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" . . . und ewig grollen
die Vulkane, wenn die Göttin der Südsee nach Opfern
verlangt!"
Vulkanbergsteigen
in Indonesien
Eine Besteigung des Gunung
Rinjani (3726 m)
Gunung
heißt auf indonesisch Berg, wobei die meisten Berge Indonesiens
feuerspeiende Berge sind, Vulkane also. Rund 300 Vulkane gibt es
in Indonesien derzeit, darunter 125, die noch aktiv sind. Allein
auf der Insel Java befinden sich 35 zum Teil hochagressive
Killer-Vulkane. Die Gefahr eines Vulkanausbruchs ist demnach für
die Bewohner Javas, die mit 110 Millionen Menschen am dichtesten
besiedelte Insel des Archipels, vergleichsweise so groß, als
wenn man sich zwischen München und Hamburg drei Dutzend Ätnas
aufgereiht denkt. Der Indonesier kann daher sprichwörtlich
sagen, er habe, wo immer er auch sein möge, stets einen Vulkan
vor Augen. Die Insel Java liegt auf einem
"Feuergürtel" (Ring of fire), der sich auf
indonesischem Gebiet von den großen Sunda-Inseln Sumatra und
Java über die kleinen Sunda-Inseln Bali, Lombok und Sumbawa bis
nach Timor und Flores hinzieht, dann über die Molukken nach
Norden abschwenkt und in den Philippinen fortsetzt. Die Serie
schwerer und schwerster Ausbrüche, die stets von verheerenden
Erdbeben begleitet waren, ist bis heute nicht abgerissen und
liest sich wie eine Chronologie des Schreckens. Die schlimmste Katastrophe, die sich je durch
einen Vulkanausbruch in historischer Zeit ereignet hat, ist der
Ausbruch des Tambora auf Sumbawa im Jahre 1815, bei dem 90000
Menschen ums Leben kamen. Seine Sprengkraft entsprach der Wirkung
von 170000 Hiroshimabomben. 150 km3 Gestein wurden
dabei in die Luft geschleudert. Der Vulkan sackte von einer
geschätzten Höhe von 4300 m auf seine jetzige Höhe von 2821 m
zusammen und hinterließ eine riesige Einsturzcaldera von 7 km
Durchmesser. Aufgrund der riesigen Aschemassen, die bis in die
Stratosphäre geschleudert wurden, blieb im darauffolgenden Jahr
(1816) in Europa der Sommer aus (das berühmte Jahr ohne Sommer). Weitaus spektakulärer als der Ausbruch des
Tambora, und fälschlicherweise oft auch als größte
Naturkatastrophe in der Geschichte der Menschheit bezeichnet, war
der Ausbruch des Krakatau am 27. August des Jahres 1883. Es kamen
dabei zwar wesentlich weniger Menschen ums Leben, doch waren
immerhin noch 36000 Opfer zu beklagen. Die Sprengkraft entsprach
der von ca. 100000 Hiroshimabomben. Der Ausbruch dauerte 20
Stunden, in denen der Vulkan 18 km3 Gestein und Asche
in die Luft schleuderte. Ein dumpfes Grollen war noch im 2200 km
entfernten Australien und auf der Insel Madagaskar zu hören. Im
benachbarten Batavia (heute Jakarta) ließ man die Geschütze in
Stellung bringen, weil man glaubte, der Feind greife an. Eine 40
m hohe Flutwelle raste auf die Inseln Java und Sumatra zu, wo sie
erhebliche Verwüstungen anrichtete. Ein Dampfschiff, das gerade
die Sunda-Straße passierte, als es geschah, wurde später 4 km
landeinwärts gefunden. Dort, wo dereinst der Krakatoa, wie er in
der Landessprache genannt wird, aus zumeist aufgewühlter,
grünblauer See aufragte, befindet sich heute eine riesige
untermeerische Einsturzcaldera, deren Ränder an einigen Stellen
aus dem Meer emporsteigen (die Inseln Rakata, Sertung und
Panjang). Die höchste Erhebung dieses Kraterrandes ist der 885 m
hohe Inselvulkan Rakata. Im Jahre 1927 sah ein Fischer an der
Stelle, wo sich einst der Krater des Krakatoa befand, Luftblasen
aus dem Meer aufsteigen. Ein neuer Vulkan war geboren. Nach
seinem berühmten Vorfahren erhielt er den Namen Anak Krakatau,
d.h. Kind des Krakatau. Im Jahre 1930 war es dann soweit. Der
Anak Krakatau tauchte aus dem Meer auf. Der Vulkan, der seit
seiner Entstehung ca. 60mal ausgebrochen ist, durchschnittlich
1,2 mal im Jahr, hat heute bereits eine Höhe von mehr als 200 m
erreicht. Bei seinem letzten Ausbruch im Juni 1993 kam eine
amerikanische Touristin ums Leben, die von fliegenden Steinen
getroffen wurde und schwere Verbrennungen durch heiße Asche
erlitt. Noch auf dem Boot zurück ins Krakatau Beach Hotel erlag
sie ihren Verletzungen. Vier weitere Touristen, zwei Briten und
zwei Indonesier, erlitten ebenfalls Verletzungen. Die Ausbrüche des Tambora und des Krakatau
sind zwei extreme Beispiele für durch Vulkane verursachte
Naturkatastrophen in historischer Zeit. Aber auch in jüngerer
Zeit haben sich immer wieder Ausbrüche ereignet. Indonesiens
derzeit gefährlichster Vulkan, der Merapi (2911 m), bricht
periodisch alle zwei Jahre aus. Ein Ausbruch des Merapi führte
vermutlich zum Untergang des zentraljavanischen Reiches bzw. zur
Verlagerung des Machtzentrums nach Ostjava. Dies war wohl der
Hauptgrund, warum die Tempelanlage der Shailendra-Dynastie, der
Borobudur, das größte buddhistische Heiligtum der Welt,
aufgegeben wurde. Der Merapi zählt zu den sogenannten
Killervulkanen, die gänzlich unberechenbar sind und ohne jede
Vorankündigung ausbrechen. Dennoch dienen sechs Meßstationen
der ständigen Überwachung, um rechtzeitig Evakuierungen
einleiten zu können. Trotz ihrer Gefährlichkeit siedeln die
Menschen weiterhin am Fuße von Vulkanen, weil die zu Erde
gewordene Lava äußerst fruchtbar und ertragreich ist. So
gesehen sind die Vulkane Segen und Fluch zugleich. Eine ganze Reihe von Vulkanen auf Sumatra und
Java sowie auf den kleinen Sunda-Inseln sind lohnendes
Ausflugsziel, wenn man keine Mühen und Anstrengungen scheut, die
teilweise unmittelbar aus Meereshöhe sich erhebenden Riesen zu
erklimmen, unter denen einige bis nahezu 4000 m aufragen. Die
höchsten sind der Gunung Kerinci (3800 m) auf Sumatra, der
Gunung Rinjani (3726 m) auf der Insel Lombok und der Gunung
Semeru (3676 m) auf Java. Sie zählen damit zu den höchsten
Bergen Indonesiens überhaupt. Nur die schneebedeckten Gipfel
Irian Jayas sind höher. Viele Vulkane sind unzugänglich, weil
sie von dichtem tropischen Regenwald umgeben sind. Andere
wiederum, wie etwa der Tangkuban Prahu (2084 m) - von echten
Bergsteigern verächtlich als Drive-in-Vulkan bezeichnet, weil
die Straße fast bis an den Kraterrand hinauf führt - oder der
heilige Bromo (2302 m) auf dem Tengger-Massiv, werden von wahren
Völkerwanderungen heimgesucht. Ich habe natürlich auch diesen
Vulkan bestiegen, nur der Vollständigkeit halber, jedoch waren
die Gefühle nach der Besteigung sehr gemischt, weil man den Lohn
des Anstiegs mit anderen teilen muß, die sich das eigentlich
nicht verdient haben. Es empfiehlt sich, nicht wie die
unzähligen Pauschaltouristen, von denen einige schon am
Krückstock gehen, gleich nach Erklimmen der
"Hühnerleiter", die den letzten Teil des Wegs zum
Gipfel bildet, stehenzubleiben, sondern sich wenigstens die Mühe
zu machen, den Krater zu umrunden. Eine gespenstische Erscheinung
auf dem Kratergrund nach Art eines bengalischen Feuers deutet
darauf hin, daß der Schlund zur Hölle durchaus geöffnet ist.
Es scheint, als ob der Drache, der dort haust, jederzeit bereit
ist, den Rachen weit aufzusperren und alles zu verschlingen, was
in seiner Nähe ist. Nachdem sich die Sonne glutrot über den
Horizont erhoben hat, beginnt das Sandmeer des Tengger-Kraters
goldgelb zu leuchten. Bizarr zeichnen sich die scharfkantigen
Tufformationen wie Dünen über dem Meer ab. Den schönsten
Sonnenaufgang erlebt man jedoch nicht auf dem Bromo selbst,
sondern vom benachbarten Penanjakan (2702 m) aus, wo man die
Umrisse sämtlicher Vulkankegel innerhalb oder auf dem Rand der
Caldera sich gespenstisch gegen den rötlichen Morgenhimmel
abheben sieht. Insgesamt sieben Vulkankegel sind zu zählen,
darunter die Gipfel des Ider-Ider (2527 m), Widodaren (2614 m),
Kursi, Mingal (2480 m) und des Batok (2440 m), des Nachbarvulkans
des Bromo (Abb. 1). Vom hinteren Teil des Kraterrandes kann man
bereits die ständig aus dem Schlot des Semeru austretenden
weißen Rauchschwaden sehen. Allein um den Gipfel des Semeru
selbst sehen zu können, lohnt es sich, den Gunung Ider-Ider zu
besteigen. Der eigentliche Aufstieg zum Semeru beginnt in Rano
Pani und dauert ca. 12 Stunden, fordert einem also ein Maximum an
Ausdauer und Kondition ab, wenn man den Berg an einem Tag
bezwingen will. Andere lohnende Gipfelziele auf Java sind der
Doppelvulkan Gede (2958 m) und Pangrango (3019 m) im
gleichnamigen Nationalpark südöstlich von Bogor, der G. Guntur
(2249 m) nordwestlich von Garut, der G. Pangonan (2300 m) auf dem
Dieng-Plateau sowie der berüchtigte Merapi nahe Yogyakarta.
Keine Bergtouren im eigentlichen Sinne, aber dennoch lohnende
Ziele sind ein Ausflug zum Ijen-Krater im äußersten Osten
Javas, 500 m unterhalb des Merapi-Gipfels (nicht zu verwechseln
mit dem Merapi in Zentraljava), sowie eine Bootsfahrt von Labuhan
zu den weltberühmten Krakatau-Inseln im Ujungkulon-Nationalpark. Auf der Nachbarinsel Bali ist der höchste
Berg, der Gunung Agung (3142 m), das lohnendste Gipfelziel. Der
heilige Berg der Balinesen, und einer der vier Kardinalpunkte,
brach zum letzten Mal im Jahre 1963 aus, gerade zu dem Zeitpunkt,
wo die Balinesen in Besakih, dem Nationalheiligtum Balis, ihr
einhundertjähriges Tempelfest feierten. Wie durch ein Wunder
kamen die Lavamassen vor dem Heiligtum zum Stehen. Diejenigen
unter den Gläubigen, die sich in den Tempel geflüchtet hatten,
blieben unversehrt, die anderen jedoch, die nach draußen
flüchteten, kamen um. Mehr als 2000 Menschenleben forderte
dieser Ausbruch des G. Agung. Das hundertjährige Tempelfest der
Balinesen wurde 1979 nachgeholt. Für die Besteigung des Gunung Agung ist es
nötig, sich in Besakih einen Führer zu nehmen, da der Weg,
besonders bei unsichtigem Wetter, leicht verfehlt werden kann. Da
meist schon am späten Vormittag Wolken in der Gipfelregion
aufziehen, sollte man bereits um zwei Uhr nachts aufbrechen. Auf
dem Agung gibt es nirgendwo Wasser, so daß man an ausreichenden
Flüssigkeitsvorrat denken sollte. Der Anstieg dauert von Besakih
7-8 Stunden. Die Mühen des Aufstiegs machen sich jedoch bezahlt,
denn vom Gipfel genießt man bei klarem Wetter eine
unbeschreibliche Fernsicht. Weitaus weniger beschwerlich als der Gunung
Agung ist der Gunung Batur (1717 m) zu besteigen, der inmitten
einer der größten Calderen der Welt liegt, die zu einem Drittel
vom Batur-See ausgefüllt wird (Abb. 2). Wie der Agung im Osten,
so zählt nach dem Glauben der Balinesen auch der Batur zu den
vier Kardinalpunkten. Obwohl bergsteigerisch kaum eine
Herausforderung, ist die Besteigung des Batur dennoch
außerordentlich lohnend, da man vom Gipfel eine einzigartige
Rundsicht genießt. Da fällt der Blick zunächst in den Krater,
aus dem austretende Fumarolen von der immer noch ernst zu
nehmenden Gefährlichkeit des Vulkans künden, sodann hinab auf
den smaragdgrünen Batur-See, in den die Kraterwände senkrecht
abfallen, so daß bis heute keine Umrundung des Sees möglich
ist, nicht einmal zu Fuß. Weiter schweift der Blick auf den
Gunung Abang, der sich über dem gegenüberliegenden Kraterrand
erhebt und der majestätisch vom Gunung Agung im Hintergrund
überragt wird. Am gegenüberliegenden Seeufer erblickt man das
nur per Boot zu erreichende Bali-Aga-Dorf Trunyan, wo noch heute
uralten einheimischen Kulten der Totenverehrung gehuldigt wird.
Die Bali-Aga gelten Touristen gegenüber als sehr aggressiv. Man
spürt dies an der ungewöhnlichen Aufdringlichkeit der Händler
und der Führer, die sich einem für diese Tour anbieten. Man
kann den Weg, der zwischen Pura Jati und Toya Bungkah beginnt,
jedoch kaum verfehlen. Wie der Agung ist auch der Batur Ziel
vieler Rucksacktouristen aus Bali, die in Scharen auf den Berg
strömen und einem leicht die Freude an der Besteigung dämpfen
können. Eine der großartigsten Touren, die man auf
dem indonesischen Archipel unternehmen kann, ist die Besteigung
des Rinjani (3726 m) auf Lombok, der Nachbarinsel Balis.
Ausgangspunkt für dieses Unternehmen ist Batu Koq, das man von
Mataram aus über Anyar und Bayan erreicht. Man muß dafür
mindestens vier bis fünf Tage einplanen. Die Anreise von einem
der zwei Badezentren Balis bis zum Basecamp dauert einen ganzen
Tag, so daß man von der einzuplanenden Dauer der Tour insgesamt
zwei Tage abziehen muß. Zudem erfordert die Besteigung des
eigentlichen Rinjani-Gipfels, der den höchsten Punkt auf dem
Rand einer riesigen urzeitlichen Caldera darstellt,
bergsteigerische Erfahrung. Nach Padangbai, dem Fährhafen auf Bali in
Richtung Lombok, verkehren von Kute und Sanur Beach pausenlos
Colts und Minibusse, die aber meist mit Menschen vollgepfropft
sind. Dafür zahlt man einen Spottpreis von umgerechnet 2 DM. Wie
überall in Touristenzentren hat sich jedoch die Unsitte breit
gemacht, von Touristen den doppelten bis dreifachen Preis zu
verlangen. Die Überfahrt mit der Fähre nach Lembar
dauert vier bis fünf Stunden. Die Anlegestelle wäre zwar schon
nach vier Stunden erreicht, doch ist mit Sicherheit davon
auszugehen, daß eine andere Fähre im Hafen liegt und die
einlaufende erst noch eine halbe Stunde auf dem Teller drehen
darf, ehe jene voll beladen ist und auslaufen kann. Obwohl von
einem planmäßigen Fährbetrieb nicht die Rede sein kann, laufen
dennoch keine langen Wartezeiten auf, da genügend Schiffe
verkehren (ca. alle zwei Stunden). Wenn man in Lembar von der Fähre geht,
erwarten einen bereits die Schlepper. Man hüte sich, auf deren
Angebote einzugehen, da man in der Regel übers Ohr gehauen wird.
So wurde mir selbst die bittere Erfahrung zuteil, für die
Vermittlung eines Mietautos letztendlich einen Preis von
umgerechnet 65 DM bezahlen zu müssen, weil sich die
Verhandlungen derart lange hinzogen, daß der letzte Bus nach
Anyar bereits abgefahren war. Es stellte sich nämlich während
des Gesprächs heraus, daß man hier auf Lombok zwar auf
Kreditkarte Fahrzeuge mieten, darauf aber keine
Fahrzeugversicherung abschließen kann. So blieb mir denn in
Anbetracht der knappen Zeit nur die Möglichkeit, ein privates
Bemo mit Fahrer zu mieten. Die Fahrer sprechen zudem fast
ausnahmslos kein Englisch, so daß man zusätzlich einen
englischsprechenden Guide mitnehmen muß. Dabei hat man Mühe zu
verhindern, daß nicht auch noch all die anderen Guides
mitfahren, die noch kein Opfer gefunden haben. Hat man es
geschafft, die überzähligen abzuwimmeln, so kann man sicher
sein, daß man vom Sieger begleitet wird, der sich im darüber
entbrannten Streit durchgesetzt hat. In Batu Koq angekommen ist rasch eine Bleibe
für die Nacht gefunden. Es ist ein einfaches Quartier, dafür
aber preiswert. Eine Übernachtung mit Frühstück kostet
umgerechnet etwa 7 DM. Im Preis inbegriffen ist, daß der
Gastgeber seinem einzigen Gast den ganzen Abend Gesellschaft
leistet. Wir plaudern über Gott und die Welt, soweit dies
aufgrund meiner zur Gänze fehlenden Indonesischkenntnisse, die
sich auf die wichtigsten Höflichkeitsformeln beschränken, sowie
dem mangelhaften Englisch meines Gesprächspartners überhaupt
möglich ist. Auch wenn die Konversation schwierig ist, das
Wichtigste dabei ist, daß wir uns beide Mühe geben. So wie ich
Anom - so heißt mein Gastgeber - verstanden habe, sollte die
erste Tagesetappe bei Basecamp III enden und tags darauf bis
Basecamp IV fortgesetzt werden. Ich habe indessen nicht die Zeit,
das Ganze hinauszuzögern, wie vielleicht andere, und muß auf
jeden Fall noch morgen in den Krater absteigen und den Zeltplatz
erreichen, denke ich insgeheim. Auf die Frage, ob dies möglich
sei, verneint mein Gastgeber. Ich bin jedoch fest davon
überzeugt, daß ich den 7- bis 8stündigen Marsch bis zum
Campingplatz schaffen werde. Ob es auf Position IV Wasser gebe,
frage ich Anom, wie man im Reiseführer lesen kann. "Ja
gewiß", antwortet dieser, worauf ich mich entschließe, die
Feldflasche leer mitzunehmen und erst an Ort und Stelle
aufzufüllen. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich später
herausstellen sollte! Das Frühstück ist ebenso spartanisch wie das
Nachtlager: eine aufgeschnittene Banane, mit Ananasstückchen
serviert, dazu ein Glas Tee. Da ich nicht weiß, wie ich daraus
Kraft für einen anstrengenden Aufstieg schöpfen soll, packe ich
meine in Mataram gekauften Lebensmittel aus, um den Speisezettel
etwas zu bereichern, natürlich nicht ohne meinem Gastgeber etwas
von den Keksen anzubieten. Mein Appetit ist ohnehin nicht groß
an diesem Morgen, und als dann auch noch die Frühstücksratte an
meinem Zimmer vorbeihuscht, ist er vollends dahin. So beschließe
ich denn, mich unterwegs zu stärken, wenn mich wider Erwarten
angesichts des schwülheißen Klimas der Heißhunger packen
sollte. Als ich Position I erreiche, lese ich es mit
eigenen Augen: 28 Stunden bis zum Gipfel. "Mein Gott",
denke ich mir, "soviel Zeit habe ich doch gar nicht".
Folglich entschließe ich mich, wenigstens das maximal Mögliche
herauszuholen. Auf Position I muß eine Gebühr für das Betreten
des Nationalparks entrichtet werden, umgerechnet 2 DM. Dafür
darf man sich dann auch in eine Liste eintragen. Eine Anmeldung
im eigentlichen Sinne, die im Ernstfall eine Suchaktion nach dem
Verunglückten auslösen würde, ist dies jedoch nicht,
allenfalls ein Erfassen von Besucherzahlen. Bei Position I beginnt ein schmaler Pfad, der
zunächst über landwirschaftlich genutze Flächen führt, bis
sich die Spuren der Zivilisation allmählich verwischen. Urwald
tritt nun anstelle der Gärten und Felder, saftiger, turmhoher,
immergrüner tropischer Regenwald vom Feinsten! Der Weg ist immer
noch gut zu erkennen, einen Führer braucht man wirklich nicht.
Dennoch wird man als Einzelgänger hier nicht gern gesehen. Die
mir entgegenkommenden Einheimischen, allesamt entweder Träger
oder Guides, grüßen entweder überhaupt nicht, oder aber sie
erwidern den Gruß nur widerwillig. Der Grund hierfür dürfte
darin liegen, daß die Einheimischen es als ihr Privileg ansehen,
das Gepäck oder die Verpflegung von Touristen tragen zu dürfen
oder sie zumindest zu führen, und jeder, der dieses Angebot
ausschlägt, macht sich unbeliebt, weil er dem Geschäft schadet.
Ich bin vom Basislager nicht allein weggegangen, sondern zusammen
mit einigen jungen Leuten, die mich jedoch bald überholten.
Getreu meinem Prinzip, gleichmäßigen Schrittes und ohne
Stehenbleiben Fuß um Fuß voranzusetzen, zeigte sich schon bald,
daß ich die offenbar Unerfahrenen wieder einholen sollte, als
sie müde und abgekämpft in Basislager II (1550 m hoch) ausruhen
mußten. Ich kann daher nur jedem raten, anfangs nicht allzu viel
aus sich herausholen zu wollen, um unterwegs keine längeren
Verschnaufpausen einlegen zu müssen. Bin ich morgens bei noch klarem Himmel und
strahlendem Sonnenschein losgegangen, so ziehen schon bald im
Laufe des Vormittags Wolken auf, die den Dschungel gegen Mittag
in einen alles einhüllenden tropischen Nebelwald verwandeln.
Daß es plötzlich nicht mehr so heiß ist, macht die Last des
Rucksacks leichter, das Gehen wird erträglicher. Da ich mit
allen Eventualitäten rechnen mußte und weder die örtlichen
Gegebenheiten noch die klimatischen Verhältnisse richtig
einschätzen konnte, habe ich alles mitgenommen, was im Führer
stand, u.a. auch ein Leichtzelt, einen Anorak und darüber hinaus
Photoapparat und Videokamera. Ich bezweifle aber aus heutiger
Sicht, ob man ein Zelt wirklich braucht, denn viele, die mir
entgegenkamen, gaben an, daß sie am Kraterrand allein im
Schlafsack übernachtet hätten, um am nächsten Morgen dort den
Sonnenaufgang erleben zu können. Ich kann mir trotzdem nicht
vorstellen, daß dies sonderlich bequem gewesen sein dürfte,
denn ebene Liegeflächen habe ich nicht entdecken können. Oberhalb der Wolkengrenze, die man bei etwa
2000 - 2200 m durchbricht, herrscht in der Trockenzeit meist
eitel Sonnenschein, so daß die Farben voll zur Geltung kommen:
das tiefe Himmelblau, das satte Grün einer nunmehr alpinen
Flora, das leuchtende Weiß der unter mir liegenden geschlossenen
Wolkendecke und das knallige Gelb des nackt zutage tretenden
Lavagesteins. In der Ferne ragt hoch über den Wolken der Gunung
Agung heraus. Beide Vulkane, den Rinjani und den Agung, kann man
praktisch aus der Vogelperspektive betrachten, wenn man, etwa auf
dem Flug von Bali nach Sulawesi, die Lombok-Straße überquert,
durch die jene imaginäre Linie verläuft, die, nach dem
britischen Botaniker Wallache benannt, die westliche asiatische
von der östlichen australischen Flora trennt. Zugegeben, für
mich Laien sieht die Pflanzenwelt hüben wie drüben ziemlich
gleich aus. In jenen glühenden Höhen fließt der
Schweiß reichlich von der Stirn. Meine 1,5-Liter-Wasserflasche,
die meinen gesamten Vorrat an Trinkbarem darstellt, ist, noch ehe
ich den Kraterrand erreiche, leergetrunken; frisches Quellwasser
gibt es nirgends, weder auf Position III noch auf Position IV,
wie ich von Entgegenkommenden erfahren muß. So treffe ich denn
jene einzig sinnvolle Entscheidung in solcher Lage, die mir
zugegebenermaßen ziemlich schwergefallen ist, nämlich -
umzukehren. So wie es aussah, würde ich wohl auf den Gipfel des
Rinjani verzichten müssen. Noch nicht einmal mehr der Abstieg in
den Krater sollte mir vergönnt sein. Dafür jedoch werde ich
entschädigt mit einem Blick auf eine archaische Landschaft, wie
ich sie selten irgendwo auf der Welt gesehen habe, vergleichbar
höchstens mit dem Monument Valley in Arizona oder dem Blick vom
Assekrem auf das Hoggar-Massiv in der algerischen Sahara. Nicht
die Photos und nicht die Filme, die ich mir hinterher ansah,
vermögen mehr das Gefühl auszudrücken, das mich völlig
Erschöpften, halb Verdursteten befiel, als ich nach unendlich
scheinender Zeit mit letzter Kraft den Kraterrand erreichte, wie
vom Blitz getroffen dastand, von der Schönheit überwältigt,
das Auge hinabschweifen ließ in einen von schroffen,
steilabfallenden Kraterwänden idyllisch in eine vielfarbige
Landschaft eingebetteten See -
Segara Anak - inmitten einer riesigen Caldera,
jäh überragt von der zackigen Spitze des 3726 m hohen
Rinjani-Gipfels. Einem Spaziergang gleich
scheint mir das letzte Wegstück auf den lang ersehnten, in so
greifbare Nähe gerückten Gipfel, der dennoch so unendlich fern
liegt. Hätte ich bloß noch etwas Wasser gehabt, ich hätte
keine Anstrengungen und Mühen gescheut, mein Ziel zu erreichen.
Wo sich noch Sekunden vorher eine heiße Hölle auftat, war
plötzlich ein Garten Eden, auch wenn der inmitten des
verästelten Kratersees gelegene, neu entstandene Vulkan Baru
(Abb. 4), der wie ein Zwerg wirkt, leichtes Kribbeln verursacht.
Der Baru hat nämlich noch keine Höhe erreicht, die ihn über
den Rand der Caldera hinausragen ließe, wie etwa der
Batur-Vulkan, sondern liegt so weit unter uns, daß man von oben
in seinen Krater hineinschauen kann. In die Caldera kann man nur
an einer einzigen Stelle absteigen. Nur wenige Schritte rechts
von der Stelle, wo der Weg den Kraterrand erreicht, führt ein
steiler Pfad die mehrere hundert Meter hohen, senkrecht in den
See abfallenden Wände hinab. Der Abstieg dauert zwei bis drei
Stunden. Unten angelangt, führt ein Weg links am Seeufer entlang
zu dem oben erwähnten Zeltplatz mit Unterstandshütte (Pos. IV).
Von hier aus starten die Besteigungen des Rinjani-Gipfels. Der
Aufstieg vom Seeufer und zurück dauert etwa 10 Stunden. Der Rückweg verläuft nicht ganz reibungslos.
Mehr als tausend Male wollte man mir schon Wasser verkaufen,
jedoch jetzt, wo ich es so dringend benötigte, war niemand, der
da rief: "Hello Sir ... water ... fresh ... one thousand
Rupiah!" Ich glaube, ich hätte in dem Moment auch 20 DM
für die Flasche gezahlt. Keiner von denen, die mir begegnen,
will mir etwas verkaufen. Allein ein hilfsbereiter Indonesier
tritt mir auf dem Rückweg eine viertel Flasche frischen, reinen
Quellwassers ab und will noch nicht einmal etwas dafür nehmen.
Was für einen erschöpften Eindruck mag ich wohl auf ihn gemacht
haben? Noch vor Einbruch der Nacht will ich den
Urwald verlassen haben. Gegen halb sieben setzt die Dämmerung
ein. Die Nacht fällt schlagartig ein in äquatorialen Breiten.
Kaum ist es dunkel, erwacht der Urwald zum Leben. Überall auf
den Bäumen beginnt es zu rascheln, und die Laute der Wildnis
werden nun eindringlicher. Irgendwo ganz in der Nähe kreischt
es, Geflatter! Ein wildes Tier mag ein Opfer gefunden haben. Die
Affen in den Baumwipfeln beginnen unruhig zu werden. Furchtsame
Gedanken umfangen mich. Wäre es nicht denkbar, daß noch
irgendwo ein wildlebender Sumatra-Tiger in diesen entlegenen
Bergregionen sein Unwesen treibt? Werde ich womöglich auf eine
der zahlreichen Schlangen treten, von einer giftigen Spinne
gebissen? Obwohl ich stundenlang mutterseelenallein meines Weges
gehe, kommen mir ab und zu, wenngleich immer seltener, Leute
entgegen, die das Gröbste noch vor sich haben. Auch die Minen
der Einheimischen werden zusehends bedrohlicher. Aber jede Qual
hat einmal ein Ende, und so komme auch ich, als die Sonne glutrot
am Himmel versinkt, heraus aus dem dunklen Wald. Wie angenehm
sind doch plötzlich wieder die Reisfelder! Auch einen Stand mit
Wasser gibt es. Den ersten Liter trinke ich in einem Zuge. Noch
köstlicher schmeckt anschließend das Bier in meiner Unterkunft,
auch wenn es eigentlich zu warm ist. Spät abends gegen zehn Uhr erreichte ich
wieder die Losme, in der ich auf dem Hinweg übernachtet habe.
Mein staunender Gastwirt will mir zunächst gar nicht glauben,
was ich an diesem einen Tag alles geleistet habe, der einzige
übrigens, der diese Leistung voll zu würdigen wußte: 2200
Höhenmeter in 6-7 Stunden allein für den Aufstieg, und zurück
an einem Tag! Auf der Rückfahrt am nächsten Morgen
verarbeite ich das Erlebnis noch einmal vor meinem geistigen
Auge. Alles andere lasse ich über mich ergehen. Ich werde nur
noch weitergereicht, vom Losmenbesitzer zum Becakfahrer, vom
Becakfahrer zum Bemofahrer, Hafen- und Zollgebühren müssen
entrichtet werden, und unversehens bin ich wieder auf meiner
Fähre nach Bali. Es war ein großartiges Erlebnis, ein Ausflug
ins Tertiär, als jenes dumpfe Grollen eines Berges, welchen wir
heute den Rinjani nennen, ankündigte, daß er in den nächsten
Stunden in die Luft fliegen würde. Wie viele Jahrtausende mögen
seitdem vergangen sein, welche Katastrophe mag sich wohl damals
ereignet haben? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, daß die
Erde seither noch immer nicht zur Ruhe gekommen ist.
" . . . und ewig grollen die Vulkane, wenn
die Göttin der Südsee nach Opfern verlangt!"
Copyright © M. Hiebl 1993. Alle
Rechte vorbehalten
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