Besser sind wir über die Ermordung des sächsischen
Grafen Ekbert unterrichtet, die sich zu Beginn der fünfziger
Jahre im Gebiet der Diözese Bremen zutrug. Hier hatte die Gräfin
Ida von Elsthorpe die Tochter des sächsischen Grafen
Liudolf, ihre Besitzungen zwischen der unteren Weser und der unteren
Elbe. Sie war eine reiche und angesehene Frau. Durch ihre Großmutter
Gisela,
eine Tochter Herzog
Hermanns II. von Schwaben und spätere Gemahlin Kaiser
KONRADS, war sie mit dem salischen
Kaiserhaus sowohl als mit den Grafen von Stade verwandt. Papst
Leo IX., der EGISHEIMER, war ihr Onkel [264 So glaube
ich mit Krause, Ida von Elsthore und ihre Sippe, Forschungen XV, 641 aus
dem wirren Text der Stader Annalen schließen zu sollen (MG. SS. XVI,
p. 319, 24). Die Gründe, die Dehio in seiner Geschichte des Erzbistums
Hamburg-Bremen, Kritische Ausführungen XX, 70 dagegen anführt
(Ekbert sei der Sohn eines der beiden Dithmarscher Grafen und einer
Schwester der Richenza) kann ich nicht als stichhaltig anerkennen.
Vergleiche Meyer von Knonau 1, 4423 n. 57.]. Aus ihrer ersten Ehe mit dem
baierischen Edlen Lippold, dem Sohn der Glismod, stammte
der Graf Ekbert. In zweiter und dritter Ehe waren ihre Gatten zwei
Brüder, die Dithmarscher Grafen Dedo und Etheler der Weiße.
Sie fielen beide durch die Dithmarschen. So war Idas einzige Stütze
der Graf Ekbert, da der andere Sohn Burchard sich frühzeitig
dem geistlichen Stande gewidmet hatte [265 Über diese verwandtschaftlichen
Beziehungen siehe Krause, a.a.O., Seite 639ff., Gisi, Der Ursprung des
Hauses Rheinfelden, AfschwG, 1887, Seite 26ff., Dehio, a.a.O., Meyer von
Knonau I, 652ff.]. Mit Ekbert zusammen verwaltete sie ihre Allodialgüter.
In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft saßen die verwandten Grafen
von Stade. Graf Udo II. von Stade, der Sohn des 1056 zum Markgrafen der
Nordmark ernannten Lothar-Udo, beschloß diese Lage auszunutzen, um
die Besitzungen der Ida an sich zu bringen [266 So darf man
vielleicht annhemen. Dehio geht zu weit, wenn er davon spricht, daß
Ekbert im Kampf gegen Udo von Stade bei der Verteidigung seiner
Güter "gefallen" sei. Zu einer solchen Auffassung berechtigt die Darstellung
der Stader Annalen nicht.]. Hierzu war aber die Beseitigung ihres Sohnes
und Schützers, des Ekbert, erforderlich. So kam es zum Morde.
Bei Wistedt, in der Nähe von Elsthorpe, erschlug Udo, so berichten
die Stader Annalen, seinen Vetter Ekbert. Die Gräfin war nun
ihres Erben beraubt, ihr Besitztum lag offen vor den STADERN da. In ihrer
Not begab sie sich zu ihhrem Onkel, dem Papst. Dieser riet ihr zur Versöhnung
und Nachgiebigkeit. So verzieh Ida nach ihrer Rückkehr dem
Mörder ihres Sohnes und nahm ihn sogar, um ihre Güter in Ruhe
nutzen zu können, zum Sohn und Erben an [267 Ann. Stadens.,
MG. SS. XVI, p. 319, 33ff. - Die Tat muß zwischen 1049 und 1053 erfolgt
sein, wenn die Stader Nachricht glaubwürdig ist, daß Ida
zu ihrem Onkel Leo IX. nach Rom gezogen sei, um sich bei ihm Rat
und Trost zu holen. Leo IX. wurde im Dezember 1048 von HEINRICH
III. eingesetzt und starb am 19.IV.1054. Jaffe, Reg. Pontif.
Roman. I², p. 529, 548. Vergleiche Krause, a.a.O., Seite 642.]. Dieser
gab ihr als Entgelt dafür 300 Hufen aus stadischem Alodialbesitz auf
Lebenszeit [268 Albert von Stade ist für alle diese Begebenheiten
leider unsere einzige Quelle, sodaß wir seine wirren und vielfach
unrichtigen Mitteilungen schlecht prüfen können. Als er sie um
die Mitte des 13. Jahrhunderts niederschrieb, ließ er die chronologische
Ordnung völlig außer Acht. Er verwechselte außerdem wie
der Ann. Saxo ad a. 1056 den Vater Lothar-Udo mit dem Sohne Udo, der 1082
starb, und nennt den Mörder marchio, obwohl erst dessen Vater
1056, mehrere Jahre nach dem Tode Ekberts, Udo II. selbst 1057 zum
Markgrafen ernannt wurden. (Vergleiche Meyer von Knonau I, 39 nr. 28).
Die Tochter der Oda, der Schwester Ekberts, mit Namen Akarina,
wird eine Tochter der Ida genannt. (Vergleiche Krause, a.a.O., Seite
646). Endlich sagt Albert von Stade, daß Udo den Mord auf Anstiften
der Brüder Friedrich und Ulrich von Stade ausgeführt hätte
(a.a.O., p. 321, 6). Dies ist aber unmöglich, da Friedrich erst 1135
starb. Hier hat der Chronist den Tod Ekberts mit dem des Markgrafen
Ekbert 1090 verwechselt.]. Noch zu ihren Lebzeiten, im Jahre 1057,
folgte Udo seinem Vater in der Markgrafschaft nach. Nach ihrem Tode fiel
ihr Allodialbesitz an ihn [269 Vergleiche Krause, a.a.O., Seite
643, Dehio, a.a.O., Meyer von Knonau I, 423 nr. 57.]. Er hatte seine Absicht
voll erreicht.
Haben sich all diese Ereignisse tatsächlich so abgespielt,
so belegen sie wiederum die völlige Abhängigkeit des damaligen
Rechts und seiner Wahrnehmung von äußeren Einflüssen. Der
Papst selbst vermag der Mutter des Ermordeten keinen anderen Rat zu geben,
als den, sich mit dem Mörder zu verständigen, ihm zu Willen zu
sein. Daß sie den Möerder sogar an Sohnes statt annimmt und
zum Erben einsetzt, erscheint unserer heutigen Auffassung etwas ungeheuerliches.
Der damaligen war es zweifellos der einzige, klug gewählte Ausweg
aus einer gefährlichen Lage. Auf Bestrafung der Tat Sühne für
den Ermordeten, also Durchsetzung des Rechts, scheint hier von vornherein
verzichtet und alles Streben auf die Schaffung persönlicher Sicherheit
gegen weitere Rechtsverletzung durch gütliche Vereinbarung mit dem
Rechtsbrecher gerichtet worden zu sein. So mußte das Recht in seiner
Wirksamkeit eine Schranke finden in der Berücksischtigung der Macht
dessen, der es brach [270 Vergleiche die Verhältnisse bei der
Ermordung des Grafen
Wichmann 1016, oben Seite 55ff.].