Nach einer etwas kurzen
Nacht im Hotel brechen wir um 7.30 Uhr Ortszeit auf, die Transsahara-Expedition beginnt.
Gestern hatte ich keine
Gelegenheit zum Schreiben, das muß heute nachgeholt werden. Da
dies bereits meine zweite Reise dieser Art ist, erscheint mir
einiges bereits so selbstverständlich, daß es mir nicht mehr
auffällt. Ich erspare mir daher, diese Dinge zu wiederholen. Sie
sind in meiner Schilderung der Ostafrikareise nachzulesen.
Während ich diese Zeilen
schreibe, sitze ich im Bus auf der Fahrt von Nabeul nach Kairouan
und kann nicht einmal sagen, daß mich bisher irgend etwas
besonders beeindruckt hätte. Tunesien muß sich der Reisende
etwa wie folgt vorstellen: Das Küstenland ist flach, Berge ragen
nur wenige aus der Ebene heraus. Der Boden ist spärlich mit Gras
bewachsen, immer wieder kommt die nackte Bodenkrume zum
Vorschein. Obwohl wir noch weitab der Wüste sind, spürt man
schon überall den Sand. Die Pflanzen sind von einer staubigen
Schicht überzogen, da es nur selten regnet. Obwohl keine
Humusdecke vorhanden ist, scheint der Boden doch einiges
herzugeben, darunter Weizen und Oliven, die schon zu Zeiten der
Römer hier angebaut wurden. Die Küstenregion ist noch am
fruchtbarsten, weiter im Landesinnern wächst ohne künstliche
Bewässerung so gut wie nichts mehr.
Der Flughafen von Tunis ist
nicht anders als etwa der von Kairo oder irgend einer anderen
arabischen Hauptstadt: überall militärische Präsenz, trostlose
Leere inmitten der Einöde. Ein paar schwache Ansätze, um den
Empfang freundlicher zu gestalten, sind die Palmenpflanzungen und
die gehißten Flaggen sämtlicher europäischen
Industrienationen. Die Stadt selbst wirkt wie eine einzige
Baustelle, großangelegte Projekte, die bereits im Keime
ersticken: Hochhäuser, Autobahnen, Brücken, Hotels, und dann
wieder die verwahrlosten halbverfallenen Lehmbauten. Wohin das
Auge blickt, sieht man Abfälle, Autofriedhöfe, Schmierereien,
ungeteerte Gehsteige. Alles, was vom Menschen herrührt oder
irgendwie mit ihm zu tun hat, bereitet dem Besucher Unbehagen.
Ich frage mich, was die alten Karthager in dieser Gegend so
geschätzt haben mögen. Außer der wohl günstigen Lage des
Hafens, der eine beherrschende Stellung im westlichen Mittelmeer
eingenommen haben muß, vermag ich nichts Einladendes zu
entdecken.
Die arabische Welt ist stark im
Aufbruch begriffen. Wo noch vor zehn Jahren verschleierte Frauen
und Männer im Kaftan zu sehen waren, begegnet man heute einem
Menschen, der auf modern macht und alles, was irgendwie westlich
aussieht, krampfhaft nachzuahmen versucht. Leider sind darunter
auch unsere so hoch geschätzten Kulturgüter zu finden: das
Automobil, insbesondere die alles verpestenden Lastkraftwagen,
die Zigaretten, die sich eines schier unglaublichen Konsums
erfreuen, und natürlich die Blue Jeans. Das Überkommene und
Traditionelle geht allmählich im Wandel der Zeiten unter.
Freilich sieht man noch relativ häufig einen Esel als
Beförderungsmittel, jedoch lassen die immer besser werdenden
Straßenverhältnisse selbst das Fahrrad als ernsthaften
Konkurrenten in Erscheinung treten. Der Schmutz, die Armut und
die Eintönigkeit der Landschaft machen Tunesien zu keiner
besonderen Attraktion.
Wir kampieren am ersten Tag
beim Hotel Lido in Nabeul. Anstatt der üblichen Kost gibt es
Abendbrot im Hotel: Hammelfleisch, Gemüse, Kouzkouz. Nach der
üppigen Mahlzeit im Flugzeug lasse ich das meiste zurückgehen.
Eine Überraschung stellt das tunesische Bier dar. Es hat einen
ungewohnt herben Nachgeschmack, offenbar bedingt durch die
Qualität des Wassers. Die Übernachtung in einem fremden Bett
hat es so an sich, daß man in der ersten Nacht normalerweise
schlecht schläft. Eine unerträgliche Stechmückenplage treibt
nicht nur mich aus der Koje. Um vier Uhr aufstehen zu müssen ist
zwar hart, aber immer noch besser, als unzählige Male gestochen
zu werden. Die Körperpflege fällt diesen Morgen etwas knapp
aus, da die Duschen kalt bleiben und der Wind gestern abend eine
merkliche Abkühlung brachte.
Wer hätte gedacht, daß ich
einen alten Bekannten wiedersehe? Es ist dieser Hermann Kohl, den
ich bereits auf der Kenia/Tansania-Reise kennengelernt habe, ein
Weiberfeind und Querulant sondergleichen, der schon die letzte
Gruppe auseinandergebracht hat. Es ist ein ausgesprochenes
Glück, daß dieser Störenfried im anderen Dreiachser mitfährt
und somit in unserer Gruppe keinen Unfrieden stiften kann.
Da wir in Tunesien sozusagen
nur auf der Durchreise sind, nehmen wir viele Sehenswürdigkeiten
gar nicht wahr, sondern nur das, was gerade auf dem Weg liegt.
Eine der Hauptattraktionen Tunesiens, nämlich Kairouan, ist eine
davon. Ein einheimischer Führer zeigt uns die wichtigsten
Sehenswürdigkeiten, die Moschee, die Souks, ein Mausoleum und
eine Koranschule.
Von Kairouan geht es dann
kerzengerade in Richtung Wüste. Noch heute wollen wir die
algerische Grenze erreichen. Unser Tagespensum an Kilometern ist
beträchtlich. Man gewinnt erste Eindrücke vom Wüstendasein.
Als Wegzehrung kaufen wir in Kairouan eine Art Dattelgebäck, das
aufdringlich süß ist, aber ansonsten nicht schlecht schmeckt.
Der Tagesbedarf an Flüssigkeit läßt sich durch eine Flasche
Mineralwasser decken. Das Bier, das der Fahrer verkauft, kostet
DM 2,50. Daher muß man sich überlegen, ob man Getränke nicht
irgendwo billiger bekommt.
Ohne mir der Sonneneinstrahlung
so richtig bewußt gewesen zu sein der Himmel war ja den
ganzen Tag über bedeckt - muß ich doch des Guten zuviel
erwischt haben. Ich spüre ein leichtes Stechen im Kopf.
Irgendwoher muß ich mir unbedingt eine Kopfbedeckung besorgen.
Für das letzte tunesische Geld und zehn Deutsche Mark extra
kaufe ich noch schnell eine Art "Arafat"-Tuch.
Vielleicht ist die heutige Appetitlosigkeit aber auch auf das
Resochin zurückzuführen, das derartige Nebenwirkungen
hervorrufen kann.
Als besondere Programmpunkte
besichtigen wir am Nachmittag die Oase Gafsa, den Stützpunkt des
ehemaligen römischen Statthalters der Provinz Africa, sowie die
Oase Tozeur. In Gafsa gibt es als außergewöhnliche Attraktion
die sogenannten Palmspringer, die sich aus 15 m Höhe in das etwa
3 m tiefe Wasserbecken stürzen, das als römische
Hinterlassenschaft noch von den Thermen übrig ist.
Für meine richtige Antwort auf
die Preisfrage, was aus Halfagras hergestellt wird, gewinne ich
als Quizsieger eine Flasche Wein, die morgen abend getrunken
wird.
Da wir schon morgen nach
Algerien einreisen, wird am Vorabend in fast einstündiger
Versammlung noch schnell die Devisenerklärung ausgefüllt. Die
algerischen Behörden nehmen es nämlich ziemlich genau.
Nachdem ich in der Nacht gut
geschlafen habe, ohne von Mücken belästigt zu werden, geht es
mir heute wieder besser.
Das Gruppengefühl hat sich bis
jetzt sehr gut entwickelt, die Stimmung ist bestens. Stänkerer
und Meckerer sind zum Glück nicht unter uns. Nur im Ansatz wäre
wohl der eine oder andere anfällig für Nörgeleien, wenn er
bloß Gehör fände. Das ist jedoch nicht der Fall.
Das Wetter ist immer noch
überwiegend bedeckt, auch wenn es keinen Tag regnet.
Gleich in der Frühe fahren wir
noch einmal kurz nach Tozeur zurück, um dort den kleinen
Wüstenzoo zu besichtigen: Schlangen, Löwen, Bären, Kamele, ja
sogar Giftschlangen und Skorpione gibt es da zu sehen.
Wir wollen noch heute den
Schott el Djerid durchqueren. Auf dem Weg dorthin halten wir bei
einer sogenannten Trichteroase. Die Gegend wird ab jetzt richtig
wüst. Ich bereue irgendwie, daß ich zu Hause keine Feldflasche
gekauft habe. Dennoch leide ich nicht unter Durst. Demjenigen,
der die Sahara durchquert hat, sollte dieses Gefühl nicht ganz
unbekannt sein. Die Erfahrung der nächsten Tage wird zeigen, wie
gut man diese Entbehrungen ertragen kann.
Einige Leute der Gruppe sind
ausgesprochen gegen Zugluft empfindlich. Da die Fenster
geschlossen bleiben müssen und somit kaum ein Luftaustausch
möglich ist, wird der Fahrgastraum zum Treibhaus.
Die Grenzformalitäten bei der
Einreise nach Algerien halten einigermaßen auf. Danach geht es
hinaus in den Erg, die große Sandwüste. Wo eben noch
Grasbüschel den Sand durchsetzten, treten zunehmend
vegetationslose Sanddünen in den Vordergrund. Noch ist die
Straße geteert. Sie ist zwar nicht allzu breit, weist dafür
aber auch kaum Schlaglöcher auf.
Zur Mittagsrast halten wir an
einem artesischen Brunnen. Das Wasser kommt ganz warm aus der
Erde und schmeckt stark magnesiumhaltig.
Gleich am ersten Tag in der
Wüste bleiben wir im Sand stecken. Es dauert eine gute halbe
Stunde, bis das Fahrzeug wieder frei ist.
In El-Oued ist ein Aufstieg auf
das Minarett der Moschee eingeplant. Der Rundblick auf die Stadt
der tausend Kuppeln mit ihrer typischen Souf-Architektur ist
recht lohnend.
Wir verlassen Touggourt nach
einer Übernachtung im Hotel. Das Frühstück fällt knapp aus,
die Banken haben geschlossen und es gibt nirgends Wasser zu
kaufen. Außer dem Grab eines Marabut, d.h. eines Heiligen, und
einer Gedenktafel, die an die erste Durchquerung der Sahara mit
dem Automobil erinnert (untrennbar mit dem Namen Citroën
verbunden) gibt es hier nichts Außergewöhnliches. Einen
besonderen Ehrgeiz hat die algerische Regierung in die
Elektrifizierung auch des kleinsten Saharadorfes gesetzt, die
Telegraphenmasten und -leitungen wirken aber eher störend und
sind auf fast allen Bildern, die man macht, enthalten.
Ich trage heute das erste Mal
meine neuen Springerstiefel, die ich außerordentlich bequem
finde. Mit argwöhnischen Blicken bzw. spöttischen Bemerkungen
der Mitreisenden habe ich schon gerechnet, z.B. "Wer hat Dir
die Stiefel so sauber geputzt? Hast Du hier etwa ein
Arabermädchen, das das macht?" usw.
Der Verkehr auf der Route
zwischen Tunis und Tamanrasset ist zwar nicht gerade dicht, auf
die Bevölkerungsdichte umgerechnet jedoch zumindest lebhaft. Vor
allem Lastkraftwagen sind es, die die nötigsten Güter in den
Süden transportieren. Aus der Gegenrichtung kommen freilich
entsprechend weniger Waren.
Ganze Schafherden werden mit
diesem Verkehr transportiert, Gasflaschen usw. Neben der Fahrbahn
laufen die Telegraphenleitungen und die Pipeline, in der das
Erdöl aus den Oasen an die Mittelmeerküste gepumpt wird.
Die nächste Station, die wir
erreichen, ist die Oase Ouargla. Hier liegen die algerischen
Erdölfelder. Jede Kleinigkeit, die unterwegs aufhält, ist
aufgrund der ständigen Monotonie schon etwas Besonderes, so z.B.
ein von Fremdenlegionären errichteter Tiefbrunnen, oder ein
Verkehrszeichen "Achtung Karawanen!" mit einem Kamel im
Bild. Ouargla selbst hat außer einem Sandrosenmarkt nicht viel
zu bieten. Auf der Weiterfahrt nach Ghardaïa ändert sich
schlagartig das Landschaftsbild. Die Sandwüste wird von einer
Geröllwüste, der sogenannten Hamada, abgelöst, teils mit,
teils ohne Bewuchs.
Meine noch neuen Stiefel
bewähren sich zwar ausgezeichnet, besonders im Sand, aber sie
fangen an, mich zu drücken. Am Abend werde ich froh sein, wenn
ich sie ausziehen kann. Auch die kommende Nacht wird noch einmal
im Hotel übernachtet. Die Eintönigkeit der Landschaft, die
etwas Beklemmendes an sich hat, oder auch die drückende Hitze
mögen wohl die Ursache sein, daß kleinere Unstimmigkeiten in
der Gruppe dazu führen, daß der eine oder andere glaubt, sich
Luft verschaffen zu müssen. Ich hingegen, der ich durch den
ungünstigen Fensterplatz viel mehr Grund zum Unmut hätte,
verhalte mich zu meiner eigenen Überraschung ziemlich still. Die
Hitze mag wohl auch dazu beitragen, daß ich zum Schreiben keine
so rechte Lust habe. Auch mein Interesse an Lektüre ist gering.
So vergehen Stunden der Müdigkeit und der Apathie. Meine
Gedanken kreisen vielmehr um sinnliche Motive, was bei der
starken Sonneneinwirkung nicht weiter verwunderlich ist.
Als wir in Ghardaïa ankommen,
ist ein Sandsturm aufgezogen. Trotz des großartigen Ausblicks
auf die Stadt würde sich ein Foto im Augenblick wohl nicht
lohnen. Bis zu fünfzig Tage kann so ein Sandsturm dauern.
Ghardaïa, die heilige
Fünfstadt, im Tal des M' Zab gelegen, ist ein Sammelpunkt der
Mozabiten. Diese islamische Sekte ist für ihre besonders strenge
Einhaltung der vom Koran vorgeschriebenen Gebote bekannt oder
mehr oder minder berüchtigt.
Wegen der großen Trockenheit
der Luft zeigt sich die Sonne beim Untergehen in ihrer
natürlichen Farbe. Rote Sonnenuntergänge braucht man sich in
der Wüste nicht zu erhoffen, es sei denn auf den Höhen des
Hoggar.
Der abendliche Rundgang durch
Beni-Isguen, wo auch heute noch kein Fremder übernachten darf,
bietet kaum Fotographiermöglichkeiten. Menschen dürfen in der
Stadt nicht photographiert werden. Die Frauen sind so erzogen,
daß sie ihr Antlitz vor zudringlichen Männerblicken gänzlich
verbergen, bis auf ein einziges Auge, das wie durch ein Dreieck
aus dem Schleier blickt. Nicht wenige der Frauen sind derart
scheu vor Männerblicken, daß sie ihren ganzen Körper gegen die
Hausmauern wenden, sobald ein Mann auch nur vorübergeht. Streng
wacht unser lokaler Führer darüber, daß niemand fotografiert
wird. Der Marktplatz von
Beni-Isguen wartet mit einer neuerlichen
Überraschung auf. Die Verkäufer preisen den am Boden sitzenden
Kauflustigen lautstark ihre Waren an, indem sie marktschreierisch
auf und ab laufen. Einer scheint hier den anderen unterbieten zu
wollen, obwohl sie ganz unterschiedliche Artikel feilbieten:
Toaster, Tücher, Kofferradios usw. Überall auf dem Marktplatz
hocken nur Männer, hauptsächlich alte - Einkaufen scheint hier
reine Männersache zu sein -, die das ganze beobachten, ohne daß
eine rechte Kauflust zu spüren wäre. Das gesamte Ritual scheint
eine Art Zeitvertreib zu sein. Die Frauen sind hauptsächlich an
den Herd gefesselt. Ich sehe nirgends, daß irgendein Geschäft
zustande käme, jedoch wird allerorts diskutiert. Von uns
Eindringlingen scheint niemand Notiz zu nehmen, obwohl wir an
Zahl nicht zu übersehen sind. Viele der Händler erinnern mich
in ihrem Aussehen an typische Juden, mit ihrem langen Kaftan, den
gebogenen Nasen und dem krausen Haar, der braunen Haut und den
langen Bärten. Es fällt schwer zu glauben, daß hier keine
völkische Zusammengehörigkeit besteht. Über diese Frage
scheiden sich noch immer die Geister, selbst die der Gelehrten.
Irgendwie scheint hier die Zeit in ihrem Ablauf stillzustehen,
die Entwicklung einiges verpaßt zu haben, obwohl es in diesem
Ort Strom und Fernsehen durchaus gibt. Nirgendwo habe ich jemals
deutlicher gesehen als hier, wie nachteilig sich religiöser
Eifer auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit auszuwirken
vermag. Für mich zumindest ist unbegreiflich, daß
offensichtlich kein Widerspruch zu bestehen scheint zwischen
wissenschaftlicher Denkweise und religiöser Überzeugung.
Zahlreiche Übungsbücher für höhere Programmiersprachen in den
Schaufenstern beweisen dies. MS-DOS und Turbo-Pascal sind hier
nicht unbekannt.
Übernachtet wird an diesem Tag
auf einem Campingplatz.
Kaum habe ich zwei Stunden
geschlafen, als ich durch lautes Hundegebell geweckt werde. Kurz
entschlossen ziehe ich meine Stiefel an, gehe hinaus, und binde
den Hund von der Leine los. Noch ein kurzes Gebell und der Hund
läuft davon. Der Rest der Nacht verläuft ungestört und ruhig.
Die sanitären Verhältnisse auf dem Campingplatz bleiben hinter
allen Erwartungen zurück. Dafür werden wir am nächsten Morgen
durch einen ungetrübten Blick auf Ghardaïa entschädigt, denn
in der Nacht hat sich der Sandsturm gelegt. Eine grüne Oase
inmitten der Wüste mit pastellfarbenen Häusern, die wie an den
Berg geklebt scheinen! Besiedelt wurde die Stadt von ihrem
höchstgelegenen Punkt aus, dem fest ummauerten Bergfried, in
Richtung auf das Tal zu.
Ein morgendlicher Spaziergang
auf dem Markt gibt mir hinreichend Gelegenheit, meine
Französischkenntnisse aufzufrischen. Unser Versuch, von
irgendeinem der Häuser herab ein Foto von dem bunten Treiben auf
dem Markt zu schießen, schlägt lange Zeit fehl. Fast überall
werden wir abgewiesen, selbst auf unser Angebot hin, dafür ein
kleines Entgelt zu entrichten. Es sei keine Frage des Geldes,
muß ich mir sagen lassen. Immerhin finde ich anerkennenswert,
daß auch für Geld in einem solch armen Land nicht alles zu
haben ist, und ich respektiere das. Schließlich gelingt es mir
aber doch noch, als Einzelperson zwar, in ein Haus eingelassen zu
werden und von oben herab ein Bild zu machen. Die Hintergedanken
meines Gönners sind unschwer zu durchschauen; er macht sich
offenbar Hoffnungen auf einen illegalen Devisenhandel, auf den
ich mich jedoch nicht einlassen will. Eine gewisse ablehnende
Haltung dem Fremden gegenüber kann man den Menschen, die hier
leben, nicht absprechen. Dennoch mache ich auch positive
Erfahrungen. Bei dem Versuch, ein Dach zu erklimmen, werde ich
unvermutet von einem Einheimischen in eine kleine Wohnhöhle
hineingezogen. Man bietet mir Pfefferminztee an, der aus frischen
Blättern zubereitet ist, und dazu ungeröstete Erdnüsse. Die
Sprachschwierigkeiten sind schnell behoben. Wenn man gezwungen
ist, sich, so wie hier, aus Anstand zu unterhalten, so findet man
auch Worte, selbst dann, wenn man die Sprache sonst nicht so gut
beherrscht. Nachdem ich bereitwillig über mein Reiseziel, meine
Begleiter und mein Herkunftsland Auskunft erteile, wird mir
versichert, daß Deutschland dafür bekannt sei, daß es gute
Fußballspieler habe. Auf die Nachfrage hin, ob ich Zigaretten
hätte, muß ich als Nichtraucher passen, obwohl einige
Glimmstengel sicherlich ein gutes Gastgeschenk gewesen wären.
Aber man denkt eben nicht an alles.
Zum ersten Mal, seit wir in der
Wüste sind, zeigt sich der Himmel in einem vollkommen klaren
Blau. Bisher war es in der Regel immer etwas dunstig. Hoch oben
über uns zieht ein Flugzeug seine Bahn. Der Kondensstreifen, wie
wir ihn kennen, ist hier wegen der extrem trockenen Luft nicht
sehr lang. Das Wetter ist ganz einfach traumhaft. Es wirkt sich
auch auf die Stimmung der Leute aus. Drei Farben sind es, die das
Klischeebild von der Wüste vollständig beschreiben - das
Goldgelb des Sandes, das klare tiefe Blau des Himmels und das
kontrastierende Grün der Palmen - all das ist heute Wirklichkeit
geworden. Schier endlose Weiten tun sich auf. Das Hochgefühl,
das durch die unendliche Monotonie hervorgerufen wird, wirkt
berauschend. Abgetragene Tafelberge ragen mahnend aus der Ebene
heraus. Nicht zuletzt deshalb nennt man sie wohl auch
Zeugenberge. Ganze Berge hat hier die Erosion mit Urgewalt vom
Hochplateau abgetrennt, vor unseren Augen offenbart sich die
Vergänglichkeit alles Irdischen.
Wir befinden uns im Augenblick
auf der Strecke zwischen Ghardaïa und El-Goléa. Erst jetzt
bemerke ich, daß die Telegraphen- und Hochspannungsleitungen
längst verschwunden sind. Wir sind der Natur ein Stückchen
näher gerückt, haben uns vom Behaglichen ein wenig weiter
entfernt.
Die Reise verspricht
allmählich abenteuerlich zu werden. Wie man an der schlagartig
schlechter werdenden Schrift meiner handschriftlichen
Aufzeichnungen erkennen kann, sind die Straßenverhältnisse
ebenfalls deutlich schlechter geworden. Das liegt daran, daß wir
uns bereits auf einer Piste befinden, genauer gesagt ist die
Asphaltstraße von mehreren unbefahrbaren und versandeten
Abschnitten unterbrochen. Bisher war ich immer der Vorstellung
unterlegen, daß die Straße bis Tamanrasset durchgehend geteert
sei. Dies erweist sich schon jetzt als Irrtum. Der Boden, auf dem
die Pistenabschnitte verlaufen, ist zwar in aller Regel hart,
jedoch immer wieder von Verwehungen durchsetzt. Ich spüre, wie
wir förmlich auf dem Sande schwimmen. Der Reifendruck ist noch
nicht erniedrigt worden, wir fahren immer noch mit Straßendruck.
Kreuz und quer manövriert unser Fahrer, immer nach dem Wege des
geringsten Widerstandes suchend. Hier steckenzubleiben müßte
mit mindestens einer halben Stunde Wartezeit erkauft werden. Das
Abenteuer Sahara hat begonnen.
Der Verkehr ist geradezu
spärlich geworden. Bei genauem Ansehen der Karte hätte mir
eigentlich auffallen müssen, daß der Abschnitt, auf dem wir
gerade fahren, als im Bau befindlich eingezeichnet ist. Wahrhaft
interessant verspricht die Etappe von In Salah nach Tamanrasset
zu werden, wo wir unterwegs mitten in der Wüste übernachten
müssen. El-Goléa ist sozusagen die letzte Oase, die meines
Erachtens mühelos zu erreichen ist. Das starke Verkehrsaufkommen
endet schlagartig dort, wo man die Erdölfelder hinter sich
gelassen hat.
Neben der gestrigen
Friedhofsbesichtigung unternehmen wir heute noch eine Wanderung
auf den Ksar, von dem aus man einen weiten Rundblick über die
ganze Oase hat. Sichtlich erstaunt bin ich, daß fast der gesamte
Palmenhain von zahlreichen Feuern verräuchert wird, deren Sinn
und Zweck mir bis heute unklar ist.
Unterwegs begegnen uns zwei
Motorradfahrer. Diese müssen immer mindestens zu zweit fahren.
Warum sollte also eine Strecke, die für Lastkraftwagen befahrbar
ist, nicht auch von Zweirädern bewältigt werden können? Ein
weiteres Klischee ist beseitigt.
Auf der Straße liegen mehrere
Säcke, die vielleicht mit Hirse oder etwas ähnlichem gefüllt
sind. Sie wurden offenbar von einem Fahrzeug verloren. Noch hat
sich kein Finder eingestellt.
Mein Mineralwasser ist noch
erstaunlich kühl, obwohl es im Fahrgastraum bereits recht warm
geworden ist.
Unser Schwesterschiff fährt
ca. 1 km hinter uns, an einer weithin sichtbaren Staubfahne zu
erkennen. Es scheint wie abgesprochen, daß dieser
Streckenabschnitt gemeinsam bewältigt werden soll. Nach
mehrstündiger Fahrt ist das Plateau von Tademaït überquert.
Die Mittagspause wird heute zum ersten Mal in einer Landschaft
eingelegt, die so gut wie keinen Schatten bietet. Hilflos rücken
wir dicht an das Fahrzeug heran, um wenigstens dessen Höhe etwas
auszunutzen und nicht in der prallen Sonne sitzen zu müssen.
Von nun an ist die Straße zwar
wieder asphaltiert, aber sie weist dafür um so mehr
Schlaglöcher auf. Am Steilabfall des Plateaus von Tademaït in
die Senke von Tidikelt wird ein kurzer Zwischenstop eingeschoben.
Ein grandioser Ausblick eröffnet sich. Alle Typen von
Tafelbergen sind vertreten: Zungen-, Zeugen- und Inselberge.
Nach einer ruhigen Nacht beim
Hotel in In Salah geht es weiter Richtung Tamanrasset, 658 km
südlich von In Salah.
Die staatlich gelenkten Hotels
Algeriens sind in einem durchweg heruntergekommenen Zustand:
schmutzig - Toilettenpapier kennt oder benutzt man hier nicht,
für die Reinigung danach nimmt man einfach eine Flasche Wasser
und die linke Hand; die Toilettenspülungen funktionieren
entweder überhaupt nicht oder sie sind noch nicht einmal
vorhanden; die Klimaanlagen sind reine Zierde, niemand vermag zu
sagen, wann sie zum letzten Mal repariert wurden; das Essen ist
so schlecht, daß man am besten gar nicht darüber spricht (es
soll schon vorgekommen sein, daß Leute mit Kutteln bewirtet
wurden - die man dem Koch dann allerdings tellerweise
zurückbrachte).
Meine Befürchtungen, gleich zu
Beginn Darmbeschwerden in der einen oder anderen Form zu
bekommen, haben sich bisher nicht bestätigt, ich bin wohlauf.
Auch die anfänglichen Schlafstörungen sind behoben. Die
morgendliche Kühle macht das Fahren angenehm. Die unbegrenzte
Ebenheit und Weite nach allen Richtungen läßt die Erdkrümmung
erkennen. Leuten mit depressivem Grundcharakter ist eine solche
Reise nicht anzuraten. Auf einer früheren Reise hat deswegen bei
diesem Veranstalter schon einmal jemand Selbstmord verübt. In
einem anderen Fall mußte eine Frau, die während der Reise an
einer Gehirnhautentzündung gestorben ist, auf dem Friedhof von
El-Béchar neben dem Grabe des Paters Foucauld beigesetzt werden.
Erschüttert stehen wir an ihrem Grab.
Unser Reiseleiter Günther hat
beinah jedes Krankenhaus der Region auch als Patient schon einmal
kennengelernt, keines ist ihm unbekannt. Der Mann hat über 70
Saharadurchquerungen hinter sich, die erste davon schon in den
Zwanziger Jahren, nur zu zweit und genau auf der gleichen Route,
die wir nehmen. Ob er seine linke Hand auf einer dieser Reisen
verloren hat, habe ich allerdings bisher nicht in Erfahrung
bringen können.
Eine dunkle Bewölkung ist
aufgezogen, erstaunlich bei 360 Sonnentagen im Jahr. Unweit von
hier regnet es. Wir fahren im Augenblick auf die Ebene von
Tidikelt zu, was übersetzt "Land des Durstes" heißt.
Plötzlich tauchen Pfützen vor uns auf, was, wie es heißt, eine
ausgesprochene Seltenheit ist.
Bald werden wir die
Mouydir-Berge erreichen. Längst haben wir die befestigte Straße
verlassen und bewegen uns nur mühsam auf der sandigen Piste
fort. Mittlerweile habe ich mich an die ewige Schaukelei
gewöhnt. Die Luft besitzt heute nicht mehr die gestrige
Klarheit.
Entfernungen gibt man in der
Wüste grundsätzlich nicht in Kilometern an, sondern als
Zeitangaben. Wie praktisch das ist, beweist sich im Augenblick.
Schütteln wechselt ab mit Schwimmbewegungen. Ein Pkw-Konvoi ist
hinter uns. Außer den Spesen und den Kosten für den Rückflug
springt bei solchen Überführungen meistens nicht viel heraus.
Was den Leuten, die das machen, auf jeden Fall keiner nehmen
kann, ist der Hauch von Abenteuer, den man bei derartigen
Unternehmungen verspürt.
Kaum eine Stunde vergeht, ohne
daß wir nicht an irgendeiner Baustelle vorbeikommen. Überall
wird gearbeitet, jedoch ohne daß der Eindruck aufkommen könnte,
daß auch nur ein Abschnitt annähernd fertiggestellt ist.
Zuweilen steht eine Tamariske
völlig vereinzelt auf weiter sandiger Flur. Selbst
Straßenschilder, auf denen Entfernungen angegeben sind, dürfen
nicht fehlen in der Wüste, sie sind allerdings eher selten.
Die sogenannte Wellblechpiste
ermöglicht nicht immer das schnellste Vorankommen. Oft ist es
besser, die Sandpiste zu benutzen, da das dauernde Rütteln die
Stoßfedern arg mitnimmt. Nach Durchqueren der Arakschlucht und
Überschreiten eines ausgedehnten Geröllfeldes ist schnell ein
Lagerplatz erreicht. Er liegt in der Nähe des Marabutheiligtums,
das jeder Wüstenreisende dreimal umfahren haben muß, um der
Gunst des Heiligen für eine glückliche Saharadurchquerung
teilhaftig zu werden.
Unser Camp liegt in einem
geschützten Felsenkessel, der zwar ganz mit Sand ausgefüllt
ist, aber dennoch Winde abhält. Die verbrannten Felsen klingen
hohl, wenn man dagegen klopft. Die unbarmherzige
Sonneneinstrahlung hat den Gneis spröde und brüchig werden
lassen. Die Winderosion hat in Millionen von Jahren Höhlen und
Durchbrüche aus dem Gestein herausgearbeitet.
Eine Anhöhe ist schnell
erklommen. Sonnenuntergang in der Sahara, ein majestätisches
Erlebnis! Vor dem Hintergrund einer bizarren Felslandschaft
versinkt die Sonne binnen Minuten hinter einer aufgelösten
Wolkenfront. Leider stelle ich nur zu oft fest: Die Leute sind
überhaupt nicht romantisch! Selbst angesichts dieses erhabenen
Erlebnisses sitzen sie immer noch in Gruppen und witzeln. Keiner
bringt es fertig, auch nur einen Augenblick mit sich und der
Natur allein zu sein und etwas Besinnlichkeit aufkommen zu
lassen.
Nach einer Übernachtung in
freier Wildbahn verlassen wir den Marabut, nicht ohne ihn vorher
dreimal umfahren zu haben. Die Nachttemperatur ist nicht unter 10
Grad gesunken. Schnell ist die Asphaltstraße wieder verlassen,
eine Riesenumleitung erwartet uns. Die morgendliche Klarheit geht
rasch in trüben Dunst über. Es sind von hier noch ca. 260 km
bis zu unserem "glorreichen Einzug" in Tamanrasset.
Das Landschaftsbild der
Mouydir-Berge ist folgendes: Von der Sonne ausgebleichte und ins
Schwarze verfärbte Gneiskegel ragen aus einer mit gelbem Sand
aufgefüllten Ebene heraus. In die Ebene eingestreut sind
Blöcke
als Reste eines abgetragenen Urgebirges, farblich ganz dem Sande
entsprechend. Die bis zu 2000 m aufragenden Mouydir-Berge tauchen
ein in ein tiefes Himmelblau, was besonders in den frühen
Morgenstunden glasklar erscheint. Dort, wo Vegetation gedeiht,
tritt zu diesem Dreiklang an Farben - schwarz, gelb, blau - als
viertes noch ein frisches Grün hinzu. Dies ist das
charakteristische Landschaftsbild des wild zerklüfteten
Mouydir-Gebirges.
Wir kommen in das Gebiet von In
Ecker, wo dereinst die unterirdischen französischen
Atomwaffenversuche stattfanden. In Ecker ist wegen seines sehr
guten Wassers bekannt, das man ohne weiteres trinken kann. Von
hier bis Tamanrasset haben wir nur noch Asphaltpiste, die auch
noch 65 km darüber hinausgeht.
Um 14.45 Uhr wird der
Wendekreis des Krebses überschritten. Somit habe ich in diesem
Jahr drei wichtige Breitengrade berührt: den Äquator in Kenia,
den nördlichen Polarkreis in Island und den Wendekreis des
Krebses in Algerien.
Etwa 40 km vor Tamanrasset, in
Höhe der Oase Tit, eröffnet sich der erste Ausblick auf den
Hoggar, von fern wohl etwas weniger eindrucksvoll, als von den
Postkarten her bekannt. Der Straßenzustand ist schon wieder sehr
schlecht. Der Himmel ist bewölkt, ein Anzeichen von Feuchtigkeit
also. Wohl genau deshalb herrscht eine drückende Schwüle im
Fahrzeug. Ein alter Wegweiser am Straßenrand aus der
Kolonialzeit gibt die Entfernung zu den wichtigsten Punkten des
damaligen französischen Einflußbereichs an. Als größte
Entfernung von hier aus ist Paris mit 3655 km angegeben.
Am Abend in Tamanrasset wird
beschlossen, die zweite Hotelübernachtung in diesem Ort
ausfallen zu lassen und dafür lieber einen Tag zu gewinnen, den
man dann später wertvoller nutzen kann. Nachdem das Hotel hier
ohnehin nicht sehr komfortabel ist, wird diesen Entschluß wohl
niemand so recht bereuen. Nach langer Zeit nehme ich endlich
wieder einmal eine kalte Dusche, aber besser kalt, als ganz zu
verdrecken. Toiletten und Duschen sind in diesem
heruntergekommenen Hotel auf dem Gang gelegen und müssen
gemeinschaftlich genutzt werden. Es wird wohl die ganze Nacht
Tür auf, Tür zu gehen. Das Abendessen ist jedenfalls in
Ordnung, es gibt Gegrilltes vom Spieß.
Abends vor dem Zubettgehen
stellt sich heraus, daß der Mitreisende, mit dem ich das Zimmer
teile, auch schon in Kenia gewesen ist. Ein Erfahrungsaustausch
über unsere Reiseerlebnisse vor dem Einschlafen läßt mich
müder und müder werden. Wider Erwarten verläuft die Nacht
ruhig, ich schlafe von Tag zu Tag besser. Als ich nachts wach
werde und den Raum verlassen will, wird mein Zimmergenosse
unsanft aus dem Schlaf gerissen. Nicht einmal die Türen
schließen!
Das Frühstück fällt
überraschend gut aus, es gibt sogar Kuchen.
Um die eingetauschte Währung
auszugeben, kaufe ich mir zu guter Letzt in Tam noch einen
sogenannten Chech, das typische Kopftuch der Tuareg. Vom
Verkäufer fachgerecht gebunden, habe ich damit bei den
Mitreisenden viel Aufsehens erregt. Die Einheimischen hingegen
scheinen sich mehr für meine nagelneuen US-Springerstiefel zu
interessieren, wie ich zahlreichen neidischen Blicken entnehmen
kann.
Die Souvenirläden in
Tamanrasset, der Endstation des Tourismus, zeichnen sich mehr
durch ansehnliche Preise aus als durch Originalität. Freilich
würden mich einige der fein verzierten Tuareg-Dolche dennoch
sehr reizen, aber zum Kauf kann ich mich einfach nicht
entschließen.
Am späten Nachmittag brechen
wir zu unserem Ausflug auf den Assekrem auf, wo wir auch
übernachten wollen, um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang zu
erleben.
Die Fahrt wird mit Landrovern
durchgeführt. Pro Fahrzeug werden fünf Personen befördert, so
daß für die gesamte Gruppe vier Fahrzeuge zur Verfügung
stehen. Vorbei am Hausberg von Tamanrasset, dem Igelmane, geht es
in vierstündiger Fahrt auf den 2585 m hohen Gipfel des Assekrem,
einem historischen Ort. Hier lebte
der französische Adlige und
Pater Vicomte Pièrre de Foucauld in einer Klause hoch über den
Gipfeln des Hoggar. Die bizarren Felskegel vulkanischen Ursprungs
stehen weit verstreut in einer trostlosen Schotterlandschaft. So
glasklar sich der Himmel den ganzen Tag über zeigt, so trostlos
erleben wir den Sonnenuntergang. Eine Wolkenfront macht dieses
Naturschauspiel schlagartig zunichte. Ich bin um eine Illusion
ärmer, aber wahrscheinlich habe ich wohl wieder einmal etwas
zuviel erwartet. Der als unvergessenes Erlebnis angepriesene
Höhepunkt einer jeden Algerienreise fällt buchstäblich aus.
Dafür kann auch der Sonnenaufgang am nächsten Morgen nicht
entschädigen. Die charakteristischen Felskegel zeigen sich im
grellen Gegenlicht. Lediglich die Umrisse treten aufgrund der
Klarheit der Luft messerscharf hervor. Ich habe in den Alpen
großartigere Sonnenaufgänge erlebt. Den Menschen ist nun einmal
nicht zu helfen! Sie geben viel Geld aus für etwas, was sie zu
Hause viel bequemer und vor allem billiger haben können, um am
Ende noch unzufrieden zu sein. Aber das Schönste ist - sie
lügen sich auch noch in die Tasche.
Die Klause ist von der
erwarteten Schlichtheit. Indes dürfte dem Pater die Zeit nicht
lang geworden sein, wie die reichhaltige Bibliothek beweist.
Drei Stunden nach Ankunft ist
das Abendessen zubereitet. Wie immer gibt es Kouzkouz.
Mittlerweile habe ich mich an dieses Gericht gewöhnt. Es
schmeckt zwar ziemlich trocken, wenn man es nicht mit viel
Flüssigkeit zu sich nimmt, aber es soll sehr vitaminreich sein.
Da ich mich den ganzen Tag über im Glauben befunden habe, daß
zum Abendessen auch eine Flasche Wassers gereicht würde, was
wegen des unverschämten Aufpreises eigentlich hätte
selbstverständlich sein müssen, fehlt mir natürlich der
Tagesbedarf an Flüssigkeit. Daher halte ich mich beim
abendlichen Alkoholgenuß weitgehend zurück, um den quälenden
Durst nicht noch zu verschlimmern.
Das Quartier besteht aus einem
Matrazenlager, wobei jeder als Schutz gegen die Kälte zwei
staubige Decken erhält. Da die gesamte Gruppe auf engstem Raum
untergebracht ist, kehrt lange keine Ruhe ein. Dafür ist die
Stimmung bis ins Euphorische gesteigert, die Possen werden unter
der Wirkung des Alkohols um so frivoler.
Die Nacht ist sternklar.
Nirgends auf der Welt zeigt der Himmel eine größere Fülle an
Sternen als hier in der Wüste. Die Nachttemperaturen dürften
bei +6 °C liegen, vielleicht sogar nahe dem Gefrierpunkt.
Die rasch aufsteigende Sonne
erwärmt den Boden jedoch so schnell, daß der Pullover noch
während der frühen Morgenstunden wieder eingepackt werden kann.
Beim Frühstück verzichte ich zunächst auf den Kaffee, um mich
mit einer Tasse Ziegen- oder Kamelmilch zu laben. Das in Algerien
stets gute Weißbrot schmeckt eingetaucht um so besser.
Ebenso rasch, wie wir gestern
alles ausgepackt haben, wird heute alles wieder verladen, so daß
wir binnen kurzem abmarschbereit sind. Unser einheimischer Fahrer
will offenbar die Klasse seines Fahrzeugs (Toyota Land Cruiser)
unter Beweis stellen. Mit bis zu 120 km/h braust er über die
staubige Wellblechpiste. Es macht Spaß!
Insgesamt gesehen ist der
Ausflug auf den Assekrem zwar lohnend gewesen, meine
hochgesteckten Erwartungen sind jedoch nicht erfüllt worden.
Wir verlassen Tamanrasset nicht
wie vorgesehen, sondern um einen halben Tag früher. Die heutige
Hotelübernachtung lassen wir, wie bereits gestern beschlossen,
zugunsten des Programmablaufs ausfallen. Nach unserer Ankunft im
Hotel gibt es einen Eklat, weil man uns das Duschen verweigert,
nachdem wir dort nicht ein zweites Mal nächtigen wollen. Die
nächsten drei Tage werden wir in der Wüste übernachten
müssen. Wie uns unser Reiseleiter versichert, sind wir dafür
bestens ausgerüstet.
Am Ortsausgang von Tamanrasset,
nämlich dort, wo es in den Großen Süden hinausgeht, macht ein
dreisprachiges Warnschild in englischer, französischer und
arabischer Sprache den Reisenden auf die Gefahren aufmerksam, die
bei einer Durchquerung der Wüste drohen. Wir müssen uns
polizeilich abmelden, damit unser Verbleib nicht ungeklärt
bleibt, falls wir uns verirren sollten. Eine Gewißheit jedoch
haben wir: Suchen wird uns hier niemand!
Nachdem nun der asphaltierte
Teil der Strecke endgültig hinter uns liegt und wir für
längere Zeit nur Piste vor uns haben, muß der Reifendruck von 6
auf 3 atü erniedrigt werden. Das Fahrzeug kann somit nicht so
leicht im Sand versinken. Um freizukommen, braucht man dann unter
Umständen nicht einmal Bleche.
Der heutige Streckenabschnitt
wird uns führen, soweit wir kommen. Wenn diese
Saharadurchquerung überhaupt ein Abenteuer darstellt, dann hier,
wo die Piste unüberschaubar breit wird. Momentan ist der
breiteste Abschnitt, den wir befahren, 4 km breit. Das erste
Autowrack taucht auf, es ist ein VW-Käfer. Bisher kann ich nicht
von uns behaupten, daß wir alleine wären. Jede halbe Stunde
begegnet oder überholt uns ein Fahrzeug bzw. ein Konvoi. Dann
plötzlich Menschen, offenbar ein Nomadenklan! Die Frauen kauern
zusammen unter einem Busch, die Männer unter einem anderen, wohl
um sich gegen die mittägliche Hitze zu schützen. Ihr
Begleittier ist jedoch nicht etwa das Kamel (Karawanen sind
mittlerweile nämlich selten geworden), sondern das Automobil,
und zwar ein Lkw.
Es sind auffallend viele
Deutsche unterwegs. Vor uns wieder ein Konvoi, der breit
gefächert alle irgendwie nutzbaren Fahrspuren belegt. In einer
unüberschaubaren Staubwolke quälen wir uns voran. Obwohl unser
Fahrzeug den Pkws durchaus überlegen wäre, gelingt es unserem
Fahrer mangels schlechter Sicht nicht, den Konvoi zu überholen.
Wir kampieren diese Nacht
hinter einer geschützten Hügelkette mit Resten aufgegebener
Behausungen. Von der nahegelegenen Bergkuppe hat man einen
einzigartigen Rundblick mit mindestens 100 km Fernsicht. Soweit
das Auge reicht, erstreckt sich diese sogenannte Fastebene, wie
sie in der Nomenklatur der Saharaforschung genannt wird, und nur
wenige Inselberge ragen aus ihr heraus. Einige Staubwolken in der
Ferne lassen den ungefähren Verlauf der Piste erkennen. Zwei
sich nähernde Expeditionsfahrzeuge steuern auf den
nächstliegenden Felshügel zu, den sich die Insassen wohl als
Lagerplatz ausgesucht haben. Meine Befürchtung, daß wir diese
Nacht nicht allein sein könnten, bestätigt sich nicht. Ich
sitze ganz allein oben auf einem Felsen und versuche die
einzigartige Stimmung in mich aufzunehmen und den Sonnenuntergang
zu genießen. Drunten in unserem Lager herrscht geschäftiges
Treiben, gerade wird das Abendessen zubereitet - es gibt
Gemüsesuppe. Wie Ameisen laufen die Mitreisenden durcheinander,
jeden einzelnen kann man erkennen.
Der Sonnenuntergang beginnt!
Die aus unseren Breiten gewohnte Dunstschicht über dem Horizont
fehlt hier völlig. Wie eine glühende Scheibe scheint unser
Zentralgestirn direkt am Boden aufzusitzen. Fast wie in Zeitlupe
versinkt der güldene Ball über der Wüste. Das ganze Firmament
ist schlagartig in ein gleißendes Gelb getaucht, das rasch in
ein tiefes Blau übergeht, ehe urplötzlich die Schwärze der
Nacht hereinbricht. Selten habe ich einen Sonnenuntergang
intensiver erlebt als diesen. Kein Photo vermag die Eindrücke je
wiederzugeben. Die unendliche Weite übersteigt das Vorstellbare.
Nur das persönliche Gefühl kann das Erlebte unvergessen machen.
Es wird Zeit, zurückzugehen.
Nach dem Abendessen wird weiter
fleißig gezecht. Schon vor der Ankunft im Bus werden die ersten
Lieder angestimmt. Unser Reiseleiter erweist sich als ein ganz
talentierter Sänger. Auf jede Landsmannschaft wird ein eigener
Reim gemacht. Wie zu erwarten, werden wir Bayern wieder mit dem
dümmsten Lied bedacht. Später finden die Lieder ihre
Fortsetzung. So mancher, der tagsüber den Biedermann spielt,
läßt sich unter dem Einfluß des Alkohols dann richtig gehen.
Das Niveau sinkt - für meine wohl etwas zu strengen Maßstäbe -
in die Primitivität ab; nach meinen Dafürhalten fallen einfach
zu viele Fäkalienausdrücke. Besonders unser Reiseleiter
übertrifft im übermäßigen Alkoholgenuß alle anderen.
Nichtsdestotrotz zeigt er sich noch imstande, uns die Sternbilder
und deren Bedeutung für den Wüstenreisenden zu erläutern. Das
wichtigste Sternbild in der Wüste ist der Himmelsjäger Orion.
Sein am Gürtel hängendes Schwert weist stets den Weg nach
Süden. Da mir in Sachen Sternkunde wohl kaum jemand etwas
vormachen kann, vermag ich die Irrtümer in den Erklärungen
aufzudecken. Dabei wage ich allerdings nicht zu beurteilen, wer
in der Gruppe diesen Irrtümern aufsitzt und wer nicht: der
kleine Bär wird um die Plejaden angesiedelt, die Capella als
Sternbild bezeichnet usw. Dennoch ist die Stimmung gut, die
Gruppe harmonisch.
An diesem Abend fällt die
Entscheidung, die Weiterfahrt nach Grenzübertritt anders zu
gestalten. Entgegen der im Programm angegebenen Route will
Günther den Weg über die Salzseen von Tessoum wählen, eine
"verbotene" Piste, wie Klaus aus dem DuMont
herausliest. Der Vorschlag wird einstimmig angenommen, auf die
Warner nicht gehört.
Sehr früh beginnt heute die
Abfahrt, noch vor Sonnenaufgang. Gefrühstückt wird unter dem
Sternenzelt. Es ist kalt geworden über Nacht.
Unterwegs treffen wir einen
einzelnen, wohl einen Abenteurer, der am Rande der Piste sein
Fahrzeug repariert. Mehrere Räder sind abmontiert. Unsere
Hilfsbereitschaft wird abgelehnt.
Wir sind in dem
berühmt-berüchtigten Gebiet von I-n-Guezzam. Hier windet sich
die Piste kurvenreich zwischen Felsblöcken hindurch.
Der erste ist schon umgekippt,
wahrscheinlich eine Kreislaufschwäche. Ich vermute, daß der
gestrige übermäßige Alkoholgenuß die Ursache ist.
Von den drei Kugelschreibern,
die ich dabei habe, habe ich einen verschenkt, und die beiden
anderen sind bereits ausgeschrieben. Zum Glück hat jemand
Kugelschreiber in Reserve.
Die gegenwärtig befahrene
Etappe scheint regelmäßig mit Im-Sand-Steckenbleiben verbunden
zu sein. Nach einer Dreiviertelstunde ist das Fahrzeug wieder
frei. Das Freischaufeln und das Schleppen der Bleche haben
durstig gemacht. Noch immer ist die Gefahr nicht gebannt.
Die Piste nimmt zusehends eine
unübersehbare Breite an. Es ist mühsam, sich an den vorhandenen
Spuren noch zu orientieren. Müdigkeit überkommt mich. Man kann
sich mit absoluter Sicherheit darauf verlassen, daß sie
eintritt, sobald die Sonne ihren Höchststand erreicht hat.
Die Grenzabfertigung bei der
Ausreise aus Algerien erfolgt recht zügig. Übernachtet wird
heute im sogenannten Niemandsland zwischen Algerien und Niger.
Nun beginnt der schwierigste
Teil der ganzen Reise. Die zahlreichen Autowracks entlang der
Piste sind nun noch häufiger anzutreffen.
Gesundheitlich fehlt mir bis
auf ein leichtes Nasenbluten, verursacht durch das unvermeidliche
Austrocknen der Schleimhäute, bisher nicht das Geringste.
Die Grenzkontrollen bei der
Einreise werden äußerst gründlich durchgeführt. Sämtliche
Koffer müssen geöffnet werden, die Schlafkabinen und
Gepäckablagen werden gründlich durchsucht. Selbst die
Fahrzeugplane muß abgenommen werden. Nach etwa einstündiger
Wartezeit haben wir es geschafft.
Wir schlagen nun nicht wie
beabsichtigt die verbotene Piste nach Tessoum ein, sondern
wählen aus Zeitgründen den ursprünglichen Weg nach Agadez.
Trotz der offenen Fenster
riecht es im Fahrgastraum ziemlich unangenehm nach Fußschweiß.
Die mangelnde Waschgelegenheit seit nunmehr drei Tagen
hinterläßt ihre ersten Spuren. In solchen Fällen ist es
angenehmer, wie ich, alleine zu sitzen.
Auf der Strecke nach Arlit
geraten wir in einen Sandsturm, den zweiten bisher. Ein
Wüstenerlebnis wäre nicht vollkommen, wenn dieser fehlte. Somit
sind wir gezwungen, unser Essen heute im Fahrzeug einzunehmen, da
draußen alles weggeweht wird. Es ist kaum eine andere Situation
denkbar, in der sich das Kopftuch so sehr von Nutzen erweist wie
diese.
In der Gegend von Arlit wird
Uran abgebaut, das heutzutage allerdings niemand mehr haben will.
Hier in Arlit beginnt der
letzte Wüstenabschnitt, ehe wir der Wüste für immer ade sagen.
Die meisten von uns werden wohl niemals mehr hierher
zurückkehren. Der Abschied fällt allerdings auch nicht
besonders schwer. Wir haben großartige Landschaften gesehen: die
Sandwüsten des östlichen und westlichen Erg, die Hamadas oder
Steinwüsten, das Plateau von Tademaït und die Ebene von
Tidikelt, das "Land der Furcht" bzw. "des
Durstes", und schließlich das Hochgebirge des Hoggar, den
sogenannten Atakor. Keinen Tag hätte man einsparen können. Gut
neun Tage hat es gedauert von Kairouan bis Agadez, aber noch ist
das Ziel nicht erreicht, noch liegen mehr als vierzehn Tage vor
uns. So gelangen wir denn in die Sahelzone.
In Arlit müssen erneut
Paßformalitäten abgewickelt werden. Der Ort selbst entrückt
uns in eine völlig andere Welt. Obwohl wir das Siedlungsgebiet
der Tuareg noch längst nicht verlassen haben, setzt sich die
Mehrheit der Bevölkerung nun aus Schwarzen zusammen. Die Armut,
die mir plötzlich entgegenschlägt, ist mir durchaus nicht
unbekannt. Niger gehört wie Tansania zu den ärmsten Ländern
der Erde.
Bei Arlit beginnt die
Asphaltstraße, der Reifendruck muß daher wieder erhöht werden.
Die Straße befindet sich in einem besseren Zustand, als wir ihn
in Algerien angetroffen haben. Kein Wunder, denn sie wurde
angeblich mit deutschen Mitteln finanziert!
Im Innern des Fahrzeugs messen
wir 37 °C. In der Sahelzone ist es noch heißer als in der
eigentlichen Wüste.
Wir verlassen Agadez in
Richtung Bilma und fahren etwa eine Dreiviertelstunde lang in die
falsche Richtung. Weder Reiseleiter noch Fahrer erweisen sich als
ortskundig. Dies bringt uns eine zweistündige Verspätung ein.
Agadez bietet außer einer
Moschee aus dem 11. Jahrhundert und dem Sultanspalast nahezu
nichts. Was an diesem Ort jedoch fasziniert, ist das bunte
Treiben auf dem Markt. Die Aufdringlichkeit der Händler ist
wahrhaft unerträglich. Es scheint üblich zu sein, daß man das
gleiche Souvenir vom gleichen Händler am gleichen Tage und am
gleichen Ort nochmals angeboten bekommt. Selbst im Hotel kann man
sich der Händler und Prostituierten kaum erwehren.
Bis lange in die Nacht hinein
bleibt es warm. Die Mückenplage zwingt zum Auftragen von
Insektenschutzmitteln.
Am nächsten Morgen ist auf
keiner Bank Geld zu bekommen. Sobald wir jedoch die ersten
Banknoten in Händen halten, wird erst einmal ein Bier getrunken.
Das Bier hier ist schwach, so daß der Alkohol nicht allzu sehr
in den Kopf steigt, was bei dieser Hitze - etwa 35 °C im
Schatten - unweigerlich zu Müdigkeit und Schlaffheit führt.
Einen Vorteil jedoch hat unser
Quartier - es gibt warmes Wasser zum Duschen. Als ich das Zimmer
verlasse, werde ich von einer Prostituierten angesprochen:
"My Darling, I come with you". Die Versuchung ist mir
das Risiko aber nicht wert. "Thank you", antworte ich.
Photographieren darf man im
Niger nur, wenn man eine offizielle Gebühr entrichtet hat. Von
der Erlaubnis ausgenommen sind militärische Einrichtungen und
schlecht gekleidete Personen. Von den Dächern unseres Quartiers
und des Aïr-Hotels gelingen dennoch einige gute Schnappschüsse.
In der Bar spricht mich ein
Schwarzer auf deutsch an und will mir den Kamelmarkt zeigen.
Schließlich willige ich ein, schaue mir alles an und bezahle mit
einem Trinkgeld, für das man gerade einmal zwei Biere kaufen
kann. Dafür muß ich dann aber noch meine Adresse hinterlassen.
Was ich auf dem Markt gekauft habe, nämlich ein Päckchen
Erdnüsse, trägt bereitwillig mein Begleiter.
Die Mittagspause verbringen wir
im Restaurant des Aïr-Hotels. Außer einem Omelett wage ich
nichts zu verzehren, aus Angst, hinterher Durchfall zu kriegen.
Bemerkenswert finde ich noch,
daß im Niger, der noch viel ärmer ist als Algerien, wieder
Toilettenpapier auf den Zimmern zu finden ist.
Am Abend bekommen wir Besuch
von zwei Nomadenfamilien, deren Männer aus dem Stamme der Tuareg
sind, die Frauen jedoch von den Fulbe-Bororo. Wir geben ihnen zu
essen und beschenken sie mit Gebrauchsgegenständen, wie etwa
T-Shirts. Da im Leben nichts ohne Gegenleistung ist, wird für
Speis' und Trank die Photografiererlaubnis eingehandelt. Es mutet
seltsam an, wie zivilisierte Menschen sich auf primitive Wilde
stürzen, um sie mit Blitzlicht zu überhäufen. Vielfach fehlt
es ganz einfach an der gebührenden Zurückhaltung.
Am Lagerfeuer erklingen dann
die alten Lieder. Besonders ein Landsknechtslied aus dem
30jährigen Krieg, welches da heißt "Schlag die
Trommel härter", wird mir auf ewig unvergessen bleiben. Es
gibt Leute in der Gruppe, wie diesen Rolf, die schlagartig die
ganze Stimmung zunichte machen können, indem sie taktlos genau
dann, wenn es am schönsten ist, ihren Wunsch nach afrikanischen
Weisen aussprechen müssen. Jene weitverbreitete Erscheinung,
fremdes Volksgut hervorzuheben und das eigene hintenan zu
stellen, ist ein ausgesprochenes Übel, gerade unter den Jungen,
die ihre Vergangenheit nicht bewältigen können.
Nach einer weiteren
Übernachtung in freier Natur, inmitten der nigerischen
Sahelzone, erreichen wir bald wieder die asphaltierte Piste, die
uns nun bis zum Eintritt nach Kamerun begleiten wird. Die
Sahelzone sei nachfolgend kurz beschrieben: Die Sahara geht
allmählich in eine Graslandschaft über, zuerst mit spärlichem
Bewuchs, dann allmählich mit dichter werdendem Baumbestand. Das
ausgedörrte Cram-cram-Gras, das den Rindern zur Weide dient,
trägt stachelige Kletten, die unangenehm von Haut und Kleidung
zu entfernen sind. Obwohl die nachmittägliche Hitze schier
unerträglich ist und der Boden aufgrund seiner Kargheit nur noch
dem Vieh Nahrung bietet, leben hier Menschen. Die Übergänge
zwischen den Völkern sind fließend.
Wir erreichen nun das
Siedlungsgebiet der Haussa. Nach einem Photostop an einer Tränke
kommen wir in den besonderen Genuß, Zeugen einer Hochzeit zu
werden. Die Frauen tanzen zu den monotonen Rhythmen der Trommeln.
Von diesen Klängen geht eine gewisse erotisierende Wirkung aus,
die sich bis ins Ekstatische steigern kann. Photogen sind bei den
Haussa allerdings nur die Frauen. Sie tragen bunte Gewänder in
allen Farben. Die Männer hingegen sind schlicht weiß gekleidet
und machen einen fast europäischen Eindruck. Nachdem wir das
Haussa-Dorf verlassen haben, lesen wir einen Zaungast von der
Straße auf, der uns für einige Zeit begleiten wird. Es handelt
sich um einen grün gefärbten Gekko, der auf den Namen Arthur
getauft wird und uns die Fliegen wegfangen soll.
Eine Karawane zieht gemächlich
an uns vorbei, wohl eine der letzten, die wir sehen werden.
Der Niger hat ausgezeichnete
Straßen, die alle von Europäern gebaut worden sind. Jedoch
begegnet einem in diesem weiten Land kaum jemals ein Auto, und
wenn, dann handelt es sich bestimmt um einen Lkw.
Zinder stellt sich dem
Reisenden ohne besondere Sehenswürdigkeiten dar. Es ist ein
schmutziges Nest, in dem es weder eine Müllabfuhr noch eine
Kanalisation gibt. Die Armut, der man allerorts begegnet, ist
bedrückend, überall Bettler und Krüppel, die sich zum Teil nur
noch auf Händen fortbewegen. Wir halten bei einem typischen
Haussa-Markt. Kamele, Esel, Ochsenkarren und
Kalebassenträgerinnen machen das typische Gepränge dieses
Marktes aus. Zuerst werden wir nur bestaunt. Es ist ein
merkwürdiges Gefühl, dieses gegenseitige Betrachten, man weiß
nämlich nicht, wer hier wen interessanter findet, wir sie oder
sie uns? Die Bevölkerung ist ausgesprochen homogen, man findet
kaum vom Grundtypus abweichende Varianten, weder im Aussehen noch
in der Bekleidung. Als man unser Fahrzeug entdeckt, sind wir
sofort von einer Schar Neugieriger umringt. Vorne die Kinder, im
Hintergrund die Erwachsenen! Als wir schließlich abmarschbereit
sind, bricht ein ungeheurer Jubel aus. Unter Winken und Klatschen
und fröhlichem Gejohle werden wir verabschiedet.
Die typische Feldfrucht in
dieser Gegend ist der Hirse. Wohin man auch blickt, stehen
Hirsespeicher. Daß das Eiweiß in der Ernährung fehlt, ist
einer der Gründe für die Unterernährung der Bevölkerung, die
eigentlich eher eine einseitige Ernährung ist als ein Hungern.
Das als lange Stangen verkaufte Zuckerrohr ist kein Produkt, das
hier gedeiht, es muß eingeführt werden.
Der Baumbestand wird kurz vor
der nigerianischen Grenze allmählich dichter. Die Straße wird
beiderseits von Alleebäumen gesäumt. Alles Zeichen, daß Regen
hier nicht unbekannt ist! Des weiteren fällt auf, daß die
Menschen zusehends dunkler werden.
Noch am Abend erreichen wir die
Parksavanne. Mehr als eine Handvoll Kontrollen durch Zoll und
Polizei verzögern die Weiterfahrt nach Kano bis weit in die
Nacht hinein. Unterwegs werde ich aufgrund meiner Uniform von
einem Negerjungen gefragt, ob ich ein Soldat sei oder ein
Polizist.
Kano ist eine Riesenstadt mit
fünf bis sechs Millionen Einwohnern, die genaue Zahl weiß
niemand.
Der Abend in Kano ist einer der
heißesten bisher. Wie in allen Hotels der oberen Kategorie
wimmelt es auch hier nur so von Prostituierten. Auch ich werde
eines der Opfer. Die erste, die mich verwöhnen will, kann ich
noch abwimmeln, die zweite hingegen nicht mehr, ihre Reize sind
einfach zu groß. Es dauert einige Zeit, bis wir einen Ort
finden, wo wir ungestört sind. Das für die Gruppe zum Duschen
vorgesehene Zimmer bietet sich dazu an. Der Schlüssel ist bald
gefunden, einer der Mitreisenden hat ihn bei sich. Auf dieses
Gemeinschaftszimmer ziehen wir uns zurück in der Hoffnung, nicht
gestört zu werden. Kaum, daß wir fünf Minuten dort verbracht
haben, klopft es auch schon an der Tür. Da ich den anderen den
Zutritt nicht verweigern kann, müssen wir das Liebesspiel
unterbrechen und dem Störenfried die Türe öffnen. Ein
Reisekollege hat sich auch eine angelacht und ist auf die gleiche
Idee gekommen wie ich. So müssen wir uns denn das Zimmer teilen.
Für ihre Dienste entlohne ich die Dame mit DM 50, der Kollege
bezahlt sogar nur DM 20. Etwas beschämt bin ich dann doch, als
meine Gefährtin für die Nacht mich darum bittet, einen
deutschen Einhundertmarkschein wenigstens einmal anfassen zu
dürfen. Ich erlaube es ihr schließlich. Es ist schwer, sie
wieder loszuwerden. Hätte ich nicht die tatkräftige
Unterstützung einiger männlicher Mitreisender, wäre es wohl
nicht leicht für mich, mich aus ihrer Umklammerung zu befreien.
So mache ich mich denn mit dem Gedanken davon, ob mir dieser
ungeschützte Verkehr nicht noch irgendwelche Spätfolgen
bescheren wird.
Der heutige Tag ist einer
Stadtrundfahrt durch Kano gewidmet. Die Stadt bietet außer dem
Sultanspalast und der Moschee, die noch dazu nicht betreten
werden darf, nichts Sehenswertes. Der Markt hingegen ist
unvergleichlich. Die verwinkelten Wege zwischen den
Wellblechbaracken sind so verschachtelt, daß sie kaum zwei
Personen zum Passieren Platz bieten. Inmitten des ohnehin schon
schmalen Fußweges fließt das Abwasserrinnsal, in das
hineinzutreten nur dadurch vermieden werden kann, daß man sehr
achtgibt, wo man den Fuß hinsetzt.
Bei den Haussa sehen die
Händler nicht nur aufgrund ihrer ethnischen Homogenität,
sondern auch wegen ihrer einheitlichen Bekleidung durchweg alle
gleich aus: ein leichter Überrock, der entweder bläulich oder
weiß sein kann, auf dem Kopf die traditionelle Kopfbedeckung,
und als Schuhwerk Sandalen. Es scheint dies eine reine
Männerwelt zu sein, Handeln und Verkaufen sind Männersache.
Gehandelt wird mit allem, was
man auf afrikanischen Märkten so feilbietet: unbekannte
Gewürze, Tücher und Kopfbedeckungen, und nicht zuletzt die
hierzulande typischen Kalebassen, das sind ausgehöhlte
Kürbisköpfe.
Wenn der Regen kommt, wird
alles von der Straße weggespült, solange es aber trocken ist,
häuft sich der Müll an den ungeeignetsten Stellen. Inmitten der
Müllhalden findet man Herden von Ziegen, die hier und da noch
etwas Freßbares herauszuziehen vermögen. Kano ist wie jede
Metropole Schwarzafrikas eine schmutzige und heruntergekommene
Riesenstadt, die überwiegend aus Flachbauten besteht. Es ist
auch ein Hort des Verbrechens. Wir müssen aufpassen, daß uns
unsere Geldbeutel und Photoausrüstungen nicht von
"cleveren" Jugendlichen entwendet werden. Angeblich hat
es bereits bei früheren Reisen des Veranstalters regelrechte
Überfälle gegeben.
Es erweist sich als ein recht
schwieriges Unterfangen, auf dem Markt zu photographieren, da
jedes Motiv sofort von Kindern verstellt wird, die unbedingt mit
aufs Photo wollen. Überhaupt sind Kinder das bestimmende Element
auf den Straßen, weil sie so zahlreich in Erscheinung treten.
Ganze Schwärme von winkenden und johlenden Kindern umgeben den
Fremden, wo immer er sich befinden mag. Wenn der Babyboom so
anhält wie bisher, vermag man für die Zukunft der Menschen hier
Schlimmes zu erahnen.
Alle im Bus schlafen. Die Hitze
und auch die Feuchtigkeit haben arg zugenommen. Wir messen über
vierzig Grad im Fahrzeug. Die Belastung für den Kreislauf ist
immens. Hinzu kommt die ständige Übermüdung durch nächtliche
Aktivitäten. Ich muß unseren Fahrer loben, der die Strapazen
mit bewundernswerter Wachheit durchsteht.
Das Holz will heute abend nicht
so recht anbrennen, weil es vermutlich zu feucht ist. Ein Grund
für viele, sich einmal etwas früher zurückzuziehen! Von einer
Belästigung durch Mücken ist zwischen Kano und Tschadsee nichts
zu merken. Die Stimmen der Nacht sind erfüllt vom Gurren der
Wildtauben.
So gut wie in der vergangenen
Nacht habe ich während dieser Reise überhaupt noch nicht
geschlafen, traumlos, acht Stunden Tiefschlaf, ohne in der Nacht
auch nur ein einziges Mal aufstehen zu müssen.
Nachdem wir Kano hinter uns
gelassen haben, durchqueren wir den Sahel auf nigerianischem
Boden. Da wir in Ost-West-Richtung fahren, ändern sich die
Vegetationsformen praktisch nicht. Beherrschende Pflanze ist nach
wie vor der Baobab, der Affenbrotbaum. Mit seinen Parasiten sieht
er aus wie verkehrt herum eingepflanzt, d.h. mit dem Wurzelwerk
nach oben.
Die unendlich weit
erscheinenden Flächen sind von niedrigem Buschwerk bestanden,
mehr oder minder dicht. Ab und zu ist noch ein Hirsefeld zu
sehen, mit den typischen Strohhütten am Rand, doch allmählich
geht die Kulturlandschaft in Natur über. Wildtiere waren bisher
allerdings nicht zu sehen, mit Ausnahme von Vögeln, wie etwa den
Geiern.
Ich glaube, dies ist der an
Abwechslung ärmste und langweiligste Tag der gesamten Reise.
Nichts, aber auch gar nichts Außergewöhnliches hat sich heute
ereignet. In dieser sogenannten Depression des Tschadsees scheint
es außer flachen Landstrichen, die über Hunderte von Kilometern
den gleichen Bewuchs aufweisen, nichts zu geben außer Tümpeln,
in denen sich noch das Wasser der letzten Regenzeit gehalten hat.
Im Lake Tschad Hotel von
Maiduguri essen wir zu Mittag. Es gibt Huhn mit Reis.
Die Straße ist gesäumt von
den Relikten zahlreicher Projekte, die nach dem Ölboom wieder
aufgegeben wurden. Wir sind bereits im Land der schwarzen Erde,
was auf sumpfigen Boden schließen läßt. Zuweilen sieht man in
der Ferne Buschbrände lodern, die eindeutig auf Brandrodung
hinweisen. Schlagartig ist die gute Teerstraße zu Ende, und wir
befinden uns wieder auf der Piste, die staubiger ist denn je.
Nachdem gestern noch
Grenzformalitäten erledigt werden mußten, haben wir unser Camp
auf Kameruner Boden in Postennähe aufgeschlagen. Wir werden von
wahren Menschentrauben umringt, zumeist Kindern. Unser knallrotes
Gefährt ist wie immer Attraktion Nummer eins.
Die Abfälle, die wir
hinterlassen, wollen wir wie gewöhnlich vergraben. Daher sind
wir nicht wenig erstaunt, als man uns die gefüllten Müllsäcke
förmlich aus den Händen reißt. Mit Entsetzen beobachten wir,
daß sich hier ein Verhalten entwickelt hat, wie wir es zu Hause
nur von Obdachlosen gewohnt sind, die in Mülltonnen
herumwühlen. Der gesamte Abfall wird, nachdem wir ihn
sorgfältig und umweltbewußt gesammelt haben, sofort wieder aus
den Beuteln geholt, das Brauchbare mitgenommen, das Unbrauchbare
in alle Winde zerstreut.
Wohl aufgrund der Wassernähe
findet man hier viele Heuschrecken und Grillen, die beide eine
beachtliche Größe erreichen.
Kamerun ist noch ein Stück
ärmer als Nigeria. Verfallene, strohbedeckte Lehmhütten, in
kleinen Gruppierungen wie zu Dörfern zusammengefaßt, säumen
unseren Weg, und alle Bewohner tragen Kleidung. Das Klischee von
den nackten Eingeborenen im Lendenschurz kann ich bisher nicht
bestätigen.
Zum Schutz der Hirsefelder
gegen einfallende Tiere werden allerorts Vogelscheuchen
aufgestellt. Mitten aus den Feldern ragen die zum Zwecke der
Bewachung errichteten Hochsitze heraus, auf denen die Aufpasser
sitzen. So soll der Ernteverlust einer ganzen Saison verhindert
werden.
Mit einer der traditionellen
Pirogen, die aber durchwegs mit Außenbordern ausgestattet sind,
brechen wir zu einer Bootsfahrt auf dem Tschadsee auf.
Der etwa 8stündige Ausflug
beginnt etwas oberhalb des Zuflusses Chari. Da der Tschadsee
keinen Abfluß hat, wird er seine Wassermassen allein durch
Verdunstung los. Dennoch ist die Verdunstung nicht so groß, daß
der See versalzen würde, denn der Tschadsee ist bekanntlich ein
Süßwassersee. Die Ufer des Chari sind dicht besiedelt. Überall
winkt man uns von den Ufern aus zu, die mit Palmen,
Bananenstauden und Schilf bestanden sind. Artenreich ist die
Vogelwelt, deren Hauptvertreter die Reiher sind. Den fischreichen
Gewässern ist es zu verdanken, daß Fisch als willkommene
Abwechslung zu Hirse mit auf dem Speiseplan steht. Eigenartig
ragen die heimischen Pflanzen wie überschwemmte Bäume aus den
Fluten, als wir uns dem Delta nähern. Dies deutet darauf hin,
daß der See nicht besonders tief sein kann. Soweit das Auge
reicht, breitet sich diese eigenartige Wasserlandschaft vor uns
aus.
Schließlich erreichen wir nach
etwa einstündiger Fahrt das Ziel unseres Ausflugs, ein
Fischerdorf, das seinen ursprünglichen Charakter noch
ausgesprochen gut erhalten hat. Dicht an dicht reihen sich die
Schilfhütten, von wenigen Lehmhäusern durchsetzt. Als wir an
Land gehen wollen, treten uns die Behörden entgegen und wollen
unsere Ausweise kontrollieren. Dies verzögert den Aufenthalt um
gut zwanzig Minuten, da wir uns alle namentlich in eine Liste
eintragen müssen, damit dem Bürokratismus Genüge getan ist.
Der Empfang ist wie immer typisch, Kinder umringen und bestaunen
uns, und auch die Erwachsenen blicken neugierig auf uns
Eindringlinge. Doch nirgends eine feindliche Regung. Einzig die
Uniformierten sind sehr penibel, wenn es um die Einhaltung des
Photographierverbotes geht. So werden wir auf der Herfahrt ans
Ufer gewunken und müssen anlegen, weil einer der Mitreisenden
ein Boot mit zwei Soldaten photographiert hat.
Ein Rundgang durch das Dorf
macht mit der Lebensweise dieser Menschen bekannt. Einerseits
sind die Behausungen noch ursprünglich wie eh und je,
andererseits werden hier viele Artikel unserer modernen
Industriegesellschaft angeboten. Eine Müllabfuhr kennt man
nicht. Die Dosen unserer Mittagsmahlzeit, die wir auf dem Boot
zurückgelassen haben, um sie wieder mitzunehmen, werden achtlos
an Land geworfen, wo sie im Müll, den man fast überall
erblicken kann, kaum störend erscheinen. Eine Besonderheit des
Dorfes sind die Lehmöfen, auf denen der Fisch geröstet wird.
Nach unserer Rückkehr macht sich der Durst bemerkbar, die
intensive Sonneneinstrahlung und die Reflexion an der
Wasseroberfläche haben das ihrige getan. Er wird mit Bier
gelöscht.
Der Markt, der tagsüber
abgehalten worden ist, hat bereits ein Ende genommen. Ein
Einheimischer führt uns durch einige winklige Gassen, bis wir
schließlich in einem Hinterhof landen. Einige Soldaten sitzen
dort beim Bier. Die Besitzerin begrüßt uns mit Handschlag, den
ich ohne aufzustehen entgegennehme. Das Bier, das sie uns bringt,
ist teuer und nicht besonders kalt. Mein Begleiter macht unserem
Führer ein Feuerzeug zum Geschenk. Als wir zum Fahrzeug
zurückkommen, sind die anderen schon eingestiegen und warten auf
uns. Zum Kampieren fahren wir dann ein Stück aus der Ortschaft
heraus. "Um sieben Frühstück, um acht Abfahrt!",
heißt es wie immer.
Die heutige Etappe in Richtung
Waza-Nationalpark ist nicht sehr weit. Beim Abbau des Lagers
entdecke ich eine Gottesanbeterin. Sie hat ihren Namen wohl von
der ehrfürchtigen Haltung, die sie annimmt, als Folge davon, wie
ihre Vorderbeine ausgebildet sind.
Bei einem Brunnen wird
haltgemacht. Wir finden junge Mädchen beim Wasserschöpfen. Als
wir uns nähern, hören sie sofort mit der Arbeit auf, um sich
photographieren zu lassen. Dies war schon gestern so, als wir vor
unserer endgültigen Rückkehr noch einen weiteren Abstecher in
ein einheimisches Dorf gemacht haben. Zwei Frauen, die gerade
beim Hirsestampfen sind, stellen sofort ihre Tätigkeit ein, als
sie uns bemerken. Welch ein Unterschied etwa zum arabischen
Kulturraum, wo sich kaum jemand bei der Arbeit stören läßt!
Auch sind wir dort weit weniger beachtet worden, wogegen wir in
diesem Land als Attraktion gelten.
Kurz vor Ndjamena zweigt unsere
Route nach Süden ab, hier beginnt auch wieder die Teerstraße.
Sie ist von Weiß & Freytag aus München gebaut worden. Ganz
nach deutscher Manier sind auch zahlreiche Verkehrsschilder
aufgestellt. Vor einer Brücke sind es an die zwanzig, die ich
zähle: Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, Überholverbot,
Linkskurve, Höchstgeschwindigkeit 30 km/h, Fahrbahnverengung,
und dies auf beiden Seiten und in beiden Fahrtrichtungen. Mit
einem Wort: "Die gleiche Hirnlosigkeit, die uns auch zu
Hause so häufig begegnet!"
Im Dunst der Ferne kündigen
sich bereits die drei Granitberge des Waza-Parks an, die als
Wahrzeichen dieses Nationalparks gelten.
Am Abend unternehme ich noch
eine Besteigung des höchsten der vier Felsen. Mein Aufstieg wird
von unten mit den Ferngläsern verfolgt. Nach einer guten
Dreiviertelstunde Kletterei erreiche ich die Spitze, von der aus
man einen grandiosen Rundblick auf die unendlich scheinende Ebene
der Umgebung hat, insbesondere auf den nach Süden sich
ausdehnenden Waza-Nationalpark. Nach ein paar Photos verlasse ich
den Gipfel, um noch bei Tageslicht die Basis zu erreichen. Mein
schlechtes Schuhwerk und die Kamera, die ich auf dem Rücken
trage, machen die Unternehmung nicht gerade zum Vergnügen. Der
ganze Hügel ist bis auf die wenigen verbliebenen Grasflecken
brandgerodet. Mir ist kaum klar, aus welchem Grund hier die
Savanne regelmäßig niedergebrannt wird. Die wohl dümmste
Erklärung, die ich diesbezüglich gehört habe, ist folgende:
"Damit Sie die Tiere besser sehen können!"
Der Ausflug in den Waza-Park
verläuft ziemlich unbefriedigend. Zum einen treffen die
angemieteten Geländefahrzeuge nicht rechtzeitig ein, zweitens
sehen wir kaum Tiere, drittens fällt ein Fahrzeug aus, so daß
die gesamte Gruppe Verzögerungen in Kauf nehmen muß, und
viertens werden wir schon nach der Hälfte der für den Ausflug
angesetzten Zeit wieder zurückgebracht. Das einzig
Außergewöhnliche ist, daß wir uns an eine Elefantenherde
heranpirschen und ca. 20 Elefanten aus nächster Nähe beobachten
können. Ich darf auf einen Baum klettern und die Tiere von oben
herab für meine Reisegenossen knipsen. Außer den Elefanten
bekommen wir noch Giraffen zu Gesicht, Kronenkraniche und
Aasgeier. Der Nationalpark, der als einer der schönsten
Westafrikas gilt, erfüllt unsere Erwartungen leider überhaupt
nicht. Die Fahrer dürfen die Piste anscheinend nicht verlassen,
da sie es nur selten tun. Wir kommen einfach nicht nahe genug an
die Tiere heran. Eine Pause während der Rückfahrt verzögert
die Heimkehr um fast eine Stunde. Zum Glück sind die
Randbedingungen in Waza ganz gut, verglichen mit dem, was wir
bisher durchgemacht haben. Vier Tage lang keine Waschgelegenheit
und auch kein großes Bier, und das bei dem Durst, den wir
schieben! Die meisten meiner Mitreisenden haben bisher mindestens
eine Ausfallserscheinung gezeigt, allein mir fehlt bislang - mit
Ausnahme von einigen Mückenstichen vielleicht - so gut wie
nichts.
Nachdem sich der gestrige
Ausflug in den Waza-Nationalpark als Reinfall entpuppt hat, sind
wir froh, diese Gegend heute zu verlassen. Schon bald halten wir
bei einer Kithera, einem sogenannten Schöpfbrunnen, der zum
Bewässern der Felder dient. Bei pünktlichem Eintreten von
Trocken- und Regenzeit wirft die Baumwollernte sogar Gewinne ab.
Die Bettelhäftigkeit der
Kinder und mehr noch der Erwachsenen ist sehr lästig. Alle
wollen ein "Cadeau", ein Geschenk.
Im Dunst tauchen plötzlich
Berge auf, die gestern noch nicht zu sehen waren. Es handelt sich
um die ersten Ausläufer der Mandara-Berge. Besonders reizvoll in
die Landschaft eingebettet sind die zahlreichen Runddörfer, die
darauf hindeuten, daß die Gegend fruchtbar und damit auch dicht
besiedelt ist. Im Gegensatz zu den Kuhdunghütten der Samburu
oder Massai in Ostafrika sind diese Hütten aus getrockneten
Lehmziegeln gebaut. Ihr Grundriß ist rund, das strohbedeckte
Dach läuft spitz nach oben zu. Im äußersten Norden Kameruns
war die Architektur etwas anders. Die Hütten waren meist völlig
aus Stroh gebaut und wiesen die typische Igluform auf. Während
dort die Dörfer in aufgelöster Bauweise eine willkürliche
Anordnung einnehmen, sind in diesem Landstrich mehrere Rundbauten
in Form eines Kreisringes zusammengestellt, so daß sich eine Art
gemeinsamer Innenhof ergibt. Im größten dieser Häuser wohnt
der Sippenchef, die anderen gehören jeweils einer seiner Frauen.
Ort des Beischlafs ist aber das Haus des Mannes.
Die Rinderherden, denen wir
begegnen, sind nicht mehr die reinrassigen Kudurinder, sondern
meist eingekreuzte europäische Arten. Durch diese Kreuzung haben
die Tiere ihr ursprüngliches Aussehen verloren, was sich am
deutlichsten am Gehörn zeigt. Diese Rasse ist angeblich aufgrund
des Zuchterfolges widerstandsfähiger gegen die Schlafkrankheit,
die durch die Tse-Tse-Fliege übertragen wird.
In Maroua besichtigen wir den
Markt. Ich kaufe eine Krokodilledertasche für DM 60,-, für die
der Händler zunächst DM 200,- will. Vom Reiseleiter erfahre
ich, daß man mir die Tasche in München abnehmen wird. Die
Einfuhr von Krokodil- und Schlangenleder nach Deutschland ist
verboten.
Im Hotel Poste Mayo ist nicht
genügend Geld vorhanden, um unsere DM-Bestände umzutauschen.
Somit müssen wir uns zunächst finanziell einschränken, bis
klar ist, daß wir wieder Geld bekommen.
Die Spannung zwischen
Reiseleiter und Gruppe wächst zusehends. Schuld daran ist der
zunehmende Alkoholismus des Reiseleiters. An diesem Tage
übernimmt der Fahrer dessen Funktion, während jener im
Führerhaus still vor sich hin dämmert.
Nach Erledigung der Einkäufe
wird die Reise mit etwas veränderter Route fortgesetzt. Wir
biegen von der geradlinigen Verbindungsstraße zwischen Maroua
und Garoua nach rechts ab ins Vulkanmassiv von Morako. Unterwegs
halten wir bei einem der typischen Runddörfer und ein weiteres
Mal bei einer Sammelstelle für Baumwolle. Noch sind die
Straßenverhältnisse gut. Mühsam quält sich der Dreiachser
eine Paßstraße hinauf. Auch in den frühen Abendstunden hat der
Dunst nichts von seiner Wirkung verloren. Ich bezweifle, daß wir
auf der Paßhöhe eine gute Aussicht haben werden.
In Mokolo ist es soweit, der
lange vorhergesagte Koller ist ausgebrochen. Auch ich werde in
Streitigkeiten verwickelt, ein Grund ist schnell gefunden. Wie
immer beruht die Ursache auf Nichtigkeit. Das Friedensangebot am
nächsten Morgen nehme ich an.
Von Mokolo führt uns eine
staubige Piste weiter, bis die ersten Vulkankegel in Sicht
kommen. Eine wilde, bizarre Erosionslandschaft tut sich auf. Nur
die Basaltschlöte sind stehengeblieben, was an Auswurfmassen
herausgeschleudert worden ist, ist längst abgetragen. Die
Schlote nennt man auch Katisti. Die hier lebenden Kilbi begraben
ihre Toten in charakteristischen Steintumuli. Ein Friedhofsphoto
sind mir die Grabhügel jedoch nicht wert, zumal die Umgebung
auch nichts hergibt. Für die Aufforstung des einst bewaldeten
Gebiets werden die nicht endemischen Eukalyptusbäume
angepflanzt.
Von den terrassenartig
angelegten Feldern eröffnet sich ein grandioser Tiefblick. Den
klassischen Ausblick auf die Vulkanschlote hat man vom Campement
von Roumsiki. Ich bedauere ein wenig, daß ich mit den
Einheimischen nicht so recht in Kontakt komme. Wenn man
angesprochen wird und sich in das Gespräch einläßt, so kann
man sicher sein, daß der Gesprächspartner etwas von einem will.
Diese Erwartungshaltung kann schnell in Feilschen übergehen, so
daß man im Gespräch sehr zurückhaltend wird. Jeder erteilt
bereitwillig Auskunft, und für den, der kein Französisch
beherrscht, sind Sprachprobleme keine Barriere, die nicht zu
überwinden wäre. Doch leider macht die Aufdringlichkeit, die
ihre Wurzel in der Armut hat, jedes zwanglose Gespräch zunichte.
Wenn also dem Kolonialismus überhaupt ein Vorwurf gemacht werden
kann, dann wohl in erster Linie der, daß man den Leuten ihren
Stolz geraubt hat. Welchen Wert hat denn eine schulische
Ausbildung, wenn die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen für
die Leute darin besteht, Touristen Souvenirs anzudrehen? Eine
Vergeudung von Intelligenz, wie Günther sagt!
Eine geteerte Stichstraße
führt zurück zur großen Nord-Süd-Verbindung, die ganz Kamerun
durchzieht.
Während einer
Verkehrskontrolle nutze ich die Gelegenheit, um mit einem
Negerjungen Fußball zu spielen.
Je weiter wir in den Süden des
Landes vordringen, desto häufiger treten außerhalb der
ländlichen Gegenden Wellblechbauten auf.
Die Luftfeuchtigkeit hat
bereits stark zugenommen. Kurz vor der Ortseinfahrt in Garoua
erwartet uns erneut eine Verkehrskontrolle.
Das Hotel in Garoua ist das
beste bisher, in dem wir absteigen. Es hält durchaus dem
Vergleich mit einem einfachen Quartier in der Heimat stand.
Wahrscheinlich steht es unter fremder Leitung. Der Swimmingpool
lädt zum Bade ein. Einige der Reisefreunde nehmen lieber ein
kostenloses Bad, als die Gebühren für die Benutzung des
Schwimmbeckens zu entrichten.
Die heutige Etappe führt uns
von Garoua nach Ngaoundéré, hinauf in das Adamaoua-Massiv.
Zuckerrohrfelder säumen die Straße. Ganz in der Nähe befindet
sich der Bénoué-Nationalpark. Es ist die Zeit der Yamsernte.
Überall in den Dörfern sind Yamswurzeln aufgestapelt und werden
zum Verkauf angeboten. Wer in Afrika etwas verkaufen will, bietet
seine Waren den Vorbeifahrenden am Straßenrand an. Der äußerst
unfruchtbare Lateritboden bietet nur der anspruchslosen
Maniokfrucht genügend Nährstoffe zum Gedeihen. Das auf dem
Markt in Schüsseln angebotene Maniokmehl wird auf offener
Straße gehandelt.
Das Adamaoua-Gebirge leitet
seinen Namen vom Stammvater Adam ab, dessen Wiege hier gestanden
haben soll. Eine kurvenreiche Straße führt hinauf auf die
Paßhöhe, die sogenannte Faroklippe. An den Taleinschnitten
stehen Galeriewälder, die überall dort gedeihen, wo die
Wasserläufe auch in der Trockenzeit noch Wasser führen.
Ngaoundéré bietet außer dem landesüblichen Markt, einer neuen
Moschee und dem Palast des Lamido nichts, was sehenswert wäre.
Die kunstvoll geflochtenen Dachstühle des Palastes, deren Stroh
hinab bis fast auf den Boden reicht, spenden kühlenden Schatten.
Der Lamido gewährt uns eine
persönliche Audienz, fragt uns nach unserem Reiseziel und woher
wir kommen und gestattet uns schließlich, uns in seinem Haus
umzusehen und nach Lust und Laune zu photographieren. Im
Restaurant "La Giraffe" sind die Preise derart hoch,
daß ich für meinen Teil es vorziehe zu fasten. Nicht alle aus
unserer Gruppe sind jedoch in der Lage, Entbehrungen zu ertragen
und greifen dafür lieber tiefer in die Tasche, als sie es zu
Hause tun würden.
Ab Ngaoundéré besteht die
Piste nur noch aus festgefahrenem roten Lateritstaub, der nur
schwer aus Kleidern und von der Haut zu entfernen ist.
Unter einem Seemandelbaum
findet die heutige Nikolausfeier statt. Die neugierig
herbeigeströmten Kinder werden von Günther beauftragt, Steine
herbeizuschaffen. Als Lohn für die getane Arbeit wird das
übriggebliebene alte Brot unter die Kinder verteilt. Als
Gegenleistung müssen sie ihre Nationalhymne anstimmen, wofür
sie wiederum mit Luftballons entschädigt werden. Aus einem
Maschendraht bauen wir einen provisorischen Rost. Es gibt
gegrillte Würstchen mit Kartoffelsalat. Die Tische stellen wir
rund um den Baum auf. Abends kommt dann der Nikolaus. Auf jeden
Mitreisenden wird ein kurzer Vers gedichtet, der das Typische an
ihm charakterisiert. Ich persönlich werde als Schnarcher
hingestellt. Vom nächtlichen Lagerfeuer angezogen, nähern sich
die Bewohner der Umgebung, setzen sich zu uns ans Feuer und
unterhalten uns mit ihren monotonen Weisen. Wir teilen daraufhin
Geschenke aus. Einer ist dabei, der sogar seine Hemden
verschenkt.
Auf staubiger Lateritpiste
setzen wir unsere Fahrt fort. Die letzte Nacht war angenehm
kühl. Frühmorgens wird das lang angekündigte Foto geschossen,
auf dem ein jeder aus seinem Kabinenfenster schaut. Vielerorts
und beiderseits der Straße werden gebündelte Holzstöße zum
Verkauf angeboten. Obwohl wir durch eine baumreiche Gegend
fahren, in der es an Brennholz nicht mangelt, haben wir dennoch
immer wieder Probleme damit, ein Lagerfeuer zu entfachen, da die
tropischen Hölzer aufgrund der gespeicherten Feuchtigkeit nicht
gut brennen. Das Holz muß daher abgelagert und getrocknet
werden. Typischerweise werden die Hölzer nicht waagrecht
gelagert, sondern pyramidenförmig, vermutlich, damit sie besser
austrocknen können.
Über die Nebenwirkungen von
Resochin werden die wildesten Geschichten verbreitet. Neben
Leberschäden werden irreparable Augenschäden genannt, sowie
Gehör- und Gedächtnisverlust. Nach der Einnahme von Resochin
sollte kein Alkohol getrunken werden. Wie ich feststellen muß,
sind sehr unterschiedliche Dosierungen verschrieben worden. Jeder
Mitreisende macht hierzu andere Angaben. Die Dosierungen
schwanken zwischen 250 mg in 14 Tagen und vier Tabletten zu
jeweils 250 mg zweimal wöchentlich. Es gibt auch welche unter
uns, die täglich eine Vierteltablette nehmen müssen und solche,
denen daneben noch ein anderes Medikament verschrieben worden
ist.
Ich wage meinen Augen nicht zu
trauen, als uns ein Wassersprengfahrzeug entgegenkommt, ein
sicheres Indiz dafür, daß die Regenzeit nun endgültig vorbei
ist. Doch bereits das nächste Fahrzeug, dem wir begegnen, hüllt
uns erneut in Staubwolken. Eines von vielen Beispielen, wie für
sinnlose Vorhaben Gelder verschwendet werden!
Ein beliebtes Souvenir ist der
rote Lateritstaub, der sich auf dem Fahrzeug angesammelt hat und
in Plastiktütchen abgefüllt wird. Meist kommt einer auf die
Idee, und die anderen ahmen sie nach.
In einer Flußniederung
entdecken wir eine Gruppe von Frauen, die dort ihre Wäsche
waschen. Weit verstreut liegen überall Kleidungsstücke zum
Trocknen ausgebreitet. Das glasklare Wasser bildet einen See, aus
dem abgetriebene Baumstümpfe herausragen. Plötzlich ertönt
Geschrei. Eine Horde wildgewordener Schulkinder, allesamt mit
Papier und Kugelschreibern bewaffnet, strömt lärmend herbei.
Das Begrüßungswort heißt "sanu". Auf unseren Wunsch
stimmen sie ein Lied an.
Etliche Kilometer vor Tibati
queren wir die Eisenbahnlinie. Der Bahndamm dient zugleich als
Fußweg. Zwischendurch tauchen bereits die ersten Blumen und
blühenden Sträucher auf, die Tropen kündigen sich an.
Tibati ist ein uninteressanter
Ort, ansonsten fällt angenehm auf, daß man hier nicht
angebettelt wird. Die Luft wird zunehmend schwüler. Wir merken
dies an unseren Schweißausbrüchen und am steigenden Durst. Der
Staub bewirkt das seinige. Die Landschaft, die wir momentan
durchqueren, kann durchaus schon als Busch bezeichnet werden. Die
schnurgerade Piste, zu beiden Seiten von hohem Pflanzenwuchs
bestanden und überragt von schattenspendenden Bäumen, bildet
eine höllische Schneise, aus der die Staubwolken nicht
entweichen können.
Jedes Mal, wenn wir einem
Fahrzeug begegnen, werden wir über viele hundert Meter von
dichtem Staub eingenebelt. Die Sichtweite beträgt unter 10 m.
Die Piste ist so schmal, daß kaum zwei Lkw aneinander vorbei
kommen, ohne daß nicht einer von beiden stehenbleiben müßte.
Leider ist der Lkw-Verkehr auch noch ziemlich dicht. Bergauf,
bergab geht die Fahrt. In jeder Senke wird eine Brücke, ein
sogenannter "Heiliger Geist", passiert. Der Himmel ist
dunstgeschwängert, so daß die Sonne kaum durchdringt. Die
Fenster müssen des Staubes wegen geschlossen bleiben, was die
Schwüle noch unerträglicher macht. Rot erglüht der
"Zauberwald" im letzten Abendlicht. Lange Zeit finden
wir keinen geeigneten Lagerplatz, da sich keine Stichstraße
findet, die weit genug von der Straße weg in den Busch
hineinführt. "Wie werden wohl die Kabinen aussehen?",
frage ich mich. Der Staub dringt selbst durch feinste Ritzen. Die
Dörfer, die in diese Landschaft eingebettet sind, liegen unter
einer Glocke aus Dunst und Rauch, vor denen die Brandrodung nicht
haltmacht. Die Suche nach einem Lagerplatz artet in Hektik aus.
Da die Dämmerungsphasen in den Tropen äußerst kurz sind,
besteht so gut wie keine Chance mehr, noch einen Schlupfwinkel zu
finden. Als keiner mehr damit gerechnet hat, findet sich
schließlich doch noch ein freies Plätzchen, mitten im Busch. Es
wimmelt nur so von Mücken und Termiten. Eine vielstimmige
Geräuschkulisse umgibt uns.
Die charakteristischen
Termitenbauten haben das Aussehen eines überdimensionalen
Pilzes. Unsere Tische müssen vor ihrer Verwendung erst einmal
vom Schmutz gereinigt werden. Zum Abendessen gibt es Kürbis in
der Suppe. Dies schmeckt eigentlich gar nicht so schlecht, obwohl
ich selbst kein Freund von Kürbissen bin.
Der Mond steht im Zenit und wir
haben Halbmond. Wüßte ich nicht ausdrücklich, daß der Mond am
Zunehmen ist, hätte ich wegen der fehlenden Orientierung absolut
kein Kriterium zur Hand, welches mir sagen könnte, ob der Mond
nun zu- oder abnimmt.
Die gestrige Fahrt findet nach
einer Buschübernachtung ohne wesentliche Änderungen im
Landschaftsbild ihre Fortsetzung. Nach nur kurzer Fahrt stoßen
wir auf eine Affenhorde. Es handelt sich um eine Pavianart.
Interessant ist das soziale Verhalten dieser Affenart bei
drohender Gefahr. Wird etwa ein Artgenosse von einer Raubkatze
gerissen, so fällt die ganze Horde über diese her. Auf dieses
Verhalten muß sich auch der Jäger einstellen, der eines der
Tiere schießt.
Mehr als einmal wird der
Ubang-Fluß überquert. Kurvenreich und holperig windet sich die
Straße durch den Busch. Wir befinden uns noch immer im
Adamaoua-Massiv. Aufgrund der Schwierigkeit der Strecke werden
heute nur vergleichsweise wenige Kilometer zurückgelegt. Ein
seitlich mit Bananen geschmückter Tanklastzug kommt uns
entgegen. Die Lkw-Fahrer verdienen sich ein leichtes Zubrot,
indem sie Bananen mit in den Norden nehmen, wo es dieses Obst
nicht gibt.
Im Dunst der Morgensonne taucht
Banyo vor uns auf, das geschützt zu Füßen mäßig hoher Berge
liegt. Der Markt bietet wie immer eine Fülle farbenfroher
Motive. Einen Dorftrottel gibt es auch. Leute, die nicht ganz
richtig im Kopf sind, haben nicht selten eine Malaria tropica
überstanden. Zurück bleibt in der Regel ein Gehirnschaden. Die
Umgebung von Banyo ist recht hügelig. Fast jeder dieser Hügel
wäre für die Anlage von Wehrbauten geeignet. Allein, befestigte
Dörfer gibt es nicht. Die alten Palisadenzäune, die einst zum
Schutz vor wilden Tieren gedient haben, sind sicher mittlerweile
dem Feuer zum Opfer gefallen.
Der Lkw-Verkehr ist
beängstigend dicht. Man braucht sich bloß einmal vorzustellen,
wie schnell sich hier die Versorgungssituation vor dem
Hintergrund einer weiter rasant steigenden Bevölkerung zuspitzen
kann.
Banyo bezieht seine
Trinkwasserversorgung aus dem Gebirge. Das Wasser in der Leitung
steht daher unter Druck.
Unsere Photofanatiker
photographieren so ziemlich alles, und wenn die Landschaft noch
so reizlos ist. Für mich sind dies Erinnerungen, die ich am
besten gleich wieder vergessen möchte: staubbedecktes Grün, vom
Laterit rot durchsetzt, gelb das Gras, in Dunst getaucht das
Land, so weit das Auge reicht, mit anderen Worten, einfach
trostlos.
Wir kommen durch einen Ort, der
insofern eine Besonderheit darstellt, als die Gehöfte allesamt
von kunstvoll geflochten Zäunen umgeben sind.
Bald wird die Fahrtstrecke
gebirgig und kurvenreich. Die Fahrbahn reicht kaum noch für ein
Fahrzeug aus, geschweige denn für zwei.
Je mehr mein Filmmaterial zur
Neige geht, desto mehr fühle ich mich gehalten, meine Eindrücke
niederzuschreiben. Der Lesestoff ist mir auch längst
ausgegangen. Es widerstrebt mir im Augenblick, meine
Saharalektüre zu Ende zu lesen, wo wir die Wüste doch längst
hinter uns haben.
Um uns einen Weg zu bahnen,
müssen wir eine Rinderherde von der Straße abdrängen.
Ängstlich flüchten sich die Tiere ins mannshohe Gras. Ab und zu
wird die Mühsal des zähen Vorankommens mit dem Anblick
besonderer landschaftlicher Schönheiten belohnt. Stellenweise
tauchen bereits wieder Fluren auf, die der Brandrodung zum Opfer
gefallen sind. Übrigens hat diese in Westafrika eine lange
Tradition. Schon Plinius berichtet von Hannos karthagischer
Expedition (500 v. Chr.), daß von See aus zu beobachten war, wie
ganze Landstriche gebrannt haben.
Unsere gegenwärtige
Fahrtstrecke weist extreme Steigungen auf. Mein augenblickliches
Wohlbefinden ist äußerst gut, der Erholungseffekt beginnt sich
spürbar bemerkbar zu machen. Wenn ich mich aber umblicke, so
finde ich fast alle schlafend, wohl vor Erschöpfung. Dies mag
daran liegen, daß sämtliche Fenster und sonstigen Öffnungen
geschlossen sind, und das zur Zeit der größten Mittagshitze.
Bisweilen ragen Ortschaften aus
dem Gebüsch hervor, Zeichen intensiver Bodenbewirtschaftung
fehlen jedoch. Die Hirsefelder unterscheiden sich kaum von dem
umgebenden Gestrüpp. Es werden offenbar gerade so viele Schollen
bewirtschaftet, wie die Bewohner für ihren persönlichen Bedarf
benötigen. Kamerun ist eines derjenigen Länder Schwarzafrikas,
die ihre Bevölkerung selbst ernähren können. Die meisten der
aus Deutschland stammenden Daimler-Benz-Lkw führen auf ihrer
Windschutzscheibe den Slogan "L éléphant de la
piste", zu deutsch Pistenelefant.
Ein alter Landrover kommt uns
entgegen. Man sieht leider immer weniger Fahrzeuge dieses Typs.
Überhaupt sind deutsche Automarken hierzulande kaum vertreten.
Den Geländewagenmarkt haben, wie überall auf der Welt so auch
hier, die Japaner erobert.
Durch ein fast schon idyllisch
zu bezeichnendes Tal fahren wir bergab. Endlich taucht wieder
eine Landschaft auf, die überzeugt. Nach Überquerung einer
wasserführenden Schlucht geht es wieder bergan. In der feuchten
Niederung wächst eine Art Binsengras.
Auf der Straße ein Haussa, der
trotz Kopfbedeckung einen Sonnenschirm trägt! Diese Sitte ist
mir schon in Banyo aufgefallen.
Gegen Mittag erreichen wir Mayo
Darlé, dessen reflektierende Wellblechdächer im Sonnenlicht
aufblitzen. Insgesamt viermal müssen wir unsere Fahrt wegen der
auf der Straße getriebenen Zeburinder verlangsamen. An einigen
Stellen der gegenüberliegenden Berghänge toben Waldbrände.
Weithin hört man es knistern.
Während der Trockenzeit ist
die Sicht selten so gut, als daß es sich lohnen könnte zu
photographieren. In der Regenzeit, wenn die Luft nach einem
Regenguß aufklart, hat man angeblich optimale Fernsicht. Leider
sind dann die Wege meist unpassierbar und ganze Ortschaften von
der Außenwelt abgeschnitten. Aufgrund der schlechten
Straßenverhältnisse ist jede Afrikareise während der Regenzeit
von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Alle Arten von Insekten, die
wir von zu Hause kennen, kommen in den Tropen ebenfalls vor, nur
mit dem Unterschied, daß ihr Wuchs häufig ins Riesenhafte
gesteigert ist.
Allmählich verlassen wir die
Hochebene des Adamaoua-Massivs. Je tiefer wir kommen, desto
stärker nehmen Fauna und Flora Dschungelcharakter an,
insbesondere der Blütenreichtum wächst. Erstmals tauchen
Bananenstauden und Kaffeplantagen auf, darüber ragen Ölpalmen
hinaus. Angebaut werden Maniok, Papaya, Mango und Avocado,
vereinzelt auch Ananas. Der Boden gewinnt seine bräunliche Farbe
zurück. Seit Menschengedenken sind hier große Gebiete der
einstigen Naturlandschaft durch Brandrodung in eine üppige
Kulturlandschaft verwandelt worden.
Der Wellblechcharakter der
Piste wird wieder ausgeprägter. Nach Besichtigung einer
Kaffeeplantage gelangen wir nach Barking. Wie in allen größeren
Orten findet man auch hier christliche Missionen, und zwar sowohl
katholische wie auch protestantische. Die Argumentation der
Kirchen, daß durch das Anlegen von Kaffeeplantagen wertvolles
Land für den Hirseanbau verloren geht und dies zum Hunger in der
Dritten Welt beiträgt, ist nur scheinbar richtig, da die
Kaffeeproduktion einen höheren Gegenwert in Form von Devisen
erbringt, womit umgekehrt wieder billiger Weizen eingekauft
werden kann, was in jedem Fall günstiger ist, als Getreide
selbst anzubauen. Das eigentliche Problem dürfte eher im
Großgrundbesitz liegen, wodurch die Erträge nur einzelnen
zugute kommen und die breite Masse des Volks keinen Anteil daran
hat. Darüber hinaus schafft der Plantagenbetrieb wesentlich mehr
Arbeitsplätze als etwa der Feldbau, da Kaffebohnen nur von Hand
gepflückt werden, während Getreidefelder mit Hilfe von Geräten
wesentlich schneller abgeerntet werden können.
Bisher habe ich kaum Schwarze
gesehen, die kurze Hosen tragen. Dies mag teils am Islam liegen,
teils auch in einem künstlich erzeugten Anstandsgefühl
christlicher Prägung. Wenn man sich vor Augen führt, daß die
Einheimischen vor der Berührung mit dem weißen Mann entweder im
Lendenschurz gelaufen sind oder sogar nackt, dann kann vielleicht
nachempfunden werden, wieviel in sittlicher Hinsicht verkehrt
gemacht wurde, wenn schon das Zeigen des unbekleideten Beines als
anstößig empfunden wird. Nichtsdestotrotz ist durch das Tragen
kurzer Hosen keinem von uns jemals ein Problem erwachsen. Zu
wünschen bleibt, daß sich die Gepflogenheit, in der Schwüle
lange Hosen zu tragen, bald ändern wird.
Ebenso wie gestern finden wir
auch heute nur mit Mühe einen Lagerplatz, mit dem Unterschied,
daß nun die dichte Vegetation kein Eindringen zuläßt.
Manches Mal gewinnt man den
Eindruck, daß das Waldsterben auch im tropischen Regenwald kein
unbekanntes Problem ist. An manchen Stellen kann man weit mehr
abgestorbene Bäume zählen als gesunde. Dabei darf jedoch nicht
übersehen werden, daß es sich hier um tatsächlichen, vom
Menschen weitgehend unberührten Urwald handelt, in dem die
Bäume dort umfallen, wo sie stehen, und da auch liegenbleiben.
Nach dem Wasserstand der
Flüsse zu urteilen, die noch relativ viel Wasser führen, kann
die Regenzeit noch nicht lange vorbei sein. Erstmals passieren
wir ein Sägewerk.
Kurz nach Aufbruch halten wir
an einem Dschungelfluß und steigen hinab zu dessen Ufern. Ein
Wirrwarr an Bäumen, Palmen und Lianen umgibt uns.
Ohrenbetäubend ist das Schwirren der Zikaden. Zahlreiche Felsen
ragen aus dem ruhig dahinziehenden Fluß heraus. An den
Stromschnellen kräuselt sich weißer Schaum. Die Regenzeit ist
vorbei, daher führt der Fluß bereits Niedrigwasser und seine
Wasser sind grün.
Endlos reiht sich an beiden
Straßenseiten Haus an Haus, dahinter liegen die Felder. Vor den
Häusern lagern die Ernteerträge. Nicht wenige dieser Häuser
tragen einen Verputz oder sind sogar bemalt. Sein Haus kann jeder
dort bauen, wo es ihm gerade beliebt.
Die traditionellen
strohbedeckten Dächer sind fast durchwegs durch Wellblechdächer
ersetzt worden. Dächer aus Blech bieten zugegeben einen besseren
Regenschutz, sind dafür aber weniger malerisch.
Eine Henne läuft mit ihren
Küken über die Straße. Unser Fahrer ist wie immer bremsbereit.
Die letzte Buschübernachtung
liegt nun endgültig hinter uns. Auch die allmorgendliche
Katzenwäsche muß nicht mehr sein. Unser erstes Ziel heute ist
Foumban.
Über weite Flächen tauchen
immer wieder abgestorbene Baumbestände auf, ein Ergebnis der
Brandrodung. Vor Foumban erreicht die Straße nochmals eine
ansehnliche Höhe. Hier beginnt das Siedlungsgebiet der
Bamoun-Neger. Diese sind physiologisch leicht an ihren breiten
Nasen zu erkennen.
Neben Eukalyptus und
australischen Seidenbäumen werden zur Aufforstung auch Kiefern
verwendet. Kurz vor Foumban erreichen wir die ersten
Bambuswälder. Bambus ist das größte Gras der Erde.
Neben den Bamoun leben in
dieser Gegend die Bamiléké, der mit Abstand größte Stamm
Westkameruns. Verwandt sind sie mit den Ibo Nigerias.
In Foumban fahren wir zunächst
ins Hotel, wo wir die lang ersehnte Dusche nehmen. Wie immer gibt
es allerdings erst einmal wieder kein Wasser. Nach einem warmen
Mittagessen geht es zurück in den Ort, um die dortigen Museen zu
besichtigen. Der mittels UNESCO-Geldern restaurierte
Sultanspalast ist eine getreue Nachbildung des ehemaligen
Gouverneurspalastes. Die Museen bergen reichhaltige Schätze aus
der Kolonialzeit und der präkolonialen Epoche: Speere,
Buschmesser, Totenmasken, Federkleider, Bögen samt Köchern,
Kriegsglocken, Trommeln und Trophäen. Der Thronsessel wird zu
beiden Seiten von riesigen Elefantenzähnen flankiert, davor
liegt das Fell eines Löwen. Die Krieger zierten ihre Kalebassen,
aus denen sie ihren Palmwein tranken, mit dem Unterkiefer des
besiegten Gegners. Auf den berühmten Foumbanbrettern wird von
den Kriegen erzählt, welche die Bamoun mit ihren Feinden, den
Fulbe, geführt haben.
Der Markt von Foumban
unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Märkten
Kameruns. Ein Einkaufsbummel mit Günther dient dazu, die
notwendigen Zutaten für die landestypische Erdnußsoße zu
besorgen. Die Soße soll diesmal weniger scharf werden. Nach
einem Freibier fahren wir mit dem Taxi zurück. Zunächst wird
der Fahrgast an sein Ziel gebracht, der bereits im Auto saß, als
wir zugestiegen sind.
Die letzten Malariatabletten,
die auf dieser Reise einzunehmen waren, sind geschluckt. Nach
einer zünftigen Barnacht - die Wirtin hat sich anläßlich
unseres Besuches eigens ein neues Kleid angezogen und sich die
Haare richten lassen - habe ich nur noch 2000 CFA in meinem
Geldbeutel. Für eine Terrakottapfeife muß ich noch einmal 3000
CFA ausgeben. Die Händler kommen uns bis ins Hotel nachgelaufen,
das etwas außerhalb von Foumban liegt. Es heiß "La
Refuge". Ich ärgere mich ein bißchen, daß andere die
gleiche Qualität zu einem günstigeren Preis erstanden haben.
Andererseits finde ich es beschämend, wie Leute, die Tausende
für eine Reise ausgegeben haben und so gut wie nichts im Lande
lassen, um Pfennigbeträge feilschen. Mir tun die armen Händler
leid, die ihre Ware weit unter Wert anbieten und mit teilweise
schäbigen Klamotten bedacht werden, während unseren Leuten für
ihr eigenes Wohl keine Flasche Wein zu teuer ist. Unsere
Weinvorräte sind nämlich seit über einer Woche aufgebraucht.
Das heutige Tagesziel ist Buea,
wohin ausschließlich asphaltierte Straßen führen. Nicht lange,
und Koutaba ist erreicht, ein Fliegerhorst und
Luftwaffenstützpunkt! Wir befinden uns in einem Gebiet, das
wiederholt Unruheherd und Ausgangspunkt von Revolten war. Wenn
die Bamiléké nicht durch die Zentralregierung daran gehindert
würden, hätten sie schon längst einen eigenen Staat
gegründet, ähnlich wie dies die Ibo in Biafra versucht haben.
Aufgrund der hohen
Luftfeuchtigkeit sind die Fenster unseres Fahrzeugs beschlagen,
die Nacht war kühl.
Auf dem Markt von Foumban wird
angehalten, um Bananen und Orangen einzukaufen. In einem großen
Topf werden Engerlinge angeboten. Welch ein Leckerbissen! Wer
sich hingegen vor rohen Würmern ekelt, kann die Engerlinge auch
gleich geröstet kaufen.
An den Hängen des Kamerunbergs
liegt das wohl fruchtbarste Gebiet des ganzen Landes. Welch ein
Gegensatz zum unfruchtbaren Norden! Hier wächst alles. Der
Wohlstand äußerst sich in der relativen Dickleibigkeit der
Bevölkerung. Der Mbang wird zum wiederholten Male überquert.
Ein uniformierter Schrankenwärter, der offenbar nicht mehr ganz
richtig im Kopf ist, läßt uns anhalten. Er trägt eine Plakette
mit der Aufschrift: "Seit 1940 Schrankenwärter am
Noun". Nach ein paar Geschenken dürfen wir ungehindert
passieren. Üppige Kaffee- und Bananenplantagen begleiten uns.
Dieses Gebiet ist das am dichtesten besiedelte ganz Kameruns. Die
Cameroun Hills sind deswegen so fruchtbar, weil es sich um
verwittertes Vulkangestein handelt. In diesem Gebirge liegt auch
der Mount Cameroun als zugleich höchster Berg des Landes. Er
brach 1913 das letzte Mal aus.
Nochmals geht es einen Berg
hinauf. Unter uns breitet sich ein sattgrüner Palmengarten aus.
Bafoussam gilt als Hauptstadt des Bamiléké-Landes, auch
"Kreuz des Westens" genannt.
Vor uns ein Verkehrsunfall, der
einzige, den wir bisher sahen! Auf der Straße sehen wir einen
Mann mit zusammengebundenen Händen und Füßen, einen offenbar
Geistesgestörten. Psychiatrische Kliniken gibt es hierzulande
nicht; vor einem Gemeingefährlichen kann man sich daher nur auf
diese Weise schützen.
Das Rathaus von Bafoussam weist
Züge modernster Architektur auf. Vor uns taucht eine
Verkehrsampel auf, bei der Rot und Grün gleichzeitig leuchten.
Dann sehen wir ein Kind in der Hose eines Erwachsenen.
Abschneiden lohnt nicht, das Kind wächst ohnehin hinein!
Auffallend ist der Tulipier,
der sogenannte Tulpenbaum, dessen Name aus der Kolonialzeit
herrührt. Seine Blüten sehen aus wie Tulpen, daher sein Name.
Alle Pflanzen, die man in der Kolonialzeit hier vorfand, wurden
nach heimischen Gewächsen benannt.
Die heutigen Häuptlingshütten
sind wie ehemals mit charakteristischen Spitzdächern gedeckt,
jedoch nicht mehr mit Stroh, sondern mit Wellblech. Mehrere
Spitzdächer sind zu reizvollen Gruppierungen zusammengefaßt.
Durch eine wahrhaft paradiesische Gebirgslandschaft, bestanden
mit Ananas, Bananen und Ölpalmen, geht es, ständig leicht
bergab, in die tropische Regenwaldzone. Mit jeder weiteren Minute
steigt die Luftfeuchtigkeit.
Die Bedeutung des
Dattelpalmöls als Exportware ist seit der Kolonialzeit immer
weiter zurückgegangen. Über Bafang geht die Fahrt in die
Hauptstadt Westkameruns, nach Nkongsamba. In Company wird
Mittagsrast eingelegt. Dem Beispiel unseres Fahrers folgend
probieren wir die pikant gewürzten Fleischspießchen, die als
Spezialität dieser Region gelten. Für weniger Geld kann man
sich aber auch von Bananen gut ernähren. Die Kameruner Bananen
sind angeblich die besten der Welt. Sie können sich jedoch auf
dem Weltmarkt nicht behaupten. Ich kann das nur bestätigen, da
ich seit einer Ewigkeit keine so wohlschmeckenden Bananen mehr
gegessen habe wie hier.
Auf gut ausgebauter Straße
kommen wir nach Nkongsamba, der drittgrößten Stadt Kameruns,
die touristisch gesehen jedoch vollkommen uninteressant ist. Am
Wegrand beobachten wir einen Mann, der einen ganzen Baum trägt.
Allerorts liegen Autowracks herum, die hier allerdings niemand
wegräumt. Sodann überqueren wir eine Schmalspurbahn. Die
andauernden Verkehrskontrollen sind sehr lästig, daher fahren
die Einheimischen häufig einfach weiter, ohne daß sie deswegen
von der Polizei verfolgt würden.
Kurz nach Nkongsamba erreichen
wir fast wieder Meereshöhe. Dunkle Wolken hüllen die uns
umgebenden Berge ein. Die strenge Unterscheidung zwischen Regen-
und Trockenzeit gilt für die Küstenregion nicht.
Bei Loum verlassen wir den
Boden des ehemals französisch verwalteten Ostkamerun und
betreten Westkameruner Boden. Der britische Einfluß hat sich bis
heute erhalten. Im Regenwaldgebiet wird als Baumaterial für die
Häuser nicht mehr Lehm, sondern, wie könnte es anders sein,
Holz verwendet. Wir befinden uns in einer Klimazone, in der
Kautschuk gedeiht. Die Pflanze, die das Grundmaterial dafür
liefert, heißt Hevea. Ihr Harz wird durch einen Schnitt in die
Rinde gewonnen und in speziellen Gefäßen aufgefangen. Kautschuk
ist Grundstoff für Latex, Gummi usw. Die Piste, die wir
befahren, war bis zur Nehrung an der Mungobrücke die einzige
Verbindung zwischen Ost- und Westkamerun und ist mit dem Bau der
Wiedervereinigungsstraße überflüssig geworden.
Nach den Kautschukplantagen
kommen die Pfefferplantagen. Pfeffer ist ein Rankengewächs,
welches sich an seinem Wirtsbaum emporwindet.
Durch die immense
Luftfeuchtigkeit hat die Gereiztheit unter unseren Leuten stark
zugenommen.
Wir fahren durch ein Dorf, wo
Kinder in einem Tümpel baden. Sie rufen uns zu: "White men,
white men!"
Eine idyllische Brücke aus
Stahlträgern wird überquert, wo sich ein herrlicher Ausblick
auf einen Dschungelfluß bietet. Da wir unter Zeitdruck stehen,
wird weitergefahren.
Die letzte Plantagenfrucht, die
wir zu sehen bekommen, ist der Kakaobaum. Was sich aus einer
unscheinbaren Blüte entwickelt, reift zu einer ansehnlichen,
fast kokosnußgroßen Frucht heran. Die eigentlichen Bohnen
werden nach der Ernte zunächst getrocknet. Eine Frucht enthält
ca. ein Dutzend Kakaobohnen. Die braune Farbe bekommt der Kakao
erst durch den Zusatz von Zucker. Das Rührverfahren nennt man
mit einem Fremdwort Cochieren.
Vereinzelt finden wir hölzerne
Gerüste, welche als Abfüllanlagen für die Latex-Lkw gedacht
sind.
Bei Kumba erreichen wir wieder
die Asphaltstraße, die allerdings mit vielen Schlaglöchern
übersät ist.
Ein verendetes Tier liegt
mitten im Ort auf der Straße, ohne daß jemand Notiz davon
nehmen würde. Im Ort steht noch eine alte Schule im englischen
Collegestil.
Das französischsprachige
Ostkamerun stellt traditionell den Präsidenten des Landes, das
englischsprachige Westkamerun den Vizepräsidenten. Vom angeblich
nigerianischen Einfluß bemerke ich auf dem Lande wenig.
Westkamerum ist auf jeden Fall moderner, zivilisierter als
Ostkamerun. Dies äußerst sich ganz besonders in den Städten.
Die Pisten dieser Reise liegen
nun endgültig hinter uns. Von meinem Filmmaterial ist nur noch
ein einziges Photo verblieben. Dieses spare ich mir entweder für
den Kamerunberg auf oder für den tropischen Regenwald. Zu
unserer Rechten ist noch ein Stück von echtem tropischen
Primärwald erhalten. Die Stimmen des Urwalds sind nicht zu
überhören. Welch eine Fliegenplage! Zweimal habe ich eine
Fliege direkt im Auge.
Ich war gut beraten, mir die
Haare kurz schneiden zu lassen. Wenn ich beobachte, wie
ungepflegt die Haare der Reisefreunde jetzt aussehen, kann ich
mich selbst nur beglückwünschen.
Die Holzhäuser der
Ortschaften, durch die wir kommen, erwecken fast ein wenig den
Eindruck einer Wildweststadt. Wir befinden uns bereits in der
Flanke des Kamerunbergs. Von nun an geht die Fahrt bergauf. Nach
einem langen Tage wird Buea erreicht, das letzte Ziel dieser
Reise. In Dunst gehüllt ragt der Kamerunberg aus dem Urwald
heraus. Seiner Form nach würde man ihn wohl kaum für einen
Vulkankegel halten. Unendlich breit zieht sich sein Grat hin,
ohne erkennbaren Gipfel; oben hat er einen Krater. Der Reiz einer
Besteigung wäre groß, jedoch ist diese nur möglich, wenn man
zwei volle Tage zur Verfügung hat. Das Hotel in Buea liegt auf
etwa 1000 m Höhe. Ab hier sind es also noch einmal 3000
Höhenmeter, die man zu überwinden hätte. Eine Besteigung ist
außerdem nur mit einem örtlichen Führer möglich.
Im Ort selbst, der eigentlich
gar keinen Ortscharakter besitzt, sind noch einige Häuser aus
der Kolonialzeit erhalten. Jede Nation, ob Deutsche, Engländer
oder Franzosen, hat ihren eigenen Baustil entwickelt. Die
deutschen Kolonialhäuser sind mit Wellblechdächern versehen
und, ähnlich Bootshäusern, auf Pfähle gesetzt, so daß man
unter dem Haus hindurchschauen kann, eine Bauweise, die man von
den Einheimischen übernommen hat, weil sie wirksamen Schutz vor
Schlagen bietet.
Eine besondere
Sehenswürdigkeit stellt das sogenannte
"Puttkamer-Schlößchen" dar, benannt nach dem
damaligen deutschen Gouverneur. Dieses äußerst stilvolle
Gebäude, in dem heute der Sitz des Vizepräsidenten von Kamerun
untergebracht ist, unterliegt strengstem Fotographierverbot.
Jeder Verstoß wird mit der Beschlagnahmung von Film und Kamera
geahndet. Ein besseres Fotomotiv kann man in Buea nicht finden.
So sehr auch der Kamerunberg ein fotografisches Zeugnis meiner
Anwesenheit zu seinen Füßen ablegen würde, so uninteressant
ist doch das Motiv. Jeder Betrachter würde sofort davon Abstand
nehmen, hierherzukommen, wenn man ihm dieses Bild nur unter dies
Nase hielte.
Die deutsche Kolonialzeit, die
1884, als Gustav Nachtigall den Douala-Königen einen
Schutzvertrag abhandelte, begann und 1918 mit dem Ende des ersten
Weltkriegs zu Ende gegangen war, hat genau 34 Jahre gedauert.
Merkwürdigerweise ist das genau die Zahl, die ich an
Lebensjahren zähle. Bedauerlicherweise habe ich über die
Geschichte der Kolonialzeit kaum Informationen einholen können.
Ich kenne weder die Anzahl und die Regierungszeit der
Gouverneure, deren politische Leistungen, die Ereignisse jener
Zeit noch die einheimischen Herrscher und deren Bedeutung. Ich
weiß so gut wie nichts über das Leben hier zu dieser Zeit,
nichts über die Unruhen, die Grausamkeiten und die Schicksale
der Soldaten, nichts über die inneren Zwistigkeiten der Stämme
untereinander. Was noch immer fehlt, ist ein gutes Buch über
unsere koloniale Vergangenheit.
Das Mountain Hotel aus der
frühen Zeit der Unabhängigkeit ist im englischen Kolonialstil
eingerichtet. Hier findet unser Abschiedsessen statt. Es fällt
unerwartet getrübt aus. Große Heiterkeit kommt einfach nicht
mehr auf. Ich bin der festen Überzeugung, daß sich einige nach
diesen vier Wochen, die wir gemeinsam verbracht haben, einfach
satt haben. Abschiedsreden werden gehalten, große Töne
geschwungen, es wird gesagt, was man üblicherweise bei solchen
Gelegenheiten zu sagen pflegt. Der Fahrer hat, auf seine
humorvolle Art, eine nette Idee. An jeden Mitreisenden wird ein
Geschenk verteilt, es werden Witze gerissen, die jeder schon
einmal gehört hat, nur um gegen die allgemeine Müdigkeit
anzukämpfen, bis sich das Ganze schließlich in Wohlgefallen
auflöst. Da auch ich beizeiten von Schläfrigkeit übermannt
werde, nehme ich am abschließenden Gelage gar nicht mehr teil.
Frühzeitig müssen sich wohl auch die meisten anderen schlafen
gelegt haben, um ihre wohl für längere Zeit letzte
Übernachtung in der Fremde anzutreten. Die durch das
Höhenklima, das unseren Münchner Verhältnissen recht ähnlich
ist, verursachte bleierne Müdigkeit beschert mir den letzten
guten Schlaf auf Kameruns Boden. Der Urlaub ist zu Ende. Wir
haben auf unserer Fahrt von Tunis nach Douala rund 6300 km
zurückgelegt, abzüglich der Strecken von und zu den jeweiligen
Flughäfen. Es war das erste Mal, daß eine Reisegruppe
wohlbehalten an ihr Ziel gebracht worden ist, und dies ist neben
einer gehörigen Portion Glück das gemeinsame Verdienst von
Reiseleiter, Fahrer und Reisegruppe. Auf den Reisen vor uns, die
noch über Togo führten, waren stets ein bis zwei Personen an
Malaria erkrankt. Es scheint in Togo eine gegen Resochin
resistente Mückenart zu geben, was mir bisher nur von Ostafrika
bekannt ist. Auch wenn keine ernsthaften Krankheitsfälle
aufgetreten sind, so darf dennoch nicht übersehen werden, daß
die meisten Reiseteilnehmer mit Fieber, Durchfall, Erbrechen und
Kreislaufstörungen zu kämpfen hatten. Mir ist dies alles bis
auf einige Mückenstiche und einmaligem Nasenbluten erspart
geblieben. Mein Wohlbefinden hätte besser nicht sein können.
Sichtbar abgenommen habe ich wahrscheinlich nicht, da der
tägliche Kalorienverbrauch durch das viele Sitzen im Bus eher
gering war. Dies war meine bisher größte Reise, an die ich mich
stets nur mit positiven Eindrücken erinnern werde. Wir haben
derart viel erlebt, daß ein Verlangen nach noch viel mehr
zurückbleibt.
Am letzten Tag ist nicht mehr
viel geboten. Es bleibt viel Zeit zum Ausruhen. Am Morgen nach
dem Frühstück wird das Fahrzeug ausgeräumt und die
Endabrechnung beglichen. Da meine Barfinanzen aufgebraucht sind,
muß ich auf Schecks zurückgreifen. Dennoch habe ich das
Trinkgeld gern gegeben. Abgesehen von Kleinigkeiten haben sowohl
der Reiseleiter als auch der Fahrer Hervorragendes geleistet.
Außerdem bin ich von Günther mehr als einmal zu einem
Freigetränk eingeladen worden.
Am letzten Tag erwischt es mich
dann doch noch. Angefangen hat alles mit einem Spaziergang hinab
in den Ort Buea. Obwohl es nur eine kurzes Stück Wegs ist, setzt
mir der Spaziergang in der schier unerträglichen Schwüle
offenbar derart zu, daß sich meine Übelkeit bis zum Erbrechen
steigert. Das warme Bier und dazu der angewärmte Dosenfisch sind
wohl des Guten zuviel gewesen. Mit einem Erbrechen ist die Sache
denn auch erledigt. Zum Glück bleibt es bei einem Durchfall.
Nach einer kalten Dusche habe ich das Gröbste überstanden.
Den Vormittag verbringe ich
damit, mir eines der ehemals deutschen Kolonialhäuser für ein
geeignetes Photomotiv auszusuchen. Da ich meine Schuhe gegen ein
Souvenir eintauschen möchte, muß ich wieder Uniform und
Springerstiefel anziehen, ein Aufzug, in dem ich mich angesichts
unserer kolonialen Vergangenheit nicht mehr besonders wohl
fühle. Einer der Reisefreunde sagt, ich sähe darin aus wie ein
Ausbilder. Auf dem Flughafen in Douala werde ich dann noch von
einem Teilnehmer einer anderen Gruppe gefragt, wie denn die
Schwarzen auf diesen Military Look reagierten. Ich stelle dazu
fest, daß ich in diesem Outfit weder feindseligere noch
freundlichere Blicke geerntet habe als in ziviler Kluft. Einzig
der Kontrolleur am Flughafen in Douala gibt mir zu verstehen,
daß die Hosen, die er trage, so ähnlich aussähen wie die
meinigen. Da fällt mir noch ein, daß mich ein Negerjunge in
Kano, unserer ersten Station in Nigeria, gefragt hat, ob ich ein
Polizist sei oder gar ein Soldat. Der Tag verläuft in heiterer
Atmosphäre. Unser Fahrer spendiert noch einige Dosen Bier, die
dankend angenommen werden. Als unser "Schwesterschiff"
eintrifft, gibt es einen Mordseklat. Neckisch werden einige,
denen man ihr Original ansieht, auf die Schippe genommen. Letzte
Gruppenfotos werden geschossen.
Nach einem letzten Freibier,
das der Reiseleiter ausgibt, warten wir eine Stunde lang
vergeblich auf das Eintreffen der bestellten Kleinbusse. Nach
einer für hiesige Verhältnisse typischen guten Stunde Wartens
ist endlich alles zur Abfahrt bereit. Die verlorene Stunde muß
wieder aufgeholt werden. Zuvor müssen die Fahrzeuge jedoch erst
noch aufgetankt werden. Die Fahrer scheinen ihren ganzen Ehrgeiz
daranzusetzen, uns zu zeigen, wie gut sie fahren können.
Dementsprechend halsbrecherisch verläuft die Fahrt. Die Straße
nach Douala ist auf gut 70 km gut ausgebaut und verleitet quasi
zum Schnellfahren. Es stört unsere Fahrer weniger als uns, daß
plötzlich Rinderherden über die Straße laufen, Lkw die Sicht
erschweren und überall am Straßenrand Menschen stehen, die
teils winken oder aber noch schnell die Straße überqueren
müssen. Der Beste soll das Rennen gewinnen. Außer einer
Reifenpanne passiert glücklicherweise nichts. Unser Fahrer Sepp,
der mit uns heimfliegt, organisiert das Einchecken. Wenn es uns
gelingt, als Gruppe einzuchecken, bleibt uns das Öffnen der
Koffer erspart. Aber nicht einmal mein Schwert wird mir
abgenommen. In meiner Geldbörse befinden sich noch 1500
Westafrikanische Francs. Sollte sie mir der Zollbeamte abnehmen,
werde ich mich einfach dumm stellen. Das Warten auf dem Flughafen
wird langsam zur Qual. Es ist halb eins in der Nacht und die
meisten von uns wirken total erschöpft. Einige reagieren, wie
häufig in solchen Streßsituationen, mit Gereiztheit. Nachdem
auch dies nichts hilft, geben sie auch das auf. Obwohl wir
keinerlei körperlichen Anstrengungen ausgesetzt sind, sind wir
allesamt naßgeschwitzt. Die extreme Luftfeuchtigkeit verhindert,
daß der Schweiß von der Haut verdunsten kann. Darum möchte man
die Einheimischen, die nicht einen Tropfen Schweiß auf der Stirn
haben, fast beneiden. Umgekehrt würden diese, so sie sich bei
uns in Europa befänden, wahrscheinlich frieren, sofern sich ihr
Temperaturhaushalt nicht bereits umgestellt hat.
Der Flug verläuft wie
befürchtet. Erst werden Getränke, danach die Speisen gereicht.
Das Essen zieht sich endlos in die Länge, ehe man endlich ein
Auge zutun kann. Der Videofilm, der anschließend gezeigt wird,
hält eher wach, als daß er einschläfert. Die Abschiedsszenen
spielen sich teilweise schon in der Maschine ab. Es ist noch
Nacht, als wir landen. Als wir aus der Maschine steigen, schlägt
uns im Morgengrauen eine merkliche Kühle entgegen, die Heimat
hat uns wieder.
Der Transit in Brüssel
gestaltet sich schwieriger als erwartet. Die Schwerter werden uns
nun doch abgenommen. Ob wir sie unversehrt zurückbekommen, ist
zunächst noch ungewiß. Unsere Sorge erweist sich jedoch als
unbegründet, alles kommt wohlbehalten an.
In München gibt es noch einmal
ein allgemeines Händeschütteln, ein Treffen wird vereinbart. Ob
es je zustande kommt?
Copyright © 1990 Manfred Hiebl.
Alle Rechte vorbehalten.