Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 929
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ARIBONEN
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Führende Adelssippe, die im bayerisch-österreichischen
Raum von der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts bis weit ins 11. Jahrhundert
wichtige Amtspositionen besetzte und früh ein starkes Geschlechtsbewusstsein
entwickelte. Herkunft sowohl aus dem Freisinger als auch aus dem Mainzer
Raum. Der große Sprung dieser Sippe ins Ostland, mit dem ihre entscheidende
Profilierung verbunden war, geschieht, als Ar(i)bo, Graf des Freisinger
Raumes und Mitakteur in Oberschwaben, nach der Katastrophe des bayerischen
Heeres und dem Tod der Grenzgrafen Wilhelm und Engelschalk 871 die Donaugrafschaften
und den Traungau verwaltet und sich als marchio bezeichnete. Er ist ein
Prototyp des aristokratischen Grenzpioniers, der mit rücksichtsloser
Gewalt seine Position auszubauen suchte und langjährige Sippenkriege
mit den Nachkommen seiner Amtsvorgänger führte. Er überlebte
907 die Katastrophe von Preßburg. Dieser Arbo ist als "Spitzenahn"
in das Bewusstsein der ARIBONEN
eingegangen.
Offensichtlich konnten die ARIBONEN
nach
den Ungarnkämpfen im östlichen Donauraum nicht mehr Fuß
fassen. Dagegen übernahmen sie im 10. Jahrhundert zunächst in
den Alpen (Inn- und Zillertal) neue Funktionen. Am Hofe Erzbischof Odalberts
von Salzburg hatten sie eine zentrale Stellung, dessen Verwandter
Hartwig,
königlicher Beauftragter in Kärnten und Pfalzgraf in Bayern,
seine Tochter in die ARIBONEN-Familie
verheiratete. Aribo, Schwiegersohn Hartwigs, rückte
in die Amtsposition seines Schwiegervaters ein. Als Pfalzgraf gründete
er sein Hauskloster Seon (Chiemgau) und stattete es mit den Reliquien des
heiligen Lambert von Lüttich aus, den seine Sippe schon vor fast 200
Jahren verehrt hatte. Seine Gattin gründete zusammen mit ihrem Sohn
Aribo
(später Erzbischof von Mainz) auf ARIBONEN-Gut
das Kloster Göß (Steiermark). Bei den Kindern des Pfalzgrafen
Aribo I. wird die ganze Breite der Familienbeziehungen sowie Besitz-
und Amtspositionen sichtbar, besonders im Kärntner Raum und dessen
Pass- und Bergbaugebieten. Als Aribo 1021 Erzbischof von Mainz und
gleichzeitig königlicher Erzkapellan des Reiches, 1025 Erzkanzler
für Italien wurde, standen die "pfalzgräflichen"
ARIBONEN
auf der Höhe ihrer Macht, die sie im engen Anschluss an die Sachsen-Kaiser
gewonnen hatten. Das Paktieren
Pfalzgraf Aribos II. und seines Bruders
mit dem gegen den Kaiser rebellierenden Bayern-Herzog 1053 bedeutete den
Sturz der Familie aus der großen Politik. Die ARIBONEN
verloren
die Pfalzgrafenwürde, ihre Reichslehen und einen Teil ihrer Eigengüter
in Kärnten und Bayern. Im Reformzeitalter gründete die letzte
Generation der ARIBONEN neue Klöster
im karantanischen Bereich: Millstatt, Moggio an der Fella auf dem Wege
Villach-Aquileia und Eberndorf im Jauntal. - 1104 starben
die pfalzgräflichen
ARIBONEN
aus; die "Freisinger" Linie war schon vorher zerfallen.
Literatur:
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J. Egger, Das Aribonenhaus, AÖG 83, 1897, 385-525
– M. Mitterauer, Karol. Mgf.en im SO, 1963 – G. Diepolder, Die Herkunft
der A., ZBLG 27, 1964, 74-119 – H. Dopsch, Die A. [Staatsprüfungsarbeit
masch., Inst. Für Österr. Gesch.-Forsch. Wien 1968] – W. Störmer,
Früher Adel, 1973.
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Bayerisches Adelsgeschlecht, das von 977 bis 1053 die
Pfalzgrafenwürde von Bayern innehatte und 1104 ausstarb. Die
Vorfahren der ARIBONEN sind im historischen
Raum des Bistums Freising belegt.
Prinz Friedrich:
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"Bayerns Adel im Hochmittelalter"
Hier mag vorerst noch ein adeliger Familienkreis betrachtet werden, an dem besonders deutlich wird, wie oft die Einteilung des mittelalterlichen Adels in Familien mehr ein Werk wissenschaftlich-genealogischer Konstruktionen und notwendiger Abgrenzung ist und weniger ein inneres, historisch beglaubigtes Zusammengehörigkeitsbewusstsein der betreffenden Familien. Es sind dies die sogenannten ARIBONEN, das heißt ein Familienkreis, der sich um das bayerische Pfalzgrafenamt von Hartwig I. (seit ca. 970) bis Aribo II. (bis ca. 1110) gruppiert und in dem sich der Name Aribo, fortgepflanzt hat, ohne dass man exakte Filiationsreihen im einzelnen Fall festlegen kann. Insgesamt handelt es sich um eine verwandtschaftlich engverbundene, mächtige Adelsgruppe im östlichen Bayern und in Österreich, die der Klosterreform starken Auftrieb gab. ARIBONEN gründeten die Klöster Seeon, Göß, Millstatt, Seckau, Michaelbeuren; und Mitglieder dieses adeligen Verbandes besetzten zeitweise die Hochstifte Mainz (Aribo), Köln (Pilgrim), Aquileja, Säben und Freising, besonders lange jedoch das Erzbistum Salzburg. Die ARIBONEN sind im altbayerischen Raum vorerst die einzige Adelssippe, die sich aufgrund der in den Freisinger Traditionen feststellbaren Besitzkontinuität auf die Familie Bischof Arbeos von Freising, das heißt auf die Genealogiae HUOSI und FAGANA des 8. Jahrhunderts, zurückführen lässt. Die um Freising auftretenden ARIBONEN sind zwar nicht identisch mit den pfalzgräflichen ARIBONEN, aber gemeinsamer Abkunft, da in beiden Zweigen die Leitnamen Pilgrim und Egilolf vorkommen und nördlich von Freising pfalzgräflich-aribonischer Lehensbesitz liegt, andererseits aber die Freisinger ARIBONEN auch im Bistum Salzburg, das heißt im Bereich der pfalzgräflichen ARIBONEN zu finden sind. Die Pfalzgrafschaft war von 954 bis 1055 im ARIBONEN-Hause, als Aribo II. abgesetzt wurde und Kuno von Rott sie übernahm. 1082 ging sie an Rapoto von Vohburg und 1099 wieder an den ARIBONEN Engelbert, bis sie zwischen 1116/20 an die WITTELSBACHER fiel. Herzuleiten sind die pfalzgräflichen ARIBONEN von dem Ostmarkgrafen Arbo, der 871 diese Amt von den WILHELMINERN übernahm und mit Erzbischof Pilgrim von Salzburg verwandt war. Gerade am Beispiel der ARIBONEN im Bereich der Erzdiözese Salzburg kann man sehr gut verfolgen, welche Vorteile es für den Herrschaftsaufbau einer Adelsfamilie brachte, wenn sie ein Bistum besetzen konnten und damit in der Lage war, durch den Angehörigen auf dem Bischofsstuhl möglichst viele Vogteien von der Kirche zu erhalten. So kam es vielfach zu einem gleichsam "interfamiliären" Zusammenspiel zwischen Bischof und adeligem Vogt, das dem letzteren erlaubte, auf kirchlichem Besitz mit Hilfe der Vogteirechte Territorial-Politik zu betreiben oder zumindest einzuleiten. Deshalb bedeutete es für den aribonischen Herrschaftsaufbau viel, über einen längeren Zeitraum hinweg das Salzburger Erzbistum in der Hand und damit die Garantie zu haben, sich auf lange Sicht auf Kirchengut festzusetzen. Zusammen mit den karantanischen OTAKAREN, denen die ARIBONEN familiär eng verbunden waren , bauten sich die Markgrafen und späteren Pfalzgrafen sowie Grafen im Salzburg- und Isengau eine starke Position auf, die nur teilweise durch bayerischen Besitz dem Herzogtum untergeordnet war und durch das Pfalzgrafenamt der ARIBONEN eine weitere Stütze ihrer Eigenstellung erhielt. Auch für die ARIBONEN (wie für die stammesgleichen OTAKARE und für die LUITPOLDINGER) ist somit eine Doppelposition im bayerischen Altland und im Osten charakteristisch, die den Aufstieg der Familie aus einem alten Freisinger Vogteigeschlecht bewirkte. Im geistlich-kultischen Bereich drückt sich dieser Tatbestand in der räumlichen Entfernung zwischen den aribonischen Hausklöstern Seeon, Michaelsbeuern und Göß aus; wir haben es hier gleichsam mit einer Etappenweisen "Ostwanderung" der Familienklöster zu tun. Wenn man sich vor Augen hält, dass ein hohes vererbbares Amt, vor allem dessen Allodialisierung, eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung dynastischen Bewusstseins im engeren Sinne darstellt, dann wird es auch verständlicher, dass sich durch den Verlust der Pfalzgrafenwürde kein "aribonisches Familienbewusstsein", dem der WITTELSBACHER oder BABENBERGER vergleichbar, bilden konnte. Daher splitterte sich das genealogische Gesamtbewusstsein der ARIBONEN in einer Reihe von Grafen-Familien auf, die von der Forschung nicht mehr oder weniger zutreffenden Stammtafeln von den ARIBONEN hergeleitet werden. Zu nennen sind hier vor allem die EBERSBERGER, die Pfalzgrafen von Rott, die WASSERBURGER, die PEILSTEINER und die Grafen von Burghausen-Schala, die Hochfreien von Traisen-Feistritz, ferner, über die Freisinger ARIBONEN, die HIRSCHBERGER und vielleicht sogar die WITTELSBACHER.
Trillmich Werner: Seite 95,103
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"Kaiser Konrad II. und seine Zeit"
Den militärischen Schutz des Klagenfurter Beckens
gewährleisteten die bayerischen ARIBONEN.
Sie besaßen Grafenrechte um Stein im Jauntale, Völkermarkt,
Bleiburg, Mißling und Lavant. Östlich davon, wo die Drau das
Hochgebirge verlässt, lag unbesiedelte Wildnis.
Zu den vornehmsten und mächtigsten Sippen des Landes
gehörten die ARIBONEN, deren Zweige
einander zuweilen arg befehdeten. Hartwig, vermögender Graf
im Isen-, Chiem-, Salzburggau und Vogt des Erzbistums erwarb 955 das neugeschaffene
Pfalzgrafenamt, das ihm entscheidenden Einfluss bei König und Herzog
verschaffte. Es verblieb seinen Nachfahren bis 1055. Wir kennen Allodien,
Grafschaftsrechte, Lehen und Vogteien um Regensburg an der Donau, im Nordgau
wie im Tiroler Inntal, in der Ostmark, jenseits der Zauern und südlich
vom Brenner. Als "Walpoto" wirkte Hartwig im Dienste des Herrschers
auch in Kärnten und seinen Marken. Vom Südufer der Drau griff
er sogar nach Friaul hinüber. Den Reichtum der weitverzweigten Familie
machen ihre Klosterstiftungen sichtbar: Michaelbeuren bei Salzburg (um
997), Seeon im Chiemgau (999), Göß in der Steiermark (1020).
Störmer Wilhelm: Seite 248,306,414
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"Früher Adel"
Über die Herkunft dieser Sippe bestehen bis heute
Kontroversen. Zweifellos war sie bereits sehr früh mit bayerischen
Großen eng versippt und konnte sich im Raume der Diözese Freising
stark etablieren. Darüber hinaus lässt aber das Bild der früheren
ARIBONEN
keinen Zweifel, dass sie schon im 8. Jahrhundert der überstämmigen
Führungsschicht des Reiches angehörten. Der große Sprung
dieser Sippe in das Ostland geschieht in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts,
als Ar(i)bo, der seit der Mitte des im Freisinger Raum eine Rolle
spielt, nach 871 die Donaugrafschaften sowie den Traungau verwaltete und
die Markgrafenwürde erhielt.
Offensichtlich konnten die ARIBONEN
nach den Ungarnkämpfen im östlichen Donauraum nicht mehr recht
Fuß fassen; sie begegnen uns hier nicht mehr. Dagegen übernahmen
sie im 10. Jahrhundert zunächst in den Alpen Funktionen, so im Inn-
und Zillertal. Jetzt gliederte sich die Sippe in einzelne Zweige auf, erschloss
neue Wirkungsbereiche und nahm am Hofe des Erzbischofs Odalbert von Salzburg
eine zentrale Stellung ein.
Als Aribo, Sohn des ersten Pfalzgrafen der Familie,
1021 Erzbischof von Mainz und gleichzeitig Erzkanzler des Reiches wurde,
standen die "pfalzgräflichen
ARIBONEN"
auf
der Höhe ihrer Macht, die sie zum guten Teil dem engen Anschluss an
die Sachsen-Kaiser verdankten. Die Empörung Herzog Konrads von Bayern
gegen den Kaiser, der sich
Pfalzgraf Aribo II. und sein Bruder
Boto
1055 anschlossen, bedeutete den Sturz der Familie vom großen politischen
Geschehen des Reiches und des SO im besonderen. Der Kaiser entzog den ARIBONEN
die
Pfalzgrafenwürde, ihre Lehen und einen Teil ihrer Güter in Kärnten
und Bayern. In der Folgezeit hielten die letzten pfalzgräflichen
ARIBONEN zwar treu zum Kaiser, Boto
zeichnete sich besonders durch seine Tapferkeit im Kampf gegen die Ungarn
aus, doch konnte die große Bedeutung des Hauses nicht mehr zurückgewonnen
werden trotz erneuter günstiger Verheiratungen.
1104 starb das Geschlecht der pfalzgräflichen
ARIBONEN
aus;
es zeigte noch ganz die Struktur des alten Adels, der trotz ausgeprägten
Selbstbewusstseins in hohem Maße von der Gunst des Königs und
den Reichsämtern abhängig war. Mit dem Abgang der Pfalzgrafenfamilie,
die noch im 11. Jahrhundert starke Positionen im bayerischen Altland hatten,
die sicher in mancher Hinsicht als grundherrschaftliches Rückgrat
dienten, verschwanden auch schnell die Seitenzweige der ARIBONEN,
die sogenannten Freisinger ARIBONEN,
die ELSENDORFER und andere. Das zeigt, wie ein aufsteigender Familienzweig
sich als Sippenkern herauskristallisiert, der die anderen Zweige politisch
fördert, dass aber andererseits das politische Absterben oder gar
Aussterben dieses Sippenkerns auch den Rückschritt der Sippenzweige
in die Namenlosigkeit häufig zur Folge hat.
Mit der Betrachtung des Zillertals sind eine Reihe von
ARIBONEN-Namen
begegnet, die einer zweifellos ganz bedeutenden Großsippe mit frühem
Geschlechtsbewusstsein angehörten. Sie hatten also besondere Positionen
in diesem Tal und kontrollierten wohl den Verkehr in Richtung Gerlospaß
und Pfitscherjoch. Die engere ARIBONEN-Familie
beherrschte aber im 10. Jahrhundert auch offenbar das Inntal vom Ausgang
des Zillertals bis dorthin, wo der Inn das Gebirge verlässt.