Buch II
Kapitel 13
Markgraf Gero, der Vertheidiger des Vaterlandes,
ging, als er durch den Tod seines einzigen Sohnes, des edeln Siegfried,
heimgesucht wurde, nach Rom und legte als ein greiser Krieger, der seine
Dienstzeit nunmehr vollendet hatte, vor den Altar des Apostelfürsten
Petrus seine siegreichen Waffen nieder, und nachdem er durch seine Bitten
von dem apostolischen Herrn [dem Papst] einen Arm des heiligen Cyriacus
erlangt hatte, weihte er sich sammt seiner ganzen Habe Gott. Er kehrte
nämlich ins
Vaterland zurück, und erbaute in einem Walde ein
Kloster, das nach ihm [Gernrode] genannt wird, in welches er Hathui
[Hedwig], die Wittwe seines Sohnes, die schon vorher den Schleier
genommen hatte, als Aebtissin einsetzte, nachdem sie vom Bischof
Bernhard geweiht war. Hierauf ging er den Genannten in seligem Abscheiden
voran, am 20. Mai.
Buch VI
Kapitel 3
Indeß forderte der König, eingedenk der Kränkung
seiner Rechte in Italien, alle seine Getreuen auf, dieselbe zu ahnden,
und beschloß, in der bevorstehenden Fastenzeit mit Heeresmacht dahin
zu ziehen. Indem er dann von Merseburg nach Magadaburg sich begab, flehte
er dort zum heiligen Mauritius um seine Fürbitte bei Gott und um glückliche
Reise. Von da durch das Gebiet von Thüringen und Ostfranken ziehend,
kam er nach Regensburg. Hier hielt er eine königliche offene Sitzung,
und verlieh am 21. März seinem Vasallen und Schwager Heinrich mit
dem Beifalle aller Anwesenden vermittelst der Fahnenlanze das Herzogthum
Baiern. Als er dann auf dem Wege Augsburg erreichte, ward er vom Bischofe
Sigifrid ehrenvoll eingeholt und bewirthet. Hier verweilte er nur zwei
Nächte, und gab der Königin, von der er umständlich Abschied
nahm, Erlaubniß, sich nach Sachsen zu begeben, indem er sie der Obhut
des ihm so theuren Tagino anvertraute. Er selbst aber zog mit dem Heere
weiter bis zu einem Orte Namens Tinga. Hier stellte sich Herr Bruno,
sein Bruder, begleitet von den sich seiner annehmenden Ungarn ihm vor und
ward von ihm aus Barmherzigkeit zu Gnaden ausgenommen. Nach Augsburg kam
übrigens auch ich, auf Verlangen des Erzbischofs Tagino, mit dem ich
dann ebenfalls wieder zurückkehrte. Auf dieser Reise kamen wir nach
Gernerode, wo wir mit der ehrwürdigen Aebtissin Hathui den
Palmsonntag feierlich begingen. Am Mittwoch kam die Königin nach Magadaburg
und feierte dort den Gründonnerstag und das nächstfolgende Fest
der Auferstehung Christi [16. April].
Buch VII
Kapitel 4
Im selben Jahre, am 28. April, starb Graf Karl, der Sohn
des Markgrafen Ricdag von Meißen. Er hatte durch die unverschämten
Verläumdungen ungerechter Ankläger sein ganzes Lehen ohne einige
Schuld verloren, und trug die ihm angethane Schmach mit Ruhe und Gleichmuth.
Am selbigen Tage starb auch meine Muhme Mathilde,
die in Gernrode bei der Aebtissin Hathui, ihrer Verwandten, lange
Zeit lebte. Immer hatte die ehrwürdige Matrone gehofft, daß
jene ihr einmal folgen werde; sie beweinte die Hingeschiedene in untröstlichem
Schmerze, und folgte ihr auch selbst am nächsten vierten Juli
nach. Von dem preiswürdigen Leben derselben gehe ich einiges in kurzem
durch. Sie war die erlauchte Muhme der Königin
Mathilde. Mit dem dreizehnten Jahre hatte sie den
Markgrafen Sigifrid, einen Sohn Gero's,
geheirathet, mit dem sie nur sieben Jahre verbunden war. Nach seinem Tode
empfing sie aus Liebe zu Gott und um ihres armen Ehegemahls Seelenheil
zu fördern, vom Bischofe Bernhard [von Halberstadt] den Schleier,
und bald nachher ward sie, wie erwähnt, von demselben zur Aebtissin
geweiht. Als solche wirkte sie fünf und fünfzig Jahre lang unermüdlich,
wie Hanna [Lucä II, 37], mildthätig wie die Wittwe von Sarepta
[1. Kön. 17, 9-16], an Keuschheit und Enthaltsamkeit der Judith vergleichbar,
die ihr anvertraute Kirche verschiedentlich schmückend. Ihren Heimgang
deuteten folgende Zeichen an. Der Teich, der an der Ostseite der Stadt
liegt, sah bis zum Mittage hin aus wie Blut, und verwandelte sich dann
in Grün. Vielen schien es nun so, als ob nur um ihres Verdienstes
willen meine Muhme ihr mit der Palme der Jungfrauschaft habe voraufgehen
dürfen. Bestattet aber ward die treffliche Braut Christi vom Bischofe
Bernhard von Aldenburg, nicht, wo sie es wünschte, sondern wo ihre
trauernden Mitschwestern es sich erbaten, mitten in der Kirche, am Altare
des heiligen Kreuzes, und an dieser Stelle gab Gott der Allmächtige
späterhin um ihres Verdienstes willen einem Manne, der lange auf Krücken
gegangen war, einen leichten Gang wieder.