Begraben: St-Denis, ihr Herz in Citeaux
Tochter des Herzogs Robert II.
von Burgund und der Agnes von Frankreich,
Tochter von König Ludwig IX.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 341
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Jeanne de Bourgogne, Königin von Frankreich
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* 1293, + 12. Dezember 1349 an der Pest
Begraben: St-Denis, ihr Herz in Citeaux
Tochter Herzog Roberts II. von Burgund und der Agnes von Frankreich
oo Juni 1313 Philipp VI. von Valois
Wurde am 19. Mai 1328 gemeinsam mit ihrem Gemahl zu Reims
inthronisiert. Die intelligente, gebildete und fromme Königin wurde
oft von ihrem Mann zu Rate gezogen und spielte eine gewisse politische
Rolle. 1338 wurde sie zur Regentin ernannt. Die Festigung der Verbindungen
Frankreichs mit dem Reich und Burgund sind ihr Verdienst. Dennoch wurde
sie von späteren Chronisten als die 'male reine boiteuse‘ geschmäht.
Unter ihren mindestens 10 Kinder war König
Jean II. Sie machte zwei Testamente: 11. Mai 1329 zu St-Denis,
3. Februar 1336 zu Carcassonne.
JOHANNA VON
BURGUND (2) - die "böse, hinkende Königin"
* um 1293, + 12. September 1348
Paris
Erste Gemahlin Philipps VI. von Valois (* 1293; König 1328-1350); Heirat 1313
Johanna von Burgund,
die erste Königin des neuen Hauses VALOIS,
ist eine Schwester jener unglücklichen Margarete
der Ehebrecherin, die Ludwig X. den Zänker,
betrogen hat und im Kerker vegetierte, bis sie wohl umgebracht wurde. Sie
trägt den gleichen Namen wie Johanna von
Burgund (1), die als Gemahlin Philipps
V. des Langen als Mitwisserin in den Skandal der "königlichen
Schwiegertöchter" verwickelt war und in Gnaden wieder aufgenommen
wurde, darf mit ihr aber nicht verwechselt werden.
Johanna, Tochter
Roberts II. von Burgund und der Agnes
von Frankreich, gehört der gleichen Generation von Prinzessinnen
an, wie die berüchtigten Schwiegertöchter, ähnelt ihnen
aber kaum. Sie hat keinesfalls die gleiche Lebenseinstellung und schon
gar nicht deren Lebenshunger. Johanna
ist keineswegs hübsch, überdies hinkt sie. Sie ist intelligent,
gebildet, weit mehr als es für Prinzessinnen ihrer Zeit üblich
ist, und noch dazu willensstark.
Mit Philipp
von Valois 1313 verheiratet, hat sie nichts mit dem Skandal
zu tun, der im folgenden Jahr explodiert. Johanna
wird zahlreiche Kinder zur Welt bringen: ein Dutzend, jedoch
stirbt von ihnen die Hälfte jung. Der Sohn aber, der am 26. April
1319 im Schloß Gue de Mavry bei Mans das Licht der Welt erblickt,
Johann Herzog der Normandie, wird eines Tages König von
Frankreich sein. Er ist fünf Jahre alt, als Philipp
der Schöne 1314 stirbt [Richtigstellung: Johann
kann 1314 nich fünf Jahre alt sein, wenn er erst 1319 geboren
wurde.].
Johanna kann sich keine Chance
ausrechnen, jemals den Thron zu besteigen. Der verstorbene König hat
drei Söhne hinterlassen. Ihr Mann dagegen ist nicht einmal ein direkter
KAPETINGER, nur ein Neffe - wohlgemerkt
aber in männlicher Linie.
Und dennoch wird das Unmögliche Wirklichkeit. 1314
[Richtig: 1316] stirbt der erste der Königs-Söhne, Ludwig
der Zänker, ohne Erben, 1322 der zweite, Philipp
V., und im Februar 1328 wird der dritte, Karl
IV., sich zur KAPETINGER-Dynastie,
die unter den Gewölben von Saint-Denis bestattet ist, gesellen. Die
Königin-Witwe
Johanna von Evreux ist schwanger, aber trägt sie einen
Sohn?
Die Vakanz des Thrones muß überbrückt
werden. Johannas Gemahl, Philipp
von Valois, ein weithin anerkannter Ritter, wird von den großen
Baronen damit beauftragt. Er ist der Statthalter eines erst zu gebärenden
neuen Herrn von Frankreich. Sofern es ein Herr ist. Man kann sich vorstellen,
wie gebannt Johanna, ihr Mann, die
Barone, Frankreich auf die Niederkunft warten. Man kann sich ausmalen,
wie erleichtert Johanna und ihr Gemahl
die Geburt einer Blanche begrüßen.
Die Barone ihrerseits wählen nun Philipp
von Valois. Als Philipp VI. wird
er 1328 zusammen mit Johanna von Burgund
zu Reims gesalbt.
1331 konstatiert Philipp zugunsten
seiner Frau in ebenso formeller, wie zuneigungsvoller Form: "Angesichts
des guten Verhältnisses, der großen Wohltaten, Liebe und Loyalität,
die wir immer bei unserer vorgenannten Gefährtin gefunden haben, welche
lange in unserer Gesellschaft verweilt hat, ferner des Adels der Abkommenschaft,
aus der sie hervorgegangen ist und sofern sie, nach unserem Ableben, uns
überleben sollte, käme es ihr zu, einen guten, großen und
angemessenen Stand zu halten, wie er einer Königin von Frankreich
zukommt, hoffend, daß, im Fall, da sie uns überlebt, sie ein
friedliches und unbestrittenes Witwentum habe, haben wir unserer vorgenannten
Gefährtin im Vollbesitz unserer Geisteskräfte und unserer vollen
Macht und königlichen Autorität, geschenkt, übereignet,
gesiegelt und vermacht ... 25.000 Pfund an Land oder Erträgnissen
auf die Schlösser, Vogteien, Städte und Dörfer, die wie
folgt aufgelistet sind ... Im einzelnen Montargis, Lorris-en-Gatinais,
Vitry-aux-Loges, Boiscommun, Chateauneuf-sur-Loire, Corbeille, Fontainebleau,
Moret ..."
Die Chronisten dagegen zeichnen
Johanna als "böse, hinkende Königin", die auf ihrem
Mann einen verderblichen Einfluß geübt habe. Sie werfen ihr
vor allem vor, ihn zu eng den Interessen des Papsttums und ihrer eigenen
Familie verbunden zu haben.
Philipp VI. ist von
den hehren ritterlichen Lehren viel zu geprägt, als daß er sich
dem Apell Papst Benedikts XII. hätte entziehen wollen, der den christlichen
Adel - erneut - zu.r Befreiung der Heiligen Stätten aufruft. Philipp
rüstet zum Kreuzzug, versucht eine Flotte zusammenzustellen. In seinem
eigenen Königreich aber verschlechtert sich die Lage so rasch, daß
er sich gezwungen sieht, auf eine Expedition in so ferne Lande zu verzichten.
Trotz der Entscheidung der französischen Barone für den VALOIS
betrachtet sich nämlich Eduard III.,
Philipps
des Schönen Enkel, als rechtmäßiger König
von Frankreich. Philipp VI. seinerseits
unterstützt die Schotten, in der Hoffnung, durch diese Front Eduard
zu
beschäftigen. 1333 aber schlägt der englische König bei
Halidon-Hill die Schotten und besetzt die Lowlands. 1337 bricht der fatale
Konflikt auf, der Europa ein Jahrhundert lang - mit Pausen - beschäftigen
wird. Die Franzosen versuchen zunächst das englische Guyenne "anzuknabbern".
1339 schlägt
Eduard III. kühn
zurück, erstmals setzt er auf den Kontinent über. 1340 wird die
französische Flotte in der Nordsee vernichtet. Sechs Jahre lang folgt
Kleinkrieg in der Guyenne und Bretagne.
1346 setzte der englische König mit großer
Flotte - eintausendzweihundert Schiffen - nach Saint-Vaast-la-Hougue über.
Mehrere Städte falen in seine Hand: Caen, Lisieux, Vernon, Poissy.
Allerdings wagt sich Eduard III. nicht
an das gut befestigte Paris. Er zieht nach Norden, quer mit 10.000 Bogenschützen
und 18.000 Leichtbewaffneten die Somme. Im Forst von Crecy kommt es am
26. August 1346 zum entscheidenden Treffen. Philipps
Ritter sind in dreifacher Überzahl, aber in ihren herkömmlichen
schweren Rüstungen eine Beute der beweglichen, leichtfüßigen
Bogenschützen Eduards mit ihren
neuen Long-Bows. In drei Wellen greift die französische Armee an und
wird im Pfeilregen buchstäblich vernichtet, ehe sie auch nur die englischen
Linien erreicht. Eine neue Waffentechnik und Strategie erweist sich als
siegreich. Frankreich hat nicht genügend darauf geachtet. Es wird
nicht das letztemal in diesem Jahrhundertkrieg sein. Für die Engländer
ist nun der Weg in den Norden frei; insbesondere zum strategisch wichtigen
Ort Calais, der die freie Verbindung zwischen England und dem Kontinent
sichert.
1346 ist aber nicht nur militärisch ein schreckliches
Jahr. Aus dem Orient eingeschleppt, man sagt durch Ratten, die im Hafen
von Marseille an Land gelangen, verbreitet sich die schwarze Pest,
das "große Sterben" über Europa, rafft Millionen ohne Unterschied
von Stand und Rang dahin - etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung.
In Paris sterben 50.000 Menschen von 200.000 Einwohnern. Auch die Königin
Johanna stirbt am 12. September 1348 an dem schrecklichen
Schwarzen Tod. Sie wird in Saint-Denis bestattet, ihr Herz aber in die
Abtei von Citeaux überführt. Wenige Monate später verheiratet
sich Philipp VI. mit einer sechzehnjährigen
Prinzessin: Blanche von Navarra.
Manche haben in Johanna eine
schreckliche Megäre sehen wollen, die mit pathologischer Boshaftigkeit
begabt war, sie die "Hinkende", die "böse Königin" genannt und
ihren Tod als "Gerechtigkeit des Himmels" bezeichnet. Sicher ist, daß
diese Mutter ihren Kindern einen "unruhigen Geist" einpflnzte.
Im Mai 1328 begab sich der König
mit seiner Frau Johanna,
der Schwester des burgundsichen Herzogs
Odo, nach Reims, wo am 29. Mai, dem Dreifaltigkeitssonntag,
in Anwesenheit zahlreicher Pairs und Barone sowie des Königs
Johann von Böhmen die besonders feierlich
und kostenaufwendig ausgestaltetete Königsweihe stattfand.
Philipp VI.
heiratete, nachdem seine Frau Johanna
im Dezember 1349 gestorben war, bereits am 19. Janaur 1350 Blanche,
die Tochter König Philipps von Navarra.
Tuchmann Barbara: Seite 53,103,127
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"Das ferne Mittelalter. Das dramatische 14. Jahrhundert."
König Philipp wurde
von seiner Frau beherrscht, der "bösen, lahmen Königin" Johanna
von Burgund, einer bösartigen Frau,
die obwohl sie eine Förderin der Künste und der Wissenschaften
war, weder geliebt noch geachtet wurde.
Obwohl die Sterblichkeitsrate unter
den anonymen Armen höher war, starben auch die Großen. König
Alfons XI. von Kastilien war der einzige
regierende Monarch, der der Pest zum Opfer fiel, aber sein Nachbar, König
Peter von Aragon, verlor seine Frau, Königin
Leonora, sein Tochter Marie
und eine Nichte innerhalb von sechs Monaten. Johannes
Kantakuzenos, Kaiser von Byzanz, verlor
seinen Sohn. In Frankreich starben die lahme
Königin Johanna und ihre Schwiegertochter
Bonne
von Luxemburg, die Frau des Dauphin, im
Jahre 1349, zur gleichen Zeit also wie Enguerrands Mutter. Königin
Johanna von Navarra, Tochter
Ludwigs X., war ein weiteres Opfer. Johanna,
die Tochter Eduards III.
starb auf dem Weg zuu ihrem zukünftigen Ehemann, Peter
von Kastilien, in Bordeaux.
Aber schon Johanns
Vater war "ung bien hastif homs" (ein sehr ungeduldiger Mann) gewesen,
und die Vetternehen der letzten Jahrhunderte waren für die VALOIS
nicht ohne Folgen geblieben. Johann
übernahm von seinem Vater die Zweifel an der Legitimität seiner
Herrschaft genauso wie dessen ständige (nicht unbegründete) Angst
vor Verrat. Von seiner Mutter, der lahmen Königin, hatte er die Rachsucht
geerbt. Denn trotz ihrer Frömmigkeit und ihrer guten Werke wurde sie
"eine grausame" Herrin genannt, "denn wen sie haßte, der war ohne
Gnade tot". Ihr schrieb man auch zu, ihren Gatten zu der Tat getrieben
zu haben, die seine Zeitgenossen so entsetzte - die Hinrichtung von fünfzehn
bretonischen Rittern, die seine Gefangenen waren.
Johannas Schwester
Margarete,
Gemahlin König Ludwigs X., wurde
auf dessen Befehl am 14.8.1315 im Kerker erdrosselt.
1313
oo 1. Philipp VI. König von Frankreich
1293-22.8.1350
Kinder:
Johann II. der Gute
26.4.1319-8.4.1364
Philipp Herzog von Orleans
1.7.1336-1.9.1375
Marie
um 1326-22.9.1333
29.9.1332
oo Johann Erb-Prinz von Brabant
24.11.1327-22.9.1333
Ludwig
17.1.1328-17.1.1328
Ludwig
8.6.1330-23.6.1330
Johann
-2.10.1333
Literatur:
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Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 251,254,264,267
- Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada
bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg
1996 Seite 180-183 - Tuchmann Barbara: Das ferne Mittelalter. Das
dramatische 14. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag 1980 Seite 53,103,127
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