GOLDENES VLIES, ORDEN VOM
 

Lexikon des Mittellaters: Band IV Spalte 1545
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Goldenes Vlies, Orden vom (Toison d'Or)
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Ritterorden der Herzöge von Burghund aus dem Hause VALOIS, sodann der HABSBURGER, wurde Herzog Philipp dem Guten anläßlich seiner am 7. Januar 1430 zu Brügge geschlossenen Ehe mit Isabella von Portugal gestiftet, als Vereinigung der höchsten Adligen im Umkreis des burgundischen Herzogshauses sowie verbündeter Fürstlichkeiten. Der Orden, dessen Oberhaupt (souverain) der Herzog von Burgund war, umfaßte 24 Ritter mit vier echten und rechten adligen Ahnen (Nachweis durch Vier Ahnenprobe). Die regelmäßig zusammentretenden Kapitel des Ordens fanden in den ersten Jahren um den Tag des burgundischen Haus- und Ordenspatron, des heiligen Andreas (30. November), statt, das erste Kapitel 1431 in Lille, die weiteren in anderen Städten und Herrschaften, je nach wechselnden politischen Konstallationen. Die Palastkapelle zu Dijon war der offizielle Sitz des Ordens und wurde 1432 mit den Wappen der Mitglieder ausgeschmückt. Dies wurde in allen Kirchen, in denen Ordenskapitel getagt hatten, zum üblichen Brauch (erhaltene Wappen in: Brügge, Liebfrauenkirche; Den Haag, Jakobskirche). Nach den Statuten vom November 1431 verfügte der Orden über je einen Kanzler, Schatzmeister, Historiographen und Herold. Die Mitglieder verpflichteten sich zum täglichen Tragen der Halskette, an der das Goldene Vlies als Abzeichen hing. Bei Zeremonien trugen sie einen Ornat mit Dalmatika und Pluviale vgl. den in der Weltlichwen Schatzkammer in Wien aufbewahrten Paramentenschatz). Der Motivkreis um Jason und die Argonauten erhielt eine bedeutende Rolle durch das burgundische Mäzenatentum.
Der Orden vom Goldenen Vlies ist dem 1348 gestifteten, gleichfalls 24 Mitglieder zählenden englischen Hosenbandorden (Garter) vergleichbar; dem burgundischen Vorbild folgte König Rene von Anjou-Provence mit dem Halbmondorden (1448) und König Ludwig XI. von Frankreich mit dem Michaelsorden (1469), beide ebenfalls mit 24 Rittern. Über das mit der dynastischen Eheschließung des Herzogs hinausgehende Symboldenken und den Wunsch nach einer  Neubelebung des Ritterideals hinjaus wurde Herzog Philipp bei seiner Ordensgründung wohl von der Sorge um die Integration des hohen Adels in den neuerworbenen Ländern (Namur, Hennegau, Holland, Seeland) und dem Bedürfnis, der Größe seiner Dynastie Ausdruck zu geben, geleitet (vgl. auch die Aufnahme verbündeter Fürsten, so des Grafen Friedrich von Moers 1431, mehrerer französischer Lehnsfürsten 1440, des Königs Alfons V. von Neapel-Aragon 1445, des Herzogs von Kleve 1461). Ungeachtet der Vorschrift rechter ehelicher Geburt wurden Bastarde (grand batard) der Häuser BURGUND und LUXEMBURG in den Orden aufgenommen. Die Ritter vom Goldenen Vlies hatten das Privileg, nur von ihren pairs, den anderen Ordensrittern, gerichtet zu werden; auch durften sie Beschwerden
(doleances) unmittelbar an den Herzog richten und Streitigkeiten schlichten. Wie aber zum Beispiel der erfolglos gebliebene Vermittlungsversuch von Ordensrittern im Konflikt zwischen Erzherzog Maximilian und seinen flämischen Gegnern (1484) zeigt, war die politische Rolle des Ordens im allgemeinen weniger bedeutend als sein Symbolwert.