EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE BAND XII
Tafel
30
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1404
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Calw, Grafen von
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1037 erstmals genannte Hochadels-Familie (11.-14. Jahrhundert), deren
Besitzschwerpunkt im fränkisch-schwäbischem Grenzraum, im
Würm-, Glems-, Enz-, Zaber-, Murr- und Schotzachgau mit Zentren in
Ingersheim, Löwenstein und Sindelfingen lag. Vogteirechte
über die Kloster Sindelfingen, Hirsau und Lorsch mehrten Macht und
Ansehen der CALWER in
der SALIER-Zeit. Hirsauer
Tradition und Memorialüberlieferung lassen einen
verwandtschaftlichen Zusammenhang der Grafen von Calw mit den Stiftern
des ersten Klosters von Hirsau (830),
Bischof Noting von
Vercelli und Erlafried,
sichtbar werden.
Die Beteiligung Graf Adalberts am Öhringer
Stiftungsbrief von 1037 deutet auf eine enge Verwandtschaft der CALWER mit den SALIERN, den Grafen von Lauffen
und den Wormsgau-Grafen.
Konnubium und verwandtschaftliche Beziehung zu hohen kirchlichen
Würdenträgern stellen die Grafen von Calw zu Ende des 11.
Jahrhunderts unter die ersten Familien des Reiches (Adalbert II., Enkel eines
Grafen von Egisheim, oo Wiltrud,
Tochter Herzog Gottfrieds II. des Bärtigen von
Lothringen).
Sie waren verschwägert mit den Reform-Päpsten
Leo IX. und Stephan IX., vermutlich auch
verwandt mit den Päpsten
Damasus II. und Viktor II.
Obwohl Adalbert II. zur
päpstlichen Partei neigte, wurde sein Sohn Bruno von Kaiser HEINRICH IV. 1088 zum Bischof von Metz erhoben. Seit der
Mitte des 11. Jahrhunderts verlegte Graf
Adalbert
II. († 1099) seinen
Herrschaftssitz nach Calw (an der Nagold, Baden-Württemberg) und
war bemüht, im nördlichen Schwarzwald eine geschlossene
Rodungsherrschaft aufzubauen. Die Anlage zahlreicher
Waldhufendörfer geht auf ihn zurück. In Erfüllung einer
dringenden Bitte Papst Leos IX. von
1049 begründete er nach 1059 das Benediktiner-Kloster Hirsau neu.
1075 wurde es, gegen anfänglichen Widerstand Adalberts II., mit
umfangreichen Freiheiten ausgestattet und konnte dadurch zum Zentrum
der weitausgreifenden Hirsauer Reform werden.
Mit Graf Gottfried II. († 1131), dem Sohn Adalberts II. und
Schwieger-Sohn Bertholds II. von
Zähringen, erreichte die Macht der Grafen von Calw ihren
Höhepunkt. Gottfried
war einer der wichtigsten und zuverlässigsten Anhänger Kaiser HEINRICHS V. und
maßgeblich beteiligt an den Verhandlungen zur Beilegung des
Investiturstreits mit den Päpsten
Paschalis II. und Calixt II. sowie am
Abschluß des Wormser Konkordats von 1122. Einen großen
Machtzuwachs bedeutete es, daß ihm Kaiser HEINRICH V. 1113 die rheinische Pfalzgrafschaft
übertrug. Zusammen mit Herzog
Friedrich II. fungierte
er während des Italien-Aufenthaltes HEINRICHS V. als dessen Statthalter in Deutschland.
Die Heirat Herzog Welfs VI. mit Uta, Erb-Tochter Gottfrieds II., zerstörte
das welfisch-staufische Gleichgewicht in
Schwaben. Die Auseinandersetzungen um das Calwer Erbe nach 1131 zwischen
Welf VI., Gottfrieds Neffen Adalbert IV. von Calw-Löwenstein
und Konrad II. von
Zähringen endeten mit einem Kompromiß, leiteten aber
den Niedergang der Grafen von Calw ein.
Mit Graf Gottfried († vor 1282) starb die Calwer Linie aus; Haupterben waren die
Grafen von Tübingen.
Die Linie Calw-Löwenstein erlosch
nach 1277; ihr Besitz ging durch Kauf an eine uneheliche Nebenlinie der
Grafen von Habsburg, die mittleren Grafen von Löwenstein. Ein
weiterer Seitenzweig, die Grafen von Calw-Vaihingen, starb 1361 aus;
Besitznachfolger waren die Grafen von Württemberg.
F. Quarthal
Literatur:
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Ch. F. Stälin, Wirtemberg. Gesch. I, 1841, 566-569; II, 1847,
366-387
H. Bauer, Die Gf.en v. Kalw und Löwenstein, Wirtemberg.
Franken 8, 2, 1869, 209-243
E. Gunzenhäuser, Vaihingen/Enz unter den Gf.en 1113-1339
(1364), 1901
W. Möller, Genealog. Unters. zur Gesch. der Schauenburg bei
Oberkirch, ZGO 78, 1926, 515-526
E. Klebel, Alem. Hochadel im Investiturstreit, VuF 1, 1955,
209-242
H. Decker-Hauff, Der Öhringer Stiftungsbrief,
Württemberg. Franken 41, 1957, 17-31; 42, 1958, 3-32
K. Schmid, Kl. Hirsau und seine Stifter, 1959
H. Jänichen, Herrschafts- und Territorialverhältnisse um
Tübingen und Rottenburg im 11. und 12. Jh., 1964
W. Kurze, Adalbert und Gottfried v. C., Zs. für
württemberg. Landesgesch. 24, 1965, 241-308
W. Kurze, Der Todestag Adalberts II. v. C., ebd., 417-420
S. Greiner, Beitr. zur Gesch. der Gf.en v. C., ebd. 25, 1966,
35-58
K. Feldmann, Hzg. Welf VI. und sein Sohn [Diss. Tübingen
1971].
Die Grafen von Calw saßen an der Nagold, um Hirsau und Sindelfingen. Von engen Beziehungen zum rheinischen Kraichgau zeugen Ländereien in Mingolsheim bei Bruchsal. Welch hohes Ansehen sie genossen, erweist die wohl zur Zeit HEINRICHS II. erfolgte Eheschließung zwischen Adalbert und einer EGISHEIMERIN, der Schwester Bruns, des späteren Papstes Leo IX.
Stälin Paul Friedrich: Seite 411-415
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"Geschichte Wirttembergs"
Unter den fränkischen Geschlechtern des
heutigen
Württemberg ist das bedeutendste dasjenige, welches sich seit den
11. Jahrhundert nach der Burg Calw, seit dem 12. in zwei
Nebenlinien
auch von Löwenstein
und von Vaihingen nannte.
Die
ältesten
Glieder der Familie wären Graf Erlafried und sein Sohn Noting,
Bischof von Vercelli, in der
1. Hälfte des 9. Jahrhunderts,
wenn diese Personen überhaupt sicherer beglaubigt wären, als
sie dies in Wirklichkeit sind. Da jedoch in der Folge Adalbert
als
der gewöhnlichste Taufname in der Familie erscheint, so
dürften
vielleicht schon Graf Adalbert, welcher im Jahre 870
Güter
zu Gültstein gegen solche zu Zimmern im Elsenzgau von Kloster
Lorsch
ertauschte, sowie im 11. Jahrhundert die so genannten Grafen des
Zabergaues
vom Jahre 1003, des Murrgaues vom Jahre 1009, des Uffgaues von den
Jahren
1041 und 1046 ihr angehören, mögen sie auch keinen dies
andeutenden
Beinamen führen.
Nach Calw selbst nennt sich zuerst der im
Öhringer
Stiftungsbrief des Jahres 1037 zugleich mit dem Grafen Eberhard von
Ingersheim,
ohne Zweifel einem nahen Verwandten, vorkommende Graf Adalbert (I.).
Er war vielleicht der Gemahl der Gräfin von Egisheim, Schwester
Papst
Leos IX. (1048-1054),
welche in ihrer Ehe mit einem Calwer
Grafen,
dessen
Taufname nicht erwähnt wird, den in der Geschichte öfters
auftretenden
Grafen Adalbert (II.) Axinbart
gebar. Der letztere († 1099)
machte
sich, in seiner kirchlich-politischen Richtung vielleicht der Eingebung
seines genannten Oheims folgend, durch die Gründung des Stiftes
Sindelfingen
und Neugründung des Klosters Hirsau, sowie als Anhänger des Gegen-Königs
RUDOLF bekannt und erhielt vom Kloster Lorsch reiche Lehen
übertragen.
Vermählt war er mit Wiltrud
(† 1093), Tochter Herzog
Gottfrieds
des Bärtigen von Lothringen, eines Bruders Papst Stephans IX.
(1057-1058),
und stand so zu zwei Päpsten in naher Beziehung, während die
früher häufige Annahme, Papst
Viktor II. (1054-1057)
habe,
vielleicht
als sein Oheim oder Bruder, zur CALWER
Familie gehört,
sich
nicht begründen lassen dürfte.
Von den Söhnen Graf
Adalberts II.
wurde Bruno
vom Kaiser
HEINRICH IV. im Jahre
1088
zum Bischof von Metz in Lothringen, dem Lande seines
mütterlichen
Großvaters, eingesetzt, jedoch schon im Jahre 1089 wieder
vertrieben.
Da der zweite Sohn, Graf Adalbert III., im Jahre 1094
vor
seinem
Vater starb, vererbte sich nach des letzteren Tode alle Hausmacht auf
den
jüngsten Sohn Gottfried,
welcher den Höhepunkt des
Hauses
bilden, eine hervorragende Rolle in der Geschichte Deutschlands
gespielt
hat und deshalb schon mehrere Mal erwähnt wurde. Im Rate und im
Kampfe,
so besonders auch in den kirchlichen Wirren in den Jahren 1111,1122,
einer
der angesehensten und treuesten und am meisten mit Aufträgen
bedachten
Genossen König
HEINRICHS V. und,
aber
auch nach eigener Macht und Besitztum strebend, wurde er von dem
letzteren
im Jahre 1113 mit der Würde eines lothringischen (das heißt
zugleich auch fränkischen), oder wie sich der Name in der Folge
gestaltete,
eines rheinischen Pfalzgrafen bedacht, und war Vogt nicht
bloß der Klöster Hirsau, Sindelfingen, Reichenbach,
sondern auch von Lorsch. Als er im Beginn der 30-er Jahre des
12.
Jahrhunderts verstarb (? 1131,1132,1133) und von seiner Gemahlin
Liutgart, Tochter Herzog Berchtolds II. von Zähringen,
infolge
des frühen Todes seines Sohnes Gottfried, nur eine
erbfähige
Tochter, Uta,
hinterließ, die wohl kurze Zeit vor seinem
Tode
Welf VI. heiratete, kam
es zwischen diesem erwerbslustigen Herrn und Gottfrieds
Neffen, Graf Adalberts III. von Calw Sohn, Graf
Adalbert
IV., der sich zunächst von Löwenstein nannte, zu
einem
Streit über das Gottfriedische
Erbe, welcher in einem heftigen
Waffenkampfe
zum Ausgleich gebracht wurde. Da Graf
Adalbert die Burg
Calw
und einigen sonstigen Besitz - wie berichtet wird, als Lehen von Welf -
zu behalten vermochte, so nannte er sich in der Folge auch Graf von
Calw
und stand König KONRAD
III.
bei
wichtigen Unternehmungen in Krieg und Frieden, namentlich beim Kampfe
um
Weinsberg im Jahre 1140, zur Seite.
Von den Söhnen, deren Wirksamkeit der 2.
Hälfte
des 12. Jahrhunderts angehört, wurden Graf Adalbert V. und
vielleicht auch Konrad
Begründer der Calwer,
Graf
Berchtold der Löwensteiner Linie, beteiligten sich
vielleicht
Adalbert und Konrad - es werden zwei
Brüder von
Calw
genannt - an der Tübinger Fehde des Jahres 1164. Im Calwer
Zweige
erscheint als Adalberts V.
Sohn Graf Adalbert VI.,
welcher
im Gefolge König
PHILIPPS
auftritt
und von den Hirsauer Mönchen arger Gewalttaten gegen ihr Kloster
bezichtigt
wird. Dieser Zweig erlosch bereits ums Jahr 1260 mit einem
nicht
ganz sicher in den Stammbaum des Geschlechts einzureihenden Grafen
Gottfried.
Er vererbte den sehr geschmolzenen Güterbesitz der Familie auf
seine
Töchter, von denen die eine in 1. Ehe mit Graf Rudolf IV. von
Tübingen,
in 2. Ehe mit Graf Ulrich von Schelklingen, die
andere mit Graf Simon
von
Zweibrücken, Herren von
Eberstein, vermählt war. Zu der von Graf
Berchtold ausgehenden
Löwensteiner Linie, in einzelnen
Gliedern wohl auch von Wolfsölden und Beilstein genannt,
gehörte
Graf Gottfried, ohne Zweifel
Teilnehmer an der Empörung König
HEINRICHS (VII.). Sie erlosch im Mannesstamme gegen Ende des
13. Jahrhunderts mit den mutmaßlichen Ur-Enkeln Berchtolds,
von welchem Graf Gottfried im Jahre 1277 seine
Burgen
Löwenstein
und Wolfsölden an Würzburg verkaufte.
Auf nicht nachweisbare Weise wurde Graf Gottfried
von Calw, Bruder oder Geschwisterkind Adalberts VI., der
Rechtsnachfolger
der im 12. Jahrhundert, zum Teil im Gefolge König
KONRADS III. und Kaiser
FRIEDRICHS
I. genannten Grafen Egino von Vaihingen und so der
Begründer
einer weiteren Linie des CALWER
Hauses, der VAIHINGER,
welche
erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts erlosch. Am Ende des 12. und
im
Anfang des 13. Jahrhunderts lebend, fand sich der genannte Graf auch am
Hofe Kaiser
HEINRICHS VI. und
seines
Bruders, Herzogs von Tuszien, späteren Königs
PHILIPP ein. Graf Konrad von Vaihingen starb im
Jahre
1234, für Kaiser
FRIEDRICH II.
in Italien Kriegsdienste leistend, in einem Treffen gegen die
Römer
den Heldentod.
Die alten Gaue, in welchen die Familie, meistens wohl
in längerer Erbfolge, das Grafenamt mehr oder weniger sicher
verwaltete,
waren die fränkischen des Murr-, Glems-, Würm-, Enz-, Zaber-,
Gardach-, Schotzachgaues, wozu von den schwäbischen, kurz im
Besitz
der Hauptlinie, wohl die Glehuntare kam. Über den
größten
Teil dieser Gaue erstreckte sich allem nach ein reicher, eine
große
Menge von Ministerialen zählender Grundbesitz des Geschlechtes,
wie
ihm insbesondere die Burgen Calw, Zavelstein, Vaihingen,
Enzberg, Löwenstein, wahrscheinlich Asperg,
Wolfsölden,
Beilstein, Weinsberg gehörten. Dazu kamen zeitweise
die
Schutzvogtei über das Kloster Lorsch und die von diesem Kloster
übertragenen
sieben Volllehen, die vom Hochstift Speier überlassene Vogtei
über
Bruchsal und andere. Unter den Orten, wo Glieder des Geschlechtes ihr
Grafengericht
hielten, ist der bekannteste Ingersheim im alten Murrgau, wonach im 10.
und 11. Jahrhundert eine seiner Grafschaften hieß.
Das Wappen der Grafen von Calw, welches auch die Löwensteiner
und Vaihinger Nebenlinie
beibehielten, ist ein auf 3 (auch 4)
Bergspitzen
schreitender Löwe.