Gerstner Ruth: Seite 59-66
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"Die Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgraf von ihren Anfängen bis zur Ausbildung des Kurterritoriums Pfalz"

HEINRICH V. zog jetzt das gesamte pfalzgräfliche Allodialgut ein und übertrug es an einen seiner treuesten Anhänger, den Grafen Gottfried von Kalw. Es war ein Glück für HEINRICH V., dass gerade 1113 durch den Tod Siegfrieds die Möglichkeit bestand, für seine ganze folgende Regierungszeit den Rhein zu sichern durch Einsetzung eines ihm ergebenen Mannes, des Grafen Gottfried von Kalw, den wir schon vor seinem Amtsantritt dauernd in Begleitung des Kaisers antreffen. Einen Fehler beging HEINRICH allerdings, indem er einen Landfremden zum Pfalzgrafen machte, der bisher am Mittelrhein nichts zu suchen hatte.
Der Stammsitz Gottfrieds lag im heute zu Württemberg gehörigen Teil des Schwarzwaldes. Dort rechneten zu seinem Familienbesitz Güter in den Schwarzwaldtälern, dazu die Vogteien über Sindelfingen, Hirsau, die beiden Stiftungen seines Hauses, und über Reichenbach im Murgtal, das ein Tochterkloster von Hirsau war. Gottfrieds Tochter wurde die Gattin Welfs VI., und dieser stritt sich später mit den Nachfolgern Gottfrieds in Kalw, Adalbert IV., um Kalw, Löwenstein und Vaihingen, um Güter in den schwäbischen Gauen Würm-, Glens-, Enz-, Zaber-, Murr und Schotzachgau, um die Burg Zawelstein und mehrere Orte, die später an das Kloster Hirsau geschenkt wurden. Das war wohl der hauptsächliche Besitz Gottfrieds. Ferner gehörte dazu der Glensberg mit Asperg, mit dem Welf VI. die Pfalzgrafen von Tübingen belehnte und ebenso der Besitz der Tübinger Pfalzgrafen in Gemrigheim. Aber auch die Burg Enzberg im Kraichgau war kalwisch, und die Orte im unteren Neckartale. Das mögen die nördlichsten Besitzungen Gottfrieds gewesen sein, denn es ist nicht nachzuweisen, dass durch seine Mutter Wiltrud, die Tochter Herzog Gottfrieds von Nieder-Lothringen, in diesem Bezirk irgendwelche Güter auf den KALWER gekommen sind. Möglicherweise hat Gottfried sogar die Besitzungen im Kraichgau und im unteren Neckartale erst später erworben als Lehen des Klosters Lorsch.
Der einzige Grund des Aufstandes war die Einsetzung  für die Großen Lothringens sicher nicht. Auch von der Seite der Pfalzgräfin, die den Besitz ihres Gatten ihren Kindern erhalten wollte, bildete sich ein Widerstand. Gertrud von Northeim heiratete damals Otto von Rheineck und gewann sich so in diesem am Mittelrhein begüterten Grafen einen Bundesgenossen für die Verteidigung der Erbansprüche ihrer Söhne. Für den Kaiser war es unter diesen Umständen wichtig, dass Gottfried sich in der Pfalzgrafschaft behauptete. Bis zum Winter hatte sich das ganze Gebiet anscheinend beruhigt. Der endgültige Friede kam allerdings erst 1121 zustande, nachdem der Kaiser eine Burg in Treis an der Mosel eroberte, die dort Graf Otto von Rheineck gegen ihn errichtet hatte. Damit war dieser Gegner, sowohl des Kaisers als auch seines Pfalzgrafen, erledigt und die Ruhe im Rheinland endgültig hergestellt.
Auch in der Zeit nach seiner Beauftragung - ja, da erst recht - finden wir den Pfalzgrafen häufig beim Kaiser. War er schon 1108 und 1109 mit auf Ungarn- und Polen-Feldzügen, 1111 bei der zweiten Gesandtschaft an Paschalis und den Verhandlungen in Turri, so ist er nach 1113 bei allen wichtigen Angelegenheiten zugegen. Wir treffen ihn bei den Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst in Mouzon 1119 und beim Abschluß des Wormser Konkordats. Er tritt in der Umgebung des Kaisers meist neben dem Herzog von Schwaben, diesem treuen Vasallen des SALIERS, auf. Als Friedrich von Staufen 1116 mit der Reichsverweserschaft betraut wurde, stellte der Kaiser den Pfalzgrafen ihm zur Seite. Davon berichten das Chronicon Laureshamense, zwei Briefe HEINRICHS V. und Otto von Freising. Wenn vielleicht HEINRICH in Gottfried mehr seinen Vertrauten als den Pfalzgrafen beauftragt hat, so mußte das doch dem Ansehen der Pfalzgrafschaft zugute kommen. Ja, in Gottfried scheint wirklich der territoriale Pfalzgraf der späten KAROLINGER-Zeit wieder lebendig geworden zu sein, der Recht spricht in allen Dingen, die sich auf sein fränkisches Gebiet beziehen.
Auch sonst hat Gottfried seine territorialen Interessen tatkräftig wahrgenommen. Als der Kaiser 1125 schwerkrank nach Duisburg kam, restituierte er hier dem Abt Berengoz von St. Maximin auf dessen häufige Klagen die Höfe, die der Pfalzgraf Gottfried dem Kloster entzogen hatte. Sie liegen in Orten der Kreise St. Goar, Kreuznach und in Rheinhessen. Kimpen wollte daraus schließen, dass der KALWER hier Eigengüter gehabt hat, die er durch diese maximinischen vermehren wollte. Wenn aber in der Urkunde Kaiser
HEINRICHS
von 1023 die Güter aufgezählt werden, die der Kaiser dem Kloster entzog, und damit Herzog Heinrich von Bayern, den Grafen Otto und den Pfalzgrafen Ezzo belehnte, und wir finden die Orte: Gondershausen, Mandel, Norheim, Holzhausen, Ockenheim, (Amt Gau-Algesheim), Vollmersbach, Albach und Gaulsheim in beiden genannt, dann kan man ruhig sagen, dass hier kein Eigenbesitz, sondern die pfalzgräflichen Reichslehen lagen, die Gottfried entweder durch andere Höfe des Klosters zu mehren suchte oder die die Mönche von St. Maximin wieder in Besitz genommen hatten, so dass Gottfried das Recht des Pfalzgrafen auf dieses Gut geltend machte. Vielleicht waren diese Güter durch die Konzentrierung Hermanns II. auf den Norden oder durch die Kämpfe nach dem Tode des LAACHERS verloren gegangen.

Gottfried hatte also nicht den ganzen Besitz Siegfrieds übernommen - vielleicht waren auch die ursprünglichen Allodialgüter Heinrichs von Laach ihm vom Kaiser verliehen, denn weder Otto von Rheineck noch Wilhelm, Siegfrieds Sohn, erscheinen, solange Gottfried Pfalzgraf war, in diesem Besitz. Wilhelm kämpfte aber um diese Güter. Der Gattin Siegfrieds wurde ein Wittum angewiesen. Darauf deutet eine Urkunde des Erzbischofs Meginher von Trier, in der er die Übergabe des Berges Schiffenburg im Wiesecker Wald bei Gießen durch die Gräfin Clementia von Gleiberg und deren Gemahl an die Kirche daselbst bestätigt. Zu dieser Dotierung hat die Pfalzgräfin Gertrud als Eigentümerin eines Viertels des Waldes ihre Genehmigung erteilt.
Mit dem Tode HEINRICHS V. und der Thronbesteigung LOTHARS waren die Aussichten der Nachkommen Siegfrieds gestiegen. Denn LOTHARS Gemahlin Richenza war die Schwester der NORTHEIMERIN Gertrud, der Gemahlin Siegfrieds. Der neue König wollte wie HEINRICH V. den Rhein sichern durch einen verläßlichen Pfalzgrafen. Die beiden Brüder Siegfried und Wilhelm, Söhne des von 1099 bis 1113 amtierenden Pfalzgrafen, hatten wohl die ganze Regierungszeit HEINRICHS V. hindurch mehr oder minder aktiv dem KALWER Widerstand geleistet. 1124 starb Siegfried, Wilhelm aber setzte den Kampf fort. Ja, er führte zum Zeichen seiner Ansprüche den Pfalzgrafentitel. 1125 noch forderte der Kaiser den Erzbischof Gottfried von Trier auf, den Pfalzgrafen Wilhelm zur Ruhe zu bringen.
Wenn der Sachsen-König also Wilhelm einsetzte, so konnte er bestimmt auf diesen zählen. Es scheint damals zu einem gütlichen Ausgleich zwischen Gottfried und dem Sohne Siegfrieds gekommen zu sein, dahin, dass die Nachfolge an Wilhelm von Ballenstädt übergehen sollte, der bereits seit 1126 in den Urkunden LOTHARS als Pfalzgraf auftritt. Wohl wurde Wilhelm in die orlamündischen Allodialgüter und Lehen damals schon eingesetzt (Orlamünde-Rudolstadt, Weimar, Besitzungen in Thüringen, der heutigen Landschaft Franken und dem Vogtland). Ob jedoch das Pfalzgrafengut gleich an Wilhelm kam, ist keineswegs sicher, denn auch Gottfried behielt den Titel comes palatinus bei. Da weder von Gottfried noch von Wilhelm Urkunden zwischen 1125 und 1130 (dem Todesjahr des KALWER) vorhanden sind, wissen wir nicht, ob die Pfalz von ihnen gemeinsam oder von einem allein verwaltet wurde. In den Königs-Urkunden kommt der Titel palatinus comes beiden zu, ja in dem Diplom vom 20. Januar 1129 in Worms erscheinen beide zusammen, und Gottfried wird vor Wilhelm genannt.
LOTHAR konnte sowohl dem KALWER wie auch dem BALLENSTÄDTER volles Vertrauen schenken. Denn obwohl Gottfried zu den treuesten Anhängern HEINRICHS V. gehört hatte, setzte er sich nach dessen Tod doch für den Landfrieden ein, um so für eine neue Königswahl die nötige Ruhe herzustellen, ja, er war sogar Mitunterzeichner des Schreibens an die deutschen Fürsten, durch welches diese auf den 24. August nach Mainz beschieden wurden. Dann war Gottfried gleich 1125 im November in der Begleitung LOTHARS in Regensburg gewesen.