Exkurs IV.
K. Usinger: Pfalzgraf Ezzo
Zwischen vielerlei Notizen, die Thietmar in den letzten
Kapiteln des 4. Buches seiner Chronik über Ereignisse aus der Zeit
OTTOS
III. zusammengestellt, jedoch nach seinem, cap. 35 offen ausgesprochenen
Plan, nicht chronologisch geordnet hat, findet sich cap. 38: Caesar soror,
Mathild nomine, Herimanni comitis palatini filio Ezzo nupsit. Et hoc multis
displicuit, sed quia id non valuit emendare legaliter, sustulit hoc unicus
frater illius pacienter, dans ei quam plurima, ne vilesceret innata sibi
a parentibus summis gloria. Wann dieses geschehen ist, können wir
aus vorliegender Stelle nicht ersehen, da weder der Zusammenhang noch der
Gebrauch des Titel "caesar", der freilich sonst von Thietmar für OTTO
III. erst nach dessen Kaiserkrönung im Jahre 996 gebraucht
wird, an diesem Ort Anhaltspunkte für die chronologische Bestimmung
gewähren. Wichtiger scheint dafür die Nachricht der Fundatio
monasterii Brunwilarensis cap. 4, SS XI, 397, zu sein, indem daselbst gesagt
wird, die Ehe sei: matre volente geschlossen, denn hiernach müßte
es vor dem 15. Juni 991, wo Theophanu
starb, geschehen sein. Die sagenhafte Einkleidung der Vermählungsgeschichte
in dieser Geschichtsquelle, über die unten ausführlicher zu handeln
sein wird, scheint mir jedoch eine derartige Benutzung ihrer Nachrichten
nicht zu gestatten.
Wie mangelhaft wir auch über Ezzo und sein
Geschlecht unterrichtet sind, mögen zunächst dessen und seines
Vaters Regesten ausweisen. Letztere stelle ich voran.
948: in pago Avalgauense
sub cpmitatu Herimanni comitis.
Niederrheinisches Urkundenbuch I, pag. 59
c. 948: in comitatu Herimanni, in
pago Bunnoneinsi.
Mittelrheinisches Urkundenbuch I, pag. 248
970: in pago Bonnensi
in comitatu Herimanni comitis.
Niederrheinisches Urkundenbusch I, pag. 66
975: in pago Aiflensi,
in comitatu Herimanni
Mittelrheinisches Urkundenbuch I, pag 301
978: in pago Aiflensi,
in comitatu Herimanni
Ebendaselbst, pag. 308
6.1.992: interventu Bernhardi ducis, Egberti
comitis, Eggihardi marchionis, Herimanni palatini comitis, Huodonis marchionis,
Deodorici palatini comitis ejusque fratris Sigeberti comitis, Herimanni
comitis aliorumque macht OTTO III.
eine Schenkung
Böhm. 679. Eccard, Hist. princ. Saxon. sup. p. 287
13.6.993: OTTO III.
schenkt
dem Bischof von Worms: octo mansos in Brunnenheim sitos, et si aliquid
superest in pago
Bunnechgowe ac comitatu Hermanni palatini comitis jacentes, in cujus
etiam presentia eosdem mansos ei tradidimus,
justo legis et judicum judicio.
Böhm. 715. Crollius, Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen pag. 85.
24.5.996: Gregor V. bestätigt Besitzungen:
in pago Avalgawe, in comitatu Herimanni palatini comitis.
Jaffe 2955, Niederrheinisches Urkundenbuch I, p. 77
Dass der im Auelgau genannt Graf Hermann der Vater
Ezzos
ist, wird durch die letzte Urkunde vom 24. Mai 996 sehr wahrscheinlich;
jedoch wird derselbe nicht allein unter ihm gestanden haben, denn in den
Jahren 966 und 970 finden wir darin auch andere Grafen, siehe Niederrheinisches
Urkundenbuch I, p. 63 und 67. Ähnlich scheint es mit dem Eifelgau
zu stehen. Dieser wird 943 so erwähnt: in pago Heinfliuse (oder Heflinse),
in comitatu Tulpiacens, Mittelrheinisches Urkundenbuch I, p. 242; nun treffen
wir aber im Zülpichgau später Hezel, den Sohn Hermanns,
als Grafen an, a. a. O. p. 345, wodurch meine Mutmaßung, dass bei
dem Hermann, in den oben angeführten Urkunden von 975 und 978,
an den Vater Ezzos zu denken sei, gerechtfertigt werden möchte.
Aus der Lage seiner Komitate und der Geschichte seiner
Nachkommen wissen wir, dass Hermann
Pfalzgraf in Lothringen war;
wann er dieses Amt, das mit ihm in der Geschichte eingeführt wird
, aber erhalten habe, ist uns nicht überliefert. Seine Gemahlin hieß,
nach der Interpolation der Fundatio, siehe unten, Helywiga. Die
Nachricht wird dadurch wahrscheinlicher, dass auch eine der Töchter
Ezzos und der Mathilde diesen Namen trug, sowie ferner dadurch, dass im
Necrol. S. Gereon. Colon. zu II. Idus Novemb. eingezeichnet ist: Helewich
comitissa, uxor palatini, horum beneficio habemus Grienswilere; denn
diese Nachricht ergänzend steht zu XVII. Kal. Aug.: Herimannus palatinus
comes, cujus beneficio habemus Grieneswilere. Somit hätten wir denn
auch den Todestag des Pfalzgrafen Hermann: er wird am 16. Juli,
seine Frau am 12. November gestorben sein; Archiv für Geschichte des
Niederrhein III, p. 116 und 117, vgl. p. 108. Zweifelhaft bleibt, ob die
Nachricht des Interpolators, dass in dieser Ehe Ezzo und Hezelo geboren,
richtig ist; denn letzterer nennt sich in einer Urkunde vom 17. Juli 1033,
siehe unten, frater uterinus Ezzonis. - Dass Crollius a. a. O. den Pfalzgrafen
Hermann mit dem gleichnamigen Herzog von Schwaben verwechselt, ist
von Köpke, Jahrbücher I, 2, pag. 101, nachgewiesen; vgl. auch
Stälin I, 442.
Wenn wir in dem Grafen Hermann in den oben angeführten
Urkunden überall den Vater unseres Ezzo zu erkennen haben,
so gewinnt dadurch die Angabe der Fundatio cap. 14, dass dieser 1034 fast
80-jährig gestorben sei, an Glaubwürdigkeit. Alsdann müßte
freilich zwischen ihm und der frühestens 978 geborenen Mathilde,
obwohl diese bei Eingehung der Ehe doch dem Zuge ihres Herzens gefolgt
zu sein scheint, ein großer Abstand an Jahren gewesen sein. Auch
zur Beurteilung dieser Frage bieten die Regesten Ezzos, zu denen
ich mich jetzt wende, kein neues Material dar.
24.7.1020:
HEINRICH II. schenkt:
curtem Mollendorf, - in comitatu Ezzonis palatini comitis in pago,
qui dicitur Punnegowe, an das Marienstift zu Aachen Niederrheinisches Urkundenbuch
I, p. 96
10.12.1023:
HEINRICH II. empfängt
von der Abtei St. Maximin 6656 Hufen und überträgt dieselben:
fidelibus - Ezzoni palatino comiti et Henrico duci nec non Ottoni comiti,
damit sie fortan für den Abt Kriegs- und Hofdienste leisten.
Böhm. 1251, Hontheim, Eccles. Trevir. I, 358
10.10.1028:
Erzbischof Pilgrim von Köln beurkundet: quod Erenfridus
comes palatinus una cum conjuge sua domna Mathilde allodium suum in Brunwilre
- sancto Nicolao contulerunt. Da aber der comes Erenfridus et frater
ejus comes Hezelinus den Wald Bele communi utulitate besitzen, so
wird derselbe zwischen beiden geteilt und der Teil des ersteren ebenfalls
dem heiligen Nikolaus, der des letzteren dem heiligen Cornelius geschenkt.
Niederrheinisches Urkundenbuch I, p. 102
1028:
Erzbischof Pilgrim bestätigt das Kloster, welches
Erenfridus comes palatinus - in vico Brunwylernsi, id est in dote piae
memoriae Mathildis conjugis suae, crebra ejus suggestione aedificare
inchoaverat et ea immatura morte praeventa atque ibidem sepulta,
pro anima illius - consummaverat. Die vorige Urkunde wird dann zum Teil
wörtlich wiederholt.
Crollius a. a. O. p. 100. Acta academ. Theodor. Palat,
III, 133
1028: Aezzo comes
palatii beschenkt die St. Nikolauskirche in Braunweiler.
Niederrheinisches Urkundenbuch I, p. 103
9.8.1033:
Unter den Zeugen einer Urkunde
KONRADS II.: Chuono, Otto et filius ejus Uto, Ezzo palatinus
comes et filius ejus Otto, Otto de Suinvurt, Adalpertus marchio, Eberhardus
comes, Starcheri usw.
Böhm. 1394, Wirtemb. Urkundenbuch I, p. 262
29.9.1033:
Hezel, non merito, sed nomine palatinus comes dictus,
domni Ezzonis palatini comitis frater uterinus, beschenkt das Geronenstift
in Köln.
Niederrheinisches Urkundenbuch I, p. 105
17.7.1051:
HEINRICH III. bekundet,
Erinfridus beate memorie comes palatinus uns cum sua domna
Mathilde hätten das Kloster Braunweiler gestiftet.
Deren Kinder, nämlich Hermann, Erzbischof von Köln, Richeza,
einst Königin von Polen, und Theophano Äbtissin von Essen,
hätten jedoch die Rechtmäßigkeit jener Handlung bestritten,
und ein von ihnen verlangter Rechtsspruch sei zu ihren Gunsten ausgefallen;
allein bald hätten dieselben doch, von Reue bewegt, die Stiftung in
ihren Besitzungen und Freiheiten hergestellt, was er hiermit bestätigte.
Böhm. 1617, Niederrhein. Urkundenbuch I, p. 114
20.8.1051:
HEINRICH III. bestätigt
die von Erinfridus comes palatinus coram principibus regni gemachte Schenkung
an Braunweiler.
Niederrheinisches Urkundenbuch I, p. 116
Man sieht, die meisten der angeführten Urkunden beziehen
sich auf das Kloster Braunweiler. Dessen Gründungsgeschichte hat diese
ganze Abhandlung veranlaßt. Der Besprechung über die Nachrichten
derselben muß ich einige Bemerkungen über diese Geschichtsquelle
voraussetzen. Köpke, dem wir die neue Ausgabe derselben verdanken,
hat bereits SS, XI, 394 nachgewiesen, dass sie nach 1063, jedoch noch im
11. Jahrhundert, vielleicht zwischen 1076 und 1079 verfaßt ist. Uns
kommt es hier aber vornehmlich auf die Interpolationen an, welche sich
in einem Codex befanden, der von dem unbekannten Verfasser der Annales
Colonienses maximi und später, nach mehreren Jahrhunderten, von den
Herausgebern der Acta Sanctorum, Maj. V, 48, benutzt wurde, jetzt aber
völlig verschollen zu sein scheint. Wir lernen dieselben daher eben
nur aus diesen beiden Geschichtswerken kennen. Leider haben sie beide die
Interpolationen nur sehr mangelhaft mitgeteilt, und gerade von der wichtigsten
Stelle erhalten wir in der Acta SS. nur einen Auszug. In der Ausgabe von
Köpke sind mehrere uns bekannte Stellen nicht aufgenommen. - Für
die Abfassungszeit dieser Zusätze zu der Fundatio Brunwilarensis monasterii
- denn, dass sie in dem urkundlichen Codex nicht standen, beweist die von
Köpke benutzte Brüsseler Handschrift, wo sie fehlen - würde
entscheidend sein, wenn wir wüßten, ob sie bereits in der ältesten
bis 1175 gehenden Recension der Annal. Colon. max. benutzt sind; allein
dieses ergibt sich aus der Ausgabe derselben, SS. XVII, 729, nicht, da
diese älteste, erst vor kurzem aufgefundene Abfassung jener Annalen
nur von 1106 an mit der 2., abgedruckten Recension verglichen ist. Somit
darf ich der Vermutung von Köpke, dass diese Interpolationen am Anfange
des 13. Jahrhunderts verfaßt seien, nur die Vermutung gegenüberstellen,
dass sie bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts vom Verfasser der erwähnten
Annalen benutzt, also älter als diese sind. Diese Ansicht möchte
durch die Nachrichten, welche wir in ihnen finden, unterstützt werden;
denn dieselben tragen, soweit sie uns vorliegen, durchaus nicht den Charakter
an sich, als beruhen sie auf einer Jahrhunderte langen mündlichen
Tradition, obwohl ich doch auf eine solche ihre Angaben zum großen
teil glaube zurückführen zu müssen. Einige derselben werden
allerdings Grabsteinen entnommen sein, so die zu cap. 5 über
die Äbtissin Adelheid, Acta SS. a. a. O. p. 53, zu cap. 14, SS. XI,
403, zu cap. 18, ebenda p. 405, anderen werden kirchliche Aufzeichnungen,
so besonders zu cap. 22, ebenda p. 406, wo eigens antiquissimae litterae
erwähnt werden, wieder anderen vielleicht auch urkundliche Notizen,
so namentlich zu cap. 10, Acta SS. a. a. O. p. 55, siehe unten, zu Grunde
liegen. Dass aber die Nachrichten, welche uns hier am meisten interessieren,
auf einer und zwar nicht zu späten mündlichen Tradition beruhen,
möchte daraus zu schließen sein, dass dieselben einerseits sehr
bestimmt einzelne historische Tatsachen, die wir auch aus anderen Quellen
kennen, erwähnen, andererseits aber für diese wieder nicht das
rechte Zeitmaß zu treffen wissen. Dabei ist aber auch immer zu berücksichtigen,
dass wir es mit einem, selbst für das 13. Jahrhundert sehr vorsichtigen
Interpolator zu tun haben, denn so darf man ihn wohl bezeichnen, wenn Acta
SS. a. a. O. p. 55 zu Acheze, SS. XI, 401, cap. 10, bemerkt wird: Interpolator
legit Ethcheze additque forsam esse pagum Esich prope Nideremb, quia hic
Ezzelinus possidebat Berchem ect." - Die hier, nicht aber in der Fundatio
vorkommende Form des Namens für den Pfalzgrafen finden wir auch in
dem kurzem Excerpt aus der Interpolation in den Annal. Col. max. zu 1011,
wodurch wir eine, wenn auch nicht völlig sichere Bürgschaft dafür
erhalten, dass dieselben an dieser Stelle ebenso verfuhren, wie es sonst
der Fall war, nämlich einen wörtlichen, freilich zusammengedrängten
Auszug aus ihrer Quelle gegeben haben.
Über die Vermählung des Pfalzgrafen Ezzo
mit der Kaisertochter, wodurch er sich ja einen Namen in der Geschichte
erworben hat, berichten die Fundatio bereits so viel Sagenhaftes, dass
sich daraus kaum ein historischer Kern gewinnen läßt. Soviel
scheint jedenfalls, wie Wattenbach, Deutsche Geschichtsquellen p. 284,
richtig bemerkt hat, aus dieser Erzählung geschlossen werden zu müssen,
dass man selbst noch gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Verbindung der
Tochter OTTOS II. als eine Mißheirat
ansah, wie es ja, auch nach Thietmars Andeutungen, auch bei den Zeitgenossen
der Fall gewesen sein wird. - Ezzo, der bei allen drei OTTONEN
in großem Ansehen gestanden und auch während der vormundschaftlichen
Regierung der Theophano Anteil an der
Regierung Deutschlands und Lothringens genommen haben soll, wurde eines
Tages zu Aachen, so lautet der Bericht unserer Quelle, von dem jungen
OTTO
III. zum Brettspiel, worin sich dieser für unbesiegbar
hielt, aufgefordert. Wer den anderen dreimal besiege, soll von dessen Gütern
nehmen können, was er wolle.
Ezzo
siegt und forderte die Hand
der Mathilde, die ihm vom Bruder auch zugesagt wird. Der Bräutigam
holt alsdann seine Verlobte von Essen ab und gibt ihr Braunweiler als Wittum.
Auf Wunsch der Pfalzgräfin wird hier später, nachdem beide persönlich
den Rat des Papstes darüber in Rom vernommen haben, ein Kloster gegründet,
dessen Einrichtung, wie die Vita Popponis cap. 19, SS. XI, 305, bestätigt,
dem Abt Poppo von Stablo übertragen wurde.
Soweit zunächst die Nachrichten der Fundatio. Viel
interessanter müssen die gewesen sein, welche ihre Interpolation zwischen
dem cap. 6 und 7 einschob. Die Herausgeber der Acta SS. teilen davon folgenden
Auszug mit: Hic interposuerat interpolator caput integrum, quo narratur,
quod Otto tertius Heriberto Coloniensi commiserit insignia imperii ad sororis
maritum Erenfridum deferenda; quae quum intercepisset Henricus, regnum
integro anno vacavit; quumque insuper jura palatini idem Henricus invaderet,
hic contra eum arma sumpserit, adjunctis sibi Lotharingis, qui Henrico
obedientiam praestandam pro decennio suspenderint. Interim acta Moguntiae
causa quum pro Henrico judicaretur, discessisse Erenfridum, statimque fixisse
in Odernheym, ubi, cum invadens, Theodericus Mosellanorum dux praelio victus
captusque sit cum tanta suorum strage, ut in proverbium res abierit soleantque
amicis opttare, ne in Odernheym umquam veniant. Tandem pacem eo pacto initam,
ut Henricus Erenfridoinsulam S: Suiberti, Duysburg et Salavelt cederet;
deinde interventu Henrici Mizeconi Polono junctam Richenzam palatini filiam.
Betrachten wir diese Nachrichten näher. Als OTTO
III. starb, war Erzbischof Heribert wirklich bei ihm. Dass er
die Reichsinsignien zu sich genommen, ist nach Thietmar IV, 31 nicht zu
bezweifeln; ob dieses aber auf Wunsch des sterbenden Kaisers geschah und
ob er sie irgend einem überbringen sollte, darüber können
wir aus keiner gut beglaubigten Quelle etwas erfahren. Doch darf vielleicht
aus der Stellung derer, welche in der letzten Zeit OTTO
III. nahe standen, zu der Thronbewerbung HEINRICHS
II. geschlossen werden, dass jenen die Nachfolge dieses nicht
erwünscht erschienen ist. Die Voraussendung der heiligen Lanze, von
der Thietmar berichtet, kann verschieden erklärt werden. Aber selbst
angenommen, Heribert habe dieselbe, dem Wunsche seines verstorbenen Herrn
gemäß, an Ezzo
gesandt, so darf daraus allein doch noch
nicht gefolgert werden, demselben sei dadurch der nächste Anspruch
auf das Reich zuerkannt; denn man könnte auch annehmen, der Schwager
des Kaisers habe die Insignien nur solange in Verwahrung nehmen sollen,
bis definitiv über die Nachfolge verfügt sei, ähnlich wie
nach dem Tode HEINRICHS II. dessen
Witwe die Abzeichen der königlichen Würde bis zur Erwählung
KONRADS
aufbewahrte; Wipo cap. 2, SS. XI, 259. - Dass HEINRICH
sich der Reichsinsignien, wie es auch unsere Quelle andeutet, auf gewaltsame
Weise bemächtigt habe, ist gewiß; Thietmar a. a. O. Die
allerdings lange Dauer des Interregnums, ist hier, charakteristisch
für die Übertreibung einer mündlichen Überlieferung,
auf das Dreifache angewachsen. - Für das Folgende kommen sodann
die, wie mir scheint, Anfangs verwirrten Auszüge in den Annal. Col.
max. zu 1011 in Betracht: cum
Ezzelinus palatinus comes adversaretur
regi et per continuos decem annos ejusdem comitis magnanimitate, sive confirmata
ad ejus sentantiam sacramentis publica fide, ab universis Lotharingiis
omnis regius honor eidem regi abdicaretur. Giesebrecht hat bereits diese
Nachrichten auf die fast steten Kämpfe, welche HEINRICH
II. in Lothringen, namentlich mit seinen Schwägern zu führen
hatte, bezogen und ich stimme ihm völlig bei. Dass in unserm Bericht
der Pfalzgraf eine Hauptrolle spielt, während er in andern nicht einmal
genannt wird, kann an diesem Ort natürlich nicht auffallen. Die hartnäckigen
Kämpfe in jener Gegend des Reiches dauerten in der Tat ein Jahrzehnt,
wenn auch die Beruhigung des Landes erst noch später erfolgte. Dass
Ezzo
in diesen Streitigkeiten auf Seiten der Luxemburger stand, dürfen
wir vielleicht auch aus der oben Seite 449 angeführten Urkunde vom
10. Dezember 1023 schließen, wonach er gemeinsam mit dem Herzog
Heinrich von Bayern wichtige Lehen erhielt. Vortrefflich
stimmt dann das Folgende mit unsern sonstigen Überlieferungen, weshalb
Giesebrecht II, 112 auch keinen Anstand genommen hat, für die Erzählung
dieser Dinge Gebrauch davon zu machen. In Mainz wurde wirklich 1011 eine
Reichsversammlung abgehalten, die sich nach Thietmar VI, 35 für HEINRICH
II. ausgesprochen zu haben scheint, wie es hier mit Bestimmtheit
angegeben wird. Auf dem Rückwege von da wurde ferner, wie hier gleichfalls
berichtet wird, der Mosellanorum dux von den Gegnern des Königs gefangen
genommen. Dass Ezzo hierbei war und dass das Treffen bei Odernheim
stattfand, wissen wir freilich aus keiner anderen Quelle, doch weist auf
letzteres Thietmar a. a. O. hin; vgl. Annal. Quedlinb zu 1011, Herim. Augiens.
zu 1011. - Für die dann folgende Nachricht liegt und, wie ich glaube,
in den Ann. Colon. max. die authentische Form der Interpolation vor:
Rex consultius arbitratus, virum egregium beneficiis placere, quam molestiis
ullis infastare, amicitiam ejus exposcit, insulam, quae est in Reno sancti
Suitberti, cum omnibus suis appendiciis, Duisburg etiam atque Salaveld,
non modica regni sibi subsidia suisque liberis perpetua hereditate possidenda
largitur. Keine andere Aufzeichnung bietet uns Material dar, um die Wahrheit
dieser Notiz genügend prüfen zu können, aber dennoch zweifle
ich an deren Richtigkeit nicht. Duisburg war in jener Zeit, wie unter den
OTTONEN,
eine ansehnliche Pfalz, in der HEINRICH II. nicht
selten weilte, siehe oben Seite 227, Böhm. 900, Wirtenb. Urkundenbuch
I, 248; vgl. Archiv für Geschichte des Niederrheins III, 12. Kaiserswerth
(insula S. Swiberti) war wenigstens unter den Kaisern aus dem salischen
Hause eine häufig besuchte Pfalz. Nun finden wir aber beide Orte,
nachdem wir noch am 6. Oktober 1016, Niederrheinisches Urkundenbuch I,
p. 92, HEINRICH II. in Duisburg antreffen,
bereits vor dem 4. November 1025, dem Todestag der Mathilde, im
Besitz des Pfalzgrafen Ezzo, Fundatio cap. 8. Dass diese Güter,
sowie die in Thüringen, nicht ein väterliches Erbe des letzteren
waren, geht zum Überfluß klar daraus hervor, dass dieselben
nicht auf die Erben seines Bruders Hezel
übergingen. Man könnte
nun allerdings vermuten, jene Güter seien dem Pfalzgrafen bereits
von OTTO III. übertragen worden,
man habe an sie bei dem plurima des Thietmar zu denken; allein hier scheint
mir der bereits erwähnte mehrfache Aufenthalt HEINRICHS
II. in Duisburg, sowie der Umstand, dass diese Pfalz während
des Zwischenreiches auch von den Fürsten als eine Reichspfalz benutzt
zu sein scheint, Thietmar V, 3, die Angabe des Interpolators zu unterstützen.
Auch Saalfeld und andere Orte in Thüringen, namentlich Coburg, finden
wir im Besitz Ezzos und seiner Kinder, und wir wissen, wie es der
Interpolator freilich für alle diese Güter sagt, dass sie im
vollen freien Eigentum der Familie waren: sie vererbten auf eine Tochter,
und diese verfügte darüber nach freier Willkür: Fundatio
cap. 21. Nehmen wir aber an, dass die hier besprochene Nachricht der Interpolation
wahr ist, dann gewinnt auch sofort ihre erste eine viel größere
Glaubwürdigkeit, beide erklären sich so wechselseitig. Alsdann
darf allerdings geschlossen werden, dass mit der Überlieferung der
Reichsinsignien, auf deren Besitz ja auch HEINRICH
II. einen so hohen Wert legte, Ezzo auch einen Anspruch
auf die Herrschaft hat erhalten sollen; denn die Übergabe wichtiger
Reichsgüter zu vollem Eigentum vom Könige an den Pfalzgrafen
scheint mir in diesem Zusammenhange nur so erklärt werden zu können,
dass letzterem dadurch gleichsam eine Entschädigung für seine
Ansprüche an das Reich zu teil werden sollte. De Benutzung dieser
Notizen von Stenrit Giesebrechts II, 14 erscheint mir demnach, obwohl die
Herausgeber der Acta SS. sowie Köpke anderer Ansicht waren, völlig
gerechtfertigt zu sein. - Ob endlich, wie es die Interpolation will, die
Ehe der Richeza mit
Mistislaw von Polen
von HEINRICH II. vermittelt ist, wage
ich nicht zu entscheiden, obwohl nach der Glaubwürdigkeit der anderen
Nachrichten auch diese nicht zu verwerfen sein möchte.
Gegen meine ganze Ausführung wird man vielleicht
einwenden, wenn der Interpolator hier Wahres berichtet habe, so hätte
das gerade für den Verfasser der Fundatio ein Anlaß sein müssen,
davon zu sprechen. Allein ein solcher Einwand würde in der Tat nicht
begründet sein. Die Fundatio will den frommen Mann, den Gründer
des Klosters schildern; was derselbe außerdem noch vollbracht, liegt
ihm fern. Sie steht in dieser Beziehung auf ganz demselben Standpunkt,
wie viele andere lothringische Geschichtswerke aus dieser Zeit, die alle
für die Reichsgeschichte keinen Sinn haben, vielmehr ihre Helden,
selbst einen Heribert von Köln, recht zu erheben glauben, wenn sie
dieselben so schildern, als seien sie nur mit kirchlichen Angelegenheiten
beschäftigt gewesen.
Wie sich Ezzo nach dem Tode
HEINRICHS II. benommen, wissen wir leider gar nicht. Vielleicht
machte er gerade um diese Zeit mit seiner Gemahlin die Reise nach Rom,
von der die Fundat. cap. 7 berichtet. Letztere starb bereits am 4. November
1025, Fundat. cap. 10; Annal. Brunwil. SS. XVI, 725; ihr Gemahl folgte
ihr erst viele Jahre später, denn erst am 21. Mai 1034 beschloß
er zu Saalfeld sein Leben und wurde in Braunweiler neben seiner Gemahlin
begraben, Fundat. cap. 14; Annal. Brunw. Die Annal. Hildesh erzählen
zu 1034, es werde gesagt, er sei von seiner Konkubine Thietburga vergiftet
worden; nach ihnen soll er zu Augsburg begraben sein, allein der ausführlichen
Nachricht der Fundatio und ihrer Interpolation gegenüber verdient
die Nachricht keinen Glauben.
Die Ehe Ezzos mit der Kaisertochter verlieh diesem
und seinem Geschlecht einen hohen Glanz, der nicht nur von der Fundatio,
sondern auch von gleichzeitigen Schriftstellern mehrfach hervorgehoben
wird; Wolfher, Vita Godeh. prior cap. 29; Annal. Hildesh.; Herim. Augiens.
zu 1036; Lamberti Annal. zu 1054. Die Erinnerung an ihre Abstammung lebte
auch in den Namen der Kinder, mit denen jene Ehe reich gesegnet war, fort;
denn von den 3 Söhnen trugen 2, von den 7 Töchtern 5 Namen, die
in dem sächsischen Königshause üblich waren. Noch Ekkehard,
SS. VI, 32, verzeichnete die Nachkommen der Mathilde in einer Genealogie
der deutschen Könige (daraus dann in der tabula SS. III, 215). Besonders
zeigte sich aber in der Erhebung einzelner dieser Kinder die Bedeutung,
welche ihnen durch ihre Abstammung von den OTTONEN
verliehen war.
Ludolf, der älteste der Söhne, starb
freilich bereits 1031, also vor dem Vater, und ihm ging sein Sohn Heinrich
noch voran. Allein sein zweiter Sohn,
Konrad mit Namen, wurde im
Jahre 1049 von HEINRICH
III. zum Herzog von Bayern erhoben, genoß aber
diese Würde nur kurze Zeit, denn er wurde bereits 1053, weil er sich
gegen den Kaiser aufgelehnt hatte, abgesetzt und starb 1055, ohne Nachkommen
zu hinterlassen; Fundat. cap. 6. - Von den andern beiden Söhnen Ezzos
war Hermann von 1036-1056 Erzbischof von Köln; Otto
erhielt, gegen Übergabe von Kaiserswerth und Duisburg, im Jahre 1045
das Herzogtum Schwaben, starb aber bereits 1047 kinderlos, siehe Stälin
I, 489. Der Mannesstamm Ezzos erlosch also schon mit dem Erzbischof
Hermann. Sechs der Töchter wurden Äbtissinnen in verschiedenen
Klöstern, die 7., Richeza, vermählte sich, wie oben erwähnt,
mit Mistislaw von
Polen, trennte sich jedoch später von ihm und lebte bis
an ihr 1063 erfolgtes Ende in Deutschland unter dem Titel einer Königin
von Polen.