihiel (Mettensia VI), Paris 1909-1912, S. 30f. – Die Identifikationen in MG SS 4, 84, Anm. 20 sind verfehlt. – Die Chronik entstand zwischen Ende 1033 und 1037: Michel Parisse, In Media Francia: Saint-Mihiel, Salonnes et Saint-Denis (VIIe-XII e siècles). In: Media in Francia. Recueil de mélanges offert  à Karl Ferdinand Werner, 1989, S. 325.]  im Zusammenhang mit langjährigen Restitutionsbemühungen des Abtes Nanther, direkt nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Graf Eudes/Odo (von Blois und der Champagne) und KONRAD II. berichtet: …cunctis morbo absumptis duce Tiedrico, filio ejus, et filio filii, exceptis duabus puellulis Sophya et Beatrice, quae nutriebantur in aula regis, nam conjunx imperatoris, amita earum, eas sibi adob(!)taverat in filias… muss dieses im Ablativus absolutus als Vergangenheit erzählte Wegsterben fast einer ganzen Drei-Generationen-Familie, das, wie wir wissen, 1026 mit dem Tod Friedrichs II. begann, eindeutig im Jahr 1033, vermutlich im Mai, geendet haben, da Friedrich III., der „Sohn des Sohnes“, erst jetzt starb. Puellula gilt für diesen Zeitpunkt. Das Wort kann nicht für 14-jährige, also deutlich ehemündige Mädchen verwendet werden, was die Forschung bisher übersehen hat. Wenn laut der sehr zuverlässigen Chronik eines Augenzeugen dann später der Abt seine Bitte an den Kaiser über die beiden Erbinnen richtet, heißt es puellas adiit; sie sind inzwischen schon etwas älter.
Bei Sigebert de Gembloux [22 MG SS 6, 357.] wird die Situation anders, aber in selbem Sinne geschildert. Dabei muss es sich wieder um 1033 (Sigebert, der mehrere Angaben ein Jahr zu spät datiert, meldet es unter 1034) und Friedrich III. handeln: Friderico Mosellanorum duce mortus, quia mares filios non habebat… „Nach dem Tode Herzog Friedrichs, der keine männlichen Kinder hatte…“, also hinterließ er wohl (mindestens) eine Tochter. Sein Vater Friedrich II. kann nicht gemeint sein, denn der war 1126 gestorben und hinterließ mindestens einen Sohn, eben Friedrich III. Die beiden Friedriche sind leicht zu verwechseln, auch bei der Interpretation eines Textes wie Constat me Beatrice lege vivente Saliga, filia bonae Memoriae Federighi qui fuit Dux [23 Urk. 1055 Mai 31. In: Memorie della gran contessa MATILDA, restituita alla patria lucchese, da Francesco Maria Fiorentini. Seconda edizione da Gian Domenico Mansi, Lucca 1756, S. 418.] … Nach diesem Text kann Beatrix ebenso Tochter Friedrichs II. wie III. sein. Aber kann sie, kann Sophia, überhaupt Friedrichs III. Tochter sein?
Für ihre Geburtsjahre gibt es jedenfalls ein post quem, das Poull übersieht, denn Beatrice (Beatrix) und Sophie erscheinen nicht im Gedenkbucheintrag Mathildes auf der Reichenau, den Schwarzmaier überzeugend auf 1025 datiert. [24 Hansmartin Schwarzmaier, Reichenauer Gedenkbucheinträge  aus der Zeit König Konrads II. In: ZswürttLG 22 (1963), S. 19–28, mit Abb. des originalen Eintrags. Thomas L. Zotz, Der Breisgau und das alemannische Herzogtum. Zur Verfassungs- und Besitzgeschichte im 10. und beginnenden 11. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen Sonderband 15), 1974, S. 227, Anm. 44, erweitert die Datierung auf 1025 bis 1027. Doch Herzog Friedrich II. starb schon 1026 Mai 18. Dies ist sicher ein terminus ante quem, sodass wir, angesichts des königlichen Itinerars, doch wieder mit Schwarzmaier auf Juni 1025 kommen.] Selbst für den Laien sind die paläograph(olog)ischen Zusammenhänge dieser Namengruppe evident. Hier nun die Reihenfolge: CVONRADVS DVX · HEREMANNVS DVX · GERBIRCH · MATHILTH · FRIDERICH DVX · CuonradvS DVX · BRVN · Friderich · RVUODOLF · ADALHEID. [25 Den teilweisen Wechsel von Capitalis zu Minuskeln kann ich mir nicht erklären.]
Die beiden (oder drei) ersten Personen sind verstorben. Dabei ist der erste Name von besonderer Bedeutung, auch für die Bestimmung der übrigen. Bis jetzt dachten Schwarzmaier, Hlawitschka, Zotz, Jackman und Wolf bei CVONRADVS DVX nur an den Herzog Konrad von Schwaben, wohl weil er der Vater der zweiten genannten Person war. [26 Ich bibliographiere nicht die endlose Literatur, die sich mit diesem Eintrag in Zusammenhang mit der Frage: Wer war Kuno von Öhningen und der Thronfolgeberechtigung Herzog Hermanns befasst. Die neuste, gewiss parteiische Darstellung des Gelehrtenstreits in Armin Wolfs “Nachwort 1999” zum Nachdruck seines Artikels “Wer war Kuno ,von Öhningen‘?”, in: Genealogisches Jahrbuch 39, 1999, S. 49ff.]  Weil sonst kein anderer Großelternteil Mathildes genannt wird und ausgerechnet ihr ältester Sohn, Konrad „der jüngere“, der Thronprätendent, in diesem Eintrag fehlen würde, glaube ich, dass hier Mathildes erster Mann, Konrad, Herzog von Kärnten gemeint war. Natürlich ist das zweite dux für Konrad den jüngeren, der 1112 der Herzogswürde privatus wurde und erst Jahre später im Amt seines Vaters eingesetzt werden sollte, angemaßt. Allerdings nennt ihn auch Wipo cap. 21 dux Chuono, für einen Termin, da Konrad das Herzogtum Kärnten noch nicht innehatte. Außerdem steht dieser CuonradvS DVX genau an der Stelle, wo von der Logik des Eintrags der jüngere Konrad stehen muss.
Gemeint sind also: Die Herzöge Konrad (von Kärnten, † 1011) und Hermann (II. von Schwaben), Gerberga (von Burgund, Hermanns Frau oder Witwe), dann kommen Mathilde selber, Herzog Friedrich II. von Ober-Lothringen, Konrad von Kärnten als Aspirant auf das Herzogtum, Brun, der spätere Bischof von Würzburg, Friedrich, später als Herzog „III.“, ein noch nicht identifizierter Rudolf, schließlich eine Adelheid. [27 Evtl. 8 Walram von Arlon. Gerd Wunder, Beiträge zur Genealogie schwäbischer Herzogshäuser, 1. Herzogin Beatrix von Kärnten. In: ZswürttLG 31 (1972), S. 3 ff., möchte aus chronologischen Gründen in der als Frau Walrams genannten Adelheid eher eine Tochter Friedrichs II. als Dietrichs sehen. Mir scheint das mit den chronikalischen Belegen (andere kenne ich nicht) nicht zu vereinbaren. Eine interessante Betrachtung zu Walram und Adelheid von Arlon bringt Johannes Mötsch, Genealogie der Grafen von Sponheim, in JbwestdLG 13 (1987), S. 111, freilich ohne auf Adelheids genaue Filiation einzugehen. – Für jene Forscher, die dem jüngeren Konrad Nachkommenschaft zuschreiben, könnte Adelheid auch dessen Frau sein. – Ansprechend auch die Überlegung, sie sei eine Tochter Mathildes aus erster Ehe (das lässt die Stellung in der Reihenfolge zu, wenn Rudolf ein damals jüngster Sohn war), und habe später Ezzos Bruder Hezelin geheiratet (Zuletzt Helmuth Kluger, Propter claritatem generis. Genealogisches zur Familie der Ezzonen, in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag. Herausg. v. Hanna Vollrath und Stefan Weinfurter (Kölner historische Abhandlungen 39), Köln/Weimar/Wien 1993, hier S. 242ff., mit richtiger Identifizierung der beiden duces CVONRADUS. Chronologisch müsste dazu aber vieles geklärt werden, auch fällt auf, dass Adelheids Mann nicht genannt wird und ihr Namen schwer zu erklären ist.] Alles bezieht sich auf Mathilde: Erster Gatte (†) – Vater (†) – Mutter (wohl auch †) – sie selber – ihr derzeitiger Gatte – ihr ältester Sohn  – ihr zweiter Sohn – ihr dritter Sohn (der erste aus zweiter Ehe) – ¿ein vierter Sohn? [28 Donald C. Jackman, The Konradiner. A Study in Genealogical Methodology (Ius commune 47), Frankfurt 1990,  S. 215ff, identifiziert ihn mit Rudolf von Rheinfelden und Adelheid mit dessen Tante, natürlich natürlich unter der Praemisse, dass der CUONRADUS DUX mit Kuno von Öhningen identisch sei. 0,1 Wahrscheinlichkeit mal 0,1 Wahrscheinlichkeit ergiebt 0,01 Wahrscheinlichkeit, nicht 0,2t.]  – die Schwägerin oder eine Tochter oder gar eine Schwiegertochter.
Das ist ein derart genaues „Familienfoto“ Mathildes, dass wir daraus ableiten können, es habe 1025, zum wahrscheinlichen Zeitpunkt des Eintrags, keine weiteren lebenden Kinder Mathildes und Friedrichs II. gegeben. Wenn Rudolf (und evtl. Adelheid) zu diesen gehören sollte, wäre auch er ein Sohn Friedrichs II., wenig später (vor 1033) gestorben und sein Name hätte an seine Abstammung vom burgundischen Königshaus erinnert. [29 Rudolf kann nicht der König von Burgund sein, denn es fehlt die Bezeichnung rex. Auch für einen Grafen möchte ich ihn nicht halten.]
Mir scheint, nebenbei gesagt, dass der langjährige Dissens der schwäbischen und oberlothringischen Herzogsfamilie mit HEINRICH II. und KONRAD II. eher um das burgundische Erbe als um die deutsche Krone ging. [30 “…wofern es nur auf Verwandtschaft ankam, waren des Königs Rechtansprüche auf das burgundische Erbe unendlich geringer als die des Vetters und des Stiefsohns.” (Harry Breßlau, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., 1, 1879, S. 94) Vgl. ebd. den Zusammenhang mit der Begründung für den Aufstand Herzog Ernsts. Aus dieser Situation erklärt sich auch, dass die verschiedenen Thron-Prätendenten nicht zu gemeinsamer Aktion zusammenfanden.] Wenn Hermann II. laut den Annales Sangallenses maiores zum Jahr 1002 daran dachte, mit HEINRICH II. das Reich zu teilen, wollte er wohl schon die Nachfolge in Burgund garantiert haben… Dass Eudes/Odo von Blois und der Champagne im „burgundischen Erbfolgekrieg“ gerade Lothringen so verheerte, hat auch damit zu tun.
Doch kommen wir wieder zur Genealogie. Ermitteln wir ein genaueres Geburtsdatum der beiden lothringischen Erbinnen als das durch den Gedenkeintrag und den Tod Friedrichs III. ermittelte „zwischen 1025 und 1033“. Wenn Poull die beiden ausdrücklich als Schwestern bezeichnet, gibt er hierfür keine Quelle an. Man mag eine indirekte in Bernoldi Chronicon A. 1092 finden, wo (nicht in allen Handschriften) Domna Sophia („von Mousson“) bezeichnet wird als quae erat matertera comitissae Mathildis, quae cum domino suo Welfone duce in Italia contra scismaticos multum laboravit. [31 MG SS 5, S. 454, Z. 22f. – Diese Stelle wird merkwürdigerweise bei den Diskussionen um “Kuno von Öhningen” nicht herangezogen. Nicht dass die später geschiedene Ehe zwischen Welf V. und Mathilde von Tuszien innerhalb der kanonischen Grenzen lag… Warum aber hätten Genealogia und Historia Welforum ihren und ihres Gatten gemeinsamen Ahnherrn Hermann bei den Kindern Kunos von Öhningen bewusst unterschlagen sollen, wie Jackman meint, obwohl auf diesem Weg gewiss einiges an Bedeutung und Erbschaft in das Welfenhaus kam? ] Matertera wird indessen nicht immer im strengsten Sinne (Schwester der Mutter) gebraucht, häufig steht der Begriff auch für die matertera magna der Arbores consanguinitatis. Dass er – nicht nur von Bernold – in Umkehrung zu nepos/neptis auch für eine ältere Verwandte über die Mutterlinie gebraucht wurde, lässt sich annehmen, vor allem wenn man die komplizierten Verhältnisse 60 Jahre später nicht mehr genau kannte. Auch wenn der Sohn Sophias in Italien als Fredericus comes, nepos Beatricis ducissae, filius Lodovici comitis bezeichnet wird, muss man das nepos nicht als „Neffe ersten Grades“ einengen, und Beatrix und Sophia zu Schwestern machen.

Ein Seitenblick auf Beatrice

Beatrice/Beatrix, laut Poull die jüngere der beiden, wurde 1037 mit Bonifacio di Canossa verlobt, und begab sich im Juni dieses Jahres nach Italien, die Hochzeit wurde in „Marego“ gefeiert. [32 Elke Goez, Beatrix von Canossa und Tuszien (VortrForschgen 41) Sigmaringen 1995, S. 15 und 196] Bonifacio de Canossa ist etwa 985 geboren, er stirbt 1052. Zwei Kinder Beatrices – Federico und Beatrice – sterben jung, das dritte, die berühmte Markgräfin Mathilde von Canossa, ist 1046 geboren. Beatrices zweite Ehe mit Gottfried dem Bärtigen war kanonisch unproblematisch (4:4 oder 4:5 nach römischer Zählung): Gottfried ® Gozelo (1033 Herzog O’Lothringen) ® Gottfried (Gf. Verdun) ® Gozlin (Gf. Verdun) ® Wigerich  Friedrich I.  Dietrich  Friedrich II. [Friedrich III.]  Beatrice.
Wenn Beatrice 1037 ehemündig war, muss sie spätestens 1026 geboren worden sein. Wenn die Ehe aber erst später rechtskräftig, also vollzogen wurde, kann man auch ihr Geburtsdatum entsprechend später datieren. Aber arg gequält ist das schon. Auch kann man die drei Namen ihrer Kinder von der lothringischen Familie ohne Zwischenglied ableiten. Ihr eigner Name ist aus der Vorfahrenschaft erklärbar, obwohl andere Namen nähergelegen hätten. Gerberga, Richlint waren ihre Großmütter, Gisela ihre Tante. Vermutlich gab es ältere Schwestern mit diesen Namen, die früh gestorben waren. [33 Gisela, mit ihrem Gatten Graf Gerhard Stifterin von Busendorf, wird von Emil Kimpen, Rheinische Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen, in: AnnHVNiederrhein, 123 (1953), S. 4 Anm. 13, als Tochter von Herzog Dietrich I. vermutet, nicht diskutiert bei Poull, La Maison…, akzeptiert von Eduard Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9. 10. und 11. Jahrhundert (VeröffgenKommsaarländLdesGVolksforsch 4), 1969, S. 83f. Ich kann in der Verwandtschaft  Dietrichs und seiner Frau Richilde keine Gisela entdecken, der Name könnte erst durch ihre Schwiegertochter ins oberlothringische Herzogshaus gekommen sein; unter deren bekannten Töchtern und Enkelinnen erscheint er aber nicht.] Beatrice hieß aber die robertinische Stamm- und Erbmutter des oberlothringischen Hauses, Tochter von Hugo dem Großen und Gattin von Friedrich I., also Urgroßmutter der jungen Beatrice. Übrigens ist der Name Beatrix/Beatrice selber rätselhaft, denn die Annahme, er sei ein Diminutiv von Bertais (Berta, Bertrada), der auch Settipani anhängt, erscheint mir keineswegs sicher. [34 Settipani, Préhistoire des Capétiens…, S. 222 Anm. 219 und S. 407 Anm. 37.]  Soweit ich sehe, sind alle Namensträgerinnen von einer einzigen abzuleiten, der Tochter Heriberts I. von Vermandois und einer unbekannten Mutter. Sie wurde Gattin des späteren Königs Robert und Großmutter der nach Lothringen verheirateten Beatrice. Es gibt übrigens eine – freilich rein zufällige – Übereinstimmung zwischen dieser und ihrer berühmteren Urenkelin, der „canusinischen“ Beatrice: Auch sie führte nach dem Tod des Gatten (Herzog Friedrich I. starb 978 Mai 18) bis zu ihrem Tode (September 23 nach 987) allein und erfolgreich die Herrschaft.
In den Zwischengenerationen sind Trägerinnen des Namens nicht belegt, aber doch zu vermuten. Trotzdem spricht diese Namengebung eher dafür, dass nur zwei und nicht drei Generationen zwischen den beiden Beatricen liegen. Es fällt schwer zu glauben, dass Beatrice von Tuszien nicht ein spätes Kind Mathildes und Friedrichs II. war. Außerdem hätte Friedrich III. einer ersten oder zweiten Tochter mit höchster Wahrscheinlichkeit den Namen Mathilde gegeben, vor allem wenn, wie ich glaube, nicht nur die väterliche Großmutter so hieß.
Im Besitz und der Hinterlassenschaft Mathildes von Canossa finden sich Komplexe in der heutigen Pfalz (Stetten, Lutera, Quellen der (Wies?)Lauter, Deidesheim), die sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf ihre Großmutter Mathilde und weiter zurück auf konradinischen Ursprung zurückführen lassen, da er weder über ihren Mann (Bonifacio) noch über die oberlothringischen Herzöge noch über ihre Urgroßmutter Gerberga von Burgund herzuleiten ist. Einzige Alternative ist die väterliche Großmutter Richilde, die Tochter des Grafen Folmar, eine Familie, die später nachweislich Besitz in der heutigen Pfalz besaß. [35 Diese Möglichkeit wird nicht behandelt bei Schwarzmaier, Mathilde von Tuszien…, sowie vorher bei Goez, Beatrix…, S. 38 und Overmann, Gräfin Mathilde…] Gerade diese Linie, die auf den BOSONIDEN Bivin führen dürfte, ist noch wenig erforscht. [36 Michel Parisse, La Noblesse lorraine XIe- XIIIe siècle, thèse imprimée, Nancy 1976, Bd. 2, S. 332f,  ders., Noblesse et chevalerie en Lorraine médiévale. Les familles nobles du XIe- XIIIe siècle, Nancy, 1982, S. 103, übernommen von Settipani/Van Kerrebrouck, La Préhistoire des Capétiens…, S. 368.]

Endlich: Sophia

Sophia tritt erst „vers 1040“ [37 Poull, La Maison … de Bar, S. 69, leider ohne Quellenbeleg.], drei Jahre nach Beatrice, die Erbschaft an und in die Ehe. Ihr zweiter Sohn soll etwa 1045 geboren sein. Demnach wäre sie jünger als Beatrice. Trotzdem wird sie in der Chronik von St. Mihiel vor Beatrice genannt. Vielleicht geschah dies nur, weil zu ihrem Erbe die Vogtei der Abtei gehörte. Wir müssen aber annehmen, dass die Erbschaft erst nach der Abfassung der Chronik geteilt wurde, weshalb diese Begründung wenig verfängt.
Eher aber wurde Sophia zuerst genannt, weil sie eine (erste und einzige) Tochter Friedrichs III. war. Als Tochter des letzten regierenden Herzogs war sie jünger, aber im Erbanspruch ranghöher als Beatrice, ihre kaum ältere Tante, die wie sie noch als Säugling oder Kleinkind den Vater und wohl auch die Mutter verloren hatte. [38 Bei Sophias späterer Ehe könnte übrigens eine kanonisch relevante Konsanguinität berührt sein, wobei mit der Zwischenschaltung einer Generation ein Argument entfällt, das die Gattin bzw. Mutter des Hugo Raucus, des Großvaters von Papst Leo IX. und der Hildegard, Mutter von Ludwig von Mousson-Mömpelgard, betrifft, aber eh nicht angewandt zu werden braucht. Eduard Hlawitschka, Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 4), Saarbrücken 1969, S. 111, Anm. 131.]
Gegen die Annahme einer späten Geburt spricht nur scheinbar die Meldung von ihrem Todesalter in Bernoldi Chronicon zum Jahr 1093: Nobilissima comitissa Sophia, vidua Ludowici comitis, mater piae memoriae Beatricis ducis [39 Damit ist ihre im Vorjahr verstorbene Tochter Beatrix, Gattin von Herzog Berthold von Zähringen, gemeint.] et Friderici marchionis, in senectute bona. [40 MG SS 5, S. 456, Z. 2ff.] Dieses gute Alter wird nämlich durch eine biblische Ergänzung näher definiert: cum iam multos filiorum filios videret, diem clausit extremum. Eine Menge Kindeskinder gesehen zu haben, bedeutet schon ein „gutes“ Alter. Dazu musste sie nicht 75 Jahre alt geworden sein.
Die Vorausetzung, dass Friedrich III. geheiratet haben muss, um sie in der Ehe mindestens zu zeugen, ist gegeben. Wenn er (spätestens 1032!) die Regierung angetreten hat (wie Urkunden bezeugen), wird er auch geheiratet haben. Er war ja der letzte Spross seines Hauses und sollte rasch für einen Erben sorgen. Da es aber überhaupt keine Belege für einen Herzog von Ober-Lothringen zwischen 1027 und 1032 zu geben scheint, kann er schon früher (herrschafts- und ehe-)mündig geworden sein. Warum Poull die Heirat seiner Eltern erst auf „sans doute vers 1016“ datiert und befindet, Friedrich III. „semble avoir vu le jour vers 1017“, begründet er nicht. [41 Poull, La Maison … de Bar, S. 23f. und 29] Selbst wenn Mathildes Ehen nicht so rasch aufeinanderfolgten wie die ihrer Schwester Gisela, könnte sie nach dem Tod des ersten Mannes Ende 1011 schon Ende 1012 zum zweiten Mal geheiratet und im nächsten Jahr den ersten Sohn bekommen haben. Friedrich II. konnte dazu jedenfalls alt genug sein, seine Eltern waren belegtermaßen spätestens 992 verheiratet. [42 Poull, La Maison … de Bar, S. 21, meint nur, “…né au cours des dernières années du Xe siècle, si l’on tient compte de l’époque probable de son mariage.” Das ist eine vage, wenig beweiskräftige  Annahme. Bei einer so guten Partie tat Eile beim Heiraten not, es gab genug andere, die sich um die hohe Witwe rissen. Vielleicht hätte sein Vater ihn sonst erst in höherem Alter heiraten lassen. Vielleicht vergab HEINRICH II. das Herzogtum Kärnten nur deshalb nicht dem Sohn Mathildes, weil es sonst in den verhassten Einfluss von dessen Stiefvater geraten wäre. All das sind Argumente für die frühe Heirat, bei der Friedrich II. natürlich mindestens 16 Jahre alt sein musste. Goez, Beatrix…, S. 11ff und 195, datiert als erste und bisher wohl einzige die Heirat Friedrichs II. mit Mathilde auf “1012 oder kurz danach”.] Friedrich III. hätte also schon relativ bald nach dem Tod des Großvaters – sagen wir 1029 und mit 16 Jahren – dessen Nachfolge übernehmen und eine Ehe schließen können. Aber mit wem? Dieser ihrer Mutter hätte Sophie ihren Namen zu verdanken.

Wer war Sophias Mutter?

Der junge Friedrich III. heiratete gewiss unter Anleitung seiner Mutter, die ja wohl immer hinter der Fronde gegen KONRAD II. steckte und in eben jener Zeit den König Mieszko (II.) von Polen auszeichnete, einen wichtigen Gegner KONRADS. Zuletzt hat Mathilde noch Esiko von Ballenstedt – einen Verbündeten Mieszkos – geheiratet und ihm einen Adalbert und eine Adelheid geboren. 1030 feiert sie freilich das Osterfest am kaiserlichen Hofe in Ingelheim, sie starb im Juni, vor 1033, also 1030…1032. [43 Brygida Kürbis, Die Epistola Mathildis Suevae an Mieszko II. in neuer Sicht. Ein Forschungsbericht, in: Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster 23 (1989), hier S. 336, behauptet ohne jeden Beleg, Mathilde sei 1033 07 29 gestorben. In Anm. 69 steht zwar “Zu den Daten Michel Parisse in: Lexikon des Mittelalters 4 (1989), Sp. 951”, aber dort ist kein Todesdatum für Mathilde angegeben.]
Ein ganz ungewöhnliches Indiz habe ich mir nämlich aufgespart: Mathildes Verbindung zu König Mieszko. Im Kloster Neuzelle bei Frankfurt an der Oder wurde eine Handschrift von des Pseudo-Alkuin Liber de divinis officiis (von 1026/27) aufbewahrt. Bevor sie 1857 in Berlin verschollen ging, wurde Blatt 3v in einer Farbtafel festgehalten. [44 in: P. A. Dethier, Epistola inedita Mathildis Suevae, sororis Gislae Imperatricis et aviae Mathildis Toscanae, data anno 1027 aut 1028 ad Misegonum II., Poloniae regem. (Praefationis loco ad codicem liturgicum Carolinum-Alcuineum) et Commentarius critico-historico-exegeticus in eam Epistolam; sive Vindiciae quatuor primorum Poloniae Latino-Christianae regum, Berlin, 1842. Der Codex ist – freilich ohne das Widmungsblatt – wieder aufgetaucht, siehe  hierzu Kürbis, Die Epistola Mathildae Suevae an Mieszko II.… und den Anhang von E. Freise und M. Weidner, Auf der Suche nach der verschollenen Widmungsminiatur des Cod. C 91 der Düsseldorfer Universitätsbibliothek, in: FMSt 23, 1989, S. 318–343.] Sie zeigt die durchaus noch junge Dedikantin (weist der Schleier auf Witwenstand?) und den Empfänger, mit der Beischrift in Hexametern oder einem Distichon: Hunc librum regi Mahthilt donat Misegoni/quam genuit clarus Suevorum dux Herimannus. (Mechthild macht dieses Buch zum Geschenk dem König Mieszko, Sie, des berühmten Hermann, des Schwaben-Herzoges, Tochter.) Diese Schenkung weist meiner Meinung auf eine enge – bestehende oder geplante – familiäre Bindung hin. [45 Kluger, Propter claritatem generis…, S. 244, Anm. 122 sieht diese in der von ihm behaupteten Verbindung Adelheid –Hezelin. Dies schließt sich gegenseitig nicht aus, im Gegenteil. Heiraten über Kreuz waren.] Mahthilt/Mathilde bezeichnet sich ausdrücklich als Tochter Hermanns II. Warum sie nicht ihre ebenso herzoglichen Männer nennt, von denen der zweite zur mutmaßlichen Schenkungszeit [46 Kürbis, Die Epistola Mathildae Suevae…, S. 335, datiert auf die zweite Hälfte 1025, ohne zwingenden Beleg, vor allem, um den Einsiedler Abt Wirmunt als Verfasser des Textes zu sichern. Eine Datierung auf 1033 (Stanislaw Zakrzewski, in: Kwartalnik Historyczny 30 (1916) S. 131ff.) ist von der Forschung abgelehnt worden.] vielleicht noch lebte oder wahrscheinlicher gerade gestorben war, bleibt mir unklar; ebenso, warum sie sich nicht auf ihren ältesten Sohn Konrad bezieht, der doch wohl gemeinsame Sache mit Mieszko machte. Dass dieser auf dem Dedikationsbild als König dargestellt ist, entspricht der Widmung, wo der Titel bedeutsam vorangestellt ist. Natürlich können auch die Zwänge des Metrums das verursacht haben. Am plausibelsten ist das alles, wenn Mathilde mit Mieszko eine Verschwägerung anbahnen wollte.
Was lag für Mathilde damals näher, als ihren Sohn zweiter Ehe mit einer nahen Verwandten Mieskos zu vermählen? Mieszko war (wohl seit 1013) mit der EZZONIN Richeza verheiratet und von 1025 bis zu seinem Tod 1034 Mai 10 König von Polen (ab 1032 aus Polen vertrieben). Sein späterer Nachfolger Kazimierz I. war 1016 Juli 25 geboren. Möglicherweise hatte Mieszko eine etwas ältere oder nur wenig jüngere Tochter (wir haben keinen Beleg dafür!), die im genau richtigen Heiratsalter für Friedrich III. gewesen wäre. Wenn es sie nicht gab, gibt es eine Alternative: Eine Schwägerin Mieszkos… Mutter Sophias wäre dann nicht eine Enkelin, sondern eine Tochter des Pfalzgrafen Ezzo; es kann durchaus eine von denen sein, die in der hagiographischen Chronik von Brauweiler [47 Brunwilarensis monasterii fundatorum actus, ed. Georg Waitz, MG SS 14, S. 121–144, c. 7, S. 129.] als im geistlichen Stand verstorben bezeichnet werden; am ehesten die vermutlich jüngste, Sophie, die 1025/1026 mit ihrer Schwester Ida und drei weiteren Mädchen aus dem Stift Gandersheim, wo sie zur Erziehung bei ihrer gleichnamigen Tante war, nach Mainz ins (St. Marien-)Kloster Altmünster geflüchtet war, nach kurzzeitiger Rückkehr nochmals „entführt“ wurde und die zwischen 1031 und 1038 gestorben sein muss, bestimmt nicht als Äbtissin, weder in Mainz, wie die Brauweiler Überlieferung will, noch anderswo. [48 Friedrich Wilhelm Oediger, Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter 1, 1954, Nr. 728 und 770, sowie Winfrid Glocker, Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 5), 1989, vor allem S. 317f., stützen sich auf die glaubhaftere, wenn auch parteiische Wolfheri vita prior Godehardi episcopi Hildeshemensis, c. 31, 32 und 36, MG SS XI, 190ff. – Die unklare und widersprüchliche Quellenlage wird am deutlichsten dargestellt bei Adolf Hofmeister, Studien zu Theophano. In: FS Edmund E. Stengel zum 70. Geburtstag…, 1952, hier S. 236f., vor allem S. 237 Anm. 1. Zuletzt Edith Ennen, Die sieben Töchter des Pfalzgrafen Ezzo, in: Der Aquädukt. 1763–1988. Ein Almanach aus dem Verlag C. H. Beck im 225. Jahr seines Bestehens, 1988, S. 160–171, und Kluger, Propter claritatem generis…, S. 241.] Die Brunwilarensis monasterii fundatorum actus sind keinesfalls so zuverlässig, wie sie von den Erforschern der EZZONEN gerne angesehen werden, zumindest sind sie nicht vollständig. So werden z. B. zwei Töchter der Königin Richeza nicht erwähnt, die eine selber Königin (von Ungarn), die andere Großfürstin. Die geistlichen Bezüge stehen – zuweilen sogar entgegen den Tatsachen – im Vordergrund. Dabei entstanden die actus ca. 1070, also kaum ein Menschenalter nach unseren Begebnissen. Der Autor sagt, er könne die Genealogie Ezzos antiquitate temporum et maiorum neglectu nicht referieren. Zeitlicher Abstand und Vernachlässigung durch die Vorgänger – überzeugend klingt das nicht. [49 “Von der Geschichte der Gründerfamilie… war dem Verfasser eingestandenermaßen nur wenig bekannt” (Die Benediktinerabtei Brauweiler, bearb. v. Erich Wisplinghoff (Germania Sacra NF 29), 1992, S. 136). Dass der Mönch D., der Verfasser der Brunwilarensis monasterii fundatorum actus, bewusst darauf verzichtet, Widersprüche in seinen Quellen zu unterschlagen, ist gewiss kein Beweis für wissenschaftliches Denken, doch so interpretiert es Hans Patze, Adel und Stifterchronik. Frühformen territorialer Geschichtsschreibung Geschichtsschreibung im hochmittelalterlichen Reich, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 100 (1964), hier S. 51.] Insgesamt gehört eine gründliche Untersuchung über die sogenannten EZZONEN und HEZELINIDEN zu den großen Desiderata der Mittelalter-Genealogie.[50 Kluger, Propter claritatem… hat keine direkt genealogischen Ziele. Freilich führt er eine Anzahl der unhaltbarsten Hypothesen ad absurdum. Klaus Gereon Beuckers, Die Ezzonen und ihre Stiftungen. Eine Untersuchung zur Stiftungstätigkeit im 11. Jahrhundert (Kunstgeschichte 42) Hamburg 1993, geht im ersten Teil seiner Arbeit zwar auf die Genealogie der EZZONEN und HEZELINEN ein, freilich nur unkritisch und elektisch. Dadurch wird auch der kunstgeschichtliche Teil in seiner Überzeugungskraft beeinträchtigt. Wertvoll ist die Bemerkung einer auffälligen Bevorzugung des Heiligen Nikolaus bei religiösen Neugründungen der EZZONEN.]
Meine genealogische Rekonstruktion erklärt mithin mehr als nur den Namen der Sophie, später „von Mousson“. Eine eher kirchengeschichtliche Implikation besteht in dem Objekt, das Mathilde dem Polen-König schenkte: Der Inhalt (der unter dem Namen Pseudo-Alkuin bekannte Liber de divinis officiis) hat ja eine besondere Bedeutung in der Mainzer Liturgie. Gerade der gekürzte und veränderte zweite Teil des Traktats beeinflusste das in der Mitte des 10. Jahrhunderts in Mainz entstandene Pontificale Romano-Germanicum entscheidend. [51 Florentine Mütherich, Epistola Mathildis Suevae. Zu einer verschollenen Handschrift aus dem 11. Jahrhundert. In: Studien zur Buchmalerei und Goldschmiedekunst des Mittelalters. FS für Karl Hermann Usener zum 60. Geburtstag… hsg. v. Frieda Dettweiler et alii, 1967, S. 137ff. – Kürbis, Die Epistola Mathildae Suevae… diskutiert diese Möglichkeit nicht, sie verspricht aber eine eingehende Untersuchung und Ausgabe des Liber officiorum in unserem Kodex durch Bogdan Bolz, die anscheinend noch nicht herausgekommen ist.] Ob Erzbischof Aribo, der ja mit Kaiserin Gisela wahrhaftig nicht zum Besten stand, besondere Beziehungen zu ihrer Schwester Mathilde hatte? Zu der EZZONEN-Tochter Sophie hatte er gewiss welche. Denn wie des Bischofs Godehard von Hildesheim parteiischer Biograph Wolfher berichtet, war in dem Kloster, wo Aribo diese mit ihrer Schwester Ida und drei anderen Mädchen aus Gandersheim „unterbrachte“, seine Schwester Äbtissin. Ob dies das Mainzer Altmünsterkloster und Wigburg war, oder Göss und Kunigunde, lasse ich dahingestellt. [52 Für die erste Variante u. a. Tyroller, S. 183ff., für die zweite Breßlau, Jahrbücher…, S. 194f. Die Mädchen hatten jedenfalls in Gandersheim noch kein Gelübde abgelegt, sondern sollen es – wie Wolfher berichtet – bei Aribos Schwester getan haben. Irgendeine Bestätigung für eine Schwester Aribos oder Sophias als Äbtissin von Altmünster gibt es nicht (Ingrid Adam, Eine Äbtissinenliste aus dem Altmünsterkloster zu Mainz. In: Mzer Z 90/91 (1995/96, erschienen 1999), hier S. 95).] Nach der Beilegung des Streits kehrten die Mädchen nach Gandersheim zurück, um bald darauf wieder zu entfliehen und schließlich im Kloster bei Aribos Schwester Nonne zu werden. Erst Aribos Nachfolger Bardo stellte in Nörten zwei der fünf jungen Damen wieder der Gandersheimer Äbtissin Sophia zurück. Die junge Sophia war inzwischen verstorben (quae prima earum erat Mogonciae defunctae), die beiden anderen durfte Bardo „auf demütiges Bitten hin“ zurückbehalten. Nach Gandersheim zurück kam jedenfalls Ida, die dann dort später als Äbtissin belegt ist. [53 Das Benediktinerinnenkloster St. Marien vor Gandersheim, bearb. von Hans Goetting, in: Germania sacra  NF 8, 1974, hier S. 142f.] Immerhin könnte Ida auch als Witwe zurückgekehrt sein. Um die Hypothesen vollzumachen: Unter den drei anderen Mädchen könnte auch eine Tochter Mieszkos gewesen sein…
Der Zeitpunkt für die Rückgabe durch Bardo (und damit ein terminus ad quem für den Tod der jungen Sophia) kann nicht genau bestimmt werden. Er lag „frühestens zu Weihnachten 1031“. 1031 Juni 29 war Bardo zum Erzbischof geweiht worden, Weihnachten 1031 verbrachte er nachweislich bei KONRAD II. und Gisela in der Pfalz Goslar. Spätester, sehr unwahrscheinlicher Termin dürfte der Tod Godehards 1038 sein, der Ida noch zur Äbtissin weihte. [54 J. Fr. Böhmer/Cornelius Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe  1 (1877, Reprint 1966), S. 165ff.] Ein halbwegs lückenloses Itinerar Bardos lässt sich nicht erstellen; darum liegt es nahe, den Vorfall ganz allgemein in seine ersten Amtsjahre zu datieren.
Ob und wann genau die jungen Frauen das ewige Gelübde abgelegt haben, was natürlich eine spätere, aber nicht eine vorhergehende Heirat ausschließt, scheint mir genau so auslegbar wie die Begriffe amita (für beide Mädchen, Sophia und Beatrice, zur Kaiserin Gisela) statt matertera (bzw. matertera magna) und avus ( Herzog Dietrich zu Sophie). [55 Poull, La Maison … de Bar, S. 20, Anm. 40, nach A. Lesort, Chronique Saint–Mihiel…, S. 153: 1076 Teodericus dux comitissae avus…] Dies mit „Groß“tante und „Ur“großvater zu übersetzen, ist erlaubt, nicht einmal ungewöhnlich; die vage Generationendefinition ist im Falle der „Tante“ geradezu zwingend, wenn Beatrix Nichte, Sophia aber Großnichte gewesen wäre.

Finale

Auch dass keine Quelle von der sehr kurzen Ehe Friedrichs III. berichtet, macht sie nicht unmöglich, nicht einmal unwahrscheinlich. Dass wir von seiner Gattin nichts erfahren, ist nicht ungewöhnlich. Wenn sie nicht schon vor ihrem Mann gestorben war,  könnte sie als Witwe ins Kloster gegangen sein. Wahrscheinlicher ist aber ihr Tod (vielleicht bei der Geburt der jungen Sophia), sonst hätte sie wohl einen zweiten Mann genommen, um die Herrschaft in Lothringen und die Sorge für die Hinterbliebenen zu übernehmen. Falls es sich um die EZZONIN Sophia und nicht eine Tochter Mieszkos handelt, erübrigt sich diese Überlegung, da sie bei Bardos Ausgleich mit Bischof Godehard und der Äbtissin Sophia von Gandersheim nach-weislich bereits tot war. Wenn die spätere Erbin Sophia schon bei der Geburt die Mutter verlor, liegt es besonders nahe, dass sie deren Namen bekam. An und für sich hätte ja der Name Mathilde am nächsten gelegen. So hießen die beiden Großmütter (evtl. ging es mütterlicherseits um die Urgroßmutter, aber die war eine Kaiser-Tochter). Selbst wenn Friedrichs III. Gattin eine Tochter Mieszkos war, hieß diese also wohl auch Sophia. Oder wollte man mit der Namengebung die gestrenge (Ur-)großtante in Gandersheim besänftigen?
Der Tod Friedrichs III., aber auch seiner Mutter und wohl auch seiner jungen Frau, bald auch König Mieszkos, beendeten alle Ambitionen. (Es ist schon auffällig, wieviele Konkurrenten HEINRICHS II. und KONRADS II. vor oder bald nach deren Thronbesteigung aus dem Leben schieden.) Kaiserin Gisela nahm die beiden sehr kleinen Mädchen und Erbinnen Beatrice und Sophie an ihren Hof; gewiss als deren nächste Verwandte, aber auch, um später einmal treue Gefolgsleute mit einer so reichen und ehrenvollen Partie auszuzeichnen. [56 Bonifacio de Canossa war jedenfalls der wichtigste Helfer KONRADS II. in Italien. Ähnliches muss man bei Ludwig von Mousson annehmen. – Das adobtaverat in der Chronik von St. Mihiel ist auf keinen Fall als Adoption im römischen und heutigen Rechtssinne zu verstehen.] Die Fürsorge für die verwaisten (Groß)-Nichten war zugleich eine Art Geiselnahme.
„Hier zeichnete sich eine großräumige anti-salisch-ezzonische Oppositionsbewegung ab…“ urteilt Helmuth Kluger über Vorgänge in den 50-er Jahren, als der Bayern-Herzog Kuno (ein Neffe der Königin Richeza) sich gegen HEINRICH III. empörte und schließlich nach Ungarn zu seiner Kusine fliehen musste, einer Tochter Richezas und Mieszkos II., die vermutlich Ryksa hieß.[57  Kluger, Propter claritatem generis…, S. 250.]
Ob sich die Beziehungen zwischen Mathilde und dem kaiserlichen Paar in Mathildes letzten Lebensjahren verbessert haben, lasse ich dahingestellt. 1030 feierte sie jedenfalls in Ingelheim bei Schwester und Schwager Ostern und als KONRAD II. 1034 Januar 30 den Wormser Dom beschenkte, damit dort eine Messe für die dort bestatteten Angehörigen des salischen Hauses gelesen werde, geschah dies auch für Mathilde und ihren verstorbenen ersten Mann, Herzog Konrad von Kärnten. [58 D K II 204. Hierzu Karl Schmid, Die Sorge der Salier um ihre Memoria, in: MEMORIA. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter, hrsg. v. K. Schmid u. Joachim Wollasch (Münstersche Mittelalter-Schriften 48), 1984, S. 682ff.] Man hat die Sarkophage beider im Wormser Dom, der Grablege der vorköniglichen SALIER, bestimmen zu können geglaubt. Man darf annehmen, dass Mathilde nicht weit von Worms starb, vielleicht in Mainz, jedenfalls nicht in Ballenstedt oder Lothringen. Schwarzmaier, der doch den Reichenauer Eintrag von 1025 so überzeugend als ein Dokument der Entzweiung interpretiert hat, hat inzwischen stillschweigend diese Ansicht geändert: „…es besteht auch kein Grund, aus heutiger Sicht einen Dissens in das so kompakte Familiengefüge der SALIER um die Jahrtausendwende hineinzutragen.“ [59 Hansmartin Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom. Wegstationen und Lebensspuren der Salier. Tübingen 1992, S. 49.] Vielleicht akzeptierte KONRAD II., insbesondere nach den Erfahrungen mit OTTO III. und HEINRICH II., seinen Neffen Konrad den Jüngeren jetzt als potentiellen Thronfolger für den Fall, dass sein einziger, für Krankheiten anfälliger Sohn HEINRICH (als König und Kaiser der Dritte) wegen Tod oder Aufstand ausfiele. Dabei bedang er sich vielleicht aus, dass Konrad noch immer nicht heiraten dürfe. Dessen mutmaßliche Ehelosigkeit ist ja wahrhaftig ein genealogisches und historisches Problem.
Um abschließend meine eigenen Ergebnisse zu werten: Ich halte es für unumstößlich, dass Sophie die Tochter Friedrichs III. und nicht des II. war. Dass ihre Mutter eine Tochter oder Enkelin Ezzos und der Theophanu-Tochter Mathilde war, ist in hohem Grade wahrscheinlich, aber keinesfalls völlig sicher. Freilich ist der Name Sophia im deutschen Sprachraum unter der Voraussetzung der Leitnamensitte kaum anders erklärbar, wenn man nicht für die Mutter eine Herkunft aus Frankreich oder Italien oder gar Byzanz annehmen will. Während es für Beatrice und ihre Tochter intensive Untersuchungen auch zur Besitzgeschichte gibt, [60 Goez, Beatrix von Canossa…, vor allem S. 35ff.; Alfred Overmann, Gräfin Mathilde von Tuscien. Ihre Besitzungen, Geschichte ihres Gutes von 1115–1230 und ihre Regesten, Innsbruck 1895 (Nachdruck Frankfurt 1965).] ist dies für Sophia noch zu leisten. Vielleicht ergäben sich Anhaltspunkte in Richtung auch ezzonischen Vorbesitzes (freilich dürfte er nicht viel größer als eine standesgemäße Mitgift gewesen sein).
Hätten wir weniger Nachrichten über Sophias Familie, wäre es natürlich leichter, das genealogische Netz so oder anders zu knüpfen. Darum habe ich meine anfänglichen irrwegigen Mutmaßungen so ausführlich dargelegt und selber widerlegt. Man sieht, wie vorsichtig man sein muss.
Ich habe auch die anderen Sophien des 11. Jahrhunderts daraufhin untersucht, ob sich an ihnen die Namensvererbung nachweisen lässt. Mir sind eine Menge Ungereimtheiten in den bisherigen Auffassungen begegnet. Aber wirkliche Lösungen fand ich bisher in keinem dieser Fälle. Ohne mich in eine Sophiasophie verlieren zu wollen, werde ich in einem zweiten Teil gleichwohl auch diese Damen Revue passieren lassen.