Nur unter Zusammenfassung verschiedener, teils schon genannter, teils noch später zu erwähnender Anzeichen können wir den Grafen Wichmann III. mit Wahrscheinlichkeit für einen Sohn Ekberts des Einäugigen ansehen [1 Näheres hierzu unten Seite 86 ff.].
8. und 9. Graf Wichmann III. (+ 1016) und sein Sohn
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Um die Zeit der Geburt Wichmanns III. ungefähr
zu bestimmen, könnte man angesichts des bei seiner Ermordung im Jahre
1016
zurückgelassenen, noch unmündigen Sohnes annehmen, daß
er bei seinem Tode noch in den besten Mannesjahren gestanden habe und somit
für sein Geburtsdatum etwa die Zeitspanne von 970 bis 980 in Frage
käme. Vollkommen gesichert ist sein Todesdatum, das uns vor allem
wegen seines ungewöhnlichen Endes in der zeigenössischen Geschichtsschreibung
mehrfach bezeugt ist. Er wurde auf Grund voraufgegangener Streitigkeiten
durch Anstiftung seitens der schon erwähnten Gräfin Adela (Tochter
Wichmanns von Hamaland) und ihres 2. Gemahls, des Grafen Balderich, am
9. Oktober 1016 zu Upladen im Gau Hamaland, in der Nähe von Nimwegen,
erschlagen
[1
Alpertus, De Diversitate, II, 12 Hulshof Seite 41f.]. Nach Thietmars
Schilderung [2 Thietmar VII, 47 Seite 456ff.] war Balderich in der
seit langem bestehenden Fehde schon mehrfach völlig besiegt und gedemütigt
worden. Wichmann III. suchte nun durch einen Friedensvertrag die
Zwietracht beizulegen. Er lud seinen Feind in sein Haus, entließ
ihn mit Gastgeschenken und folgte bald darauf einer Gegeneinladung, die
ihm aber zum Verhängnis werden sollte. Durch einen vergifteten Trank
erkrankte er, entfernte sich dann aber nichtsahnend unter herzlichen Abschiedsworten,
um bald darauf von einem Knecht Balderichs hinterlistig überfallen
und ermordet zu werden. Die Nachricht verbreitete sich sehr schnell, und
so konnte der Bischof Dietrich von Münster die Leiche nach Vreden
[3 Vreden im heutigen Regierungsbezirk Münster Kreis Ahaus,
etwa auf halbem Wege zwischen Arnheim und Münster.] geleiten und den
Verstorbenen, seinen Freund, "bei seinen Vätern", vermutlich einem
Erbbegräbnis [4 Thietmar VII, 48 Seite 458ff.] der Wichmannschen
Familie beisetzen lassen [1
Thietmar VII, 48 Seite 458. Daß Freytag (Seite
156) Vreden als Widuklindisches, an die Wichmannsche Linie gelangtes
Erbe nachzuweisen sucht, wurde oben Seite 36 schon erwähnt.]. Die
Angabe des Todestages findet sich allerdings in den verschiedenen Quellen
nicht eindeutig bezeugt. Nach den Hildesheimer [2 Ann. Hild. SS.
III, Seite 95.] wie auch den Quedlinburger Ananlen [3 Ann. Quedl.
SS. III, Seite 84.] wurde Wichmann III. am 6. Oktober ermordet,
und nach dem Necr. Mers. [4 Necr. Mers. hg. von Dümmler in
den Neuen Mitteilungen II, 2 Seite 242.] schon am 5. Oktober während
das Necr. S. Mich. Lun. [5 Necr. S. Mich. Lun. Wedekind Noten III,
Seite 75.] den 9. Oktober angibt. Ich glaube, wir können das
letztgenannte Datum für das sicherste ansehen, nicht nur, weil es
am Stammsitz der BILLUNGER-Familie
und in dem dieser Familie besonders verbundenen Kloster aufgezeichnet wurde,
sondern weil es eben auch mit den Angaben Alperts, der über die Einzelvorgänge
am besten unterrichtet zu sein scheint, übereinstimmt. Bevor wir auf
seinen Bericht näher eingehen, ist noch einiges für uns Bemerkenswerte
aus der Thietmarschen Schilderung vorzutragen, insbesondere das über
die legitime Vormundschaft des BILLUNGER-Herzogs
Bernhard II. über den noch unmündigen Sohn Wichmanns
Ausgesagte [6 Thietmar VII, 48 "Bernhardus dux, nepos
meus, qui iure filii prefati comitis adhuc parvuli et tocius hereditatis
tutor et nefandi criminis ultor extiterat".] Nach dem Begräbnis
begann Bischof Dietrich, um die Tat zu rächen, die Hauptfestung Balderichs
Upladen bzw. Upplan zu belagern, bis Herzog Bernhard II. die legitime
Vormundschaft übernahm, die wohl mit das beachtenswerteste Zeugnis
für die Zugehörigkeit Wichmanns III. zur BILLUNGER-Familie
sein dürfte [7 Die Verwandtschaft wird auch von Alpert (Seite
11) bezeugt, wenn es heißt "Heinricus Burgundia rediens, Munnam
et omnia quae Wicmanni erant Bernhardi duci, ut filium suum
parvulum nutrioret donec adolesceret, commisit."], da Bernhard wohl
kaum in seiner Eigenschaft als sächsischer Herzog diese Pflicht übernommen
haben wird.
Nun muß man allerdings zugeben, daß Thietmar
Wichmann
im Gegensatz zu seinen Feiden auffallend günstigem Licht darstellt.
Er ist nur der friedliche, arglose, dem ganzen Vaterland nützliche
Edelmann, während er Alperts Erzählung zufolge nach allen den
voraufgegangenen, ausgedehnten Streitigkeiten kaum als vollkommen unschuldig
angesehen werden kann. Außerdem erfahren wir durch Alpert etwas mehr
über seine Stellung, über die territorialen Zusammenhänge,
wie auch über seine familiären Verhältnisse [1 Alpert
II, 12 Seite 42f.]. In einigen Einzelheiten weichen die Berichte Thietmars
und Alperts auffallend von einander ab, so zum Beispiel hinsichtlich der
Ermordung, die nach Alpert in Balderichs Abwesenheit und ohne dessen Wissen
geschah [2 ebd.], während Balderich bei Thietmar als Mittäter
auftritt, der bei der Tat in der Nähe weilte und dann floh [3 Thietmar
VII, 47 Seite 456ff.].
Durch seine Gemahlin war Wichmann mit Balderich
verwandt, mit dem er wegen der Erbansprüche, die die Familie seiner
Gemahlin gegenüber dem Ehepaar Balderich-Adela erhob, in Streit geriet.
Denn Balderich war der Neffe des Grafen Gottfried von Hattuariergau, der
vor seinem Tode (1006) den schwächlichen Sohn nd das gefährdete
Erbe dem Schutz seines Schwiegersohnes Wichmann anvertraut hatte
[4 Alpert II, 1 Seite 27; siehe Vanderkindetre II, 298.]. Wichmann,
der eine uns dem Namen nach unbekannte Tochter Gottfrieds zur Gemahlin
hatte, setzte sich dann auch recht streitbar für das ihm anvertraute
Gut ein. Es würde zu weit führen, über die hier interessierenden
familiären Zusammenhänge hinaus den Zwist der beiden Parteien
näher einzugehen.
Für uns ist es das wichtigste, etwas über die
Herkunft Wichmanns, wie auch über seine Nachkommenschaft zu
erfahren, doch bieten die Quellen nur wenig. Bei den Aussagen über
die Erbschaft und die Vormundschaft über den noch unmündigen
Sohn vermissen wir jegliche Namensangabe. Wedekind hatte daraus folgern
wollen, daß der Sohn Wichmanns wohl den gleichen Namen getragen
habe, wie sein Vater [5 Wedekind, Noten II, Seite 75.], was dazu
führte, daß dieser seitdem in der Forschung überall als
Wichmann
IV. auftrat [6
Wilmans I, Seite 423 Stammatfel, Freiherr
von Uslar-Gleichen Seite 76, Holtzmann in der Thietmar-Ausgabe Seite 458
Anmerkung 2, Freytag Seite 156 und andere.]. Fraglich erscheint mir jedoch,
ob es in den Rahmen einer auf vorsichtigste Behandlung aller genealogischen
Fragen angewiesenen Arbeit paßt, ein Testimonium ex ailentio für
eine Namenseinführung auszuwerten. Wedekind meinte, daß der
Sohn
Wichmanns, der sonst nirgends wieder erwähnt wird, wahrscheinlich
im Jugendalter gestorben sei [1 Wedekind, Noten, II, Seite 75.],
während Wilmans mit einiger Bestimmtheit in dem Geschlecht der Edlen
von Gemen die Nachkommen jenes sogenanten Wichmann IV. gleubte entdecken
zu können [2
Wilmans, I Seite 427ff.]. Er nahm dieser allein
auf Grund der von ihm geschilderten Vogteiverhältnisse von Vreden
[3
Freytag, Seite 156 meint, daß die enge Verknüpfung
des Klosters Vreden mit der Wichmannschen Familie auch darin zum
Ausdruck käme, daß sehr wahrscheinlich Hadwig, die Tochter
Wichmanns
des Älteren, nicht nur im Kloster Gernrode, sondern auch Äbtissin
von Vreden war. Er verweist auf Tenhagen, Vreden Seite 145f.] an, eine
These die sich aber strenger Kritik gegenüber nicht vertreten läßt,
wie bei all diesen von territorialen Gesichtspunkten aus argumentierenden
Deutungen. Es läßt sich nur aus einigen, dem Grafen Wichmann
III. mit großer Wahrscheinlichkeit zuzuschreibenden Urkunden
etwas über seine Funktionen und über die wahrscheinliche Familienzugehörigkeit
sagen. Es handelt sich zunächst um zweiUrkunden, in denen ein Graf
Wichmann als Schutzvogt zweier, im westlichen Sachsen gelegenen Jungfrauenstifte
Metelen und Borghorst, ernannt wurde. Dies geschah in dem erstgenannten
auf Wunsch der Äbtissin Godesdiu, evetuell einer Tochter des
Herzogs
Bernhard I., der in jener Urkunde vom 25. Januar 993 [4
DO.
III., 111 Seite 522.] mit dem Grafen Ekbert dem Einäugigen
zusammen auch als Zeuge genant ist. Nun wäre, wenn man die Zusammenstellung
Godesdiu-Bernhard
und
Wichmann-Ekbert aus jener Urkunde herausliest, das heißt wenn
wir also in Godesdiu die Tochter Benhards
und in Wichmann
III. den Sohn Ekberts vor uns hätten, dies natürlich
einer der wichtigsten Belege für die Zugehörigkeit
Wichmanns
zum
BILLUNGER-Hause, bzw. zum Ekbertinischen Nachkommenschaft.
Allerdings wird Ekbert in der Urkunde nicht direkt als Vater Wichmanns
bezeichnet und es ließe sich eventuell der Einwand erheben, daß
er, falls es sich in Wichmann III. um den Sohn Wichmanns des
Jüngeren handeln sollte, auch an Stelle des verstorbenen Vaters
die Angelegenheiten seines Neffen unterstützt haben könnte, wenn
auch, wie aus den bisherigen Darstellungen hervorgeht, eine männliche
Nachkommenschaft Ekberts sehr viel wahrscheinlicher anmutet.
Wenn Wichmann in der oben genannten Urkunde als
Schutzvogt im Bereich des westlichen Sachsens erscheint [1 Borghorst
und Metelen liegen im Regierungsbezirk Münster, Kreis Steinfurt.],
so nimmt es nicht Wunder, daß er in den Ann. Quedl. auch als "Wigman,
comes occidentalis Saxoniae" begegnet [2 Ann. Quedl. SS. III,
Seite 94.], nur reichte das damalige Sachsen sehr viel weiter nach Westen
als heute und Wedekind meinte daher, daß Wichmann ein Graf
im sächsischen bzw. westfälischen Teil des Gaues Hamaland gewesen
sei [3 Wedekind, Noten II, Seite 74 siehe dazu die Karten von Spruner-Menke,
Blatt 33, und die Karte von Curs, Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert.
Der Gau Hamaland lag danach ungefähr zwischen Rhein und Ijssel.],
was auch durch eine von Alpert angeführte Rede der Adela seine Bestätigung
findet [4 Alpertus, De Diversitate II, Seite 5, Hulsdorf Seite 31
(SS. IV, Seite 715).]. Sie will die von ihrem Feinde, dem Grafen Wichmann
erbaute
Festung Munna [5
Nach Wilmans I, Seite 42 ist es das südöstlich
von Cleve bei Calcar gelegene Monterberg, oder Monreberg wie es meist heißt
(Vgl. Hulshof Seite 71)] in unmittelbarer Nachbarschaft nicht dulden "...Saxonem
istum in tanta propinquitate edificiorum vicinum nostrum pati non possum..."
Ferner beruft sie sich in einer Urkunde
OTTOS II. auf das sächsische
Recht [6 DO. III., 235 Urkunde vom 18. Dezember 996] und in der
Vita Meinwerci ist einmal von ihr die Rede mit dem Zusatz "de terra Saxoniae"
[7 Vita Meinwerci (SS. XI,108) c. 2 Seite 6.].
Wenn es sich, wie meist angenommen wird, in dem anläßlich
einer Gerichtsverhandlung zu Allstedt im Jahre 1014 genannten Grafen
Wichmann um den unsrigen handeln sollte, so wäre das unter Umständen
ein Zeichen dafür, daß seine Befugnisse eventuell zum Teil auch
bis in die Thüringer Gegend gereicht haben könnten. Der Kaiser
hatte dort offenes Gericht abgehalten, wobei er den Freunden Thietmars
von Merseburg die Gerechtigkeit verweigert haben soll. Da habe der Graf
Wichmann nicht davor zurückgeschreckt, selbst gegen den Ausspruch
des Kaisers für das Recht der unterdrückten Partei einzutreten
[8 Thietmar VII, 8 Seite 406. ], ein immerhin rühmliches und
als solches auch von Thietmar hervorgehobenes Verhalten, das dann mit dem
oben erwähnten Lob, wenn Wichmann als "comes utilia per omnia
putris" gezeichnet wird, in geweissem Sine übereinstimmen würde.