Die Hunnen in antiken Quellen Die folgende Beschreibung stammt aus Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, Vierter Teil. Den Text übersetzte Wolfgang Seyfarth Die Saat des ganzen Verderbens und
der Ursprung der verschiedenen Katastrophen, die die Wut
des Kriegsgottes, alles mit ungewöhnlichem Brand
erfüllend, heraufbeschwor, hatte folgende Ursache, wie
ich erfahren habe. Das Volk der Hunnen ist den alten
Schriften nur wenig bekannt. Es wohnt jenseits des
Mäotischen Sees, nahe dem Eismeer, und lebt im Zustand
unbeschreiblicher Wildheit. Da gleich nach der Geburt in
die Wangen der Kinder mit dem Messer tiefe Furchen
gezogen werden, damit der zu bestimmter Zeit auftretende
Bartwuchs durch die runzligen Narben gehemmt wird, werden
sie unbärtig alt und ähneln, jeglicher Schönheit bar,
den Eunuchen. Alle besitzen sie gedrungene und starke
Glieder und einen muskulösen Nacken und sind so
entsetzlich entstellt und gekrümmt, daß man sie für
zweibeinige Bestien oder für Figuren aus Blöcken halten
könnte, wie sie für die Seitenbegrenzung von Brücken
roh behauen werden. Bei ihrer reizlosen Menschengestalt
sind sie durch ihre Lebensweise so abgehärtet, daß sie
keines Feuers und keiner gewürzten Speise bedürfen,
sondern von den Wurzeln wilder Kräuter und dem halbrohen
Fleisch von jedwedem Getier leben, das sie zwischen ihre
Schenkel und den Pferderücken legen und etwas erwärmen.
Sie kennen niemals den Schutz von Gebäuden, meiden
solche vielmehr wie Gräber, die vom allgemeinen Verkehr
völlig abgeschieden sind. Auch kann man bei ihnen nicht
einmal eine mit Rohr gedeckte Hütte finden. Sondern
ruhelos schweifen sie durch Berge und Wälder und sind
von klein auf gewöhnt, Kälte, Hunger und Durst zu
ertragen. Nur wenn äußerste Notwendigkeit sie zwingt,
gehen sie in der Fremde unter ein Dach, denn sie glauben,
unter Dächern nicht sicher zu sein . . . Sie kleiden
sich in linnene Gewänder oder solche, die aus Fellen von
Waldmäusen zusammengenäht sind, und haben keine
besondere Kleidung für den Hausgebrauch und außerhalb
des Hauses, sondern wenn sie einmal den Kopf in ein
solches Hemd von schmutziger Farbe gesteckt haben, legen
sie es erst ab oder wechseln es, wenn es durch langen
Verschleiß in Fetzen aufgelöst und zerfallen ist. Den
Kopf bedecken sie mit einer runden Kappe und schützen
die behaarten Beine mit Ziegenfellen. Ihre Schuhe werden
nicht auf Leisten gepaßt und hindern sie daran, frei
auszuschreiten. Deswegen sind sie zu Fußkämpfen
ungeeignet, aber auf ihren abgehärteten, doch unschönen
Pferden sitzen sie wie angegossen und reiten auf ihnen
bisweilen im Frauensitz, wenn sie ihre natürlichen
Bedürfnisse erledigen. Von seinem Pferd aus kauft und
verkauft jedermann in diesem Volk bei Tag und Nacht,
nimmt sein Essen und Getränk zu sich und gibt sich, auf
den schmalen Hals des Tiers gebeugt, tiefem Schlaf hin
und erlebt dabei die verschiedensten Träume. Wenn eine
Beratung über wichtige Dinge angesetzt ist, beraten sie
alle gemeinsam in dieser Haltung. Sie lassen sich aber
durch keine königliche Strenge führen, sondern
begnügen sich mit improvisierter Führung von
Häuptlingen, und so überwinden sie jedes Hindernis. Der nachfolgende Text ist Jordanis Gotengeschichte entnommen. Nach einer Übersetzung von Wilhelm Martens Die beiden Teile kamen, wie gesagt, auf den Katalaunischen Feldern zusammen. Das Schlachtfeld war eine Ebene, die sich allmählich ansteigend zu einer Anhöhe erhob. Dieses Punktes suchten sich beide Heere zu bemächtigen, weil seine günstige Lage nicht unbedeutende Vorteile bot; so besetzten die Hunnen mit den Ihrigen die rechte, die Römer und Westgoten mit ihren Hilfstruppen die linke Seite, und um den noch freien Gipfel des Berges erhob sich der Kampf. Den rechten Flügel bildete Theodorid mit den Westgoten, den linken Aëtius mit den Römern; den Sangiban, den oben erwähnten Anführer der Alanen, stellten sie ins Mitteltreffen und sorgten so mit militärischer Vorsicht dafür, daß sie den, auf dessen Treue weniger Verlaß war, zwischen die zuverlässigen Leute nahmen. Denn, wem der Weg zur Flucht versperrt ist, der fügt sich leicht in die Notwendigkeit zu kämpfen. Gegenüber war die Schlachtordnung der Hunnen so, daß Attila mit seinen Tapfersten in der Mitte stand; bei dieser Anordnung hatte der König besonders den Zweck im Auge, daß er inmitten der Kerntruppen seines Volkes vor jeder drohenden Gefahr geschützt wäre. Seine Flügel bildeten viele verschiedenartige Stämme, die er sich unterworfen hatte. Darunter sind besonders die Ostgoten hervorzuheben unter ihren Anführern, den Brüdern Walamir, Theodemir und Widemir, die sogar noch edler waren als der König selbst, dem sie damals dienten, da sie der Ruhm des Geschlechts der Amaler auszeichnete. Auch der hochberühmte Gepidenkönig Ardarich mit unzähligem Volk war da, der wegen seiner ungemeinen Ergebenheit gegen Attila an dessen Beratungen teilnehmen durfte. In Erwägung seines Scharfsinns schätzte Attila ihn und den Ostgotenkönig Walamir vor den übrigen Häuptlingen. Denn Walamir war verschwiegen, angenehm im Gespräch und in Listen wohl erfahren, Ardarich bewährt in seiner Treue und im Rat, wie wir oben gesagt haben. Ihnen durfte er wohl den Kampf gegen die Stammesverwandten, die Westgoten anvertrauen. Die übrige Masse, wenn man so sagen darf, der Könige und der Anführer der verschiedenen Völker harrten wie Leibwachen auf den Wink Attilas, und wenn er mit dem Auge ein Zeichen gab, so trat ein jeder mit Furcht und Zittern ohne Murren hinzu und besorgte gewiß, was ihm befohlen wurde. Attila allein aber, der König der Könige, der über allen stand, war auch für alle besorgt. Es fand also ein Kampf statt um den erwähnten Punkt. Attila schickte die Seinen ab, den Berggipfel zu nehmen; aber Thorismund und Aëtius kamen zuvor; und indem sie sich anstrengten, den Hügel zu ersteigen, erreichten sie zuerst die Spitze und verjagten die herankommenden Hunnen vermöge ihrer günstigen Stellung auf dem Berg mit Leichtigkeit. Da, als Attila durch den obenerwähnten Anlaß sein Heer in Bestürzung geraten sah, hielt er es für angemessen, folgende Ansprache, wie ihm gerade der Augenblick die Worte bot, an dasselbe zu halten. ,,Wenn ihr nach den Siegen über so viele Völker, nach der Unterwerfung der Erde, hier stehet, so darf ich es wohl für töricht erachten, euch unter solchen Umständen mit Worten anzuspornen, als ob ihr nicht wüßtet, worum es sich handelt. Ein Neuling in der Heerführung, ein noch nicht erprobtes Heer könnte darnach Verlangen tragen. Ebensowenig darf ich die gewöhnlichen Phrasen aussprechen, als ihr sie zu hören braucht. An was anders wäret ihr auch gewöhnt als an den Krieg? Was kann es Süßeres geben für einen tapferen Mann, als mit eigener Hand Rache zu üben? Eine große Gabe der Natur ist es fürwahr, seinen Rachedurst zu stillen. Darum also laßt uns frisch die Feinde angreifen! Mutiger ist immer; wer den Kampf selbst eröffnet. Verachtet die Vereinigung zwieträchtiger Völker! Sich mit Bundesgenossen verteidigen, ist ein Kennzeichen der Furcht. Seht nur, noch vor unserem Angriff werden sie vom Schrecken gejagt, suchen Anhöhen zu gewinnen, besetzen Berggipfel und verlangen in zu später Reue nach Deckung im offenen Felde! Es ist euch bekannt, wie leicht die Waffen der Römer sind; vom Staub schon, geschweige denn von der ersten Wunde werden sie niedergedrückt, während sie noch in Reih und Glied treten, ihre Schlachtlinien bilden und die Schilde aneinander schließen! Kämpft mit eurer gewohnten Ausdauer, kümmert euch nicht um ihre Heeresmacht, dringet ein auf die Alanen, stürzt auch auf die Westgoten! Dort können wir einen raschen Sieg holen, wo der Kern der Feindesmacht ist. Wenn aber einmal die Sehnen abgehauen sind, sinken die Glieder kraftlos zurück; der Körper, aus dem man das Knochengerüst gezogen hat, kann nicht mehr stehen. Da mag sich euer Mut hervortun, eure gewohnte Wut zum Ausbruch kommen! Nun bietet euren Verstand, Hunnen, nun eure Waffen auf! Wer verwundet wird, vergelte mit Tod eines Feindes, wer noch heil, sättige sich in ihrem Blut! Die Sieger wird kein Geschoß treffen; wer zum Tod bestimmt ist, den erreicht das Geschick auch in Friedenszeit. Warum sollte das Glück den Hunnen Sieg auf Sieg über so viele Völker verliehen haben, wenn es sie nicht auf die Freude dieses Kampfes hätte vorbereiten wollen! Wer hat denn unsern Vorfahren den Weg von der Mäotis her eröffnet, der so viele Jahrhunderte ein unentsiegeltes Geheimnis war? Wer brachte vor euch, als ihr noch nicht bewaffnet waret, Bewaffnete zum Weichen? Den Blick der Hunnen konnte auch eine vereinigte Völkermasse nicht ertragen. Ich täusche mich nicht über den Erfolg. Das ist das Feld, das uns so viele Siege verheißen haben. Ich selbst werde zuerst mein Geschoß in die Feinde schleudern. Wenn einer Ruhe ertragen kann, während Attila kämpft, ist er tot.« Hierdurch begeistert, stürzten sie alle in den Kampf. Und obwohl die Lage selbst eine furchtbare war; die Gegenwart des Königs befreite auch die Ängstlichen von jedem Zaudern. Es kam zum Handgemenge; ein schrecklicher Kampf; ein gewaltiger; vielförmiger; mit Hartnäckigkeit geführt, von dessengleichen nirgends im Altertum berichtet wird, wo derartige Taten erzählt werden, so daß der, der dieses Wunders Anblick genoß, nichts Großartigeres in seinem Leben hätte sehen können. Denn, wenn man den Erzählungen der älteren Leute glauben darf, - das Bächlein, das in niederen Ufern an der erwähnten Ebene vorbeifließt, schwoll von dem reichlichen Blut der Wunden der Getöteten an und wuchs nicht wie sonst durch Regengüsse, sondern wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit durch des Blutes Zufluß ein reißender Gießbach. Und die, welche dort eine Verwundung den brennenden Durst zu stillen nötigte, schlürften das Naß mit Blut vermischt. So tranken sie, durch ein klägliches Schicksal umstrickt, das Blut, das sie aus ihrer Wunde vergossen. Da wurde auch der König Theodorid, während er ermutigend sein Heer durcheilte, vom Pferde gerissen; und von den Füßen der Seinigen zertreten, endete er in frühem Alter. Andere dagegen behaupten, er sei vom Geschoß des Andagis auf der Seite der Ostgoten, die damals Attilas Fahnen folgten, gefallen. Das war's, was die Wahrsager früher dem Attila verkündet hatten, obwohl er es auf Aëtius bezogen hatte. Da trennten sich die Westgoten von den Alanen und drangen auf die Scharen der Hunnen ein; und fast hätten sie den Attila getötet, wenn er nicht vorher vorsichtig geflohen wäre und sich und die Seinen sogleich in das Gehege seines Lagers, das er mit Wagen umgeben hatte, eingeschlossen hätte. Wenngleich dies nur eine gebrechliche Schutzwehr bildete, so suchten doch dort diejenigen Fristung ihres Lebens, denen kurz zuvor kein Mauerwall hatte widerstehen können. Thorismund aber, des Königs Theodorid Sohn, der mit Aëtius den Hügel vorweggenommen und die Feinde von der Höhe herabgejagt hatte, geriet, im Glauben zu seinen Truppen zu kommen, in finstrer Nacht ahnungslos mitten in die Wagen der Feinde. Als er tapfer kämpfte, zog ihn, der schon am Kopf verwundet war, jemand vom Pferde herab; und dann ließ er, durch die Fürsorge der Seinigen befreit, ab von des Kampfes Anstrengung. Aëtius, der ähnlich bei der Verwirrung während der Nacht von Feinden umherschweifte, ängstlich, ob den Goten kein Unglück zugestoßen sei, und als er endlich zum Freundeslager kam, verbrachte er den Rest der Nacht unter schützenden Schilden. Als man am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang die angehäuften Leichen auf den Feldern erblickte und sah, daß die Hunnen keinen Ausfall wagten, hielt man den Sieg für gewonnen; ab er man wußte, daß Attila nur nach einer großen Niederlage fliehe. Jedoch tat er nicht wie einer, der darniedergeworfen ist, sondern unter Waffenlärm ließ er die Hörner blasen, und drohte mit einem Angriff, wie ein Löwe, der den Jagdspeer in der Seite trägt, am Eingang seiner Höhle auf- und abgeht und nicht wagt aufzuspringen, sondern unaufhörlich mit seinem Gebrüll die Nachbarschaft schreckt. So ängstigte der kriegerische König seine Besieger noch, als er eingeschlossen war. Darum kamen Goten und Römer zusammen und berieten, was anzufangen sei betreffs des überwundenen Attila. Man beschloß, ihm mit einer Belagerung zuzusetzen, da er keine Getreidevorräte hatte, und von ihren Bogenschützen, die in der Lagerumzäunung aufgestellt waren, der Zutritt durch einen Hagel von Pfeilen verhindert wurde. Man sagt aber, der König, der auch in der verzweifelten Lage seine Seelenstärke bis zuletzt bewahrte, habe aus Pferdesätteln einen Scheiterhaufen errichten lassen und, falls die Feinde eindringen sollten, sich in die Flammen stürzen wollen, damit niemand die Freude haben solle, ihn zu verwunden, oder er, der Beherrscher so vieler Völker, in die Hände seiner Feinde fiele. - Während dieses Aufenthalts mit der Belagerung
vermißten die Westgoten ihren König, die Söhne den
Vater, und wunderten sich über seine Abwesenheit, da sie
doch von glücklichem Erfolg begleitet gewesen waren. Und
da sie nach längerem Suchen ihn mitten in den dichtesten
Haufen der Leichen, wie es tapferen Männern geziemt,
gefunden hatten, ehrten sie sein Andenken mit Liedern und
trugen ihn angesichts der Feinde fort. Da sah man die
Scharen der Goten, wie sie noch während der Wut des
Kampfes mit ihren unharmonischen Stimmen der Leiche die
letzte Ehre erwiesen. Tränen wurden vergossen, aber
solche, die tapferen Männern nachgeweint zu werden
pflegen. Denn es war ein Tod, doch ein ruhmvoller, wie
auch die Hunnen bezeugten, so daß man glaubte, der
Feinde Stolz würde sich beugen, wenn sie die Bestattung
eines so großen Königs mit allen seinen Ehrenzeichen
untätig mit anschauen müßten. Die Goten aber
erfüllten die Pflicht der Leichenfeier gegen Theodorid
und trugen unter Waffenschall den hehren König fort. Der
Held Thorismund folgte hinter den sterblichen Resten des
heißgeliebten, hochberühmten Vaters dem Leichenzug, wie
es für den Sohn sich schickt. Nachdem dies beendet war;
befragte er, ergriffen von Schmerz über seine Verwaisung
und vom Drang der Tapferkeit, die ihn auszichnete, da er
an den übrigen Hunnen seines Vaters Tod zu rächen
strebte, den Patrizius Aëtius als den älteren und an
Erfahrung gereifteren Mann darüber; was unter den
jetzigen Umständen zu tun sei. Der aber fürchtete nach
völliger Vernichtung der Hunnen Unterdrückung des
Römischen Reiches von den Goten und gab ihm den Rat, in
seine Heimat zurückzukehren und sich der von seinem
Vater hinterlassenen Herrschaft zu bemächtigen, damit
nicht seine Brüder die Schätze des Vaters an sich
rissen und der Westgoten Reich an sich zögen, und er
dann mit den Seinigen ernstlich, und was noch schlimmer
sei, unglücklich kämpfen müßte. Diese Antwort nahm er
nicht so heimtückisch, wie sie gegeben war, sondern als
eine auf sein Bestes abzielende auf, ließ ab von den
Hunnen und kehrte nach Gallien zurück. So verdirbt die
menschliche Gebrechlichkeit, indem sie befürchteten
Gefahren begegnen will, häufig die Gelegenheit, große
Taten zu vollführen. In diesem hochberühmten Kampf der
tapfersten Völker berichtet man von 165000 Gefallenen
auf beiden Seiten, abgesehen von 15000 Gepiden und
Franken, die vor der eigentlichen Feldschlacht nachts
aufeinander stießen und einander zusammenhieben, indem
die Franken für die Römer, die Gepiden für die Hunnen
fochten. Als aber Attila durch den Abzug der Westgoten die Gelegenheit bekommen und die Trennung der Feinde, die er oft gewünscht, bemerkt hatte, da wurde er bald wieder sicher und brach auf zur Unterwerfung der Römer. Beim ersten Eindringen in Italien belagerte er Aquileja, die Hauptstadt Venetiens, auf einer Spitze oder Landzunge im Adriatischen Meere gelegen, deren Mauern im Osten der Fluß Natissa bespült, welcher vom Berg Piccis herabkommt. Da er sie nun lange Zeit belagerte, ohne etwas auszurichten - denn drinnen leisteten sehr tapfere Soldaten der Römer Widerstand -, da schon auch sein Heer murrte und abzuziehen verlangte, da bemerkte Attila beim Umwandeln der Mauern, indem er überlegte, ob er abziehen oder bleiben sollte, weiße Vögel, Störche, die auf den Giebeln ihre Nester bauten, wie sie ihre Brut aus der Stadt schleppten und ganz gegen ihre Gewohnheit über die Felder davontrugen. Wie er denn ein ungemein scharfsinniger Beobachter war, bekam er gleich eine Ahnung der Zukunft und sprach zu den Seinigen: ,,Seht da, wie diese Vögel, die die Zukunft voraussehen, die zum Untergang bestimmte Stadt verlassen und wegen der drohenden Gefahr die Burgen fliehen, die bald fallen sollen. Man halte dies nicht für bedeutungslos, für ein unsicheres Zeichen; die Furcht vor dem Kommenden verändert durch die Vorahnung desselben die Gewohnheit". Kurz, die Seinigen ließen sich wieder von Kampfbegier entflammen, um Aquileja zu erstürmen- Maschinen wurden gebaut und Wurfgeschosse jeder Art in Anwendung gebracht, dann dringen sie unverzüglich in die Stadt ein rauben, plündern, sengen und brennen mit solcher Grausamkeit, daß sie kaum eine Spur von ihrem einstigen Dasein übrig ließen. Darnach rasten die Hunnen, schon mutiger und noch nicht gesättigt am Blute der Römer, durch die übrigen Städte Venetiens. Auch Mailand, das Haupt von Ligurien, einst eine Kaiserstadt, verwüsteten sie in gleicher Weise und stürzten auch Ticinum in dasselbe Unglück; ebenso verdarben sie die Nachbarorte mit ihrer Wut und richteten fast ganz Italien zugrunde. Als nun Attilas Absicht war, auf Rom loszurücken, hielten ihn die Seinigen davon ab, wie der Geschichtschreiber Priskus erzählt, nicht aus Rücksicht auf die Stadt, der sie feindlich waren, sondern im Hinblick auf das Schicksal Alarichs, des ehemaligen Königs der Westgoten, aus Besorgnis für das Leben ihres eigenen Königs; denn jener hatte Roms Sturz nicht lange überlebt, sondern war gleich darauf von hinnen geschieden. Während also sein Geist unschlüssig war in der schwankenden Wahl, ob er gehen oder nicht gehen solle, und bei sich überlegend noch zögerte, kam eine Friedensgesandtschaft von Rom zu ihm. Der Papst Leo begab sich nämlich persönlich zu ihm auf das Ambuleische Gefilde in Venetien, wo eine Übergangsstelle ist für den Verkehr über den Mincius. Darnach ließ Attila alsbald ab von seiner gewohnten Wut und kehrte darin zurück, von wo er gekommen war, nämlich über die Donau, nachdem er Frieden versprochen hatte. Jedoch erklärte er vor allen Dingen und bekräftigte mit Drohungen, er werde größeres Unheil über Italien bringen, wenn man ihm nicht Honoria, die Schwester des Kaiser Valentinian, die Tochter der Kaiserin Placidia, mit der ihr von den königlichen Schätzen gebührenden Mitgift senden würde. Man sagte, diese Honoria habe, da sie zur Zierde des Hofes auf Befehl ihres Bruders, um ihre Keuschheit zu wahren, eingeschlossen gehalten wurde, heimlich an Attila einen Eunuchen gesendet und ihn eingeladen, sie gegen die Macht ihres Bruders in Schutz zunehmen. Eine große Niederträchtigkeit, sich auf Kosten des Gesamtwohls die Freiheit zur Wollust zu verschaffen. Nachdem also Attila in sein Land zurückgekehrt war, reute ihn sozusagen die Ruhe, und da er es unerträglich fand, vom Krieg zu feiern, schickte er Gesandte an Marcian, den Kaiser des Ostens, und drohte ihm Verwüstung seiner Länder, weil er den einst von Theodosius ihm, dem Attila, versprochenen Tribut nicht zahle und sich weniger höflich zeige, als er es sogar von seinen Feinden gewohnt sei. Doch während er dieses betrieb, wandte er als ein durchtriebener und verschlagener Mensch auf der einen Seite drohend, nach der andern seine Waffen und kehrte sein Antlitz gegen die Westgoten, den noch allein übrigen Gegenstand seines Unwillens. Aber hier hatte er nicht denselben Erfolg wie bei den Römern. Er beschloß, auf andern Straßen als früher zurückzukehren und einen Teil der Alanen, der jenseits des Ligeris saß, sich zu unterwerfen, um dann, nachdem der Krieg durch diese ein anderes Aussehen bekommen hätte, um so furchtbarer dastehen zu können. So zog denn Attila aus Dazien und Pannonien, wo damals die Hunnen mit verschiedenen andern unterworfenen Stämmen wohnten, fort und führte seinen Heerbann gegen die Alanen. Aber Thorismund, der Westgotenkönig, der ebenso schlau wie Attila diese seine Hinterlist durchschaute, kam ihm in gewohnter Schnelligkeit bei den Alanen zuvor und trat schlagfertig den Bewegungen des schon nahen Attila entgegen. Als es dann zum Kampf kam, der fast den gleichen Verlauf nahm wie der in der Katalaunischen Ebene, da vereitelte er seine Siegeshoffnung, verjagte ihn aus seinem Land, schickte ihn ohne Triumph heim und nötigte ihn zur Flucht in seine Heimat. So mußte der berühmte Attila, der Herr so vieler Siege, da er die Schmach einer Niederlage von sich zu wälzen und die Schande, welche er von den Westgoten hatte ertragen müssen, zu tilgen suchte, zum zweitenmal dasselbe davontragen und zog ruhmlos zurück. Thorismund dagegen begab sich nach Abweisung der hunnischen Scharen von den Alanen ohne irgendwelche Verluste im Heer der Seinigen nach Tolosa. Da erkrankte er, nachdem er Ruhe und Frieden geschaffen, im dritten Jahr seiner Herrschaft; und während er sich zur Ader ließ, wurde er von einem ihm feindlich gesinnten Klienten Askalk, der ihm zugleich ankündete, daß seine Waffen entfernt seien, getötet. Aber mit der einen Hand, die er frei hatte, rächte er noch sein Blut und schlug mehrere seiner Feinde mit einem Schemel tot.
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