"Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel "
Die Behandlung der Harzgrafen und ihrer immedingischen
Vorfahren ist deshalb besonders wichtig, weil in neuerer Zeit K.A. Eckhardt
die WETTINER als Harzgrafen-Zweig angesprochen hat. Sehen wir uns die Namen
der ältesten WETTINER an (Dietrich, Dedi, Friedrich, Ricdag), so scheint
das auf den ersten Blick auch von unserem Standpunkt durchaus akzeptabel.
Dennoch müssen wir uns für einen cognatischen Zusammenhang entscheiden.
Denn Thietmar von Merseburg gibt uns meines Erachtens genauere Auskunft.
Er schreibt, sie stammten de tribu, quae Bucici dicitur. K.A. Eckhardt
versucht dieser Schwierigkeit mit einer Hypothesenhäufung aus dem
Weg zu gehen, die von slawistischem Standpunkt aus unmöglich ist.
Einmal muß er gegen den sonstigen Sprachgebrauch annehmen, dass tribus
hier nicht "Stamm, Geschlecht" bedeutet, sondern "Heimat". Dann konstruiert
er einen unmöglichen Lautwandel von Q - B, weil er den pagus Quezizi,
der in der Grafschaft des WETTINERS Friedrich von Eilenburg lag, als diese
Heimat ansieht, von der das Geschlecht seinen Namen erhielt. Abgesehen
davon, dass Quezizi seiner Bildung nach ebenso ein patronymischer Personengruppenname
war wie Bucici und dass die WETTINER erst seit eben diesem Friedrich diesen
Raum beherrschten, stammen die späteren WETTINER aber auch nicht von
Friedrich, sondern von dessen Bruder Dedi ab. Wir müssen also Thietmar
mehr Glauben schenken und mit der herrschenden Meinung annehmen, dass die
WETTINER von einem Buco (= Burkhard) abstammten. Doch wird man dabei
nicht mit der bisherigen allgemeinen Auffassung annehmen dürfen, dass
mit diesem
Burghard
jener thüringische Markherzog gemeint sei,
der die POPPONEN in dieser Funktion ablöste. Dagegen hat schon W.
Schlesinger mit guten Gründen Einspruch erhoben. Die Lösung muß
meines Erachtens in ganz anderer Richtung gesucht werden, wobei wir einen
kleinen Umweg eischlagen müssen.
H. Decker-Hauff hat auf einen Pfäferser Gedenkbucheintrag
von 950/51 aufmerksam gemacht, der König
HEINRICH I., OTTO I., seine
Brüder
Herzog Heinrich von Bayern,
Erzbischof
Brun von Köln, seinen Schwiegersohn Konrad den Roten, seinen
Sohn Herzog Liudolf von Schwaben, dessen
Schwiegervater, den KONRADINER Hermann
I. von Schwaben, einen weiteren Heriman, Reginlinde, die Gemahlin
Herzog
Burkhards I. von Schwaben und dann Herzog Hermanns I., Ida die Tochter
Hermanns I. und der Reginlinde, sowie noch Keila (= Gisela), Hicha
und einen Wernarius enthält.
Für uns ist der Nachtrag wichtig (von 950/53):
Wieldrut
Purchardus du(x)
Purchardus
Herm...
Hamelrich
Der Burchardus dux wird dabei mit Herzog Burkhard
I. von Schwaben identidfiziert (+ 926) und der zweite
Purchardusmit
dessen Sohn, der 954 Herzog in Schwaben wurde und ziemlich gleichzeitig,
fast 50 Jahre alt, die junge Hadwig von Bayern heiratete. Nun weist
Decker-Hauff ganz richtig darauf hin, dass es unter den damaligen Bedingungen
ganz unwahrscheinlich ist, dass dies die erste Ehe Burkhards II.
war. Er schließt daraus, dass die im Nachtrag genannte
Wieltrud
seine
erste Gemahlin und Hermann und Hamelrich seine Söhne waren.
Die Prüfung der Handschrift selbst durch G. Tellenbach
läßt hier Korrekturen und Ergänzungen notwendig werden.
Einmal müssen Her m... und Hamelrich einem anderen Eintrag zugewiesen
werden. Wieldrut dagegen ist ein ersten
Nachtrag zur Gruppe der Frauennamen, denen noch vielleicht von der ersten
Hand aber in einem neuen Ansatz Purchardus dux und Purchardus
angefügt wurden. Dafür gehören aber in der Männerkolonne
unter dem zweiten Hermann eine Reihe von Namen zum ursprünglichen
Eintrag, die mit Rihtag beginnt und mit Thiemr (wohl = Thietmar, dem Vater
Geros und des Sigefridus legatus), Sigifredis (= Sigefridus legatus oder
unbekannter Bruder Thietmars), Purchardus und 10 weiteren Namen, die hier
beiseite bleiben können, fortfährt. Wichtig ist, dass bei dieser
Kolonne der Name Keroho (Gero) nachträglich an die Seite geklemmt
wurde. Mit einer anderen Feder, aber von gleicher Hand sind in dieser Kolonne
dann noch die Namen Bernhard, Hodo, Meinwerh, Herim(ann), Tiotmarus, Kerardus,
Hunoldus, Brunis angefügt. Es ist deutlich, dass hier die Beziehung
der mit den OTTONEN versippten Familie
des Markgrafen Gero, die Gruppe der in die Harzgrafen-Familie eingegangenen
Namen der RICDAG-Sippe (Rihtac) und der IMMEDINGER (Meinwerh) mit den schwäbischen
BURKHARDEN
unmißverständlich
hervortritt. Da es jedoch ein Königseintrag ist, muß hier nicht
immer mit verwandtschaftlichen Beziehungen gerechnet werden.
Vergleichen wir aber nun damit das, was wir über
die Verschwägerung der schwäbischen BURKHARDINGER
mit den immedingischen Liesgaugrafen, die wohl mit den Harzgrafen zusammen
zu sehen sind (Unwan als Erbe im Liesgau, Friedrich als Nachfolger Pfalzgraf
Dietrichs), schon oben feststellen konnten, bleibt kein Zweifel. Der Liesgau-Graf
Burkhard muß mit den schwäbischen Herzögen zusammenhängen.
Als weiteres Argument muß der Name Wieldrut
dienen,
der wie der Burkhards (mit Ausnahme des EKBERTINERS im 9. Jahrhundert)
in Sachsen überhaupt nicht vorkommt und nun dort als Name der Mutter
des Grafen Bernhard auftaucht, der in Duderstadt, das manche zum Liesgau
zählen, vielleicht als Nachfolger Burkhardsamtiert. Ein Ber(n)hart
erscheint denn auch richtig im Nachtrag des Pfäferser Eintrags. Wie
schon Tellenbach bemerkte, besteht kein Anlaß, in Wieldrut
die 1. Gemahlin
Burkhards II. zu sehen. Er hält sie
für eine Verwandte. Vielleicht war sie eine Schwester Burkhards
I. Sie steht vor ihm im Eintrag. Damit würden sich auch die besitzgeschichtlichen
Verhältnisse im Liesgau am besten in Einklang bringen lassen.
So wie sich die Quellen auf diese Weise zusammenordnen,
wird man daher auf folgende Vermutung geführt. Burkhard II. wurde
nach dem Tod seines Vaters 926 nach Sachsen verbracht und dort mit einer
IMMEDINGERIN vermählt, um die Kreise des neuen Herzogs Hermann in
Schwaben nicht zu stören. Der"Sachse"Burkhard,
der 950 jenen Zweikampf in Worms zugunsten einer
OTTONEN-Prinzessin
ausfocht, mag sein Sohn gewesen sein, der dann 965 als Graf im Liesgau
bezeugt ist. Er ist mit seinem Bruder Dedi (Dietrich),
der seinen Namen von der immedingischen Mutter vermittelt erhielt, 982
in Calabrien gegen die Araber gefallen. Burkhard hatte eine Emme
zur Frau, zu deren Gunsten er etwa 968 in der Gegend von Lüdge, woher
sie stammte, eine Schenkung an Corvey machte.
Der Kurzname Burkhards, Bucco, hat sich im Namen des
Ortes Buensen (Bukkenhausen) südöstlich von Einbeck erhalten,
wo um 1100 eine edle Frau mit uns aus dieser Familie nun vertrauten Namen
Berta dem Kloster Helmarshausen 2 Hufen verkaufte. Doch haben die BURKHARDINGER
- wohl durch die Katastrophe in Italien bedingt - im Liesgau ihre Position
wieder an die IMMEDINGER abgeben müssen (Graf Sigbert). Wohl durch
eine Tochter Sigberts ist dann die Grafschaft zum Teil an die stadischen
KATLENBURGER gekommen, die den Leitnamen Dietrich nun zu dem ihren machten.
Dedi, der Sohn des 982 gefallenen gleichnamigen Vaters,
hat im Jahr darauf mit einem böhmischen Heer Zeitz ausgeraubt. Sein
Tätigkeitsfeld lag noch immer im Harzgau, während sein Bruder
Aufgaben im Sorbenland erfüllte. Ob der agnatus der beiden, der Markgraf
Ricdag, ein Sohn des Liesgau-Grafen Burkhard war oder von einem
3. Bruder abstammte, läßt sich nicht sagen. Sein schon in Pfäfers
genannter Name, der ihn wohl noch nicht persönlich meint, darf doch
als Bestätigung der Aussage Thietmars angesehen werden. Die Aussage
des Sachsenspiegels, die wettinischen Markgrafen von Meißen seien
Schwaben, wird sich also nicht auf eine Herkunft aus dem Schwabengau (Suevon)
an der Bode, wo Markgraf Ricdag allerdings Grafenrechte ausübte, beziehen,
sondern wird in ihrer Abstammung vom schwäbischen Herzogshaus der
BURKHARDINGER
begründet sein.Gleichzeitig erweist sich auch die Nachricht der Altceller
Annalen aus dem 14. Jahrhundert, dass Herzog Widukind der Vorfahr der WETTINER
war, als nicht ganz unbegründet, und wenn sie traditio domestica wurde
oder blieb (bis Anfang des 18. Jahrhunderts), war das nur in dem Sinne
falsch, dass die WETTINER nicht Agnaten, sondern über die immedigisch-harzgräflichen
Verwandten der ersten Frau Burkhards II. von Schwaben diese Tradition
vermittelt erhielten. Gleichzeitig mag die Übernahme dieser sächsischen
Tradition es erklären, dass der Name Burkhard nicht weiter als Leitname
benutzt wurde, während er bei den immedingischen Verwandten gelegentlich
noch auftaucht.