Auch Graf Wichmann der Jüngere, ein Vetter
des Königs, erhielt - trotz erbitterter Fehde - Verzeihung,
als er zum Frieden bereit war.
Als Graf Wichmann der Jüngere, ein leiblicher
Vetter OTTOS
DES GROSSEN, in blutiger Fehde verwundet wurde, soll er
- den Tod vor Augen - zu seinen Gegnern gesagt haben: "Nimm dieses Schwert
und überbringe es Deinem Herrn, damit der es als Siegeszeichen erhalte
und seinem Freund, dem Kaiser übersende. So möge jener wissen,
er können nun über einen Feind lachen, der erschlagen wurde,
oder um einen Blutsverwandten weinen." Dieses Zitat markiert ein Grundproblem
der Herrschaft OTTOS DES GROSSEN -
er hatte mit seinen Verwandten die allergrößten Schwieirgkeiten.
Die meisten Konflikte wurden durch OTTOS
Regierungsstil verursacht.
Zugleich wird uns berichtet, auch Graf Wichmann der
Jüngere, ein weiterer Vetter des Königs, sei zu Liudolf
übergelaufen.
Offenbar waren also weite Kreise des Hochadels, darunter engste Verwandte
des Herrschers, bereit, OTTOS
empörendes
Verhalten durch Aufkündigung ihrer Gefolgschaft zu ahnden. Sogar einige
Bischöfe wurden schwankend, aber der König konnte ihnen nichts
anhaben, und selbst, als Ekbert
und Wichmann von ihrem Onkel ergriffen und vor Gericht geführt
wurden, sah OTTO
davon ab, sie für
ihre Aufsässigkeit streng zu bestrafen. Er befahl deshalb, nur einen
von ihnen (nämlich Wichmann) zu inhaftieren und schickte ihn
unter ritterlicher Bewachung in eine seiner Pfalzen.
In besonders klarer Weise zeigt es sich aber am Beispiel
Graf Wichmanns des Jüngeren, seine Lebensgeschichte soll deshalb
als Modelfall dienen.
Wichmann war ein Neffe des Heerführers und
späteren Herzogs
Hermann Billung, und er stand für jene Teile des sächsischen
Adels, die sich von OTTO von Anfang
an düpiert und benachteiligt fühlten. Sein Vater,
Graf
Wichmann der Ältere (+ 944), hatte sich einst über die
Bevorzugung seines Bruders Hermann sehr geärgert und sich unter
einem Vorwand aus dem sächsischen Heer entfernt; erst der Aufstand
Thankmars
hatte ihn dann wieder zur Besinnung gebracht. Seine Söhne handelten
noch unbedachtsamer. Sie verließen den König, als sich der Konflikt
mit Liudolf gerade seinem Höhepunkt
näherte. Zur Begründung wies der jüngere Wichmann darauf
hin, sein Onkel habe als "Räuber seines väterlichen Erbes und
Dieb seiner Schätze" zu gelten. Dan begann er zusammen mit seinem
Bruder Ekbert dem Einäugigen die Fehde, und nur die kluge Reaktion
Hermann
Billungs verhinderte, daß in Sachsen der große Aufruhr
entstand. Die Wut Wichmanns wurde dadurch freilich nicht lange gezügelt.
Obwohl der König ihn ritterlich behandelte und in einem Prozeß
weitgehend schonte, benutzte der enttäuschte Graf die erstbeste Gelegenheit,
um im Verein mit seinem Bruder Ekbert erneut loszuschlagen. Als
Hermann die Revolte blutig niederschlug und seine Neffen zur Flucht
über die Elbe zwang, geschah etwas Ungeheuerliches: Wichmann und Ekbert
verbündeten sich mit zwei Abodriten-Fürsten zum Kampf gegen
das eigene Volk; der Familienzwist war ihnen wichtiger als die Verpflichtung
zum Heidenkampf.
Man hat dieses Bündnis früher meist mit Unverständnis
betrachtet, es als Hochverrat bewertet, aber in der Regel übersehen,
daß es keineswegs das erste seiner Art gewesen ist. Auch Arnulf von
Bayern hatte einstmals ähnlich gehandelt, als er "mit ungarischer
Waffenhilfe 917 nach Bayern zurückkehrte" (Werner Goez). Niemand hatte
daran seinerzeit größeren Anstoß genommen; aber im Zuge
des Liudolf-Konflikts wandeltens ich
dei Maßstäbe: Liudolf wurde
es zum Verhängnis, den Ungarn den Weg nach Franken gewiesen zu haben,
und genauso erging es auch Wichmann und Ekbert. Ein Hofgericht
verurteilte die beiden leiblcihen Vettern des Königs als "geächtete
Feinde" (hostes publici); nur ihren Anhängern wurde Begnadigung
versprochen, wenn sie die Fronten wechseln wollten. Trotzdem gingen die
Kämpfe weiter. Das bewaffnete Gefolge der beiden Brüder hielt
loyal zusammen. Unter der Führung Wichmanns fielen die Abodriten
im Frühjahr 955 in Sachsen ein. Ohnmächtig mußte Hermann
Billung mitansehen, wie alle in einer Fluchtburg versammelten Menschen
verschleppt oder getötet wurden. Selbst als OTTO
DER GROSSE einige Monate danach persönlich im Slavenland
erschien und den Kampf grausam zu seinen Gunsten entschied, fanden Wichmann
und Ekbert noch soviele Freunde, daß sie quer durch ganz Sachsen
bis nach W-Franken flüchten konnten.
Diese Tatsache deutet darauf hin, daß OTTOS
harte
Linie gegenüber den Slaven in Sachsen nicht unumstritten war, aber
klarer noch läßt sich derselbe Umstand fassen, wenn man erfährt,
daß Wichmann einige Zeit später sogar unbehelligt in
die Heimat, zur Frau und Haus, zurückkehren konnte. So mußte
ein drittes Mal ein Heer gegen den aufsässigen Grafen herangeführt
werden; es stand unter dem Befehl des Markgrafen Gero und erreichte nur
mit Mühe, daß ein Kompromiß geschlossen wurde: Wichmann
konnte sich nach einem Unterwerfungsakt und einer Erneuerung seines Treueides
bald wieder der Huld des Königs erfreuen;
Ekbert hatte unter
Vermittlung seines Vetters Brun
von Köln schon etwas früher dasselbe erreicht.
Bereits dieser äußere Ablauf des Konflikts zeigt an, wie schwer
es OTTO DEM GROSSEN fiel, seine Slavenpolitik
im sächsischen Adel durchzusetzen, udn durch die weitere Entwicklung
wird dies sogar noch unterstrichen.
Wichmann
konnte es nämlich
wagen, während der Abwesenheit des Herrschers vom Reich, also in den
Jahren 961-965, noch zwei weitere Bündnisse mit heidnsichen Großen
zu schmieden, ohne daß er deshalb die Rückendeckung seiner Freunde
und Vasallen verloren hätte. Es scheint also fast so, als ob erst
sein Tod am 22. September 967 den militärischen Widerstand
gegen Hermann Bilung und die aggressive Slavenpolitk OTTOS
I. endgültig ausgelöscht hätte.