STAMMTAFEL im Anhang Band IX des Lexikons
des Mittelalters
Schwennicke Detlev: Europäische
Stammtafeln
Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main
1998 Tafel 4-7
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Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte
1008
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KAROLINGER
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Fränkische Adels-Familie, Königs- und Kaiser-Haus, benannt
nach Karl Martell, dem
ersten Träger dieses Namens.
I. Die Anfänge:
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Die Geschichte der aus dem Maas-Mosel-Gebiet stammenden KAROLINGER läßt sich
bis in das 7. Jh. zurückverfolgen, als Bischof Arnulf von Metz und der
nördlich der Ardennen begüterte Adlige Pippin im Kampf des
austrasischen Adels gegen die Königin
Brunichild dem neustrischen König Chlothar II. zur
Gesamt-Herrschaft im MEROWINGER-Reich
verhalfen (Frankenreich B. I). Da
Arnulf wie Pippin
als Spitzenahnen der KAROLINGER
gelten, verwendet die Forschung für die Frühzeit dieser
Familie auch die Sammelbezeichnung 'ARNULFINGER' bzw. 'PIPPINIDEN'. Sie gewann
fast ununterbrochen gegenüber dem Königs-Haus der MEROWINGER ebenso wie die
anderen fränkischen Adels-Familien an Einfluß bis zur
Erlangung der Königswürde (751). Auf dem Weg dahin war neben
dem infolge geschickter Heiratspolitik wachsenden Reichtum der Familie
vor allem die Ausübung des
austrasischen Hausmeieramts (Hausmeier) durch Pippin den Älteren († 640) und seinen Sohn Grimoald I. († um 662) maßgeblich.
Nach dem Aussterben der PIPPINIDEN
im Mannesstamm gelang es Arnulfs Sohn Ansegisel (oo Begga, Schwester Grimoalds), den Aufstieg der frühen KAROLINGER
fortzusetzen. Der nach dem Großvater mütterlicherseits
benannte Sohn Pippin der
Mittlere stieg zum princeps
Francorum auf, nachdem er den neustrischen
Hausmeier Berchar 687
bei Tertry geschlagen und damit die Einheit des Franken-Reiches unter
austrasischer Führung wiederhergestellt hatte. Durch den Einsatz
seiner Söhne Drogo
und Grimoald (II.) als dux in der Champagne bzw. als neustrischer Hausmeier versuchte Pippin die Vorherrschaft
seiner Familie im Reich zu sichern, beließ aber die merowingischen Könige in ihrer nominellen
Führungsposition. Nach seinem Tod 714 schien die pippinidisch-karolingische Sukzession
gefährdet, doch gelang es Pippins
Friedelsohn Karl (Martell),
sich durchzusetzen und die prinzipatartige Herrschaft so weit zu
festigen, daß er es wagen konnte, von 737 an den merowingischen Thron unbesetzt
zu lassen und als Hausmeier in quasi-königlicher Stellung
selbständig zu regieren. In der Teilung des Reiches unter seine
Söhne Karlmann und Pippin den Jüngeren ebenso
wie in der Beisetzung Karls
in der merowingischen
Königsabtei St-Denis wird die Annäherung der karolingischen Herrschaft an
die MEROWINGER sichtbar.
Nach Karl Martells Tod
741 regierten in Austrien, Alemannien und Thüringen Karlmann, in Neustrien,
Burgund und der Provençe Pippin;
ihr nicht als vollbürtig geltender Halb-Bruder Grifo wurde von der
Mit-Herrschaft ausgeschlossen. In der Folgezeit erhob sich
gegenüber den beiden Hausmeiern in den Randgebieten Aquitanien,
Alemannien und Bayern Widerstand von seiten der dortigen duces, welche die KAROLINGER
nicht als höhere Instanz anerkannten. Zur Stärkung der karolingischen Position setzte
deshalb Karlmann (und Pippin?) 743 den merowingischen König Childerich III. ein. Vier Jahre
später endete die Samtherrschaft (das heißt gemeinsame
Herrschaft) der Brüder, als Karlmann
der Welt entsagte und sein regnum
zusammen mit seinen Söhnen, vor allem Drogo, an Pippin tradierte. Pippin, dessen Stellung nicht
unumstritten gewesen zu sein scheint, verschaffte sich, infolge seiner Adoption durch den langobardischen König Luitprand (734) bereits Königs-Sohn geworden, durch
die Hinwendung zum Papsttum (seit 750/751, auf Kosten der
traditionellen fränkischen Freundschaft mit den Langobarden) die Rangerhöhung zum König
und wurde damit Begründer der
zweiten frk. Dynastie; dies bringt auch die Clausula de unctione Pippini regis
zum Ausdruck.
III. Ost- und westfränkische Karolinger:
In der Folgezeit stand die karolingische
Geschichte einerseits im Zeichen des von brüderlicher fraternitas und caritas getragenen Bemühens
um die unitas imperii,
andererseits in der vor allem von der Kirche beklagten Zersplitterung.
Während KARL DER KAHLE
und Ludwig der Deutsche zunächst
von einer Teilung ihres Gebietes absahen, überließ gerade
der Hauptverfechter des Einheitsgedankens, Kaiser LOTHAR I., seinem ältesten
Sohn LUDWIG II. Italien, wo dieser durch den Papst
844 zum König und 850
zum Kaiser gekrönt wurde
- eine folgenreiche Rückkehr der Kaiserwürde nach Rom -, und
wies 855 seinem Sohn Karl
die Rhonelande, seinem Sohn Lothar II. den nördlichne Reichsteil, die
später nach ihm benannte Lotharingia (Lotharingien), zu. Der Tod
des söhnelosen Karl
führte zwar zu einer Aufteilung von dessen Gebiet unter seine
Brüder. Gerade der Rhone-Saône-Raum wurde aber wenig
später (879) der Rahmen für das erste nichtkarolingische Königtum des
mit den KAROLINGERN
nur verschwägerten Boso von
Vienne, dem 887/888 weitere nichtkarolingische Herrscher, allen
voran der ROBERTINER Odo in der Francia occidentalis, folgten
(Francia).
Die Jahrzehnte bis zu diesem Krisenpunkt in der Geschichte der KAROLINGER
waren äußerlich von der Bedrohung des Reiches durch die
Normannen im Westen und Slaven im Osten, innerlich vom wachsenden
Einfluß der Großen und der kirchlichen Autorität
geprägt; vor diesem Hintergrund sind die Auseinandersetzungen der karolingischen Könige um Reichsgebiete, ihre
Nachfolgeregelungen und ihr Bemühen um die Kaiserwürde zu
sehen:
Gestützt auf westfränkische Große, die gegen KARL DEN KAHLEN opponierten,
versuchte Ludwig der Deutsche
856 und 858, die Herrschaft in der Francia
occidentalis zu übernehmen, mußte sein Vorhaben aber
wegen des Widerstands der westfränkischen Bischöfe, voran Erzbischof Hinkmars von Reims, aufgeben,
die sich als Hüter des Heils und der Einheit der Christenheit
verstanden. Kirchlicher Einfluß ist auch bei der Lösung des
Problems der Nachfolge Lothars
II. zu beobachten, der bei seinem Versuch, dem Sohn aus der
Friedelehe mit Waldrada, Hugo, als vollbürtigem
Erben Anerkennung zu verschaffen, letztlich am kirchlichen Rechtsdenken
und am Widerstand seiner beiden Onkel KARL DEM KAHLEN und Ludwig dem Deutschen scheiterte.
Diese teilten sich nach Lothars Tod
im Vertrag von Meerssen 870 das regnum
Lotharii und setzten sich damit über das nähere
Erbrecht ihres Neffen Kaiser LUDWIGS II. hinweg. Darüber
hinaus richteten sie ihr Interesse auf die Nachfolge in dessen
italienischem Königtum wie in der Kaiserwürde. Es ist
für das politische Denken im karolingischen
Hause bezeichnend, daß
hierfür zwei Wege beschritten wurden:
Ludwig der Deutsche
erreichte von LUDWIG II.
die Designation für seinen ältesten Sohn Karlmann, während KARL DER KAHLE sich die
Kaiserwürde vom Papst in Aussicht stellen ließ. Dieser an
der außerdynastischen Institution der Kirche orientierte Weg
führte nach dem Tode LUDWIGS
II. 875 zum Erfolg; die so erlangte Kaiserwürde, die er als
renovatio imperii Romanorum et
Francorum verstand, ließ ihn auch den Plan verfolgen, die
Osthälfte Lotharingiens seinem Reich zu inkorporieren, da die Francia orientalis nach dem Tod Ludwigs des Deutschen 876
geschwächt schien; denn dieser hatte das Reich unter seine drei
Söhne Karlmann
(Bayern), KARL III. (Alemannien,
Rätien und Elsaß) und Ludwig
den Jüngeren (Rhein- und Mainfranken und nördliche
Gebiete) geteilt. Der Sieg Ludwigs
bei Andernach vereitelte KARLS
Plan, und auch in Italien machte Karlmann nun seine Herrschaftsrechte
erfolgreich geltend.
Nach dem Tod KARLS DES KAHLEN
877 und seines kaum regierungsfähigen Sohnes Ludwig des Stammlers († 879) entbrannte im
West-Franken-Reich ein von Fragen dynastischer Legitimität und von
politischer Gruppenbildung geprägter Kampf, da die Söhne Ludwig III. und Karlmann aus der ersten,
zwischenzeitlich gelösten Ehe Ludwigs
des Stammlers mit Ansgard
nicht als erbberechtigt galten und Ludwigs
Sohn Karl (der Einfältige)
von der zweiten Frau, Adelheid,
erst postum zur Welt kam. In dieser offenen Nachfolgefrage wurde der
ostfränkische König von einem Teil der westfränkischne
Großen zu Hilfe gerufen, von einem anderen aber mit Aussicht auf
das westliche Lotharingien zum Verzicht bewogen; die beiden
älteren Söhne Ludwigs
des Stammlers konnten nun doch die Nachfolge antreten,
während Karl als
illegitim zunächst ausgeschlossen blieb. Was sich 879 momentan als
gesamtfränkische Lösung abzeichnete, wurde 885 für zwei
Jahre eine wenn auch brüchige Wirklichkeit:
Von den Söhnen Ludwigs des
Deutschen überlebte KARL
III. seine Brüder Karlmann
(† 880) und Ludwig den Jüngeren († 882), so daß er nicht
nur über die gesamte Francia
orientalis, sondern auch über Italien herrschte; 881
empfing er die Kaiserkrone.
Der Tod der beiden westfränkischne Könige (882, 884) und die
weitere Ausschaltung Karls des
Einfältigen hatten jetzt zur Folge, daß unter Kaiser KARL III. noch einmal das
fränkische Imperium unter einer Krone vereint war, wenn man von dem provenncalischne Königtum Bosos von Vienne absieht.
Doch führten die außenpolitische Schwäche
(gegenüber den Normannen) und allgemeine
Regierungsunfähigkeit des schwerkranken Kaisers dazu, daß
887 der kinderlose KARL
von den ostfränkischen Großen verlassen wurde, ohne
daß er eine Nachfolgeregelung für seinen illegitimen Sohn Bernhard oder vielleicht auch
für den von ihm adoptierten (?) LUDWIG, Sohn Bosos, hatte erreichen
können. Sein Nachfolger im Ost-Franken-Reich wurde Karlmanns illegitimer Sohn ARNULF (VON KÄRNTEN),
während in den übrigen karolingischen
Teilreichen nun nach dem Beispiel Bosos
von Vienne fränkische Große nach der
Königswürde trachteten, zum Teil in weiblicher Linie von den KAROLINGERN
abstammend (zum Beispiel BERENGAR
VON FRIAUL in Italien) oder ihnen seitenverwandt (der WELFE Rudolf in Hoch-Burgund),
zum Teil ohne verwandtschaftliche Nähe zu ihnen (zum Beispiel der ROBERTINER Odo im
West-Franken-Reich, WIDO VON
SPOLETO in Italien). In Reaktion auf die Schwächung der karolingischen stirps regia gegen Ende des
9. Jh. formierte sich ein spätkarolingischer
»Legitimismus« (E. Hlawitschka), wenn zum Beispiel Regino von Prüm Kaiser KARL III. als dominus naturalis von den neuen
Königen abhob oder der Poeta Saxo von der gotterwählten stirps in regno sprach, die schon
lange besteht und noch lange bestehen soll. In der um 900
verfaßten Visio Karoli spiegelt sich der aus der Verwandtschaft
mit den KAROLINGERN
gespeiste Anspruch LUDWIGS DES
BLINDEN auf die Nachfolge im
karolingischen Gesamtreich. Auf seine Weise symptomatisch
für das späte 9. Jh. und zugleich auf das Ende des
10. Jh. vorverweisend ist wiederum das Gegeneinander des in karolingischer Tradition in
Compiègne, dem Aachen KARLS
DES KAHLEN, 888 zum westfränkischen König
gekrönten ROBERTINERS Odo,
der mit den KAROLINGERN
nicht verwandt war, und des 893 in Reims gekrönten Karl des Einfältigen, des
illegitimen Sohnes Ludwigs des
Stammlers.
Im Vergleich hierzu war die Stellung ARNULFS als ostfränkischer König
unbestritten. Trotz des Angebots, in West-Franken einzugreifen,
konzentrierte er seine Kräfte auf die Herrschaft in der Francia orientalis. Für seine
illegitimen Söhne Zwentibold
und Ratold erlangte er von
den Großen ein Nachfolgerecht, allerdings unwirksam für den
Fall, daß ein vollbürtiger Sohn vorhanden wäre. Nach
der Geburt Ludwigs (des Kindes)
893 setzte ARNULF Zwentibold
in Lotharingien als König ein und nahm damit die letzte karolingische Reichsteilung vor.
896 beschloß er die Reihe der KAROLINGER,
die die Kaiserwürde erlangten. Nach seinem Tod setzte sich sein
Sohn Ludwig in der
gesamten Francia orientalis -
und damit auch gegen Zwentibold
- durch. Mit seinem Tod 911 erlosch die
ostfränkische Linie der KAROLINGER.
In der Francia occidentalis
konnte Karl der Einfältige
seine nach dem Tod König Odos gefestigte Herrschaft nach
911 durch die Einbeziehung Lotharingiens erweitern, mußte dieses
aber wieder an König HEINRICH I. abtreten; gleichwohl
blieb Lotharingien weiterhin Zankapfel zwischen den
westfränkischen und ostfränkischen (bzw. ottonischen) Königen. Gegen
König Karl und seine
Lotharingien-Politik revoltierte zu Beginn der 20-er Jahre der
westfränkische Adel unter Führung von König Odos Bruder Robert von Neustrien. Dieser
wurde 922 westfränkischer
König, nach seinem Tod 923 sein Schwieger-Sohn Rudolf. 936 kehrte Ludwig IV. (Transmarinus), der
Sohn des in Gefangenschaft verstorbenen Karls des Einfältigen, aus
englischem Exil nach Frankreich zurück. Im Zuge der auf Betreiben Hugos des Großen, des
Sohnes König Roberts und Vaters Hugo Capets, bewerkstelligten
»Karolingische Restauration« (H. Wolfram) herrschten
hier Ludwig IV. bis 954,
nach ihm sein Sohn Lothar († 986) und danach für ein
Jahr dessen kinderloser Sohn Ludwig
V. Seine Rolle als Königsmacher
ließ Hugo den Großen
zur entscheidenden politischen Kraft im West-Franken-Reich (dux Francorum) werden; auch mit König OTTO I. schloß er 937 ein
durch Heirat gefestigtes Bündnis. Ludwig IV. sah seinerseits 939
die Chance, gegen OTTO I.
in Lotharingien Fuß zu fassen, mußte aber schließlich
942 den Ausgleich mit OTTO I.
und bei ihm zugleich Rückhalt gegen den bedrängenden ROBERTINER suchen. Unter Ludwigs Nachfolger Lothar wurde Lotharingien wieder
Streitobjekt. Als Ludwig V. 987
kinderlos starb, übergingen die westfränkischen Großen
unter Führung des Reimser Erzbischofs den Erbanspruch Herzog Karls von Nieder-Lothringen und
wählten den ROBERTINER Hugo
Capet, dessen Familie bereits zwei westfränkische
Könige gestellt hatte, zum König, ohne daß Karl, dem der auch damals noch
starke karolingische
Legitimismus zugute kam, das Feld kampflos räumte. Mit dem Tod von
Karls Sohn Otto, der seinem Vater im
Herzogsamt nachfolgte, endete 1012 die westfränkische Linie der KAROLINGER.
Literatur [allgemeine und
übergreifende Darstellungen]:
-------------------------------------------------------------------
NDB XI, 1977, 284-292 [Lit.] - Nascita dell'Europa
ed
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Une famille qui fit l'Europe, 1983 [dt. 1987] - R. McKitterick, The
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Kingdom under the Carolingians, 1983 - K. F. Werner, Les origines
(Hist.
de France I), 1984 [dt. 1989] - H. K. Schulze, Vom Reich der Franken
zum
Land der Dt. Merowinger und K., 1987 -
[Einzelthemen]:
-------------------
Braunfels, KdG I [J. Fleckenstein, K. F. Werner,
E. Hlawitschka]:
IV [K. Haucke, E. Meuthen, R. Folz] - O. G. Oexele, Die K. und die
Stadt
des hl. Arnulf, FMASt I, 1967, 250-364 - E. Hlawitschka, Lotharingien
und
das Reich an der Schwelle der dt. Gesch., 1968 (MGH Schr. 21) - I.
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Aufstieg und Herrschaft der K. in der Darstellung der sog. Annales
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priores, 1970 - S. Konecny, Die Frauen des karol. Kg.shauses, 1976 - J.
Semmler, Zur pippinid.-karol. Sukzessionskrise 714-723, DA 33, 1977,
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Palatium
publicum, nostrum, regium. Bemerkungen zur Kgspfalz in der K.zeit (Die
Pfalz, hg. F. Staab, 1990), 71-99 -
Mit dem Tode Ludwigs
des Kindes
waren die ostdeutschen KAROLINGER
ausgestorben.
Nur noch zwei Töchter Zwentibolds,
des illegitimen Sohns ARNULFS VON KÄRNTEN,
waren am Leben; sie waren nacheinander Äbtissinnen im Kloster
Süsteren
in Lotharingien, in dessen Kirche ihr Vater bestattet worden war.
Auch von den männlichen Nachkommen KARLS
DES KAHLEN war
seit 884 nur ein posthum geborener
Sohn Ludwigs
des
Stammlers, Karl der Einfältige,
übriggeblieben. Dieser wurde 893 als Nachfolger des Nicht-KAROLINGERS
Odo zum westfränkischen
König erhoben, aber 923
nach
wenig glücklicher Regierung abgesetzt. Als er 929 starb,
hinterließ
er aus zwei legitimen Ehe 6
Töchter, aber nur einen
Sohn, so dass
die männliche Linie der KAROLINGER
weiterhin auf zwei Augen ruhte. Dieser Sohn (Ludwig
IV.)
wurde 936
König des West-Franken-Reichs
und leitete
damit
eine nochmalige Restauration der KAROLINGER
ein. Die letzten karolingischen
Könige
blieben jedoch schwach, denn sie mußten die tatsächliche
Herrschaft
in einem großen Teil des Reiches ihren Hauptrivalen, den ROBERTINERN,
überlassen. Als König Ludwig V.
am 21.5.987 starb, wurde von der Mehrheit der
westfränkischen
Großen der ROBERTINER Hugo Capet
zum König erhoben; mit ihm nahm die neue Dynastie der KAPETINGER
ihren Anfang. Der Onkel Ludwigs V.,
Karl
von Nieder-Lotharingien, hat noch die Thronansprüche
seiner
Familie vertreten; er konnte sich aber gegen
Hugo
nicht
durchsetzen und wurde nach seiner Niederlage 991 in Orleans
eingekerkert,
wo er nach einigen Jahren starb.
Das wenig heldenhafte Erlöschen der
karolingischen Dynastie
im Osten und im Westen des
Franken-Reichs
ist gelegentlich mit einer Erbkrankheit der späteren KAROLINGER
erklärt worden. Wenn wir einen Blick auf das Lebensalter der karolingischen
Könige
und Kaiser werfen, so zeigt sich, dass
KARL DER GROSSE
mit
72 bzw. 67
Ludwig der Deutsche
mit
ungefähr 70 und
LUDWIG DER FROMME
mit 62 Jahren das höchste Lebensalter erreichten.
LOTHAR I.
starb mit
60
KARL
DER KAHLE wie
früher
Pippin, der Vater KARLS
DES GROSSEN mit 54 Jahren.
Die drei Söhne Ludwigs
des Deutschen erreichten alle ein Alter von ungefähr 50
Jahren.
Der älteste
Sohn KARLS
DES GROSSEN, der jüngere Karl,
wurde ebenso wie der zweite Sohn
LUDWIGS DES
FROMMEN,
Pippin,
ungefähr 40 Jahre,
während der KARLS-Sohn
Pippin
und Ludwig der Stammler nur
33
bzw.
32 Jahre erreichten.
Mit Anfang 20 verstarb Karlmann,
der Bruder KARLS DES GROSSEN;
ein anderer Karlmann,
ein Sohn
KARLS DES KAHLEN,
wurde keine
30, und ein weiterer Sohn dieses
westfränkischen
KAROLINGERS,
der wie sein Vater Karl
hieß,
wurde gar nur 18 Jahre alt.
Jedenfalls kennen wir auch schon unter den
Söhnen
Pippins
im
8. Jahrhundert und unter denen KARLS DES
GROSSEN
am Anfang des 9. Jahrhunderts einige, die recht jung verstarben. Man
kann
also in bezug auf das Lebensalter nicht von einer abnehmenden
Vitalität
sprechen. Aus den Angaben der Quellen können wir lediglich die
Neigung
zur Arteriosklerose entnehmen, an deren Folgen
Karlmann,
der Sohn Ludwigs des Deutschen,
und
dessen Sohn ARNULF VON KÄRNTEN
gestorben sind.
Das recht ausgebreitete genealogische Nachleben
der karolingischen
Familie läuft über
ihre weiblichen Glieder, und zwar vor
allem
über die Töchter LUDWIGS DES FROMMEN
und KARLS DES KAHLEN. Denn
während
KARL
DER GROSSE es bewußt vermieden hatte, seine
Töchter
den adeligen Herren seines Reiches zur Frau zu geben, bestanden solche
Vorbehalte bei LUDWIG DEM FROMMEN
nicht.
Dagegen hat Ludwig der Deutsche
seine
Töchter in Klöster eingewiesen, so dass sie keine ehelichen
Nachkommen
erhalten konnten. Der Widerstand KARLS
DES
KAHLEN
gegen mögliche Ehen seiner Töchter wurde in zwei Fällen
durch Entführung überwunden, mit denen sich der König
abfinden
mußte. Aus den Ehen der Töchter der genannten Herrscher mit
dem Adel des Franken-Reichs gingen also jene Nachkommen
KARLS
DES GROSSEN hervor, die sich bis zum heutigen Tag ihres karolingischen
Blutes rühmen. Für
die Geschichte des Mittelalters
war dabei
wichtig, dass sich die französischen Könige aus robertinisch-kapetingischem
Geschlecht ebenso wie die deutschen SALIER
und über diese auch die
STAUFER auf die KAROLINGER
zurückführen
konnten. Vor allem die kapetingischen
Könige des 12.
Jahrhunderts haben versucht, von ihrer
karolingischen Abkunft
zu profitieren. Aber auch für
die
deutschen Herrscher des 11. Jahrhunderts war es wichtig, dass
Gisela,
die Gemahlin des ersten SALIER-Kaisers
KONRAD
II., von KARL DEM GROSSEN
abstammte.
Zahlreiche weitere hochadelige Geschlechter
können
sich auf die
KAROLINGER zurückführen;
nur wenige von ihnen haben von dieser Abstammung profitiert oder sie
herausgestellt.
Daneben ist auch darauf zu verweisen, dass eine große Zahl von
gefälschten
Genealogien hergestellt wurde, um eine Abstammung entweder von KARL
DEM GROSSEN selbst oder aber von einem der Helden seiner
Umgebung,
die man aus den Chansons de geste kannte, zu belegen. Im 13.
Jahrhundert
war KARL DER GROSSE so angesehen,
dass
ein Fürsten-Geschlecht, das wie die WITTELSBACHER
in ihrem bayerischen Territorium sich als Landesherren durchsetzen
wollte,
dies am ehesten dadurch erreichen zu können glaubte, dass sie auf
ihre angebliche karolingische
Abkunft
verwiesen.
Die dynastische Geschlossenheit einer Familie
zeigt sich
vor allem auf zwei Gebieten, nämlich in der Namengebung und in der
gemeinsamen Grablege, die oft mit dem Stammsitz der Familie identisch
ist.
Was die Namen der Nachkommen KARLS DES GROSSEN
anbetrifft, so ist für die aus legitimen Ehen stammenden
Söhne
ein eindeutiges Vorwiegen der beiden Namen
Ludwig und Karl
festzustellen,
die allein schon über die Hälfte (12 und 10) der insgesamt 41
in Frage kommenden Personen trugen. Dazu kommen je 5 Belege für
Lothar
und Karlmann, 4 für Pippin und je einer für Drogo und
Bernhard.
Bei den illegitimen Söhnen können wir keine so starke
Konzentration
auf wenige Namen erkennen, es ergibt sich aber die Merkwürdigkeit,
dass die Namen aus der Frühzeit des Geschlechts, also Arnulf, Hugo
und Drogo am
häufigsten
gewählt wurden; auch Pippin
und
Karlmann
finden sich hier. Dazu kommen andere Namen, die vielleicht aus den
Familien
der jeweiligen Mütter genommen wurden: Theoderich, Zwentibold,
Ratold,
Rorico, Richard.
Auch bei den karolingischen
Frauen können wir eine
Konzentration auf einige wenige Namen
feststellen,
dabei wurden vor allem die Namen der Frauen um KARL
DEN GROSSEN bevorzugt. Neunmal findet sich der Name Gisla
unter
den Nachkommen KARLS DES GROSSEN;
so
hieß schon seine Schwester; siebenmal findet sich Hildegard, der
Name seiner für die Nachkommenschaft wichtigsten Gattin. Je
fünf
Belege fallen auf den Namen seiner
Großmutter Rotrud
und seiner
Mutter
Bertha. Außerdem
kommen die Namen Ermentrud,
Ermengard und Adela
je dreimal und die Namen Adelheid,
Alpais, Theodrada, Rothild und
Hiltrud
je zweimal vor.
Vor allem bei den wichtigsten KAROLINGER-Namen
Ludwig und Karl
können wir seit dem 12. Jahrhundert eine
große
Verbreitung in allem Herrscher-Häusern West-Europas feststellen,
die
vom
französischen Königs-Haus
ihren Ausgang nahm. Dort griff man
zuerst
auf den KAROLINGER-Namen Ludwig
zurück,
als die karolingische Tradition
auch
sonst wiederbelebt wurde.
Während also bei der Namenswahl
tatsächlich
eine große Geschlossenheit festzustellen ist, suchen wir
vergeblich
nach einer für alle oder wenigstens einen großen Teil der KAROLINGER
verbindlichen Grabstätte. In St. Denis, der Grabkirche für
einige
merowingische
Könige, waren auch
Karl Martell und
Pippin bestattet
worden; KARL DER GROSSE wurde in
St.
Marien in Aachen beigesetzt; sein Sohn
LUDWIG
DER FROMME in St. Arnulf in Metz; Ludwig
der Deutsche und Ludwig der
Jüngere
in
St. Nazarius in Lorsch, KARL III.
in
Reichenau-Mittelzell, ARNULF in
St.
Emmeram in Regensburg. KARL DER KAHLE
und zwei seiner Enkel wurden in St. Denis bestattet; damit knüpfte
man wieder an ältere Versuche an, hier eine Familiengrabkirche zu
schaffen. Erst unter den KAPETINGERN
ist aber die Abteikirche von St. Denis auf Dauer zur Grablege der
französischen
Könige geworden.