HEINRICH wurde um
876 geboren. Er war der dritte Sohn Herzog Ottos von Sachsen. Seine
beiden älteren Brüder Thankmar und Liudolf starben
bereits früh, noch vor dem Tod ihrer Mutter
Haduwich, die am
Weihnachtsabend des Jahres 903 verschied. HEINRICH
ist noch keine vier Jahre alt, als sein Vater das Herzogsamt übernimmt
und sein angestammtes Gebiet Thüringen verläßt. HEINRICH
wächst in Sachsen auf. Von seiner Jugend wissen wir kaum etwas, und
die wenigen Nachrichten, die sich erhalten haben, sind fast durchweg gefärbt
von der späteren Verehrung. Dass der Sohn eines Herzogs, dem die Sorge
für die geistlichen Stiftungen seines Landes besonders am Herzen lag,
durch Geistliche und gelehrte Mönche eine solide Bildung erhielt,
ist nicht unbedingt als etwas Ungewöhnliches oder als eine Besonderheit
einzuschätzen. Weniger selbstverständlich ist HEINRICHS
leichte,
rasche Auffassungsgabe, seine ausgeprägte Wißbegierde, die sich
keineswegs mit dem Mindestmaß der erforderlichen Grundkenntnisse
zufriedengab. Er lernt, wie fast alle Sachsen, sehr früh reiten, er
wird auf die Jagd mitgenommen und übt den Lanzenwurf bis zur Meisterschaft,
er wird in sämtlichen Sparten des Waffenhandwerks geschult. Sein bester
Lehrer und später unverbrüchlicher Freund des erwachsenen Mannes
war Graf Thietmar.
Versucht man die Summe zu ziehen, dann hatte man es bei
dem Herzogssohn mit einem hochangesehenen jungen Mann zu tun, der das Schwert
ebenso geschickt wie kraftvoll führte, der von früh auf die Handhabung
des Spießes bei der Eberjagd gelernt hatte, der den Speer zielsicher
über weite Strecken und voller Wucht zu werfen verstand, der sich
auf dem Rücken der Pferde genauso zu Hause fühlte, als wäre
er der Fürstensohn eines Reitervolkes. In HEINRICHS
Haltung,
der Ausgeglichenheit und beherrschten Lässigkeit seiner Bewegungen,
in der verhaltenen Kraft und Energie seines Körpers drückte sich
für jeden sichtbar sowohl Wesentliches von seinem Charakter als auch
die Schulung durch die besten Waffenmeister und erfahrensten Kämpen
aus, die am sächsischen Hof lebten.
DER ERSTE KRIEGSZUG
Herzog Otto beauftragte gegen Ende des Jahres 905
seinen Sohn, mit einem starken Heer gegen die heidnischen Oststämme,
die zwischen der Elbe und der oberen Freiberger Mulde siedelten, zu ziehen.
Dieses Gebiet im Elbabschnitt um Meißen wurde un jener Zeit Daleminzien
genannt; die Bezeichnung ist möglicherweise von dem deutschen Personennamen
Dalamund abgeleitet. Der Auftrag, den Herzog Otto seinem Sohn gegeben
hatte, war eindeutig und klar. Nicht ganz so klar sind die Gründe
für diesen Kriegszug, denn in keiner einzigen Quelle findet sich ein
Hinweis darauf oder auch nur eine Andeutung dafür, daß die Daleminzier
im Jahr 905 besonderen Anlaß zu einem militärischen Vergeltungsschlag
der Sachsen gegeben hätten, sieht man von der latenten Gefahr ab,
die sie seit vielen Jahren bildeten. Wahrscheinlicher ist dagegen, daß
die internen Zwiste im Ostfränkischen Reich Herzog Otto dazu
bewogen haben mochten, seinen Sohn HEINRICH
auf
einen Kriegszug außer Landes zu schicken, damit sein Interesse abgelenkt
wurde.
HEINRICH verfolgte
mit leidenschaftlicher Anteilnahme die Entwicklung der Gegensätze
zwischen der von der Kirche gestützten königlichen Zerntralgewalt
und den Stammesherzogtümern im Ostfrankenreich. Sachsen stand auf
der Seite der BABENBERGER. Das schloß die Opposition gegen die von
der Kirche bestimmte Reichsgewalt ein, nicht freilich den Willen, auch
mit dem Schwert Partei zu ergreifen, also ebenfalls Hochverrat zu begehen.
Gerade davon aber schien sich HEINRICH
nur
mit Mühe abbringen zu lassen. Deswegen dürfte es plausibel sein,
dass sich Herzog Otto dazu entschloß, seinen Sohn gegen die
Daleminzier zuschicken. Zweifellos hat auch Verwandtschaft eine gewisse
Rolle gespielt; welcher Art diese Bindung war, ist schwer zu klären.
Zum einen behauptet Widukind von Corvey, HEINRICH
sei mit Adalbert von Babenberg, einem der drei Söhne des Markgrafen
Heinrich I. von Babenberg, verwandt gewesen; um welches Verwandtschaftsverhältnis
es sich handelte, bleibt unklar. In einer gesonderten Fassung von Widukinds
Sachsengeschichte heißt es dagegen etwas genauer, HEINRICH
sei ein Vetter Adalberts von Babenberg gewesen, des im Jahr 906 hingerichteten
Führers der BABENBERGER. Schließlich besteht auch die
Möglichkeit, dass HEINRICHS Mutter
Haduwich unmittelbar von den BABENBERGERN abstammte. Aus
einigen Hinweisen in verschiedenen Klosterbüchern läßt
sich mutmaßen, daß sie eine Tochter von Markgraf Heinrich I.
von Babenberg und der Gräfin Engeltrud, einer Enkelin Kaiser
LUDWIGS DES FROMMEN, gewesen sein könnte. Damit hätte
eine unmittelbare Verwandtschaft
HEINRICHS VON
SACHSEN und des späteren Königshauses der OTTONEN
mit den KAROLINGERN bestanden;
freilich bleibt dies eine Mutmaßung. Sie läßt sich weder
sicher bestätigen noch ebenso gewiß widerlegen.
Von dem Kriegszug des sächsischen Heeres unter HEINRICH
gegen die Daleminzier berichtet der Chronist, daß die Truppen das
sorbische Land schwer verwüstet und gebrandschatzt hätten und
dann erfolgreich zurückgekehrt seien. Das Unternehmen fand im Mai
des Jahres 906 statt. Die Sorben waren dem Aufgebot der Sachsen in keiner
Weise gewachsen und riefen deshalb in ihrer Not die Ungarn zu Hilfe, die
sich auch nicht lange bitten ließen.
LIEBESHEIRAT MIT HATHEBURG
Das Jahr 906 brachte auch in HEINRICHS
persönliches Leben eine Zäsur. Während Widukind HEINRICHS
erste
Ehe mit keinem Wort erwähnt, berichtet Thietmar von Merseburg: "HEINRICH
erhielt Kunde von einer Dame namens Hatheburg, entbrannte mit dem
ganzen Feuer der Jugend in Liebe zu ihr und war bemüht, sich mit ihr
zu verbinden. Sie war eine Tochter des älteren Grafen Erwin im Hassegau,
der den größten Teil der Merseburger Altenburg besaß.
Da er keinen Sohn hatte, fiel bei seinem Tod das Erbe an seine beiden Töchter.
HEINRICH
sandte wegen der Schönheit
Hatheburgs und wegen des reichen
Erbes eilig seine Werber zu ihr, versprach ihr Treue und bat um ihre Hand,
obgleich er wußte, dass sie Witwe war und den Schleier genommen hatte.
Schließlich ließ sie sich nach vielen Bitten und Ratschlägen
zum Nachgeben bewegen, folgte den Boten HEINRICHS,
wurde ehrenvoll empfangen und von HEINRICHS Angehörigen,
wie es sich ziemte, voller Liebe aufgenommen. Nachdem die Vermählung
dem Brauch gemäß stattgefunden hatte, begab sich der Gatte mit
seiner Gemahlin nach Merseburg. Da er ein Mann von hohem Rang war, lud
HEINRICH
sämtliche
Herren der Umgebung zu sich und nahm sie durch sein gewinnendes Wesen so
für sich ein, daß sie ihn als Freund liebten und als Herren
verehrten."
Abgesehen von der Leidenschaft, die HEINRICH
erfaßt und die den Ausschlag für seine Werbung gegeben
hatte, war die Heirat auch eine hochpolitische Angelegenheit. Hatheburgs
reiche Erbschaft, die "Alte Burg" samt den dazugehörigen Merseburger
Territorien im Saalebogen, wäre der Kirche als Besitz zugefallen,
wenn Hatheburg ihren Entschluß, ins Kloster zu gehen, nicht
revidiert hätte. Ob dieser Entschluß tatsächlich feststand,
wissen wir nicht. Es ist also nicht zu klären, ob Hatheburg
schon
die Klostergelübde abgelegt hatte oder ob dies noch nicht der Fall
war. Die Vermutung spricht dafür, denn sie, die junge Frau, war verwitwet
und trug den Nonnenschleier; dieser Schleier war das äußerste
Zeichen dafür, daß die Trägerin ihr weiteres Leben in Ehelosigkeit
zuzubringen gedachte und sich auch ausdrücklich dazu verpflichtet
hatte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings war die Kirche selbst kräftig
tätig gewesen, um die junge Witwe zu überreden, den Schleier
zu nehmen. Thüringen, und damit Merseburg, gehörten zu der Diözese
Mainz.
KONFLIKT MIT DER KIRCHE
Die machtpolitischen Verhältnisse bestimmten Herzog
Otto dazu, sich mit der Heirat HEINRICHS
und
Hatheburgs
einverstanden
zu erklären, ja, sie mit Genugtuung zu billigen. Ein militärischer
Kampf um Merseburg wäre nicht möglich gewesen. Herzog Otto
waren
als Hüter des Landfriedens die Hände gebunden. Im gleichen Jahr
906 waren auch die BABENBERGER den KONRADINERN
beim Kampf um die Macht in Franken endgültig unterlegen. So hingen
also davon, ob Hatheburg dem Werben HEINRICHS
folgte oder an ihrem Entschluß festhielt, Nonne zu werden,
erhebliche politische Gewichtsveränderungen ab.
Ob diese Rücksichten bei dem Jawort Hatheburgs
eine Rolle spielten, wissen wir nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist gering.
Im Vordergrund steht zum einen, daß HEINRICH
sehr stürmisch und drängend um die schöne Witwe
geworben hat. Es schien ihm auf jeden Tag angekommen zu sein. Das war ungewöhnlich,
und dieser Eindruck wird noch bestätigt durch die Schnelligkeit, mit
der die Hochzeit begangen wurde. Daß eine vornehme, begüterte
Dame ihren Entschluß korrigierte und dem Kloster den Rücken
kehrte, war in der damaligen Zeit ein spektäkulärer Schritt.
Ob sie bereits alle Nonnengelübde abgelegt hatte oder nicht, spielt
dabei keine Rolle; allein durch die Tatsache, dass sie den Schleier trug,
hatte sie ja auf das Recht verzichtet, sich ein zweites Mal zu verheiraten.
Maßgebend für das Jawort, das sie HEINRICH
gab, dürfte zum einen gewesen sein, daß sie nicht aus völlig
freiem Entschluß, nur von sich aus, den Schleier genommen hatte;
zum anderen dürfte die Wirkung den Ausschlag gegeben haben, den die
Persönlichkeit HEINRICHS auf sie
machte. HEINRICHS Eifer, mit dem er
auf die Hochzeit drang, ist schließlich auch deshalb bemerkenswert,
weil er wußte, daß er und seine Braut gegen Vorschriften der
Kirche verstießen. Hatheburg hätte vor ihrer Eheschließung
einen kirchlichen Dispens erwirken müssen. Ob dies ohne Schwierigkeiten
zu erreichen war oder nicht: Jedenfalls wäre trotz der hohen Stellung
HEINRICHS
bis zur Ausstellung einer solchen Genehmigung erhebliche Zeit vergangen.
Offensichtlich dachte HEINRICHaber
nicht daran, unnütze Zeit zu verlieren. Ob sich darin eine gewisse
Überheblichkeit gegenüber dem Klerus ausdrückte, ist schwer
zu entscheiden. Immerhin war in diesen Jahren nicht daran zu zweifeln,
dass HEINRICH der Nachfolger seines
Vaters und damit Sachsen-Herzog werden würde, und in dieser Stellung
wäre es zumindest mehr als unklug gewesen, sich ohne Not über
die Bestimmungen der Kirche hinwegzusetzen.
HEINRICH war
zu klug, als daß ihn Leichtfertigkeit dazu verführt haben könnte,
Hatheburg ohne Rücksicht auf die Meinung der hohen Geistlichkeit zu
heiraten, sein Drängen hatte unstreitig absolut persönliche Motive.
Sie allein waren für ihn maßgebend. Wenn er dabei den Unmut
der Kirche, ja selbst einen schweren Konflikt mit ihr in Kauf nahm, dann
entsprang das weder seiner Leichtfertigkeit noch einer ignotanten Überheblichkeit,
sondern es handelte sich um eine bewußte Herausforderung, ja geradezu
um eine herrische Anmaßung. HEINRICH konnte
sich dabei der Unterstützung seines Vaters sicher sein.
So war die unbeirrbare Eigensinnigkeit, mit der HEINRICH
die Ehe mit Hatheburg erzwang, keineswegs nur der Ausdruck eines
rein privaten Willens. Er wußte, welche Gegner er damit herausforderte.
HEINRICHS erste Ehe
steht im Zeichen eines Widersacherverhältnisses mit der Kirche, das
viele Jahre die Herrschaft des Sachsen-Fürsten und ersten deutschen
Königs prägt, das auch seiner Krönung einen besonderen Aspekt
verleihen wird, und das sich erst verhältnismäßig spät
merklich entspannt und in eine ausgeglichene Beziehung verwandelt.
DIE TRENNUNG
Wie stark die kirchlichen Interessen durch diese Ehe getroffen
waren, zeigte sich bei dem Nachspiel. Von den Reaktionen Erzbischof Hattos
ist nichts aktenkundig. Wohl aber erhob der für Ostsachsen zuständige
Bischof Siegmund von Halberstadt, der dem Mainzer Erzbischof unterstellt
war, scharfen Protest - unstreitig mit Wissen des Erzbischofs, wenn nicht
in seinem Auftrag. Bischof Siegmund wies darauf hin, daß die Ehe
rechtswidrig vollzogen worden sei, weil die Kirche weder darum gebeten
wurde, die verpflichtenden Bindungen Hatheburgs zu lösen, noch den
Dispens erteilt hatte. Da sie also entsprechend dem Kirchenrecht noch immer
bestünden, untersagte der Bischof kraft seiner Banngewalt apostolischer
Bevollmächtigung HEINRICH und
Hatheburg
strikt die eheliche Gemeinschaft, drohte bei Widersetzlichkeit, also
bei Fortführung des verwerflichen Konkubinats, mit dem Kirchenbann
und zitierte die beiden Sünder vor eine Synode, die er einberief,
um sie dort vor ein kirchliches Gericht zu stellen und sie aburteilen zulassen.
Da ein ernsthafter Zwist mit dem Haus und der Familie
des Herzogs bei der prekären inneren Lage Ostfrankens nicht im Sinne
der Kirche und ihrer Pläne sein konnte, blieb es offensichtlich nur
bei der bloßen Androhung Bischof Siegmunds. Erzbischof Hatto und
Herzog
Otto von Sachsen legten die Angelegenheit auf friedliche Weise bei.
Am 5. Oktober 908 wurde in Trebur eine Urkunde ausgestellt, in der dem
Kloster Hersfeld - es lag in einer Grafschaft Herzog
Konrads,
Herzog Otto stand ihm aber als Laienabt vor
- nach dem Tod Ottos von Sachsen oder, falls der Herzog "früher
willens sei, auf die Würde des Abtes zu resignieren", die freie Abtswahl
zugesichert und jeder Einspruch von seiten der LIUDOLFINGER
untersagt wird. Veranlaßt wurde diese Urkunde durch Otto von Sachsen
- ein Entgegenkommen, das sich in keiner Weise mit dem gewohnten Bild der
entschlossenen Expansionspolitik verträgt, die Otto von Sachsen
so erfolgreich vertrieben hatte. Unstreitig handelt es sich bei der Urkunde
des Jahres 908 um eine Kompensation dafür, daß die Geistlichkeit
die Legitimität der Ehe HEINRICHS
mit Hatheburgnicht mehr bestritt. Die Kirche verzichtete damit auch
auf alle ihre Ansprüche auf das Erbe des Markgrafen Erwin vom Hassegau.
Hatheburg bringt einen Sohn zur Welt, er wird
auf den Namen Thankmar getauft, also
nach dem ältesten Bruder
HEINRICHS
benannt;
als Kind wird er Tanno gerufen. Thankmar ist ein vollberechtigtes Mitglied
des sächsischen Fürstenhauses; das ist schon daran zu erkennen,
daß er einen
liudolfingischen
Familiennamen erhält. Zwei Jahre später beschließen die
Ehegatten, sich zu trennen. Hatheburg geht endgültig ins Kloster.
Thankmar wächst am Hof seines
Vaters auf, wird dort erzogen, gerät im Jahr 938 mit seinem Halbbruder
OTTO, dem Nachfolger HEINRICHS
I. als König, in heftige Auseinandersetzungen wegen der
von ihm geltend gemachten Ansprüche und wird ohne Schuld OTTOS
I. am 28. Juli 938 getötet.
Die Umstände der Heirat HEINRICHS
und Hatheburgs waren höchst ungewöhnlich. Um so auffälliger
ist, daß von den Gründen der Trennung kein Wort aktenkundig
ist. Am meisten spricht dafür, dass HEINRICH
zu der Trennung gezwungen wurde, dass er darunter litt und man ihn zu seiner
zweiten, fast hektisch rasch geschlossenen Ehe mit
Mathilde nötigen mußte. Seine Fürsorglichkeit,
mit der er noch viele Jahre später Merseburg betreute, hängt
nicht unwesentlich mit seiner Erinnerung an Hatheburg zusammen.
MERSEBURG
Sieht man von Thietmar ab, so hatte die Heirat mit Hatheburg als bleibende Folge, daß unbeschadet der späteren Trennung der Ehegatten das Erbe Hatheburgs in HEINRICHS Besitz verblieb: das Merseburger Gebiet mit den reichen Gütern im Hassegau (Hochssegau) und dem Zentrum der Hochseeburg an den Mansfelder Seen und im Friesenland zwischen Harz, Saale und Unstrut. Mit diesen Ländereien am unteren Ende der versumpften Elsterniederung, die besonders lange unwegsam war, hatte sich die Hausmacht der LIUDOLFINGER bis zur Ostgrenze Sachsens vorgeschoben, und zwar in einer Zone, die seit Menschengedenken unruhig und besonders gefährdet war. Um den Kern der "Alten Burg", die auf einem langgestreckten Felsrücken lag, der von Nord nach Süd verläuft, ließ HEINRICH später die Stadt Merseburg anlegen.
IM VORFELD DER ZWEITEN EHE
HEINRICH soll, wie Thietmar berichtet, den Rat seiner Eltern befolgt haben und nach Herford gereist sein. Seine Werbung um Mathilde muß um das Jahr 908 fallen, mit ziemlicher Sicherheit in die 2. Hälfte des Jahres, denn die Heirat findet 909 statt. Da wir das genaue Datum nicht kennen, an dem die Trennung HEINRICHS und Hatheburgs beschlossen wurde, muß es auch offenbleiben, ob die Verbindung zwischen ihnen noch bestand, als HEINRICH sich um Mathilde bemühte. Wir müssen voraussetzen, daß die Trennung von Hatheburg entweder beschlossene Sache oder schon vollzogen war. Erst dann bemühten sich die Eltern um eine neue Verbindung. Als HEINRICH dann nach Herford kam, fand er die Berichte, die seine Eltern erhalten hatten, bestätigt. Er willigte ein und warb um Mathilde. Mathilde entstammte einem hochadligen Sachsengeschlecht. Sie und HEINRICH schlossen im Jahr 909 die Ehe, ihr erstes Kind kam am 23. November 912 zur Welt, eine Woche vor dem Ableben Herzog Ottos von Sachsen.
DIE HEILIGE
In der Lebensbeschreibung Mathildes
wird als Abgesandter und Werber Herzog Ottos von Sachsen der ehemalige
Lehrer des jungen
HEINRICH
genannt,
Graf Thietmar. Er kommt von Herford mit der Nachricht zurück, "daß
sie wohl würdig der Ehe seines Herrn und der Völker dereinstige
Hoffnung sein werde." Daraufhin unternimmt HEINRICH
persönlich mit derselben Abordnung die Reise nach Herford, er und
einige seiner Gefährten verkleiden sich, um nicht aufzufallen, gehen
ins Kloster und betrachten in der Kapelle "das sittsam und stattlich geartete
Mädchen". Herzog Otto hatte sich zweifellos schon vorher mit
den Eltern Mathildes in Verbindung
gesetzt und ihre Zustimmung eingeholt. Eine Weigerung HEINRICHS
nach
seinem Besuch in Herford hätte einen Eklat bedeutet.
Nach der Verlobung zogen HEINRICH
und Mathilde mit dem Gefolge nach Sachsen
zurück, die Hochzeit wurde in Wallhausen an der Helme im Harz, in
der sogenannten Goldenen Aue nordöstlich des Kyffhäuser, gefeiert.
Mathilde erhielt Wallhausen als Morgengabe,
der Ort entwickelte sich zu einer der bedeutenderen Pfalzen. In Wallhausen
brachte Mathilde ihren ersten Sohn OTTO
zur
Welt, von hier führte in den folgenden Jahren der Königsweg über
Allstedt nach Merseburg. Zum Dank für die beiden glücklichen
Geburten in Nordhausen gründete Mathilde
später das dortige Kloster zu Ehren Marias.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Ehe zwischen
HEINRICH
und
Mathilde
zu einer außerordentliche intensiven, ja ungewöhnlich harmonischen
Verbindung, denn Mathilde, die als
Klosterschülerin kaum viel mehr war als das Objekt einer planmäßig
vorbereiteten und durchgeführten ehelichen Koalition, entwickelte
ein Format, das selbst durch die hochgespannten und häufig von den
lateinischen Dichtern der früheren Zeit entliehenen Lobpreisungen
ihrer Biographien nicht zu beeinträchtigen ist. Ihre von den Chronisten
einhellig bestätigte Schönheit fand sich in ihren Kindern wieder
- abgesehen von ihrem Erstgeborenen OTTO,
einem kleinwüchsigen Mann von kaum ansprechendem Äußeren.
Sie beeindruckte nicht zuletzt durch einen ungewöhnlich natürlichen
Stolz, dem höfischen Prunk war sie keineswegs abgeneigt, weil
sie in der sichtbaren Pracht der königlichen Gewänder auch wesentliches
von sich selbst und ihrem Sinn für die Macht der Welt zu zeigen bereit
war.
Hatheburgs Mitgift war beträchtlich gewesen,
doch durch die Heirat mit Mathilde
vergrößerte sich der Territorialbesitz des sächsischen
Herrscherhauses geradezu immens. Die Höfe und Güter des Grafen
Thiederich in Westfalen erstreckten sich über weite Flächen N-Deutschlands.
Durch die reiche Mitgift Mathildes dehnten
sich die liudolfingischen
Besitzungen
und damit der Herrschaftsraum des sächsischen Fürstengeschlechts
in Gebiete, die zum Kern des ganzen Sachsenlandes zählten. In Enger
gründete Königin Mathilde
etwa zehn Jahre nach dem Tod HEINRICHS
ein berühmt gewordenes Stift. Mathilde
starb hochbetagt am 14. März 968. Nicht nur dank ihrer Frömmigkeit,
sondern auch dank ihrer politischen Einsicht, ihrer Tatkraft und ihres
unerschütterlichen Selbstbewußtseins, das sich keiner Opportunität
beugte, hatte sie sich weit über die Grenzen des Reiches hinaus einhellige
Bewunderung erworben. Später wurde sie von der Kirche heiliggesprochen.
Ihr letztes Lebensjahr ist von Krankheit bestimmt. Im
Herbst 967 hält sie sich in Nordhausen auf. Ihr Zustand verschlechtert
sich, sie ahnt, daß ihr Leben zu Ende geht, und verläßt
am 22. Dezember die Stadt, um nach Quedlinburg, ihrem Lieblingsaufenthalt,
zu reisen. Dort befindet sich das Grab HEINRICHS,
deshalb will sie auch in Quedlinburg sterben. Der König hatte ihr
im Jahre 929 Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen, Grona und Duderstadt
als Wittum, als Witwenversorgung geschenkt und mit diesen reichen Besitzungen
ihr künftiges Leben auf eine gesicherte Basis gestellt.