Ludat, Herbert: Seite 19,22,29,31,79; Anm. 124,130,209,224,229,232,462
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"An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa"

Die Vermutung liegt nahe, daß in Boleslaws Vorgehen, das auffälligerweise die Eheschließung seiner Tochter Reglindis mit Hermann, dem ältesten Sohn des Markgrafen Ekkehard, einleitete. Ansprüche auf die östlichen Teile des südlichen Markengebietes, die Lausitzen, eine wichtige Rolle zu spielen schienen. Denn ihr Besitz muß für ihn offenbar eine derartig zentrale Bedeutung gehabt haben, daß er fast die Hälfte seiner Regierungszeit für die Erreichung dieses Zieles Krieg geführt hat, dessen siegreichen Abschluß im Frieden von Bautzen 1018 dann seine eigene vierte Ehe mit Oda krönte, der jüngsten Tochter Ekkehards, also der Schwester seines Schwiegersohnes Hermann von Meißen.
Von den drei Töchtern, die Emnildis geboren hat, ist zwar nur die älteste, Reglindis, mit ihrem Namen bekannt [Anm. 124 Von den fünf Kindern der Emnildis (vgl. O. Balzer, Genealogia Piastow, Seite 4, Tafel II) ist Reglindis wahrscheinlich das erste (oder zweite: Tochter N.N., die Nonne wurde) gewesen, geboren um 989, vermählt 1002 mit Hermann von Meißen, dem ältesten Sohn Ekkehards von Meißen, gestorben 21.3. nach 1014 (Relingis fundatrix, Regelyndis marchionissa), wie Nekrolog und Anniversarium des Naumburger Stifts auswiesen (vgl. Hirsch, Jbb. Heinrichs II., Band 1, 1864; Seite 254, n. 5; vgl. Anm. 229)]. Aber die beiden Namen Emnildis (Erminildis) und Reglindis beweisen bereits, daß Dobrimir seine Frau aus einem deutschen Grafengeschlecht genommen hat. Da nun der Name Emnildis in sächsischen Familieen dieser Zeit belegt ist, diese Grafengeschlechter aber weithin miteinander nahe versippt gewesen sind und viele in enger verwandtschaftlicher Beziehung zum Königshaus und durch sie und über die EKBERTINER auch zu den KAROLINGERN gestanden haben, wo ebenfalls der Name Reglindis auftaucht [Anm. 130 Zum Namen vgl. W. Schlaug, aaO, 1962, Seite 144 ff. mit Belegen (Ableitung von as. regin "Schicksal"). Der Name ist geradezu Leitname bei den IMMEDINGERN, der Familie der Königin Mathilde, deren Mutter Reinhilda und deren Oheim Reginbern hießen; dazu aus dem 9. Jh. der fränkische comes Reginhild (Abkömmling der KAROLINGER), von dem die Walecker Grafen sich herleiten (vgl. R. Schölkopf, aaO, Seite 76 und 89f.; dazu die Einleitung R. Holtzmanns zur Thietmar-Chronik, Seite VII ff.). - Beachtenswert in diesem Zusammenhang der Name des Kolbergers Bischof Reinbern! ], liegt es nahe, zunächst an ihren Kreis zu denken, aus dem Dobrimirs Gemahlin gestammt haben dürfte.
Thietmars Bericht schweigt, was wiederum nur als Einverständnis Hermanns gedeutet werden kann und was auch durch die kurz darauf erfolgte Heirat mit Reglindis bestätigt wird [Anm. 209 Über den Zeitpunkt der Heirat und zur Haltung Hermanns vgl. unten PIASTEN und OTTONEN, Anmerkung 462. In Ergänzung hierzu nur der Hinweis, daß zwischen Hermann und Gunzelin meines Erachtens damals noch keine Rivalität bestanden haben kann und daß die besonders aktive Rolle Gunzelins im Kampf um Meißen durch seine Stellung als Gemahl der Tochter Dobromirs leicht erklärlich ist (vgl. oben Anmerkung 207). Hinzu kommt aber noch, daß Hermann die Ehe mit Reglindis auch in der Absicht eingegangen ist, nicht nur die Stellung des Hauses der EKKEHARDINER und seine eigene nach der Ermordung des Vaters zu festigen, sondern darüber hinaus auch durch die direkte Bindung an die PIASTEN-Dynastie über die Ehe mit einer Enkelin des Dobromir sich der künftigen Anwartschaft auf diese Landschaften bei Boleslaws zu versichern, was vielleicht auch erst nach Boleslaws Abzug aus Merseburg in der zweiten Hälfte des Jahres 1002 geschehen sein kann, wobei die Schenkung der eminent wichtigen Burg Strehla (vgl. Thietmar V, 18 und 36; VI, 58; VII, 21 und 23) am Elbübergang als Morgengabe an Reglindis sowohl für Boleslaw als auch für Hermann eine große Bedeutung für das wechselseitige Verhältnis gehabt haben dürfte.].
Seit Gunzelin nach dem Verlust seines Amtes von der politischen Bühne abgetreten und Reglindis, die Tochter Boleslaws und Gemahlin Hermanns, vermutlich kurz nach 1015 gestorben war, erforderte die Beilegung des Konflikts, in dem es um den Besitz der Erblande des senior Dobromir gegangen war, dringend die Erneuerung einer blutmäßigen Verbindung zwischen den beiden Dynastien.
Der rasche Erfolg Boleslaws in diesem Markengebiet, die aktive Unterstützung, die er von Gunzelin erfuhr, die invitatio an ihn, das heißt seine Wahl durch die Bevölkerung Meißens selbst, sowie die gerade in dieser Zeit erfolgte Heirat seiner Tochter Reglindis mit Hermann von Meißen, Ekkehards ältestem Sohn, zwingen vielmehr zu dem Schluß, daß Boleslaw nicht ohne Einverständnis der EKKEHARDINER, sondern vielmehr in ihrem Auftrag zur Wahrung ihrer Interessen gehandelt hat und in dieser Stellung auch von HEINRICH voll anerkannt worden ist.
[Anm. 224 Das gilt ganz besonderem Maße für Markgraf Hermann von Meißen, der mit Bolwslaws Tochter Reglindis verheiratet war und der auch nach ihrem Tode (nach 1015) dem PIASTEN-Herrscher nah verbunden blieb; er schloß den Frieden von Bautzen und stiftete die neue Ehe Boleslaws mit seiner jüngsten Schwester Oda, die er an den polnischen Hof begleitete.]
[Anm. 229 Zu Hermann I. von Meißen und seiner Stellung zu seinem Schwiegervater Boleslaw vgl. oben Anmerkung 224; die Hoffnungen, die Hermann sich vielleicht schon bei der Eheschließung mit Reglindis gemacht hatte (vgl. oben Anmerkung 209) und die er während der Auseinandersetzungen zwischen HEINRICH II. und Boleslaw sicherlich nicht aufgegeben hatte, besonders nach der Absetzung Gunzelins 1009, mögen damals bereits durch den Tod seiner Gemahlin zunichte geworden sein. as genaue Todesjahr Reglindis' ist nicht überliefert; auffällig ist, daß Hermann bis Ostern 1015 von Thietmar häufig als socer Boleslaws genannt wird, danach nicht mehr. Vielleicht ist darum Reglindis, deren Name und Todestag (21. März) die Totenverzeichnisse des Naumburger Hochstifts überliefert haben (vgl. O. Balzer, Genealogia Piastow, Seite 64 f.; W. Schlesinger, Meißener Dom und Naumburger Westchor, 1952; Seite 47, n. 164, und Seite 64, besonders n. 230) 1016 oder in einem der nächsten Jahre gestorben.]
[Anm. 462 Zu dieser Heirat vgl. oben Seite 29 und Anmerkung 209. Die Heirat ist wahrscheinlicherst nach der Ermordung Ekkehards erfolgt, obwohl man das nur aus der Zerstörung Strehlas durch Boleslaw beim Rückzug aus Merseburg erschlossen hat, da dieser Ort als Morgengabe der Reglindis überliefert ist (Thietmar V, 36; vgl. M. Uhlirz, Jbb. Ottos III., Seite 254). Möglich ist aber auch, daß die Ehe schon bestand, als Hermann nach Meißen (etwa Ende Mai) eilte, bevor der Angriff Boleslaws begann.]