Sophia von Lothringen/Mousson
Eine Sophia, die ihrem Manne Ludwig von Mousson-Bar-Mömpelgard
die Hälfte der Allode des Herzogs Friedrich II. von (Ober-)Lothringen
zubrachte, ist nach der Tochter und der Enkelin Theophanus
die zeitlich nächste Namensträgerin. Auch sie hat den damals
besonders auffälligen Namen unter ihrer Nachkommenschaft verbreitet.
Wenn es eine Leitnamensitte gab, muss sie auch hier – in der Crême
de la crême des damaligen Reichsadels - gegolten haben. Hat sie aber
gegolten, drängt sich eine überraschende Erklärung auf,
die ich hier vorstellen will, wobei ich sie gegen den Vorwurf des Zirkelschlusses
abzusichern suche.
Kein Forscher hat bisher erklärt oder auch nur zu
erklären versucht, woher Sophia ihren Namen hat. Niemand hat
vermutet, sie könne eine Theophanu-Nachkommin
sein. Alle Forscher haben bisher angenommen, dass sie eine Schwester des
als Kind verstorbenen Herzogs Friedrich III. und der Beatrix
von Tuszien und eine Tochter Friedrichs II. und der Mathilde
von Schwaben war. Suchen wir dort nach einer Herleitung des
Namens.
Exkurs: Hermann II. und seine angebliche Ottonen-Verwandtschaft
Da wir bei Friedrichs II. durchaus bekannten Eltern
und Großeltern keinen Anhaltspunkt und keine Sophie in der
Verwandtschaft finden, müsste Sophie ihren Namen nicht von
Vater-, sondern von Mutterseite haben. Als ihre Mutter gilt Mathilde,
die in erster Ehe mit dem Herzog Konrad von Kärnten, dem SALIER,
in dritter Ehe mit Graf Esiko von Ballenstedt (einem ASKANIER)
verheiratet war.
Mathilde war als
Tochter Herzog Hermanns II. von Schwaben und der Gerberga
von Burgund (Witwe von Graf Hermann von Werl) etwa 988/990
geboren worden, war 1002 schon mit dem SALIER
Konrad, Herzog von Kärnten, († 1011 Dezember 12) verheiratet,
hatte mit ihm die Kinder Konrad (der jüngere Thronkandidat
von 1024) und Bruno (1034 Bischof von Würzburg, † 1045 Mai
27). In zweiter Ehe heiratete sie (laut Poull erst etwa 1016) Herzog
Friedrich II. von (Ober)-Lothringen, der 1026 Mai 18 (noch vor seinem
Vater, der mit ihm die Regierung teilte), starb. Recht eindeutig ist jedenfalls
die Meldung Wipos, Fridericus dux Liutharingorum, vitricus praedicti
Chuononis, imperatori inimicando
morte propria praeventus est. Dieser Ehe sollen Friedrich III.,
Sophie und Beatrix entsprossen sein.
Erwähnen wir kurz, dass Mathildes
Vater, Herzog Hermann II. von Schwaben, ein in seiner Zeit sehr
mächtiger Fürst war, der gegen HEINRICH
II. um die Nachfolge OTTOS III.
kandidiert haben soll. Er steht heute im Mittelpunkt eines erbitterten
Historikerstreits, da einzelne Forscher eine fragwürdige Meldung der
unzuverlässigen WELFEN-Chroniken
zum Anlass genealogischer Spekulationen nahmen: Ein Graf Kuno von Öhningen
habe Richlind, eine Tochter Kaiser OTTOS
I., zur Frau gehabt. Mit Kuno dürfte
Hermanns
Vater Herzog Konrad gemeint sein, Richlind
wird von den Parteigängern dieser Meinung meistens als Enkelin OTTOS
I. uminterpretiert. Grundsätzlich ist diese Diskussion
um Hermanns II. Thron-Erbrecht meiner Ansicht entschieden: “Wenn
man schon um jeden Preis einen ,geblütsrechtlichen‘ Anspruch Hermanns”
(II., Herzog von Schwaben) “postulieren will, dann läge es wohl
doch näher, die unbestreitbare, allgemein bekannte
ottonisch-karolingische
Deszendenz von dessen Gemahlin Gerberga
ins Feld zu führen (Anmerkung: Unter ihren Ahnen bis zur vierten Generation
befinden sich neun (!) Könige, darunter drei KAROLINGER…).”
Zu Herzog Konrad von Schwaben konnte ich aus dem Blickwinkel der Spanheimer-Forschung
sehr viel deutlicher machen, dass er mit dem dux Kuno de Beckilnheim, der
mit einer Jutta verheiratet war, identisch ist, was die behauptete
Ehe mit einer OTTONIN Richlind so gut
wie unmöglich macht.
Dass Hermanns II. und der Gerberga
Tochter Mathilde
einer Tochter den Namen Sophia aus der Nachkommenschaft
Theophanus
vermittelte, ist auch aus anderen Gründen auszuschließen. Mathildeserster
Mann, der SALIER Konrad, war ein Urenkel
Kaiser
OTTOS DES GROSSEN. Sie kann also nicht eine Enkelin Theophanus
und OTTOS II. gewesen sein. Konrads
und ihre Ehe wäre auf der Synode in Diedenhofen/Thionville noch heftiger
angegriffen worden, als sie es wegen des genau belegten siebenten kanonischen
(achten römischen) Grades 1003 wurde. “Herzog Otto, der Vater
des unter uns sitzenden ehrenwerten Herzogs Konrad, war der Sohn
einer Tochter des großen OTTO,
welch letzteres Schwester Gerberga
ihre Tochter dem
König der Burgunder Konrad
gab.
Konrads Tochter gebar aber Mathilde,
eben des hier unter uns weilenden Konrads Frau.” Grafisch dargestellt
und um die selbstverständlichen Namen ergänzt:
? Ks .Otto I. ?[Liutgard ? Hz. Otto ? Hz. Konrad
? ? 8 ? [v. Kärnten] ? [v. Kärnten]
? ? Konrad d. Rote] ? ?
? 8
? Gerberga ? [Mathilde ? [Gerberga ?
? [8 Ludwig IV ? 8 Konrad II. ? 8 ? Mathilde
? Kg. Frkr.] ? Kg. v. Burg] ? Hz. Hermann II.] ?
Die durch diesen gewiss zwischen Bischof Adalbero und
König HEINRICH II. abgesprochenen Angriff ausgelöste
Empörung richtete sich nicht gegen die unbestreitbare Darstellung
gemeinsamer Abstammung von König HEINRICH
I., sondern nur gegen die Anwendung einer neuen kanonischen
Zählung, die zwischen Geschwistern nur einen Schritt berechnete (quia
frater sororque in supputatione non admittitur), nicht zwei (je einer zum
gemeinsamen Elternteil) wie im römischen Recht und auch in unserem
Verständnis. Diese Verschärfung der kanonischen Regeln konnte
auf Dauer nicht durchgesetzt werden, bzw. wurde bald durch exzessive Dispensationen
umgangen.
Hier wird auch deutlich, weshalb diese Vorschriften so
oft missverstanden wurden: HEINRICH II.
spricht vom Frevel von Ehen tertii loci consanguinitatis,
da doch nach den heiligen Bestimmungen des Kanons solche ad septimam
usque generationem untersagt seien. Generatio ist hier im klassischen
lateinischen Sinn als “Zeugung, Geburt” zu verstehen, nicht als Abstand
zum gemeinsamen Ahnherrn (das ist der locus consanguinitatis). Die
Inzest-Verbote sind ja sowieso keine Glaubensinhalte. Im Neuen Testament
findet sich nichts dergleichen, und im Alten (auch weiterhin im Judentum)
waren Heiraten z. B. zwischen Onkel und Nichte erlaubt. Sie entstammen
dem römischen Recht und sind mithin ein weiterer Beweis für die
Rechtskontinuität zwischen dem spätrömischen Reich und dem
Mittelalter, die Aufgabe der Bischöfe war. Sie dienten zur Friedenswahrung
(wie jede Exogamie) und Verhinderung von Machtkonzentrationen, darum wurden
die zumindest bei Theodosius zu findenden Verbote in exzessiver Weise immer
mehr ausgedehnt. Darin hat man auch kirchliche “Erbschleicherei” (je weniger
legitime Erben, desto mehr fiel an die “tote Hand”) gesehen.
Als Enkelin OTTOS II.
wäre Mathilde
im fünften “kanonischen” Verwandtschaftsgrad mit Konrad verwandt
gewesen. Natürlich könnte Jackman auch hier behaupten, dass Bischof
Adalbero diese nahe Verwandtschaft “geheimgehalten” hätte. Ich bin
mir sicher, eine solche Geheimhaltung einer nahen Verwandtschaft mit den
OTTONEN,
auf die sich der doch im ganzen Reich bekannte Thronfolgeanspruch Herzog
Hermanns gegründet haben soll, konnte damals vor den Großen
des Reichs nicht unentlarvt durchgehen, sondern nur bei verrannten Historikern
unserer Tage.
So bleibt für Phantasten die Möglichkeit
offen, dass Mathilde
“eins” nach kurzer zweiter Ehe starb und Herzog Friedrich
II. eine zweite Gattin genommen hat, die auch Mathilde hieß und
auch eine Tochter
Hermanns II. war, aber aus einer anderen Ehe mit
einer Theophanu-blütigen Frau
stammte.
Leidingers gründliche Untersuchung über Mathildes
Mutter und ihre Familie erster Ehe genügt, um Gerbergas
Lebensdaten zu klären. Sie ist im Jahre 1000 zum letzten Mal erwähnt,
erstaunlicher Weise als matrona, obwohl sie doch verheiratet
war und die letzten Kinder noch unmündig waren. Hermann II. hätte
vielleicht in den letzten Jahren seines Lebens (1000–1004) eine zweite
Gattin nehmen können. Aber welche Theophanu-Tochter
oder -Enkelin wäre infragegekommen? Keine belegbare, keine denkbare
sogar. Und warum hätte kein Chronist eine so vornehme Verbindung erwähnt?
Wo wäre die Witwe abgeblieben? Außerdem wird eine Meldung über
Hermanns
Tod ausdrücklich von der Bemerkung begleitet, dass er von Gerberga
drei Töchter und einen Sohn seines Namens hinterließ. Von einer
zweiten Ehe und einer Tochter daraus ist keine Rede.
Entscheidend ist bereits ein einziges Argument: Herzog
Friedrich hätte eine Halbschwester seiner ersten Gemahlin nicht
heiraten dürfen. Das war nach kanonischem Recht damals ausgeschlossen.
Vollends zunichte gemacht wird dieses hypothetische Hirngespinst durch
den Reichenauer Gedenkbucheintrag von 1025, von dem gleich zu reden sein
wird.
Hätten wir ein paar Quellen weniger, ließe
sich trefflich kombinieren und die Diskussion über Erbrecht oder Wahlrecht
für die Bestimmung des Thronnachfolgers um weitere Hypothesen bereichern.
Insgesamt ist die Spekulation gescheitert, doch gibt es noch einen Spalt,
durch den man einen Fuß in die Tür der Hypothese bekommen kann.
Denn die Richtung, in der wir Theophanu
von Sophie aus suchten, war falsch.
Sophia als Tochter Herzog Friedrichs III.
Adolf Hofmeister hat erstmals die Abfolge der letzten
Herzöge aus dem ersten oberlothringischen Hause klargestellt.
Ich diskutiere die Ergebnisse nicht lang, sie sind unabweisbar, sind von
Parisse, Poull und anderen selbstverständlich übernommen worden;
doch sind die dort angeführten Nachrichten der Chronisten noch konkreter.
Wenn die Chronik von Saint-Mihiel im Zusammenhang
mit langjährigen Restitutionsbemühungen des Abtes Nanther, direkt
nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Graf Eudes/Odo (von
Blois und der Champagne) und KONRAD II. berichtet:
…cunctis morbo absumptis duce Tiedrico, filio ejus, et filio filii,
exceptis duabus puellulis Sophya et Beatrice, quae nutriebantur
in aula regis, nam conjunx imperatoris, amita earum, eas sibi adob(!)ta-verat
in filias… muss dieses im Ablativus absolutus als Vergangenheit erzählte
Wegsterben fast einer ganzen Drei-Generationen-Familie, das, wie wir wissen,
1026 mit dem Tod Friedrichs II. begann, eindeutig im Jahr 1033,
vermutlich im Mai, geendet haben, da Friedrich III., der “Sohn des
Sohnes”, erst jetzt starb. Puellula gilt für diesen Zeitpunkt. Das
Wort kann nicht für 14-jährige, also deutlich ehemündige
Mädchen verwendet werden, was die Forschung bisher übersehen
hat. Wenn laut der sehr zuverlässigen Chronik eines Augenzeugen dann
später der Abt seine Bitte an den Kaiser über die beiden Erbinnen
richtet, heißt es puellas adiit; sie sind inzwischen schon etwas
älter.
Bei Sigebert de Gembloux wird die Situation anders, aber
in selbem Sinne geschildert. Dabei muss es sich wieder um 1033 (Sigebert,
der mehrere Angaben ein Jahr zu spät datiert, meldet es unter 1034)
und Friedrich III. handeln: Friderico Mosellanorum duce mortus,
quia mares filios non habebat… “Nach dem Tode Herzog Friedrichs,
der keine männlichen Kinder hatte…”, also hinterließ er wohl
(mindestens) eine Tochter. Sein Vater Friedrich II. kann nicht gemeint
sein, denn der war 1026 gestorben und hinterließ mindestens einen
Sohn, eben Friedrich III. Die beiden Friedriche sind leicht
zu verwechseln, auch bei der Interpretation eines Textes wie Constat
me Beatrice lege vivente Saliga, filia bonae Memoriae Federighi
qui fuit Dux … Nach diesem Text kann Beatrix ebenso Tochter
Friedrichs II. wie III. sein. Aber kann sie, kann Sophia,
überhaupt Friedrichs III. Tochter sein?
Für ihre Geburtsjahre gibt es jedenfalls ein post
quem, das Poull übersieht, denn Beatrice (Beatrix) und Sophie
erscheinen nicht im Gedenkbucheintrag Mathildes
auf der Reichenau, den Schwarzmaier überzeugend auf 1025 datiert.
Selbst für den Laien sind die paläograph(o-lo-g)ischen Zusammenhänge
dieser Namengruppe evident. Hier nun die Reihenfolge:
CVONRADVS DVX ? HEREMANNVS DVX ? GERBIRCH
? MATHILTH ? FRIDERICH DVX ? CUONRADVS DVX ? BRVN ? FRIDERICH ? RVUODOLF
? ADALHEID.
Die beiden (oder drei) ersten Personen sind verstorben.
Dabei ist der erste Name von besonderer Bedeutung, auch für die Bestimmung
der übrigen. Bis jetzt dachten Schwarzmaier, Hlawitschka, Zotz, Jackman
und Wolf bei CVONRADVS DVX nur an den Herzog Konrad von Schwaben, wohl
weil er der Vater der zweiten genannten Person war. Weil sonst kein anderer
Großelternteil Mathildes genannt
wird und ausgerechnet ihr ältester Sohn, Konrad “der jüngere”,
der Thronprätendent, in diesem Eintrag fehlen würde, glaube ich,
dass hier Mathildes erster Mann, Konrad,
Herzog von Kärnten gemeint war. Natürlich ist das zweite
dux für Konrad den Jüngeren, der 1011 der Herzogswürde
privatus wurde und erst Jahre später im Amt seines Vaters eingesetzt
werden sollte, angemaßt. Allerdings nennt ihn auch Wipo cap. 21 dux
Chuono, für einen Termin, da Konrad das Herzogtum Kärnten
noch nicht innehatte. Außerdem steht dieser CUONRADVS DVX genau an
der Stelle, wo von der Logik des Eintrags der jüngere Konrad
stehen muss.
Gemeint sind also: Die Herzöge Konrad (von Kärnten,
† 1011) und Hermann (II. von Schwaben), Gerberga
(von Burgund,
Hermanns Frau oder Witwe), dann kommen
Mathilde
selber, Herzog Friedrich II. von Ober-Lothringen, Konrad von
Kärnten als Aspirant auf das Herzogtum, Brun, der spätere
Bischof von Würzburg, Friedrich, später als Herzog “III.”,
ein noch nicht identifizierter Rudolf, schließlich eine Adelheid.
Alles bezieht sich auf Mathilde: Erster
Gatte (†) – Vater (†) – Mutter (wohl auch †) - sie selber - ihr derzeitiger
Gatte – ihr ältester Sohn – ihr zweiter Sohn – ihr dritter Sohn
(der erste aus zweiter Ehe) - ein vierter Sohn? - die Schwägerin
oder eine Tochter oder gar eine Schwiegertochter.
Das ist ein derart genaues “Familienfoto” Mathildes,
dass wir daraus ableiten können, es habe 1025, zum wahrscheinlichen
Zeitpunkt des Eintrags, keine weiteren lebenden Kinder Mathildes
und Friedrichs II. gegeben. Wenn Rudolf (und evtl. Adelheid) zu
diesen gehören sollte, wäre auch er ein Sohn Friedrichs II.,
wenig später (vor 1033) gestorben und sein Name hätte an seine
Abstammung vom burgundischen Königshaus erinnert.
Mir scheint, nebenbei gesagt, dass der langjährige
Dissens der schwäbischen und oberlothringischen Herzogsfamilie mit
HEINRICH
II. und KONRAD II. eher
um das burgundische Erbe als um die deutsche Krone ging. Wenn Hermann
II. laut den Annales Sangallenses maiores zum Jahr 1002 daran dachte,
mit HEINRICH II. das Reich zu teilen,
wollte er wohl schon die Nachfolge in Burgund garantiert haben… Dass Eudes/Odo
von Blois und der Champagne im “burgundischen Erbfolgekrieg” gerade Lothringen
so verheerte, hat auch damit zu tun.
Doch kommen wir wieder zur Genealogie. Ermitteln wir
ein genaueres Geburtsdatum der beiden lothringischen Erbinnen als das durch
den Gedenkeintrag und den Tod Friedrichs III. ermittelte “zwischen
1025 und 1033”. Wenn Poull die beiden ausdrücklich als Schwestern
bezeichnet, gibt er hierfür keine Quelle an. Man mag eine indirekte
in Bernoldi Chronicon A. 1092 finden, wo (nicht in allen Handschriften)
Domna Sophia (“von Mousson”) bezeichnet wird als quae
erat matertera comitissae Mathildis,
quae cum domino suo Welfone duce in Italia contra scismaticos multum
laboravit. Matertera wird indessen nicht immer im strengsten
Sinne (Schwester der Mutter) gebraucht, häufig steht der Begriff auch
für die matertera magna der Arbores consanguinitatis. Dass er – nicht
nur von Bernold – in Umkehrung zu nepos/neptis auch für eine ältere
Verwandte über die Mutterlinie gebraucht wurde, lässt sich annehmen,
vor allem wenn man die komplizierten Verhältnisse 60 Jahre später
nicht mehr genau kannte. Auch wenn der Sohn Sophias in Italien als Fredericus
comes, nepos Beatricis ducissae, filius Lodovici comitis bezeichnet wird,
muss man das nepos nicht als “Neffe ersten Grades” einengen, und Beatrix
und Sophia zu Schwestern machen.
Ein Seitenblick auf Beatrice
Beatrice/Beatrix, laut Poull die jüngere der
beiden, wurde 1037 mit Bonifacio di Canossa verlobt, und begab sich im
Juni dieses Jahres nach Italien, die Hochzeit wurde in “Marego” gefeiert.
Bonifacio de Canossa ist etwa 985 geboren, er stirbt 1052. Zwei Kinder
Beatrices - Federico und Beatrice - sterben jung, das dritte, die
berühmte Markgräfin Mathilde von Canossa, ist 1046 geboren. Beatrices
zweite Ehe mit Gottfried dem Bärtigen war kanonisch unproblematisch
(4:4 oder 4:5 nach römischer Zählung): Gottfried ? Gozelo (1033
Herzog O’Lothringen) ? Gottfried (Gf. Verdun) ? Gozlin (Gf. Verdun) ? Wigerich
? Friedrich I. ? Dietrich ? Friedrich II. [?Friedrich III.] ? Beatrice.
Wenn Beatrice 1037 ehemündig war, muss sie
spätestens 1026 geboren worden sein. Wenn die Ehe aber erst später
rechtskräftig, also vollzogen wurde, kann man auch ihr Geburtsdatum
entsprechend später datieren. Aber arg gequält ist das schon.
Auch kann man die drei Namen ihrer Kinder von der lothringischen Familie
ohne Zwischenglied ableiten. Ihr eigner Name ist aus der Vorfahrenschaft
erklärbar, obwohl andere Namen nähergelegen hätten. Gerberga,
Richlint waren ihre Großmütter, Gisela
ihre
Tante. Vermutlich gab es ältere Schwestern mit diesen Namen, die früh
gestorben waren. Beatrice hieß
aber die robertinische Stamm- und Erbmutter
des oberlothringischen Hauses, Tochter von
Hugo
dem Großen und Gattin von Friedrich I., also Urgroßmutter
der jungen Beatrice. Übrigens ist der Name Beatrix/Beatrice
selber rätselhaft, denn die Annahme, er sei ein Diminutiv von Bertais
(Berta, Bertrada), der auch Settipani anhängt, erscheint mir keineswegs
sicher. Soweit ich sehe, sind alle Namensträgerinnen von einer einzigen
abzuleiten, der Tochter
Heriberts I. von Vermandois
und einer unbekannten Mutter. Sie wurde Gattin des späteren
Königs
Robert und Großmutter der nach Lothringen verheirateten
Beatrice.
Es gibt übrigens eine – freilich rein zufällige – Übereinstimmung
zwischen dieser und ihrer berühmteren Urenkelin, der “canusinischen”
Beatrice: Auch sie führte nach dem Tod des Gatten (Herzog Friedrich
I. starb 978 Mai 18) bis zu ihrem Tode (September 23 nach 987) allein und
erfolgreich die Herrschaft.
In den Zwischengenerationen sind Trägerinnen des
Namens nicht belegt, aber doch zu vermuten. Trotzdem spricht diese Namengebung
eher dafür, dass nur zwei und nicht drei Generationen zwischen den
beiden Beatricen liegen. Es fällt schwer zu glauben, dass Beatrice
von Tuszien nicht ein spätes Kind Mathildes
und Friedrichs II. war. Außerdem hätte Friedrich III.
einer ersten oder zweiten Tochter mit höchster Wahrscheinlichkeit
den Namen Mathilde gegeben, vor allem wenn, wie ich glaube, nicht nur die
väterliche Großmutter so hieß.
Im Besitz und der Hinterlassenschaft Mathildes von Canossa
finden sich Komplexe in der heutigen Pfalz (Stetten, Lutera, Quellen der
(Wies?)Lauter, Deidesheim), die sich mit größter Wahrscheinlichkeit
auf ihre Großmutter Mathilde
und weiter zurück auf konradinischen
Ursprung zurückführen lassen, da er weder über ihren Mann
(Bonifacio) noch über die oberlothringischen Herzöge noch
über ihre Urgroßmutter Gerberga von
Burgund herzuleiten ist. Einzige Alternative ist die väterliche
Großmutter Richilde, die Tochter des Grafen Folmar, eine Familie,
die später nachweislich Besitz in der heutigen Pfalz besaß.
Gerade diese Linie, die auf den BOSONIDEN
Bivin führen dürfte, ist noch wenig erforscht.
Endlich: Sophia
Sophia tritt erst “vers 1040”, drei Jahre nach Beatrice,
die Erbschaft an und in die Ehe. Ihr zweiter Sohn soll etwa 1045 geboren
sein. Demnach wäre sie jünger als Beatrice. Trotzdem wird sie
in der Chronik von St. Mihiel vor Beatrice genannt. Vielleicht geschah
dies nur, weil zu ihrem Erbe die Vogtei der Abtei gehörte. Wir müssen
aber annehmen, dass die Erbschaft erst nach der Abfassung der Chronik geteilt
wurde, weshalb diese Begründung wenig verfängt.
Eher aber wurde Sophia zuerst genannt, weil sie eine
(erste und einzige) Tochter Friedrichs III. war. Als Tochter des letzten
regierenden Herzogs war sie jünger, aber im Erbanspruch ranghöher
als Beatrice, ihre kaum ältere Tante, die wie sie noch als Säugling
oder Kleinkind den Vater und wohl auch die Mutter verloren hatte.
Gegen die Annahme einer späten Geburt spricht nur
scheinbar die Meldung von ihrem Todesalter in Bernoldi Chronicon zum Jahr
1093: Nobilissima comitissa Sophia, vidua Ludowici comitis, mater piae
memoriae Beatricis ducis et Friderici marchionis, in senectute bona.
Dieses gute Alter wird nämlich durch eine biblische Ergänzung
näher definiert: cum iam multos filiorum filios videret, diem clausit
extremum. Eine Menge Kindeskinder gesehen zu haben, bedeutet schon ein
“gutes” Alter. Dazu musste sie nicht 75 Jahre alt geworden sein.
Die Vorausetzung, dass Friedrich III. geheiratet haben
muss, um sie in der Ehe mindestens zu zeugen, ist gegeben. Wenn er (spätestens
1032!) die Regierung angetreten hat (wie Urkunden bezeugen), wird er auch
geheiratet haben. Er war ja der letzte Spross seines Hauses und sollte
rasch für einen Erben sorgen. Da es aber überhaupt keine Belege
für einen Herzog von Ober-Lothringen zwischen 1027 und 1032 zu geben
scheint, kann er schon früher (herrschafts- und ehe-)mündig geworden
sein. Warum Poull die Heirat seiner Eltern erst auf “sans doute vers 1016”
datiert und befindet, Friedrich III. “semble avoir vu le jour vers 1017”,
begründet er nicht. Selbst wenn Mathildes
Ehen nicht so rasch aufeinanderfolgten wie die ihrer Schwester Gisela,
könnte sie nach dem Tod des ersten Mannes Ende 1011 schon Ende 1012
zum zweiten Mal geheiratet und im nächsten Jahr den ersten Sohn bekommen
haben. Friedrich II. konnte dazu jedenfalls alt genug sein, seine
Eltern waren belegtermaßen spätestens 992 verheiratet. Friedrich
III. hätte also schon relativ bald nach dem Tod des Großvaters
– sagen wir 1029 und mit 16 Jahren – dessen Nachfolge übernehmen und
eine Ehe schließen können. Aber mit wem? Dieser ihrer Mutter
hätte Sophie ihren Namen zu verdanken.
Wer war Sophias Mutter?
Der junge Friedrich III. heiratete gewiss unter
Anleitung seiner Mutter, die ja wohl immer hinter der Fronde gegen KONRAD
II. steckte und in eben jener Zeit den König
Mieszko (II.) von Polen auszeichnete, einen wichtigen Gegner
KONRADS.
Zuletzt hat Mathilde noch Esiko
von Ballenstedt - einen Verbündeten Mieszkos
- geheiratet und ihm einen Adalbert und eine Adelheid
geboren. 1030 feiert sie freilich das Osterfest am kaiserlichen Hofe in
Ingelheim, sie starb im Juni, vor 1033, also 1030…1032.
Ein ganz ungewöhnliches Indiz habe ich mir nämlich
aufgespart: Mathildes Verbindung zu
König
Mieszko. Im Kloster Neuzelle bei Frankfurt an der Oder wurde
eine Handschrift von des Pseudo-Alkuin Liber de divinis officiis (von 1026/27)
aufbewahrt. Bevor sie 1857 in Berlin verschollen ging, wurde Blatt 3v in
einer Farbtafel festgehalten. Sie zeigt die durchaus noch junge Dedikantin
(weist der Schleier auf Witwenstand?) und den Empfänger, mit der Beischrift
in Hexametern oder einem Distichon: Hunc librum regi Mahthilt
donat
Misegoni/quam
genuit clarus Suevorum dux Herimannus. (Mechthild
macht dieses Buch zum Geschenk dem König
Mieszko, sie, des berühmten Hermann, des Schwaben-Herzoges,
Tochter.) Diese Schenkung weist meiner Meinung auf eine enge – bestehende
oder geplante – familiäre Bindung hin. Mahthilt/Mathilde
bezeichnet sich ausdrücklich als Tochter Hermanns II. Warum
sie nicht ihre ebenso herzoglichen Männer nennt, von denen der zweite
zur mutmaßlichen Schenkungszeit vielleicht noch lebte oder
wahrscheinlicher gerade gestorben war, bleibt mir unklar; ebenso, warum
sie sich nicht auf ihren ältesten Sohn Konrad bezieht, der
doch wohl gemeinsame Sache mit Mieszko
machte. Dass dieser auf dem Dedikationsbild als König dargestellt
ist, entspricht der Widmung, wo der Titel bedeutsam vorangestellt ist.
Natürlich können auch die Zwänge des Metrums das verursacht
haben. Am plausibelsten ist das alles, wenn Mathilde
mit Mieszko eine Verschwägerung
anbahnen wollte.
Was lag für Mathilde
damals näher, als ihren Sohn zweiter Ehe mit einer nahen Verwandten
Mieskos
zu vermählen? Mieszko war (wohl
seit 1013) mit der EZZONIN Richeza verheiratet
und von 1025 bis zu seinem Tod 1034 Mai 10 König von Polen (ab 1032
aus Polen vertrieben). Sein späterer Nachfolger Kazimierz
I. war 1016 Juli 25 geboren. Möglicherweise hatte Mieszko
eine etwas ältere oder nur wenig jüngere Tochter (wir haben keinen
Beleg dafür!), die im genau richtigen Heiratsalter für Friedrich
III. gewesen wäre. Wenn es sie nicht gab, gibt es eine Alternative:
Eine Schwägerin Mieszkos… Mutter
Sophias wäre dann nicht eine Enkelin, sondern eine Tochter des Pfalzgrafen
Ezzo; es kann durchaus eine von denen sein, die in der hagiographischen
Chronik von Brauweiler als im geistlichen Stand verstorben bezeichnet werden;
am ehesten die vermutlich jüngste, Sophie, die 1025/1026 mit ihrer
Schwester Ida und drei weiteren Mädchen aus dem Stift Gandersheim,
wo sie zur Erziehung bei ihrer gleichnamigen Tante war, nach Mainz ins
(St. Marien-)Kloster Altmünster geflüchtet war, nach kurzzeitiger
Rückkehr nochmals “entführt” wurde und die zwischen 1031 und
1038 gestorben sein muss, bestimmt nicht als Äbtissin, weder in Mainz,
wie die Brauweiler Überlieferung will, noch anderswo. Die Brunwilarensis
monasterii fundatorum actus sind keinesfalls so zuverlässig, wie sie
von den Erforschern der EZZONEN gerne angesehen werden, zumindest sind
sie nicht vollständig. So werden z. B. zwei Töchter der Königin
Richeza nicht erwähnt, die eine selber Königin (von
Ungarn), die andere Großfürstin. Die geistlichen Bezüge
stehen – zuweilen sogar entgegen den Tatsachen – im Vordergrund. Dabei
entstanden die actus ca. 1070, also kaum ein Menschenalter nach unseren
Begebnissen. Der Autor sagt, er könne die Genealogie Ezzos antiquitate
temporum et maiorum neglectu nicht referieren. Zeitlicher Abstand und Vernachlässigung
durch die Vorgänger - überzeugend klingt das nicht. Insgesamt
gehört eine gründliche Untersuchung über die sogenannten
EZZONEN und HEZELINIDEN zu den großen Desiderata der Mittelalter-Genealogie.
Meine genealogische Rekonstruktion erklärt mithin
mehr als nur den Namen der Sophie, später “von Mousson”. Eine eher
kirchengeschichtliche Implikation besteht in dem Objekt, das Mathilde
dem
Polen-König schenkte: Der Inhalt (der unter dem Namen Pseudo-Alkuin
bekannte Liber de divinis officiis) hat ja eine besondere Bedeutung in
der Mainzer Liturgie. Gerade der gekürzte und veränderte zweite
Teil des Traktats beeinflusste das in der Mitte des 10. Jahrhunderts in
Mainz entstandene Pontificale Romano-Germanicum entscheidend. Ob Erzbischof
Aribo, der ja mit Kaiserin Gisela wahrhaftig
nicht zum Besten stand, besondere Beziehungen zu ihrer Schwester Mathilde
hatte? Zu der EZZONEN-Tochter Sophie hatte er gewiss welche. Denn wie des
Bischofs Godehard von Hildesheim parteiischer Biograph Wolfher berichtet,
war in dem Kloster, wo Aribo diese mit ihrer Schwester Ida und drei anderen
Mädchen aus Gandersheim “unterbrachte”, seine Schwester Äbtissin.
Ob dies das Mainzer Altmünsterkloster und Wigburg war, oder Göss
und Kunigunde, lasse ich dahingestellt. Nach der Beilegung des Streits
kehrten die Mädchen nach Gandersheim zurück, um bald darauf wieder
zu entfliehen und schließlich im Kloster bei Aribos Schwester Nonne
zu werden. Erst Aribos Nachfolger Bardo stellte in Nörten zwei der
fünf jungen Damen wieder der Gandersheimer Äbtissin Sophia zurück.
Die junge Sophia war inzwischen verstorben (quae prima earum erat Mogonciae
defunctae), die beiden anderen durfte Bardo “auf demütiges Bitten
hin” zurückbehalten. Nach Gandersheim zurück kam jedenfalls Ida,
die dann dort später als Äbtissin belegt ist. Immerhin könnte
Ida auch als Witwe zurückgekehrt sein. Um die Hypothesen vollzumachen:
Unter den drei anderen Mädchen könnte auch eine Tochter Mieszkos
gewesen sein…
Der Zeitpunkt für die Rückgabe durch Bardo
(und damit ein terminus ad quem für den Tod der jungen Sophia) kann
nicht genau bestimmt werden. Er lag “frühestens zu Weihnachten 1031”.
1031 Juni 29 war Bardo zum Erzbischof geweiht worden, Weihnachten 1031
verbrachte er nachweislich bei KONRAD II.
und Gisela in der Pfalz Goslar. Spätester,
sehr unwahrscheinlicher Termin dürfte der Tod Godehards 1038 sein,
der Ida noch zur Äbtissin weihte. Ein halbwegs lückenloses Itinerar
Bardos lässt sich nicht erstellen; darum liegt es nahe, den Vorfall
ganz allgemein in seine ersten Amtsjahre zu datieren.
Ob und wann genau die jungen Frauen das ewige Gelübde
abgelegt haben, was natürlich eine spätere, aber nicht eine vorhergehende
Heirat ausschließt, scheint mir genau so auslegbar wie die Begriffe
amita (für beide Mädchen, Sophia und Beatrice,
zur Kaiserin Gisela) statt matertera
(bzw. matertera magna) und avus (Herzog Dietrich zu Sophie). Dies mit “Groß”tante
und “Ur”großvater zu übersetzen, ist erlaubt, nicht einmal ungewöhnlich;
die vage Generationendefinition ist im Falle der “Tante” geradezu zwingend,
wenn Beatrix Nichte, Sophia aber Großnichte gewesen wäre.
Finale
Auch dass keine Quelle von der sehr kurzen Ehe Friedrichs
III. berichtet, macht sie nicht unmöglich, nicht einmal unwahrscheinlich.
Dass wir von seiner Gattin nichts erfahren, ist nicht ungewöhnlich.
Wenn sie nicht schon vor ihrem Mann gestorben war, könnte sie als
Witwe ins Kloster gegangen sein. Wahrscheinlicher ist aber ihr Tod (vielleicht
bei der Geburt der jungen Sophia), sonst hätte sie wohl einen zweiten
Mann genommen, um die Herrschaft in Lothringen und die Sorge für die
Hinterbliebenen zu übernehmen. Falls es sich um die EZZONIN Sophia
und nicht eine Tochter Mieszkos handelt,
erübrigt sich diese Überlegung, da sie bei Bardos Ausgleich mit
Bischof Godehard und der Äbtissin Sophia von Gandersheim nachweislich
bereits tot war. Wenn die spätere Erbin Sophia schon bei der Geburt
die Mutter verlor, liegt es besonders nahe, dass sie deren Namen bekam.
An und für sich hätte ja der Name Mathilde am nächsten gelegen.
So hießen die beiden Großmütter (eventuell ging es mütterlicherseits
um die Urgroßmutter, aber die war eine Kaisertochter). Selbst wenn
Friedrichs III. Gattin eine Tochter Mieszkos
war, hieß diese also wohl auch Sophia. Oder wollte man mit der Namengebung
die gestrenge (Ur-)großtante in Gandersheim besänftigen?
Der Tod Friedrichs III., aber auch seiner Mutter
und wohl auch seiner jungen Frau, bald auch König
Mieszkos, beendeten alle Ambitionen. (Es ist schon auffällig,
wieviele Konkurrenten HEINRICHS II. und
KONRADS
II. vor oder bald nach deren Thronbesteigung aus dem Leben schieden.)
Kaiserin
Gisela nahm die beiden sehr kleinen Mädchen und Erbinnen
Beatrice und Sophie an ihren Hof; gewiss als deren nächste
Verwandte, aber auch, um später einmal treue Gefolgsleute mit einer
so reichen und ehrenvollen Partie auszuzeichnen. Die Fürsorge für
die verwaisten (Groß)-Nichten war zugleich eine Art Geiselnahme.
“Hier zeichnete sich eine großräumige antisalisch-ezzonische
Oppositionsbewegung ab…” urteilt Helmuth Kluger über Vorgänge
in den 50-er Jahren, als der Bayern-Herzog Kuno (ein Neffe der Königin
Richeza) sich gegen HEINRICH III. empörte
und schließlich nach Ungarn zu seiner Kusine fliehen musste, einer
Tochter Richezas und Mieszkos
II., die vermutlich Ryksa
hieß.
Ob sich die Beziehungen zwischen Mathilde
und dem kaiserlichen Paar in Mathildes letzten
Lebensjahren verbessert haben, lasse ich dahingestellt. 1030 feierte sie
jedenfalls in Ingelheim bei Schwester und Schwager Ostern und als KONRAD
II. 1034 Januar 30 den Wormser Dom beschenkte, damit dort eine
Messe für die dort bestatteten Angehörigen des salischen
Hauses gelesen werde, geschah dies auch für Mathilde
und
ihren verstorbenen ersten Mann, Herzog Konrad von Kärnten.
Man hat die Sarkophage beider im Wormser Dom, der Grablege der vorköniglichen
SALIER,
bestimmen zu können geglaubt. Man darf annehmen, dass Mathilde
nicht weit von Worms starb, vielleicht in Mainz, jedenfalls nicht in Ballenstedt
oder Lothringen. Schwarzmaier, der doch den Reichenauer Eintrag von 1025
so überzeugend als ein Dokument der Entzweiung interpretiert hat,
hat inzwischen stillschweigend diese Ansicht geändert: “…es besteht
auch kein Grund, aus heutiger Sicht einen Dissens in das so kompakte Familiengefüge
der SALIER um die Jahrtausendwende
hineinzutragen.” Vielleicht akzeptierte KONRAD
II., insbesondere nach den Erfahrungen mit OTTO
III. und HEINRICH II., seinen
Neffen Konrad den Jüngeren jetzt als potentiellen Thronfolger für
den Fall, dass sein einziger, für Krankheiten anfälliger Sohn
HEINRICH
(als König und Kaiser der Dritte) wegen Tod oder Aufstand ausfiele.
Dabei bedang er sich vielleicht aus, dass Konrad noch immer nicht heiraten
dürfe. Dessen mutmaßliche Ehelosigkeit ist ja wahrhaftig ein
genealogisches und historisches Problem.
Um abschließend meine eigenen Ergebnisse zu werten:
Ich halte es für unumstößlich, dass Sophie die Tochter
Friedrichs III. und nicht des II. war. Dass ihre Mutter eine Tochter oder
Enkelin Ezzos und der Theophanu-Tochter
Mathilde
war,
ist in hohem Grade wahrscheinlich, aber keinesfalls völlig sicher.
Freilich ist der Name Sophia im deutschen Sprachraum unter der Voraussetzung
der Leitnamensitte kaum anders erklärbar, wenn man nicht für
die Mutter eine Herkunft aus Frankreich oder Italien oder gar Byzanz annehmen
will. Während es für Beatrice und ihre Tochter intensive Untersuchungen
auch zur Besitzgeschichte gibt, ist dies für Sophia noch zu
leisten. Vielleicht ergäben sich Anhaltspunkte in Richtung auch ezzonischen
Vorbesitzes (freilich dürfte er nicht viel größer als eine
standesgemäße Mitgift gewesen sein).
Hätten wir weniger Nachrichten über Sophias
Familie, wäre es natürlich leichter, das genealogische Netz so
oder anders zu knüpfen. Darum habe ich meine anfänglichen irrwegigen
Mutmaßungen so ausführlich dargelegt und selber widerlegt. Man
sieht, wie vorsichtig man sein muss.
Ich habe auch die anderen Sophien des 11. Jahrhunderts
daraufhin untersucht, ob sich an ihnen die Namensvererbung nachweisen lässt.
Mir sind eine Menge Ungereimtheiten in den bisherigen Auffassungen begegnet.
Aber wirkliche Lösungen fand ich bisher in keinem dieser Fälle.
Ohne mich in eine Sophiasophie verlieren zu wollen, werde ich in einem
zweiten Teil gleichwohl auch diese Damen Revue passieren lassen.