Tochter des Grafen Erchanger
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 827
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Richardis (Richgard), Kaiserin
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* um 840, +
Als Tochter des elsässischen Grafen Erchangar, verheiratet 861/62 mit KARL III., der damals als ‚Rector‘ (Graf) im Breisgau amtierte. Obschon durch den König und Kaiser unter anderem mit mehreren Reichsklöstern ausgestattet, gründete Richardis auf väterlichem Erbgut im Elsaß das Nonnenkloster Andlau, das sie 881 anläßlich der Kaiserkrönung KARLS dem heiligen Petrus tradierte. Die Herrscherin gebar ihrem Gemahl keine Kinder; dem Vorwurf der Unzucht mit Erzkanzler Liutward von Vercelli begegnete sie 887 mit der Behauptung der Jungfräulichkeit, sie verließ jedoch den Hof noch vor KARLS Sturz und zog sich nach Andlau zurück. Im Bistum Straßburg wurde Richardis bald als Heilige verehrt (Fest 18. September), Papst Leo IX. erhob 1049 ihre Gebeine.
Quellen:
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MGH DD Karol. Dt. II, 326-328 – A. Bruckner, Reg. Alsatiae I, 1949,
390-395 Nr. 656
Literatur:
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M. Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß, ZGO 131,
198, 25-35 – Helvetia Sacra 3/1, 1986, 335f., 352f., 1996 – R. Schieffer,
Die Karolinger, 1992 – D. Geuenich (Festschrift E. Hlawitschka, 1993),
106-109.
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Richgard hatte zwischen 878 und
880 eine Reihe von Frauenklöstern übertragen erhalten. In den
Bereich der Hofintrigen gehört es, wenn sie beschuldigt wurde, Ehebruch
mit dem langjährigen Berater ihres Gemahls, Bischof Liutward von Vercelli,
begangen zu haben. Da die seit 862 bestehende Ehe kinderlos blieb, versuchte
ihr Gemahl vergeblich, einen KAROLINGER als
Nachfolger zu adoptieren. Vermutlich gehört auch Richgards
Klostereintritt in das Kloster Andlau 887 in den Rahmen der Bemühungen
um einen legitimen Nachfolger. Da KARL III. öffentlich
bekannte, niemals mit ihr geschlechtlich verkehrt zu haben, konnte die
Ehe annulliert werden und dem Kaiser stand es frei, sich erneut zu verheiraten.
Helmut Büttner:
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"Geschichte des Elsaß"
Besondere Zuwendungen machte KARL III.
seiner Gemahlin Richgard. Die bedeutendsten
Frauenabteien seines Gebietes wurden in ihrer Hand vereinigt. Bereits im
Februar 878 wurde Richgard mit den
Frauenabteien zu Säckingen am Hochrhein, dessen Besitz bis zum Walensee
und nach Glarus reichte, und zu Zürich, dessen Güter und Rechte
entlang den Ufern des Zürichsees sich erstreckten und bis in das Gebiet
des Vierwaldstättersees hinübergingen, gegeben. Im Juli 880 bestätigte
der König eine Rechtsfestsetzung seiner Gattin am Elsaß; eine
weitere Vergabung an Richgard erfolgte
im Oktober 881, als KARL III. in der
Pfalz Bodman weilte. Damals wurde Richgard
das Nonnenkloster St. Marinus zu Pavia auf Lebenszeit überlassen,
gleichzeitig wurde auch das Klösterchen Zurzach am Hochrhein an die
Kaiserin übertragen.
Am 10. Juli 880 bestätigte KARL III.,
dass seine Gattin einige Hufen ihres Eigengutes in Meistratzheim und Bergheim
im Elsaß an Walpurga und deren Gatten Huto vergabte, aus deren Besitz
das Gut dann letztlich an die Kirche in Andlau gelangen sollte. Diesem
Ort, der zu ihrem Familiengut gehörte, wandte Richgard
ihre besondere Neigung zu. Zwischen 880 und 884 gründete sie hier
einen Frauenkonvent, der ihr Andenken im Elsaß lange Jahrhunderte
wach hielt. Während des Aufenthaltes in Rom, während der Kaiserkrönung
im Februar 881 oder auch während des langen Aufenthaltes KARLS
III. im Jahr 883 in Italien, war die neue Gründung von
Richgard dem römischen Stuhl tradiert
worden. Entsprechend der Vorliebe Richgards
für Andlau erhielt dieses Kloster, dessen Leitung die Kaiserin gleichfalls
innehatte, eine reiche Ausstattung. Um dieselbe Zeit ungefähr erhielt
Richgard von ihrem Gemahl auch das Westvogesen-Kloster Etival zugewiesen,
das sie an Andlau weitervergabte.
Auch Richgard wurde in die Händel,
die zum Sturz des Erzkanzlers Liutward führten, hineingezogen und
zog sich in ihre Stiftung nach Andlau zurück.
Andlau selbst wurde auf Erbgut Richgards gebaut;
ein beträchtlicher Familienbesitz des Grafen
Erchanger wird vorhanden gewesen sein und ist unter den Ausstattungsgütern
Andlaus zu suchen. Auch das weitere Waldgebiet Andlaus, dessen Kernstück
die spätere Grafschaft Dagsburg darstellte, ist von Erchanger
an Richgard und von dieser an Andlau
übergegangen. Darin ist aber zweifellos wiederum ein großer
Teil ehemaligen Reichsbesitzes enthalten.
Rudolf Schieffer:
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„Die Karolinger“
Noch in Kirchen (Ende Mai 887) ließ sich der Kaiser, der eben LUDWIG von Burgund an Sohnes Statt angenommen hatte, nötigen, seinen bis dahin allmächtigen Erzkanzler Liutward von Vercelli vom Hof zu verweisen und durch Erzbischof Liutbert von Mainz zu ersetzen, laut Reginos Chronik unter der Beschuldigung des Ehebruchs mit der Kaiserin Richgard. Während sich Liutward angeblich zu ARNULF begab, soll sich Richgard mit der Beteuerung gerechtfertigt haben, in 25 Ehejahren unberührt geblieben zu sein, trennte sich von ihrem kranken Gemahl und zog sich in das von ihr gegründete Kloster Andlau zurück. Dass dies alles geschah, um KARL eine neue Ehe und doch noch Nachwuchs zu ermöglichen, ist bloß eine vage Vermutung.
Engelbert Mühlbacher: Seite 410
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"Deutsche Geschichte unter den Karolingern"
Der lange gehegte Groll gegen den verhaßten Günstling Liutward
kam im Sommer 887 auf einem Reichstag in Kirchen zum Ausbruch. Seine eigenen
Landsleute, die Alemannen, hatten sich zu seinem Sturz verschworen. Um
ihn zu Fall zu bringen, griff man zu den wirkungsvollsten Mitteln: Man
verdächtigte seine Rechtgläubigkeit und zieh ihn eines sträflichen
Verhältnisses zur Kaiserin. Schwerer noch fiel die andere Anklage
ins Gewicht, die Anklage des Ehebruchs mit der Kaiserin, mit der er in
vertraulicheren Beziehungen stände, "als nötig sei".
Nach dem Sturz Liutwards bestand die Kaiserin
Richarda um so kräftiger auf der Verteidigung ihrer weiblichen
Ehre. Sie forderte von ihrem Gemahl öffentliche Genugtuung für
die ihr angetane Schmach. "Nach wenigen Tagen", so berichtet der gleichzeitige
Chronist Regino von Prüm, "ruft der Kaiser seine Gemahlin Richarda
wegen dieser Sache vor die Reichsversammlung und - es ist wunderlich das
zu erzählen - erklärt öffentlich, dass er niemals mit ihr
fleischliche Gemeinschaft gehabt habe, obwohl die durch mehr als ein Jahrzehnt"
- genau gerechnet, durch volle 25 Jahre - "in gesetzmäßigem
Ehebund mit ihm vereint gewesen sei. Sie hinwieder beteuert, dass sie von
jeder geschlechtlichen Beziehung nicht nur zu ihm, sondern zu jedem Mann
rein sei und rühmt sich ihrer unversehrten Jungfräulichkeit und
erbietet sich zuversichtlich - sie war nämlich eine fromme Frau -
dies nicht nur durch ein Gottesgericht, nach dem Belieben ihres Gemahls
entweder durch gerichtlichen Zweikampf oder durch die Probe der glühenden
Pflugscharen, "zu beweisen". Auf diesen Beweis verzichtete der Kaiser,
doch die Sage ließ sich diesen drastischen Zug nicht entgehen. In
fantastischer Ausschmückung berichtet sie von einer Feuerprobe, der
die verleumdete Kaiserin sich unterzogen habe; sie habe ein Wachshemd auf
bloßem Leibe angezogen, dieses sei an vier Enden angezündet
worden und ihr jungfräulicher Körper unverletzt geblieben, der
Verleumder aber habe die Lüge am Galgen gebüßt. In Wirklichkeit
trennte sich die Kaiserin von ihrem Gemahl und zog sich in das von ihr
gestiftete Kloster Andlau im Elsaß zurück. Allda ist sie auch
selig verstorben und bald galt sie als Heilige; Papst Leo IX. kam, als
er 1049 in Deutschland weilte, selbst nach Andlau zur feierlichen Erhebung
und Übertragung ihrer Gebeine in die von ihm geweihte Kirche und noch
nach Jahrhunderten zeigte man im Kloster Etival das unversehrte Wachshemd,
welches sie bei jener Feuerprobe getragen haben soll, als kostbare Reliquie.
Aug. 862
oo KARL III. DER DICKE
839-13.1.888