Buch VIII
Kapitel 13
Doch wozu erzähle ich das alles, da ich in keinem
dieser Vorfälle weder ein gutes Beispiel, noch eine Hülfe für
mich sehe? Besser ist es, ich bleibe meinem Plane getreu, und während
ich das erwäge, schwebt mir jenes Gesicht des heiligen Johannes vor
Augen: "Ein Wehe ist dahin, siehe, es kommen noch zwei Wehe nach dem."
[Offenb. Joh. 9, 12.] Denn gar sehr kläglich ist, was ich bisher so
oft darstellen mußte. Doch hat sich zu den Zeiten unsers Regenten
und unbesiegten Schützers Heinrich nie
ein solches Unheil ereignet, wie vor kurzem durch unsere Missethat hervorgerufen
ist. Im Monate Juli nämlich, und zwar am 29sten, an einem Dienstage,
hat Mars gegen die Eingeweide des Reiches so
gewüthet, daß darüber die Mutter Kirche
beständig zu klagen haben wird. Denn Aethelbold, der Utrechter Bischof,
griff an diesem Tage unterstützt von Herzoge Godefrith [von Lothringen]
mit Hülfe
seiner Bundesgenossen und Freunde Thietrich [87
Graf Dietrich III. von Holland 993-1039, Sohn des Grafen Arnulf
und
der Liudgard, einer Schwester der Kaiserin
Kunigunde. - Juli 1018.], den Vetter unserer Kaiserin an, nachdem
ihm derselbe durch Erschlagung seiner Krieger gar vielfach bittern Kummer
bereitet hatte. Auf einer Insel [88 Ijsselmonde zwischen Alter Maas,
Noord und Neuer Maas bei Dordrecht.] kam das berufene Herr zusammen. Dieses,
schnell zum Kampfe gerüstet, erlitt den Tod, den es dem Feinde drohte,
leider alsbald selbst. Denn es wurde von den von allen Seiten aus einem
Hinterhalte hervorbrechenden Friesen und von den Mannen des genannten jungen
Grafen unerwartet umzingelt, und kam - es ist schrecklich zu schildern!
- durch das Schwert und in den Fluthen um, ohne daß die Gegner einigen
Verlust erlitten. Der Bischof entkam nur mit genauer Noth in einem Boote,
der Herzog aber ward vor dem Feinde gerettet, und wahrhafte Zeugen versichern,
daß die Zahl der Erschlagenen drei Legionen überstieg. Das ganze
Land dort entbehrt eines bewaffneten, schützenden Armes, es ist in
Angst vor landenden Seeräubern [89 Friesen und Holländer.],
es trauert fortwährend. Graf Godefrid ist dort gefallen, ebenso der
treffliche Ritter Johannes [90
Schlacht am 29. Juli 1018. - Necr.
Mers.: 30. Juli.], den das Vaterland stets beweinen wird; und ihre Waffengefährten,
edel und ruhmbedeckt und bisher mit siegreichen Rechten kämpfend,
ruhen jetzt, von einem unglücklichen Loose betroffen. Ihre Körper
büßen jetzt, was unsere sündenbefleckten Leiber verschuldet
haben; doch ich hoffe, ihre Seele wird Freude haben, von der schweren Erbitterung
gereinigt. Damit aber du, mein Leser, über ein solches Ereigniß
nicht staunest, so vernimm auch den Ursprung desselben. Jener unglückselige
Graf
Thiedrich war der Vasall des genannten Bischofs. Dieser hatte in einem
Walde, Namens Mirwidu, ein großes Gut, über welches sämmtliche
Landesbewohner beim Kaiser [92 März/April 1018 in Nimwegen,
vgl. VIII, 7. 18.] zu Niumagun [Nimwegen] Klage führten, daß
es nämlich vom Grafen Thiedrich ihnen unrechtmäßiger
Weise entwandt sei. Daher befahl nach dem Rathe seiner Großen der
Kaiser dem Bischof von Utrecht, die Gebäude daselbst anzuzünden
und das leere Grundstück den Klägern zurückzugeben, und
da der abscheuliche Jüngling seinen Lehnsherrn von solchem Gebote
nicht abbringen konnte, beurlaubte er sich und erklärte, er werde
das zu verhindern wissen. Und es dauerte nicht lange, so geschah, was ich
so eben erzählte, und zwar mehr um unserer Missethat willen, als weil
der Sieger es also verdient hätte. Dies unaussprechliche und ganz
unersetzliche Leid hatte schon lange vorher ein Schwarm von Vögeln
angedeutet, die sich von allen Seiten hier versammelten und sich einander
mit ihren Klauen zerfleischten und diejenige Stelle vorher eingenommen
hatten, wo jene nachher den Tod fanden. Die Verwünschung, die der
heilige David über den Berg Gilboa [2 Sam. 1. 21] ausgesprochen hat,
dieselbe spreche ich, obwohl ein Mann ohne einiges Verdienst, aus
innerstem Herzensgrunde über diese Insel aus.
Bischof Balderich von Lüttich [94 Balderich II. (1008-1018) starb am 29. Juli in der Pfalz Heerewaarden rechts der Maas südlich Tiel.] starb zu Thiele am selbigen Tage.
Kapitel 14
In jenen Tagen aßen in meinem Bisthum sieben Käthner giftige Pilze, und von heftigem Brande entzündet, starben sie schnell.
Im Monat August erschien ein neuer Stern neben dem Wagen
und setzte durch seine aus der Ferne her geworfenen Strahlen alle,
die ihn sahen, in Schrecken. Denn nie war, so lange wir denken können,
ein solcher aufgegangen, und darum war ein Jeder darüber bestürzt,
und daß es ein schlimmes Wunderzeichen sei, fürchtet die Menge,
die gläubige Gemeinde des Herrn aber, so klein wie sie ist, hofft,
daß es gnädig hinauslaufen werde. Von ähnlichen Dingen
gilt Jeremias', des ahrheitkündenden,
Ausruf: "Der aber alle Dinge weiß, kennt sie und
hat sie durch seinen Verstand funden" [Baruch 3, 32]. Dieser Stern also,
der sich zeigte, war mehr als vierzehn Tage sichtbar.
In der Landschaft Nordthüringen schadeten drei stets zusammen sich zeigende Wölfe, die bisher von den dortigen Einwohnern nie gesehen waren, vielen Menschen und dem Viehe unsäglich. Auch darüber erschrak jeder Eingeborne heftig und besorgte, daß dies auf noch größeres Ungemach hindeute. Denn der heilige Gregorius spricht: "Viel Uebels muß hervorgehen, wenn es im Stande sein soll, das künftige Unendliche zu verkünden." In allem eben Geschilderten offenbart sich uns der Zorn des Himmels, aber die menschliche Schwachheit richtet darauf kein wachsames Auge.
Kapitel 15
Dies Jahr kann in Wahrheit mit einer neuen Bezeichnung
das Jahr der Erschütterung der Erde oder der großen Zerknirschung
heißen. Denn unsägliche Bedrängnisse, welche über
die unbeständige Welt hereinbrachen, haben die Bewohner derselben
von allen Seiten in Angst versetzt. Von diesen Bedrängnissen habe
ich einen Theil berührt, was ich aber bisher übergangen habe,
will ich, unter tiefem Seufzen, jetzt entwickeln. Beinahe sämmtliche
Mannen des Bischofs Balderich, sowie des von Kammerich fielen auf
besagter Insel, und in den drei nächstgelegenen Landschaften war kein
Haus, in dem nicht wenigstens ein Bewohner fehlte. Seit König
Karls Zeiten ereignete sich dergleichen
in diesen Landen, wie die Geschichte alter Zeiten versichert,
an keinem Tage, in keinem Jahre. Wie sind wohl jemals solche Männer
gefallen, ohne daß auch die Feinde Verlust hatten? Doch darüber
wundert sich keiner, der es recht bedenkt, daß derjenige durchaus
nicht kämpfen kann, den ob seiner Schuld die schwere Rache Gottes
darnieder werfen will. Dieses unverwindbare Unheil wird späterhin
bald genug vergessen, weil mit Hülfe Herzog Godefrid's Bischof Aethelbold
mit seinem Feinde, dem Grafen Thiedrich, versöhnt ist; und
zwar geschah das nicht, weil Thiedrich es aus eigenem Antriebe wünschte,
sondern weil ihn die höchste Noth dazu trieb. Denn es gab für
jene Land keinen mächtigen Beschützer mehr, wenn wiederum ein
grimmiger Feind sich erheben sollte. Wenn aber jener Verlust mit Gottes
Bewilligung zugefügt ist, wer kann ihn rächen? wenn aber Gott
ihn nicht rächt, wer wird
ein heftigerer Rächer sein wollen als der Herr?
Jetzt aber wollen wir, wie es der heilige Abt Columbanus beim Tode des
großen Kaisers Karl that, unsere
Thränen hemmen und fördernde
Gebete unserem Herzen entströmen lassen.