Rogge, Helmuth: Seite 80-83
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"Das Verbrechen des Mordes begangen an weltlichen deutschen Fürsten in der Zeit von 911 bis 1056."

Besser sind wir über die Ermordung des sächsischen Grafen Ekbert unterrichtet, die sich zu Beginn der fünfziger Jahre im Gebiet der Diözese Bremen zutrug. Hier hatte die Gräfin Ida von Elsthorpe die Tochter des sächsischen Grafen Liudolf, ihre Besitzungen zwischen der unteren Weser und der unteren Elbe. Sie war eine reiche und angesehene Frau. Durch ihre Großmutter Gisela, eine Tochter Herzog Hermanns II. von Schwaben und spätere Gemahlin Kaiser KONRADS, war sie mit dem salischen Kaiserhaus sowohl als mit den Grafen von Stade verwandt. Papst Leo IX., der EGISHEIMER, war ihr Onkel [264 So glaube ich mit Krause, Ida von Elsthore und ihre Sippe, Forschungen XV, 641 aus dem wirren Text der Stader Annalen schließen zu sollen (MG. SS. XVI, p. 319, 24). Die Gründe, die Dehio in seiner Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen, Kritische Ausführungen XX, 70 dagegen anführt (Ekbert sei der Sohn eines der beiden Dithmarscher Grafen und einer Schwester der Richenza) kann ich nicht als stichhaltig anerkennen. Vergleiche Meyer von Knonau 1, 4423 n. 57.]. Aus ihrer ersten Ehe mit dem baierischen Edlen Lippold, dem Sohn der Glismod, stammte der Graf Ekbert. In zweiter und dritter Ehe waren ihre Gatten zwei Brüder, die Dithmarscher Grafen Dedo und Etheler der Weiße. Sie fielen beide durch die Dithmarschen. So war Idas einzige Stütze der Graf Ekbert, da der andere Sohn Burchard sich frühzeitig dem geistlichen Stande gewidmet hatte [265 Über diese verwandtschaftlichen Beziehungen siehe Krause, a.a.O., Seite 639ff., Gisi, Der Ursprung des Hauses Rheinfelden, AfschwG, 1887, Seite 26ff., Dehio, a.a.O., Meyer von Knonau I, 652ff.]. Mit Ekbert zusammen verwaltete sie ihre Allodialgüter. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft saßen die verwandten Grafen von Stade. Graf Udo II. von Stade, der Sohn des 1056 zum Markgrafen der Nordmark ernannten Lothar-Udo, beschloß diese Lage auszunutzen, um die Besitzungen der Ida an sich zu bringen [266 So darf man vielleicht annhemen. Dehio geht zu weit, wenn er davon spricht, daß Ekbert im Kampf gegen Udo von Stade bei der Verteidigung seiner Güter "gefallen" sei. Zu einer solchen Auffassung berechtigt die Darstellung der Stader Annalen nicht.]. Hierzu war aber die Beseitigung ihres Sohnes und Schützers, des Ekbert, erforderlich. So kam es zum Morde. Bei Wistedt, in der Nähe von Elsthorpe, erschlug Udo, so berichten die Stader Annalen, seinen Vetter Ekbert. Die Gräfin war nun ihres Erben beraubt, ihr Besitztum lag offen vor den STADERN da. In ihrer Not begab sie sich zu ihhrem Onkel, dem Papst. Dieser riet ihr zur Versöhnung und Nachgiebigkeit. So verzieh Ida nach ihrer Rückkehr dem Mörder ihres Sohnes und nahm ihn sogar, um ihre Güter in Ruhe nutzen zu können, zum Sohn und Erben an [267 Ann. Stadens., MG. SS. XVI, p. 319, 33ff. - Die Tat muß zwischen 1049 und 1053 erfolgt sein, wenn die Stader Nachricht glaubwürdig ist, daß Ida zu ihrem Onkel Leo IX. nach Rom gezogen sei, um sich bei ihm Rat und Trost zu holen. Leo IX. wurde im Dezember 1048 von HEINRICH III. eingesetzt und starb am 19.IV.1054. Jaffe, Reg. Pontif. Roman. I², p. 529, 548. Vergleiche Krause, a.a.O., Seite 642.]. Dieser gab ihr als Entgelt dafür 300 Hufen aus stadischem Alodialbesitz auf Lebenszeit [268 Albert von Stade ist für alle diese Begebenheiten leider unsere einzige Quelle, sodaß wir seine wirren und vielfach unrichtigen Mitteilungen schlecht prüfen können. Als er sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts niederschrieb, ließ er die chronologische Ordnung völlig außer Acht. Er verwechselte außerdem wie der Ann. Saxo ad a. 1056 den Vater Lothar-Udo mit dem Sohne Udo, der 1082 starb, und nennt den Mörder marchio, obwohl erst dessen Vater 1056, mehrere Jahre nach dem Tode Ekberts, Udo II. selbst 1057 zum Markgrafen ernannt wurden. (Vergleiche Meyer von Knonau I, 39 nr. 28). Die Tochter der Oda, der Schwester Ekberts, mit Namen Akarina, wird eine Tochter der Ida genannt. (Vergleiche Krause, a.a.O., Seite 646). Endlich sagt Albert von Stade, daß Udo den Mord auf Anstiften der Brüder Friedrich und Ulrich von Stade ausgeführt hätte (a.a.O., p. 321, 6). Dies ist aber unmöglich, da Friedrich erst 1135 starb. Hier hat der Chronist den Tod Ekberts mit dem des Markgrafen Ekbert 1090 verwechselt.]. Noch zu ihren Lebzeiten, im Jahre 1057, folgte Udo seinem Vater in der Markgrafschaft nach. Nach ihrem Tode fiel ihr Allodialbesitz an ihn [269 Vergleiche Krause, a.a.O., Seite 643, Dehio, a.a.O., Meyer von Knonau I, 423 nr. 57.]. Er hatte seine Absicht voll erreicht.
Haben sich all diese Ereignisse tatsächlich so abgespielt, so belegen sie wiederum die völlige Abhängigkeit des damaligen Rechts und seiner Wahrnehmung von äußeren Einflüssen. Der Papst selbst vermag der Mutter des Ermordeten keinen anderen Rat zu geben, als den, sich mit dem Mörder zu verständigen, ihm zu Willen zu sein. Daß sie den Möerder sogar an Sohnes statt annimmt und zum Erben einsetzt, erscheint unserer heutigen Auffassung etwas ungeheuerliches. Der damaligen war es zweifellos der einzige, klug gewählte Ausweg aus einer gefährlichen Lage. Auf Bestrafung der Tat Sühne für den Ermordeten, also Durchsetzung des Rechts, scheint hier von vornherein verzichtet und alles Streben auf die Schaffung persönlicher Sicherheit gegen weitere Rechtsverletzung durch gütliche Vereinbarung mit dem Rechtsbrecher gerichtet worden zu sein. So mußte das Recht in seiner Wirksamkeit eine Schranke finden in der Berücksischtigung der Macht dessen, der es brach [270 Vergleiche die Verhältnisse bei der Ermordung des Grafen Wichmann 1016, oben Seite 55ff.].