Lexikon des Mittelalters: Band IV Seite 199
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Ezzonen
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Nach dem Pfalzgrafen von Lothringen, Ezzo (1020-1034) benanntes hochadliges Geschlecht, eines der bedeutendsten in ottonischer und salischer Zeit. Außer den Nachkommen Ezzos sind auch die Familie der ERENFRIDE und die Nachkommen Hezelins, des Bruders von Ezzo, einzubeziehen.
[1] ERENFRIDE und EZZONEN
Erstes bekanntes Mitglied der Familie ist wohl ein Erenfrid
mit
Besitzungen in Alzey (belegt 897). Es folgen Hermann, 948 Graf
im Auelgau, sowie Erenfrid (oo Richwara), belegt 941-966
mit einer großen Zahl von Grafschaften (Zülpichgau, Bonngau,
Hattuariagau, Eifelgau, Ruhrgau, Keldachgau,
Huy, Mühlgau).
Erenfrid erhielt diese Grafschaften
aufgrund seines tapferen Verhaltens in der Schlacht auf dem Lechfeld (955).
Sein Sohn Hermann
(oo Helwig) erbte den Großteil dieser
Grafschaften und erhielt um 985/89 die lothringische Pfalzgrafschaft;
er verstarb 996. Als Pfalzgraf hatte
Hermann die Kontrolle
über die Fiskalgüter an Rhein und Mosel mit den dazugehörigen
Forsten inne; diese Herrschaftsposition gewann eminente politische Bedeutung,
als das Imperium nach dem Tod OTTOS II.
(983) in eine schwierige Phase geriet. So dürften bereits die engen
Beziehungen des im Umkreis von Aachen wirkenden Pfalzgrafen zu den Kaiserinnen
Adelheid und Theophanu,
der Vormundschaftsregierung für OTTO III.
hinlänglich erklären, warum es zur Heirat von Hermanns
Sohn
Ezzo mit
Mathilde, der Schwester
des Königs, kam. Diese Ehe begründete einen starken Aufstieg
der EZZONEN; sie erwarben weitere Allodialgüter
und Grafschaften und übernahmen Hofämter, Vogteien sowie geistliche
und weltliche Würden (Erzbistümer, Abteien, Herzogtümer).
Die EZZONEN behaupteten ihre einflußreiche
Stellung ein halbes Jahrhundert lang; dann folgte ihr relativer Sturz.
Ezzo brachte seine Töchter in günstige Positionen:
Richeza (+ 1063 in
Saalfeld) heiratete Mieszko II., König
von Polen, wurde nach dessen Tode aus dem Lande vertrieben,
ihr Sohn Kasimir I. wurde mit kaiserlicher
Hilfe Erneuerer des Staates, ihre Töchter heirateten Bela
I. von Ungarn bzw. Großfürst
Izjaslav von Kiew;
Adelheid wurde Äbtissin in Nivelles,
Theophanu in Essen,
Helwig in Neuß,
Mathilde
in Dienskirchen und Vilich,
Sophie im Marienstift zu Mainz,
Ida in Gandersheim und St. Maria im Kapitol zu
Köln.
Als Äbtissinnen entfalteten sie rege Bautätigkeit.
Ezzos Sohn Hermann trat in die Hofkapelle ein, wurde Archidiakon
in Köln, Reichskanzler für Italien und Erzbischof von Köln;
dies markierte für die EZZONEN,
die stets in territorialpolitischer Konkurrenz zum angrenzenden Erzbistum
Köln standen, einen wichtigen, jedoch nur temporären Erfolg.
Ludolf, Ezzos ältester Sohn, heiratete Mathilde von
Zutphen; die beiden Söhne aus dieser Ehe waren Heinrich (+
bereits 1033) und Konrad, 1049-1053 Herzog von Bayern.
Der jüngere Sohn Otto, folgte seinem Vater als Pfalzgraf
nach, erhielt jedoch 1045 das Herzogtum Schwaben. Da er ohne
direkte Nachkommen blieb, fiel der von Ezzo
überkommene reiche
Besitz an mehrere Kirchen und wurde somit verstreut (Abteien Brauweiler
und Saalfeld; Abteien, denen Töchter von Ezzo als Äbtissinnen
vorgestanden haben; verschiedene Domkapitel).
[2] Die HEZELINIDEN
Ezzos Bruder
Hezelin, Graf im Zülpichgau,
übte die Rechte über die Forste im Rheinland aus; sein ältester
Sohn Heinrich
war nach seinem Vetter Otto1045-1060 Pfalzgraf
von Lothringen: der jüngere Sohn, Kuno, erhielt 1060 das Herzogtum
Kärnten, starb aber noch vor dem Amtsantritt. Ohne klar erkennbaren
Grund trat Pfalzgraf Heinrich in die Abtei Gorze ein, kehrte aber
in die Laienwelt zurück, als er sich mit den Bestrebungen des ehrgeizigen
Erzbischofs von Köln, Anno II., die Position der EZZONEN
zu zerschlagen, konfrontiert sah. In der Fehde mit Anno unterlag er (1058/60)
und mußte unter anderem die Burg Siegburg abtreten, in der Erzbischof
Anno 1064 das große Reformkloster gründete. Nachdem Heinrich
in einem Wahnsinnsanfall seine Gattin Mathilde, die Tochter Herzog
Gozelos I. von Nieder-Lothringen, ermordet hatte, wurde er im Kloster Echternach
gefangengehalten, was Anno das weitere Vordringen auf Kosten der pfalzgräflichen
Besitzungen ermöglichte. Pfalzgraf Hermann (1064-1085) ist
vielleicht ein Sohn Heinrichs.
Die EZZONEN sind
bemerkenswert wegen ihres Reichtums, ihrer großen Machtfülle
und ihres raschen Sturzes, bedingt durch familiäre Wechselfälle.
So wurde Richeza aus Polen vertrieben, ihre Nachkommen lebten außerhalb
Deutschlands und konnten daher den Besitz der Familie nicht schützen.
Drei Mitglieder der Familie wurden Herzöge, zwei starben rasch, der
dritte, Konrad von Bayern, wurde abgesetzt. Ezzo hatte 10
Kinder, jedoch in der folgenden Generation nur wenige Nachkommen (drei
Enkelkinder). Er häufte einen riesigen Besitz an, vermochte jedoch
keine einzige dauernde Territorialherrschaft zu begründen. Die Besitzschwerpunkte
der EZZONEN lagen südlich und
westlich von Mainz (Alzey), am linken Ufer der unteren Mosel (Eifel, Mainfeldgau)
und insbesondere um Köln, was die verhängnisvollen Konflikte
mit den Erzbischöfen von Köln auslöste.
Literatur:
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E. Kimpen, E. und Hezeliniden in der rhein. Pfgft., MIÖG
Ergbd. 12, 1933, 1-91 - F. Steinbach, Die E., ein Versuch territorial-polit.
Zusammenschlusses der frk. Rheinlande (Das erste Jt., 1964), 848-866, Karten
[auch in: Coll. F. Steinbach, 1961, 64-81] - U. Lewald, Die E. Das Schicksal
eines rhein. Fürstengeschlechtes, RhVjbll 43, 1979 120-168.
Die politischen Interessen der ezzonischen
Pfalzgrafen, denen an der Mosel Burg und Grundherrschaft Klotten bei Cochem
gehörte, lagen damals noch vorwiegend in Nieder-Lothringen.
Den deutschsprachigen fränkischen Adel Nieder-Lothringens
überragte die pfalzgräfliche Sippe der EZZONEN,
deren Vorfahren im 9. Jahrhundert bei Huy und Cornelimünster begütert
waren. Sie verfügten über Allodien, Grafschaften, Reichs- und
Kirchenlehen in ungewöhnlicher Menge an beiden Ufern des Rheins von
Ahr und Sieg bis an die Ruhr, Niers und Maas, von der Hesbaye bis ins westfälische
Sauerland um Menden, Attendorn und ans Rothaargebirge.
Steinbach Franz: Seite 856
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"Die Ezzonen"
Zu den Großgrafen gehörte das weitverzweigte Geschlecht der ERENFRIDE. Ihre ältere Genealogie ist trotz vieler darauf verwandter Mühe nicht durchschaubar. Die Quellenlage ist am Niederrhein schlechter als am Oberrhein, weil die Normannen die Klosterarchive verbrannt haben. Es ist daher fraglich, ob durch besitzgeschichtliche Rückschlüsse größere genealogische Sicherheit zu gewinnen ist.
Lewald Ursula: Seite 167
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"Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes"
Damit erlosch auf deutschem Boden eines der mächtigsten
rheinischen Fürstengeschlechter, das einst unter den denkbar besten
Voraussetzungen in die Geschichte eingetreten war. Warum ist es den EZZONEN,
die sich edelster Herkunft rühmen konnten, eine vielköpfige Familie
repräsentierten und über reiches Allod und herzogsgleiches Amtsrecht
auf der Rheinachse verfügten, nicht gelungen, die Grundlagen für
einen machtvolle Territorialstaat zu legen? Einmal war es nach Steinbach
der König selbst, der eine solche Machtkonzentration auf der Rheinachse
ebenso verhindert hat, wie die Verbindung der Herzogtümer Ober- und
Nieder-Lothringen durch Gottfried den Bärtigen. HEINRICH
III. verpflanzte auf ehrenvolle Art Angehörige des Geschlechts
in entfernte Gegenden und forderte bei dieser Gelegenheit die kostbaren
Reichsgüter am Niederrhein, Duisburg und Kaiserswerth, von ihnen wieder
zurück. Hinzu kommt die unbestreitbare biologische Schwäche der
Familie in der jüngeren Generation. Während Ezzo
80 Jahre
alt wurde, starben der älteste Sohn Ludolf
und der Enkel Heinrich
schon vor ihm. Auch der dritte Sohn Otto, Herzog von Schwaben, wurde
im besten Mannesalter vom Tode überrascht, alle drei hinterließen
keine Nachkommen. Ferner bildete die Verwandtschaft mit dem Herrscherhause,
die zwar Ansehen und Reichtum des Geschlechtes erheblich erhöhte,
eine gefährliche Versuchung zum Aufruhr. Schon
Ezzo hatte für
sich oder für seine Söhne, die die Namen des sächsischen
Herrscherhauses trugen, die Hand nach der Krone ausgestreckt und 10 Jahre
lang im Widerstand gegen den König verharrt. Heinrich, der
Sohn Hezelins, war von den Fürsten als Nachfolger des schwer
erkrankten HEINRICHS III. vorgesehen
gewesen. Die unerwartete Wiedergenesung des Königs verhinderte für
diesmal drohende Thronwirren. Schließlich hat Konrad, der
Sohn Ludolfs, als Herzog von Bayern versucht, in offener Empörung
den König zu stürzen und sich selbst an dessen Stelle zu setzen.
Im Verlauf dieses unglücklichen Unternehmens ist er auch ohne Nachkommen
zu hinterlassen, in der Fremde umgekommen. Endlich führte die für
das Geschlecht zwar höchst ehrenvolle Verbindung mit dem polnischen
Herrscherhaus dazu, dass Richezas Sohn
Kazimir, der letzte noch übrig
gebliebene männliche Nachkomme von Ezzo und Mathilde,
stolz auf das rheinische und mitteldeutsche Erbe seiner Mutter und seiner
Oheime verzichtete, um die Herrschaft in Polen anzutreten. Die übrigen
6 Töchter aber blieben als Vorsteherinnen von Stiften und Klöstern
ehelos. Es gab daher in der direkten Stammfolge auch über die weibliche
Linie keinen Erben mehr für den reichen Allodialbesitz. Was Wunder,
dass er an die Kirche fiel, die unter OTTONEN
und SALIERN ohnehin privilegiert war.
Hier bestätigt sich wieder einmal die Feststellung von Aloys Schulte,
daß die Kirche zum Grab des hohen deutschen Adels geworden ist.