Lampert von Hersfeld: Seite 262,300
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"Annales/Annalen"
 

Das Jahr 1075.

 
1075 feierte der König das Weihnachtsfest zu Strasburg. Und da sich sehr viele von den Fürsten, welche er mit allem Fleiße aus dem ganzen Reiche zu dem Festtage geladen hatte, hier  einfanden, so hielt er mit ihnen eine geheime Berathung, und suchte sie auf alle Weise zur Erneuerung des Krieges mit den Sachsen  zu bewegen. Vieles spendete er ihnen gleich jetzt, mehr noch verhieß er für die Zukunft; niemanden, auch den geringsten nicht, der nur immer zur Ausführung so großer Dinge für brauchbar gelten konnte, überging er ohne ihn durch gegenseitig geleisteten und empfangenen Schwur sich treu und verbindlich zu machen; vorzüglich aber bestimmte er alle zur Einwilligung durch das Versprechen, daß er mit eidlicher Betheuerung jedem einzeln zusagte, wenn er mit ihrer Hülfe Sachsen und Thüringen wieder gewonnen hätte, so würde er ihnen beide Lande übergeben, um sie nach ihrem  Gutdünken unter sich zu theilen und stets zu erblichem Rechte zu besitzen. So glühend von Zorn wollte er nichts lieber, als das Blut derjenigen, die ihn beleidigt hatten. Doch hatte er dieses nun schon  ein ganzes Jahr so viel als möglich verheimlicht, so sehr, daß er die Fürsten von Sachsen, so oft sie zu ihm gekommen waren,  prachtvoll empfing, und an die abwesenden häufig friedliche und ehrenvolle Botschaften richtete.
 
Wenige Tage hierauf kam er nach Mainz, wo sich der König der Ruzenen, mit Namen Demetrius, bei ihm einstellte, und ihm unschätzbare Reichthümer an goldenen und silbernen Gefäßen und sehr köstlichen Stoffen darbrachte, mit der Bitte ihm gegen seinen Bruder beizustehen, der ihn gewaltsam aus dem Reiche vertrieben und sich des Throns mit tyrannischer Grausamkeit bemächtigt hätte.  Unverzüglich wurde vom Könige Burchard, Propst der Kirche von Trier, abgesandt, um mit jenem wegen der Unbilden, die er seinem Bruder zugefügt hatte, zu unterhandeln, und ihn aufzufordern, von der Regierung, welche er unrechtmäßig an sich gerissen hätte, freiwillig zurückzutreten; sonst werde er die Macht und die Waffen des deutschen Reiches ehestens kennen lernen. Dieser schien deswegen zu  einer solchen Gesandtschaft geeignet, weil der, an welchen er geschickt  wurde, mit seiner Schwester vermählt war, und er selbst aus dieser Ursache bei dem Könige mit den angelegentlichsten Bitten erlangt hatte, daß einstweilen gegen jenen kein härterer Beschluß gefaßt wurde. Der König der Ruzenen wurde dem Markgrafen Dedi von Sachsen, unter dessen Geleite er dahin gekommen war, von dem König anvertraut, um ihn bei sich zu behalten, bis die Gesandten zurückkehren würden.
 
Nach Beurlaubung des Heeres kam der König eilends gen Worms. Bald hierauf kehrte auch Burchard, Propst der Kirche zu Trier, welcher als königlicher Botschafter an den König der Ruzenen gesandt war, zurück und brachte dem König so viel an Gold und  Silber und köstlichen Gewändern, daß man versichert, zu keiner früheren Zeit seit Menschengedenken sei so viel auf einmal in das deutsche Reich gebracht worden. Um diesen Preis wollte der König der Ruzenen den König bloß dazu erkaufen, daß er seinem Bruder, den er aus dem Reiche vertrieben hatte, keine Hülfe gegen ihn gewähren möchte. Aber dieses hätte er sicher auch umsonst erlangen können, da der König, mit inneren und einheimischen Kriegen beschäftigt, zu auswärtigen und gegen so entfernte Völker zu  führenden Kriegen durchaus keine Muße hatte. Dem an sich großen Geschenke verlieh die gelegene Zeit noch größeren Werth. Denn durch die außerordentlichen Ausgaben des jüngsten Krieges war der  königliche Schatz ganz erschöpft, und das Heer verlangte heftig und mit Ungestüm den Lohn des neulich beendigten Feldzuges; und hätte der König demselben nicht nach Wunsche mit königlicher Freigebigkeit Genüge gethan, so ließ sich mit Sicherheit annehmen, daß er für den übrigen Theil der Sache, welcher noch weit bedeutender zu werden drohte, auf die Ergebenheit des Heeres weniger würde bauen können.